Actions

Work Header

Hell of a Month

Chapter 4: No. 3: “I look in people’s windows, transfixed by rose golden glows.” Isolation | Candlelight | Found Family

Summary:

"Ich werde bald für eine Weile dich nicht mehr besuchen kommen, Adam." Warmes Porzellan wird ihm in die Hände geschoben und in Boris' Blick liegt so viel Sorge und Traurigkeit, dass Adam schwer schlucken muss.

"Verreist du?", fragt er mit bebender Stimme und nimmt hastig einen Schluck. Die heiße Milch verbrennt leicht seinen Gaumen.

"So ähnlich", seufzt sein Onkel und spült den Topf unter fließendem Wasser aus.

Notes:

Heute etwas, das schon länger gesimmert hat und sich für den Whumptober dann perfekt angeboten hat!
Viel Spaß heute noch mal mit Boris und Adam. In meinem HC war Boris nicht immer so abgebrüht gegenüber Adam, aber wie er selbst sagt, der Knast macht Dinge mit einem.

Vielen Dank für Eure Kommentare & Klicks <3

Summary & Content Warnings/Trigger Warnings

Canon-Typical Violence, Gewalt gegen ein Kind, der Schrank, Boris, Kälte der Erde-Reference

Chapter Text

No. 3: “I look in people’s windows, transfixed by rose golden glows.” Isolation | Candlelight | Found Family

Da hilft auch kein Kako

"Nein, Papa! Bitte nicht!"

Adam versucht sich mit Schreien und Strampeln aus dem festen Griff seines Vaters zu befreien. Wie ein Schraubstock halten die Pranken ihn gefangen und ersticken mit jeder weiteren Sekunde Adams Befreiungsversuche im Keim.

Sein Vater ist zu stark und egal wie schnell Adam vor ihm hat fortlaufen wollen, es ist unmöglich gewesen. Bis zur Grundstücksgrenze ist er gekommen. Dort wo das quietschende Gartentor den Zugang zur Freiheit versperrt. Er hat das Tor nicht aufbekommen, da haben sich die Hände seines Vaters um seinen Arm geschlossen und zurück zum Haus gezerrt.

Für einen Moment hat er sich wieder losreißen können. Sein Fluchtversuch wäre vermutlich auch geglückt, wenn die Angst ihm nicht ein Bein gestellt und ihn auf dem nassen Rasen hätte straucheln lassen. Sein Vater ist direkt hinter ihm gewesen, hat ihn zu Boden gepresst, ihn bewegungsunfähig gemacht. Das Gesicht ist puterrot angelaufen, aus den Augen stoben eiskalte Blitze, die Adam auch manchmal nachts in seinen Träumen verfolgen und ihn schreiend aufwachen lassen.

Doch niemand hört seine Schreie. Seit sie in diesem neuen Haus wohnen, dass wie eins dieser Krematorien aussieht, die er mal auf einem Friedhof gesehen hat, gibt es keine Nachbarn mehr, die ihn hören. Hier verhallen seine Schreie ungehört im Wald. Vielleicht schrecken sie Tiere auf, doch die flüchten sich nur tiefer ins Dickicht und würden ihm nicht helfen.

Da ist es in dem großen Wohnblock mit den vielen Nachbarn anders gewesen. Oft haben die Nachbarn haben angefangen Fragen zu stellen und Adam ist zwar erst neun, aber er hat schon verstanden, dass sein Vater mit seinen Ausreden am Ende war. Niemand glaubt mehr, dass Adam sich die Geschichten nur ausdenkt. Nicht, wenn er mit Schrammen und sichtbaren Blutergüssen im Hof spielt.

Einmal hat er sich getraut bei der netten alten Frau Wenzel zu klingeln, die ihm manchmal heimlich Schokolade im Hausflur zusteckt. Er weiß, dass sie eine Enkelin hat, die sie nicht mehr so oft besuchen kommt, weil sie schon groß ist und etwas mit Medizin studiert. Ob sie ihm helfen kann und die Polizei rufen kann, damit sie seinen Papa holen, hat er mit aufgeregt pochenden Herzen gefragt, als er auf der altmodischen Couch mit bestickten Überwürfen saß.

Erschrocken hat sie ihn angesehen und ihn eindringlich gemustert. Adams linkes Auge war geschwollen gewesen, die Abdrücke von drei Fingern deutlich auf seiner Wange sichtbar.

Am Ende hat sie nicht die Polizei gerufen, da sein Vater ihn dort fand und ihr ein Märchen auftischte, dass Adam sich in der Schule gerauft hat und nun Lügen herumerzählt.

Adam hat an Frau Wenzels skeptischen Blick sehen können, dass sie seinem Vater keinen Glauben schenkt. Auch, wenn sie ihm in diesem Augenblick nicht hat helfen können, wusste Adam, dass sie es beim nächsten Mal tun würde.

Nur ist die Chance für ein nächstes Mal gekommen.

Am nächsten Tag stand ein Möbelwagen vor der Tür und brachte sie und ihre wenigen Besitztümer hierher.

Adam fürchtet sich vor dem Haus, der Stille, die es umgibt und ihn verschluckt. Der angrenzende Wald malt in der Nacht gespenstische Schatten an seine Decke, auch wenn Adam weiß, dass er sich draußen vor nichts fürchten muss.

Das Einzige, wovor er sich wirklich fürchten muss, schläft im Zimmer am Ende des Gangs.

Er weiß nicht mal, was den Zorn seines Vaters an diesem Tag heraufbeschworen hat.

Onkel Boris ist zu Besuch gekommen und hat mit Adam im Garten Fußball gespielt, während seine Eltern für Besorgungen fortgefahren sind. Sonst ließen sie ihn allein, eingesperrt in seinem Zimmer.

Seit sie in dem neuen Haus wohnen, kommt Onkel Boris nicht mehr so oft vorbei. Adam hat seinen Vater mal sagen hören, dass er Boris nicht in dieser Gegend sehen wollte. Die Nachbarn würden sonst die Polizei rufen, wenn jemand so zwielichtiges hier ein- und ausging und dass es Rolands Ruf schaden würde.

Adam hat das nicht verstanden. Sein Onkel Boris ist nicht zwielichtig. Er lacht viel mit Adam, spielt mit ihm und konnte früher so tolle Geschichten von Räubern erzählen, die mutig und selbstbewusst sind und sich nichts gefallen lassen.

So wollte Adam auch immer werden. Dann würde sein Vater ihn nicht mehr schlagen und in den neuen Schrank sperren, der seit kurzem in seinem Zimmer steht und viel zu klein für einen Jungen ist, der in letzter Zeit viel zu schnell gewachsen ist.

Sein Vater zerrt ihn in die Richtung seines Zimmers. Adam hat das Schreien aufgegeben. Es hört ihn eh keiner und auch Onkel Boris, der ihnen folgt, kann ihm nicht helfen.

"Roland, lass den Jungen. Wir haben doch nur gespielt."

Doch Boris Worte bewirken nur, dass sein Vater sich noch mehr aufregt und der Griff um Adams Arm fester wird.

"Ich habe dir einen Auftrag gegeben, Boris. Und was machst du? Spielst mit ihm? Soll er seine so verweichlichte Schwuchtel werden wie du?"

Spucketropfen treffen auf Adam und er zieht den Kopf ein. Er weiß, was ihm blüht und mittlerweile freut er sich auf den Schutz, den ihm sein Gefängnis aus Holz bietet. Wenigstens wäre er da vor den Schlägen sicher, auch wenn ihn die Wände früher oder später zu erdrücken drohen würden.

Adams letzter Blick, bevor die Schranktür sich schließt und ihn in Dunkelheit sperrt, trifft auf den von Boris, der blass und mit zusammen gepressten Lippen auf Adam schaut.

Er hört ihre Stimmen noch vor dem Schrank, leise und gedämpft, aber Adam kann sie dennoch verstehen.

"Wenn du was für ihn tun willst, Boris, dann weißt du, was du zu tun hast. Sie werden bald wissen, dass du mit drinsteckst. Adam braucht aber seinen Vater. Du verstehst?"

Dann fällt die Tür seines Zimmers ins Schloss und Adam ist allein.

Adam muss eingenickt sein, denn durch die Ritzen seines Schrankgefängnisses dringt kein Sonnenlicht mehr.

Orientierungslos blinzelt er in die Dunkelheit, als das metallische Geräusch, dass ihn aufgeschreckt hat, erneut ertönt. Der Schlüssel des Schranks wird gedreht und die Tür springt auf.

Gegen das Licht der Dämmerung zeichnet sich eine große Gestalt ab, zu groß für seinen Vater oder seine Mutter.

"Keine Angst, Adam, Du kannst rauskommen."

Adams Herz macht einen Hüpfer und er möchte vor Erleichterung weinen. Onkel Boris.

Starke Hände, die ihn viel sanfter als sein Vater packen, ziehen ihm aus dem Schrank und an die breite Brust. Erleichtert lässt Adam seinen Kopf dagegen sinken und schlingt die Arme um Onkel Boris' Hals. Hier ist er sicher. Bei Onkel Boris ist er immer sicher.

Onkel Boris hat ihn aus seinem Gefängnis befreit. Vielleicht würde er Adam ganz mitnehmen? Weg von diesem Ort voller Schrecken. Weg von seinem Vater und seiner Mutter, die ihn sicherlich nicht vermissen würden.

"Wo sind Mama und Papa?", flüstert Adam, aus Angst, dass sie vielleicht nur im Nachbarzimmer sind und ihn gleich wieder in den Schrank stecken würden.

Auch seine Mutter sperrt ihn manchmal dort ein. Vor allem dann, wenn sein Vater nach Hause kommt und diesen beißenden Geruch nach abgestandenen Bier und altem Fett an sich kleben hat. Dann ist er meist besonders wütend auf Adam und der Schrank sein Schutz vor dem Monster davor, dass mit seinen Fäusten das Holz zu zerbersten versucht.

Nur bezahlt seine Mutter einen hohen Preis für diesen Schutzversuch, wie Adam ihrem geschundenen Gesicht entnehmen kann, wenn sie Kakao für ihn kocht.

Er schmiegt sein Gesicht fester an Boris' Schulter und seine Hände krallen sich in den dünnen Stoff des Hemdes.

"Ruhig, mein Junge. Es ist alles gut. Die beiden sind noch mal los. Dein Papa hatte sein Geld vergessen." Er seufzt leise und fährt tröstend in kleinen Kreisen über Adams Schulterblatt.

"Komm, ich mache dir einen Kakao", raunt er mit sanfter Stimme Adam zu, klopft ihm auf den Rücken und schiebt ihn vorsichtig hinaus in die Küche.

Durch die geöffnete Terrassentür ein lauer Abendwind und bauscht die Vorhänge auf. Der dunkle Wald an der Grundstücksgrenze wirkt bedrohlich vor den sich am nachtblauen Himmel auftürmenden Gewitterwolken.

Boris Griffe nach Milchtopf, Kakao und Milchpackung wirken routiniert, als würde er das nicht zum ersten Mal in dieser Küche machen. Früher, in der alten Wohnung, hat er das öfters für Adam gemacht. Dann hat er neben ihm auf der Arbeitsplatte gesessen, ein in ein Küchenhandtuch gewickelte Kühlpad gegen eine Stelle auf seinem Körper pressend und sich vorgestellt, wie es wäre bei Onkel Boris zu leben. Der würde ihn nicht zu Spielen zwingen, die er nicht wollte und die ihm wehtaten.

Der Duft nach warmer Schokolade beruhigt Adam und seine Atemzüge werden spürbar tiefer. Wenigstens muss dieses Mal keine Wunde verarztet werden, für die er sich morgen in der Schule würde rechtfertigen. Er ist eh schon der Komische, der Neue, der allen Angst macht.

"Ich werde bald für eine Weile dich nicht mehr besuchen kommen, Adam." Warmes Porzellan wird ihm in die Hände geschoben und in Boris' Blick liegt so viel Sorge und Traurigkeit, dass Adam schwer schlucken muss.

"Verreist du?", fragt er mit bebender Stimme und nimmt hastig einen Schluck. Die heiße Milch verbrennt leicht seinen Gaumen.

"So ähnlich", seufzt sein Onkel und spült den Topf unter fließendem Wasser aus.

"Kannst du mich mitnehmen?" Adam schämt sich für das Wackeln seiner Stimme unter dem Hoffnungsschimmer, welcher seine Brust durchfährt.

Seufzend schüttelt Boris den Kopf, die Hände in das Küchentuch gekrallt, mit dem er sie sich abgetrocknet hat.

Adams Herz wird schwer. Onkel Boris ist sein einziger Lichtblick in dieser dunklen Welt. Er will hier nicht alleine bleiben.

"Und wann kommst du wieder?", nuschelt er, die Antwort schon klar und deutlich auf dem Gesicht seines Onkels zu erkennen.

"Das weiß ich nicht, aber wir werden uns wiedersehen."


In all den Jahren nach Boris' Verschwinden hat Adam sich nach der einzigen Vaterfigur gesehnt, die ihn je aufrichtig geliebt hat. Für die er nicht nur ein Nichtsnutz war, dessen eigenen Willen man brechen musste. Sein Onkel war sein sicherer Hafen gewesen, wo ihm nichts passieren konnte.

Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, denkt Adam sich, als sie die bulligen Typen ihn in der Kapelle auf den Boden pinnen und das gealterte Gesicht seines Onkels über ihm auftaucht.

Die Zeit verändert Menschen. Adam ist älter geworden, hat sich von Roland freigeschwommen, seine Seele und Leo aufs Spiel gesetzt, um der Drecksau die Stirn zu bieten. Das bezahlt er nun teuer, da auch sein Onkel Boris sich verändert hat.

"Der Knast macht was mit einem", hat er beim Mittagessen gesagt und Adam hat es über die Freude des Wiedersehens nicht sehen wollen. Wenn Boris hier ist, kann Adam nichts passieren. Dann ist er trotz aller Umstände in Sicherheit.

Wie sehr er sich doch geirrt hat, erkennt Adam als die Knochen in seiner Hand brechen.

Sein Onkel ist nicht mehr der Zufluchtsort seiner Kindheit und hier hilft auch kein Kakao.