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Language:
Deutsch
Stats:
Published:
2022-04-17
Updated:
2024-01-02
Words:
16,201
Chapters:
7/13
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28
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163
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6
Hits:
2,041

Der König ist tot

Summary:

Leo sieht Adam auf sich zukommen. Sieht die verbundene Hand, seinen abgekämpften Blick und das Lächeln, das seine Mundwinkel hebt, als er Leo erblickt. Er wird nicht mehr zulassen, dass jemand Adam wehtun kann. Dies war das letzte Mal.

Notes:

(See the end of the work for notes.)

Chapter 1: Zuhause

Chapter Text

Leo

Leo sieht Adam auf sich zukommen. Sieht die verbundene Hand, seinen abgekämpften Blick und das Lächeln, das seine Mundwinkel hebt, als er Leo erblickt. Er wird nicht mehr zulassen, dass jemand Adam wehtun kann. Dies war das letzte Mal.

Die Anspannung in seinem Innern lässt erst nach, als er Adam umarmt. In dem Augenblick kann er wieder freier atmen. Adam ist noch dünner geworden. Er kann jeden Muskel unter seiner Haut fühlen. Aber es geht ihm gut. Als Leo ihn schließlich ansieht, ist sein Blick offen. Kein Hass, keine Verzweiflung. Zumindest nicht im Augenblick. Das Gefängnis hat ihn nicht gebrochen.

Er will ihn nicht loslassen, aber dann tritt er doch einen Schritt zurück. „Der König ist tot“, sagt er. In diesen Worten liegt so viel. Die Erleichterung darüber, dass die Bedrohung, die stets auf sie lauerte, Vergangenheit ist. Das Damoklesschwert, das über ihren Köpfen hing, ist zu Boden gefallen, ohne zu zerstören.

„Lang lebe der König“, sagt Adam mit einem Lächeln, das Leo zeigt, dass er wirklich noch der Alte ist, dass er das Gefängnis mit äußeren Blessuren aber ohne permanenten Schaden überstanden hat. Er weiß, dass unter der Oberfläche Adams Dämonen lauern, die ihn seit seiner Kindheit quälen und verfolgen. Aber jetzt ist er wieder hier in seiner Nähe und er kann ihm helfen gegen sie zu kämpfen.
„Danke, dass du mich abholst“, sagt Adam, als sei das nicht selbstverständlich.

Leo verstaut Adams Jeansjacke und Hoody auf dem Rücksitz. „Du kommst mit zu mir“, sagt er. „Ich koche für dich.“
„Das musst du nicht. Ich kann mir was aufs Hotelzimmer bestellen.“

Leo mustert Adam, dessen Jeans nur noch von seinem Gürtel gehalten wird. „Wird Zeit, dass du etwas Vernünftiges isst. Ich bring dich jetzt nicht ins Hotel.“
Adam protestiert nicht weiter. Sie steigen ein und Leo startet den Wagen. Er sieht zu Adam, der seinen Kopf nach hinten lehnt. Er sieht so müde aus.
„Wie geht es deiner Hand?“, fragt er.

„Tut nicht mehr weh.“

Leo fährt durch das Tor auf die Straße, biegt ab in Richtung seiner Wohnung und meint aus dem Augenwinkel zu sehen, wie Adam sich etwas entspannt.
„Ich hätte dir sofort glauben müssen“, sagt er. „Ich weiß, dass du mich nicht anlügst.“

„Du hast dafür gesorgt, dass ich wieder draußen bin“, sagt Adam. „Das ist wichtiger. Ich weiß, was du dafür riskiert hast. Danke.“ Er sieht ihn an mit diesem Blick, der Leo durch und durch geht. Der dafür sorgt, dass er nicht wegsehen kann. Und in seinem Kopf spielt sich ein Film ab. Adam kommt ihm noch einmal aus dem Gefängnis entgegen. Er geht auf ihn zu, will ihn umarmen. Aber stattdessen legen sich seine Hände um Adams Gesicht und er küsst ihn auf die Lippen.

Leo schüttelt einmal den Kopf, um die Bilder zu vertreiben. Es ist nicht das erste Mal, dass ihm das passiert, und es verwirrt ihn jedes Mal. Es fühlt sich so echt an, als sei es wirklich passiert.
„Du hättest dasselbe für mich getan“, sagt er. „Ich wünschte nur, ich wäre schneller gewesen.“ Er sieht auf Adams Hand.

„Ein paar Wochen, dann ist das verheilt. Du hast mich nicht aufgegeben, das vergesse ich dir nie. Wenn du nicht gewesen wärst, Leo, dann wäre ich da drin geblieben. Das weiß ich. Dann hätte der Alte erreicht, was er wollte.“

Leo nimmt einen tiefen Atemzug, weil der Gedanke, dass Adam im Gefängnis bleiben muss, nach allem, was er schon erlebt hat, zu schrecklich ist. Die Tage und Nächte seit Adams Festnahme hat er sich mit diesen Gedanken gequält. Sie haben in seinem Innern gebrannt und gewütet und die Angst vor Adams Vater ersetzt.
„Das hätte ich nicht zugelassen.“

Es ist nicht das erste Mal, dass Adam in seiner Wohnung ist. Manchmal haben sie nach ihrer Schicht zusammen Netflix geschaut, einmal hat Leo für ihr Team gekocht und sie waren auch schon hier, um einen Fall gemeinsam durchzusprechen. Aber es hat sich anders angefühlt als jetzt. Leo kann nicht genau sagen, was dieses Mal anders ist. Vermutlich ist es immer noch die riesige Erleichterung darüber, dass Adam frei ist, die durch ihn hindurchströmt. Er möchte ihn noch einmal umarmen, fürchtet aber, das könne unpassend sein. Und Adam wirkt abweisend, wie er in Leos Wohnzimmer steht und sich umsieht. Wieder einmal muss Leo an den streunenden Kater denken, den er als Kind gefunden hat. Seine Pfote war verletzt und nur deshalb ließ er sich vermutlich überhaupt mitnehmen. Er war zerzaust und hat ihn angefaucht, aber er hat sich von ihm ins Warme bringen lassen.
Adams Bewegungen, als er jetzt zum Fenster geht, haben etwas von der Gangart des Tieres. Er sieht aus dem Fenster, was er oft tut, wenn er einen neuen Raum betritt. Und Leo fragt sich dann jedes Mal, ob er einen Fluchtweg sucht. Von hier wird er niemals fliehen müssen.

„Kann ich ein Bad nehmen?“, fragt Adam und dreht sich zu ihm um. „Ich habe das Gefühl, der Staub aus dem Gefängnis klebt immer noch an mir.“
„Natürlich“, sagt Leo. „Handtücher sind im Schrank neben dem Waschbecken. Ich mache ein Madras Curry.“

Leo steht in der Küche, misst den Reis ab und versucht, nicht daran zu denken, dass Adam in seiner Wanne sitzt. Warum kann er ihn nur so genau vor sich sehen? Den verbundenen Arm auf dem Wannenrand, den Kopf nach hinten gelehnt und die Augen geschlossen. Selbst wenn er entspannt ist, ist da dieser bittere Zug um seinen Mund. Leo sieht sich selbst, wie er sich nach vorne beugt, sich mit den Händen auf dem Wannenrand abstützt, um Adams Hals zu küssen.
Nein.
Diese Gedanken kann er jetzt nicht gebrauchen.

Leo hört Adams Schritte auf den Fliesen und dreht sich zu ihm um. Er trägt wieder Jeans und Shirt. Seine Haare sind noch feucht und hängen ihm in die Stirn. Seine Füße sind nackt. Er verschränkt die Arme und lehnt sich in den Türrahmen. Leo kann kaum die Augen von ihm abwenden, aber er muss aufpassen, dass das Curry nicht anbrennt.
„Riecht wunderbar“, sagt Adam. „Das Essen im Knast kann ich wirklich nicht empfehlen.“

„Du hättest da nie sein dürfen“, sagt Leo. „Das war vollkommen falsch.“

Er hört, dass Adam näher kommt, hinter ihm stehen bleibt. „Du hättest es aber nicht verhindern können. Das ist dir doch klar?“

Leo dreht sich zu Adam. „Ich hätte dich einfach an dem Abend nicht allein gehen lassen dürfen. Es war doch klar, dass er wieder irgendwas mit dir vorhat. Und ich wusste, dass er es war, der dich angerufen hat. Ich hätte dich aufhalten sollen.“

„Du konntest nicht wissen, dass mit meiner Mutter alles in Ordnung ist.“

„Auch damals im Baumhaus hätte ich dich aufhalten sollen.“ Er fühlt, dass er zittert. „Beinahe hätte er es doch noch geschafft, dich zu töten.“

„Hat er aber nicht“, sagt Adam ruhig. „Weil du da warst, Leo. Genau wie damals. Du hast mich rausgeholt. Wieder.“

Sie umarmen sich. Länger diesmal und Leo erlaubt es sich, zu genießen, wie Adam sein Gesicht an seiner Schulter vergräbt. Er kann dessen Atem an seinem Hals spüren. Adam ist noch warm vom Bad und seine Haare duften nach Leos Shampoo.

Er lässt ihn los, weil er das Curry umrühren muss.

„Im Kühlschrank ist Bier“, sagt er. „Wein habe ich aber auch.“

Adam öffnet zwei Bier für sie und lehnt sich dann gegen die Arbeitsplatte, sieht Leo zu, der das Curry abschmeckt.

Es gibt noch immer keine Leichtigkeit zwischen ihnen. Sie können nicht gut zusammen schweigen und da ist eine Anspannung in der Luft. Leo dachte immer, dass es an Adams Vater lag, der wie ein böser Geist zwischen ihnen stand. Aber auch jetzt, da er tot ist, hat es sich nicht geändert. Er wünscht sich, es wäre anders. Als Kinder saßen sie oft stundenlang schweigend im Baumhaus, haben gemeinsam auf die Geräusche des Waldes gelauscht, Leos Kopf an Adams Schulter. Manchmal haben sie Comics angeschaut oder Leo hat Adam vorgelesen. Damit haben sie angefangen, als er für den Vorlesewettbewerb geübt hat und danach haben sie es beibehalten. Adam konnte ihm ewig zuhören, ohne jemals zu unterbrechen.

Jetzt gibt es zu viele Dinge, die sie nicht gesagt haben, Abgründe, über die sie nicht sprechen können. Manchmal fühlt es sich an wie ein Tanz auf dem Drahtseil, Adams Partner zu sein und dennoch will Leo, dass er immer bei ihm ist. Er fühlt sich wohl, wenn Adam im gleichen Raum ist, atmet auf, wenn er durch die Tür kommt. Und auch jetzt ist er unendlich froh, dass Adam hier ist.

Er ist beruhigt, als Adam mit Appetit isst, sich sogar eine zweite Portion nimmt. Der ist so dünn, dass er manchmal Angst hat, er könne sich auflösen.
„Das schmeckt toll, Leo“, sagt Adam. „Wo hast du so gut kochen gelernt?“
„Ich war es nicht, der das SEK auf dich gehetzt hat. Das weißt du, oder?“, fragt Leo statt einer Antwort. Die ganze Zeit über hat er gehofft, dass Adam nicht denkt, dass er ihn verraten hat. Am See war er sich noch sicher, dass Adam wusste, dass er selbst genauso überrascht vom plötzlichen Auftauchen des Einsatzkommandos war, wie er. Er will nicht, dass Adam denkt, dass er ihm nicht vollkommen vertrauen kann. Dass er sich vielleicht das nächste Mal nicht bei ihm meldet, wenn er in Schwierigkeiten ist, weil er denkt, dass Leo ihn genauso hintergeht, wie alle anderen. Adam hat sich damals ohne Protest von ihm festnehmen lassen. Leo wird die Resignation in seinem Blick nie vergessen.
Adam lässt die Gabel sinken. „Ich war mir nicht ganz sicher. Ich hätte es aber verstanden, Leo.“
„Ich war es aber nicht. Esther hat geahnt, dass ich mich mit dir treffe. Sie hat es so dargestellt, dass ich dort bin, um dich festzunehmen. Sonst wäre ich meinen Job losgeworden.“
Adam nickt. „Das ist gut. Tut mir leid, dass ich dich in Schwierigkeiten gebracht habe.“
„Du hattest keine andere Wahl.“
„Ich hätte mich stellen sollen.“

„Dann hättest du mir die Papiere nicht übergeben können. Es ist alles gut gegangen, Adam.“

Sie sehen sich über den Tisch hinweg an. Adam unterbricht ihren Blickkontakt. „Ich sollte mir ein Taxi rufen.“

„Schlaf heute Nacht hier“, sagt Leo und Adam sieht ihn überrascht an, als habe er überhaupt nicht mit diesem Angebot gerechnet.

„Ich glaube, es ist gut, wenn du nicht allein bist. In deinem Hotelzimmer.“

Adam denkt kurz nach und nickt dann. Sein Blick wandert zu dem kleinen Sofa.

„Du kannst das Bett haben“, sagt Leo. „Du brauchst gar nicht protestieren. Du bist verletzt. Ich habe eine Matratze.“

Als Leo später aus dem Bad kommt und ins Schlafzimmer geht, liegt Adam auf dem Bett ausgestreckt. Er trägt noch immer die Jeans und das weiße Shirt. Ein Arm liegt über seinen Augen, die verletzte Hand ruht auf seinem Bauch. Es sieht aus, als ob er schläft und Leo sieht sich selbst, wie er sich über Adam kniet und seinen Hals küsst, genau dort, wo das T-Shirt aufhört.

Adam nimmt den Arm von seinem Gesicht und sieht ihn an. Leo senkt kurz den Blick und atmet tief ein. Diese Gedanken müssen aufhören. Adam hat ihm niemals zu verstehen gegeben, dass er etwas anderes von ihm will als Freundschaft. Mutig und draufgängerisch, wie er nun mal ist, hätte er Leo ganz sicher gezeigt, wenn das so wäre. Zwar glaubt Leo nicht, dass Adam mehrere Affären gleichzeitig hat, was Pia und Esther felsenfest behaupten. Dazu hätte ihm einfach die Zeit gefehlt. Aber sicher gibt es da die ein oder andere Frau in seinem Leben, von der Leo nichts weiß. Und auch nichts wissen will, ehrlich gesagt.

Diese tiefe Freundschaft zwischen ihnen ist bedeutungsvoller als jede Liebesbeziehung. Zumindest will Leo das glauben. Und dann wieder gibt es Momente, in denen ihm das ganze Gerede von Freundschaft so unglaublich auf die Nerven geht, weil er nichts anderes tun will, als Adam zu küssen.
„List du mir vor?“, fragt Adam und seine Stimme hat diesen Ton, den sie nur annimmt, wenn er mit Leo alleine ist. Sanft, verletzlich.

Und Leo ist so wütend auf sich und seine Gedanken, denn warum kann er nicht einfach froh sein, dass Adam in diesem Moment hier ist, bei ihm. Nicht im Gefängnis, nicht bei seinem Vater. In Sicherheit. Das ist das Einzige, was zählt. „Natürlich. Was möchtest du denn hören?“

Adam zeigt auf das Buch auf Leos Nachttisch. Schuld und Sühne. Wie passend.