Actions

Work Header

An Grindelwalds Seite

Summary:

Evelyna Valeria Potter.
Nach ihrer Verbannung von den Eltern totgeschwiegen.
Nur noch eine blasse Erinnerung im Gedächtnis ihres Bruders.
Doch sie lebt.
Im Sommer 1899 befreit sie sich von den goldenen Fesseln ihrer Familie und schließt sich Grindelwald an. Schnell wird sie seine engste Vertraute, der er die gefährlichsten Missionen aufträgt. Fest davon überzeugt, auf der richtigen Seite zu stehen, tut sie alles, um Grindelwald zu helfen.
Auch ein Doppelleben führen und das in der ständigen Gefahr, entdeckt zu werden.
Für das größere Wohl.

Chapter Text

Gellert Grindelwald rannte, so schnell er konnte, zum Haus von Bathilda Bagshot. Die Ereignisse der vergangenen Stunden spukten durch seine Gedanken. Aberforth, der Albus anschrie. Albus, der seinen Bruder zu beruhigen versuchte. Und Ariana.

Grindelwald wusste zwar, dass es sie gab, aber gesehen hatte er sie heute zum ersten Mal. Und zum letzten Mal. Er konnte sich nicht daran erinnern, einen tödlichen Fluch ausgesprochen zu haben, aber Albus traute er das auch nicht zu. Und Aberforth bedeutete sie zu viel, um in Arianas Gegenwart solche Flüche zu riskieren. Aber woran war sie dann gestorben?

Er hatte die geballte Macht gespürt, die von ihr ausging. Sie war so stark gewesen. Doch das war nun unwichtig. Aber es ärgerte ihn. Sie hätte eine so große Aufgabe übernehmen können.

Doch wie konnte sie so mächtig sein, wenn sie nicht einmal ausgebildet war? Es machte Grindelwald zu schaffen, dass er das nicht verstand. Im Haus seiner Tante angekommen, schnappte er sich seinen Koffer und fing an, alle Sachen, die in seiner Reichweite waren, dort hineinzustopfen. Die Recherchen von ihm und Albus kamen in eine Extratasche. Viele persönliche Gegenstände hatte er hier nicht, das meiste konnte man neu kaufen. Doch da er noch keinen Zugriff auf das Vermögen seiner Familie hatte, war das eine Alternative, auf die er nur ungern zurückgriff. Aber er musste so schnell wie möglich hier weg.

„Gellert?“ Seine Tante kam die Treppe hoch. „Was machst du denn schon hier? Alleine?“

Die Überraschung in ihrer Stimme war verständlich, schließlich verbrachte er sonst fast jeden Tag mit Albus. Bevorzugt auch bei ihm. Dort hatte man zwar immer das Gefühl, dass man beobachtet wurde – vermutlich von Aberforth oder Ariana – aber wenigstens war man vor neugierigen Fragen sicher.

„Ich muss gehen“, war Grindelwalds knappe Antwort.

Er wollte an ihr vorbei nach draußen, doch sie hielt ihn fest.

„Sei doch nicht so kindisch, du kannst doch nicht so einfach gehen! Warum willst du es überhaupt?“

Er zögerte. „Es ist kompliziert. Aber dringend!“

Bathilda sah ein, dass sie nicht mehr Informationen bekam und sie ihn auch nicht aufhalten konnte.

„Wenn du noch ein Tag bleibst, habe ich Zeit, einen Portschlüssel zu beschaffen.“

Das war kein schlechtes Angebot. Damit war er unabhängiger als mit Flohpulver. Es war mit einem kleinen Risiko verbunden, doch eigentlich war das Leben jeden Tag ein kleines Risiko. Er würde es nur ein wenig erhöhen.

„Also gut“, willigte Grindelwald daher ein. „Morgen.“

Bathilda nickte, auch wenn sie nicht wirklich glücklich aussah. Und das konnte er sogar verstehen.

„Ich werde dann nochmal eine Runde durchs Dorf gehen.“

Als Grindelwald den besorgten Blick seiner Tante bemerkte, fügte er noch zu:

„Keine Sorge, ich werde nicht gehen. Ich muss nur nachdenken.“

Rasch ging er die Treppe hinunter und verließ das Haus. Er musste nicht lange überlegen, wo er hinwollte. Ein wenig außerhalb von Godric‘s Hollow war ein dicht umwucherter, kleiner See. Das war sein Lieblingsplatz. Er ging immer dorthin, wenn er alleine sein wollte oder nachdenken musste.

Mit großen Schritten ging er in die Richtung, wobei er gegen den Drang ankämpfte, die Muggel, die seinen Weg kreuzten, einen Fluch aufzuhalsen. Sie wussten nicht, wie gut sie es hatten. Sie jammerten wegen jeder Kleinigkeit, aber hatten nicht die geringste Ahnung, was es hieß, komplett schutzlos und allein zu sein.

Am See angekommen, setzte er sich und lehnte sich gegen einen Baum. Hier hatte er seine Ruhe und konnte entspannen. Er schloss die Augen. Die Ereignisse des Tages ließen ihn nicht los. Er musste das Rätsel um Ariana lösen, doch nicht hier. Hier war er nicht mehr willkommen. In keiner Weise.

Dies bedeutete wohl auch, dass seine Beziehung zu Albus vorbei war. Der Gedanke machte ihn ein traurig, doch dies war nun mal der Lauf der Zeit. Und es gab keinen Zweifel, dass das für Albus am sichersten war. Und auch für ihn war es so sicherer. Bei seinem Vorhaben war kein Platz für Liebesbeziehungen. Egal ob mit Männern oder mit Frauen.

Es war bereits das zweite Mal, dass er sich so etwas sagte. Bereits nach seinem Rauswurf in Durmstrang war zu diesem Schluss gekommen, denn eine Beziehung war der Grund für den Rauswurf gewesen. Seine Ex-Freundin.

Sie hatte ihm wirklich sehr viel bedeutet und sie galten als Vorzeigepaar der Schule, bis er eines Tages durch Zufall herausgefunden hatte, dass sie ihn betrog. Und das auch noch mit jemandem, der der Meinung war, man müsste den Muggeln Freundschaften schließen und ihnen helfen. Doch natürlich dürfte man sich nicht als Zauberer zu erkennen geben. Grindelwald hatte ihr nicht gesagt, dass er von ihrer Affäre mit dem Muggelfreund wusste, sondern hatte an ihren neuen Freund ein paar Dinge ausprobiert, als sie alleine waren.

Die Flüche und Rituale hatte sein Versuchsobjekt nicht allzu gut aufgenommen. Doch wenigstens konnte Grindelwald einige Erkenntnisse gewinnen, bevor sein Versteck entdeckt wurde. Der Muggelfreund hatte seinen Verstand verloren und seine Psyche war dauerhaft beschädigt worden, was den Vorteil hatte, dass er nicht schildern konnte, was passiert war.

Es hatte gedauert, bis die Ermittlungen abgeschlossen waren, fast ein halbes Jahr, doch dann war er endgültig der Schule verwiesen worden, was ihn nicht groß störte. Er wusste alles, was er wissen musste. Grindelwald war so in Gedanken versunken, dass er das Mädchen, welches ein Stück entfernt saß, erst bemerkte, als sie anfing zu sprechen.

„Wo willst du hin?“

Er zuckte vor Schreck zusammen, sprang er auf und verlor kurz sein Gleichgewicht, was fast mit einem Bad in dem Wasser endete. Aber nur fast. Als er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, musterte er das Mädchen, welches ruhig sitzen geblieben war. Sie musste ungefähr in seinem Alter sein, hatte karamellbraune Augen und ihre Haare schimmerten rötlich. Als er sie ansah, fiel ihm sofort ihr schlecht verborgener Zauberstab auf, weshalb er sich dazu herabließ, zu antworten:

„Das geht dich überhaupt nichts an.“

Sie lächelte.

„Ich wusste, dass so eine Antwort kommen würde.“

Ohne zu zögern, holte sie ihren Zauberstab heraus und richtete ihn auf Grindelwald. Der war so überrascht, dass er überhaupt nicht reagierte.

Impedimenta!“

Grindelwald erstarrte mitten in der Bewegung, während das Mädchen seinen Zauberstab wegpackte, aufstand und näher an ihn trat.

„Ich kann dir helfen, egal was du vorhast. Ich werde mich nicht abschütteln lassen, sondern dich auf Schritt und Tritt verfolgen. Du wirst mich nicht los. Es ist deine Entscheidung, ob ich dir nur folgen soll oder ob du mich dir helfen lässt.“

Grindelwald spürte, dass der Lähmzauber von ihm abgefallen war und trat einen Schritt zurück, ohne ins Wasser zu fallen oder das Mädchen aus den Augen zu lassen.

„Wer bist du?“, fragte er.

„Evelyna Valeria Potter“, antwortete sie.

„Potter?“ Grindelwald war verwirrt. Seine Tante hatte manchmal von den Potters geredet, aber stets nur die Eltern und den siebenjährigen Henry erwähnt. „Ich dachte, sie hätten nur ein Kind!“

Evelynas Augen verdunkelten sich.

„Vielleicht erzähl ich dir irgendwann mal, warum meine sogenannten Eltern mich sehr häufig verschweigen. Kommt drauf an, inwiefern du mich freiwillig mitkommen lässt oder ich dir folgen muss.“

„Warum sollte ich dich mitkommen lassen? Ich kenne dich nicht, du weiß nichts über mich. Und warum solltest du mich überhaupt begleiten wollen? Du hast keine Ahnung, wo ich hin will und was ich vorhabe. Ob ich überhaupt etwas vorhabe.“

Sie zögerte und als sie antwortete, überraschten ihn ihre ehrlichen Worte.

„Ich will dich wirklich begleiten, Gellert Grindelwald. Ich habe das Gefühl, dich schon ewig zu kennen, vertraue dir und ich teile deine Ansichten. Außerdem gibt es nichts, was mich hier hält, aber so vieles, was mich in die Ferne zieht. Zum Beispiel der Wunsch nach Freiheit. Ich kann nicht hierbleiben.“

„Du … teilst meine Ansichten? Welche genau?“

„Hast du mehrere?“, gab sie zurück. „Ich habe lange darüber nachgedacht und finde, du hast recht. Wir sollten uns nicht verstecken und kein Geheimnis aus unseren Kräften machen.“

„Woher weißt du von meinen … Ansichten?“

„Albus und du – ihr habt nicht gerade geflüstert, wenn ihr darüber gesprochen habt.“

„Du hast uns belauscht?!“

„Ja“, gab sie offen zu. „Ich war im Sommer ständig bei den Dumbledores, hab Aberforth geholfen und ein wenig mit Ariana geredet. Sie waren das, was Freunde am nächsten kommt. Aber jetzt … Ariana ist tot, Aberforth wird nie wieder derselbe sein … und ich stehe wieder alleine da und darauf habe ich keine Lust mehr. Ich will hier nicht festsitzen, ich will nicht die Enttäuschung in den Augen meiner Eltern sehen, wenn ihre Blicke auf mich fallen. Ich habe das Gefühl, dass ich hier ersticke. Bitte, lass mich mitkommen!“

Grindelwald musterte sie eingehend.

„Ich werde nicht einfach einen Spaziergang oder Urlaub machen. Ich werde auf eine Mission gehen und ich werde erst aufgeben, wenn ich erfolgreich war oder tot bin.“

„Das ist mir bewusst. Ich will dir helfen.“

„Musst du nicht ab September wieder nach Hogwarts? Und – darfst du überhaupt schon außerhalb von Hogwarts zaubern? Du siehst nicht so aus, als wärst du schon volljährig.“

„Das bist du aber auch nicht“, gab Evelyna zurück. „Aber wenn du es wissen willst, ich hab die Schule nach dem fünften Jahr abgebrochen, da ich keine Lust hatte und eh schon alles konnte. Und da mein Vater einen guten Draht zu den wichtigsten Ministeriumszauberern hat, konnte er es regeln, dass ich schon zaubern darf.“

Grindelwald seufzte. „Na gut. Wenn du wirklich alles hinter dir lassen willst, komm morgen Mittag wieder her. Ich werde nicht warten.“

„Einverstanden.“

Sie nickte ihm zu, drehte sich um und ging.

Chapter Text

Evelyna ging geradewegs nach Hause. Sie hörte ihren kleinen Bruder hinter dem Haus lachen und schloss bei diesem Geräusch kurz die Augen. Auch wenn ihr Bruder als einziger aus ihrer Familie einen Platz in ihrem Herzen hatte, so gab es doch Momente, in denen sie ihn hasste, beneidete und zugleich alles Glück auf dieser Erde wünschte. Sie hatte in ihrer Kindheit nicht viel zu lachen gehabt.

An der Haustür angekommen, öffnete sie diese vorsichtig und atmete erleichtert auf, als sie keine Stimmen hören konnte. Offenbar hielten ihre Eltern sich bei ihrem Bruder im Garten auf.
Evelyna ging direkt in ihr Zimmer und holte eine große Tasche aus dem Schrank. Es war ein trockener Sommer, so dass es durchaus möglich war, eine Nacht draußen zu schlafen, denn ihr war klar, dass Grindelwald nicht erst am Mittag vom See aufbrechen würde. Er hatte nachgegeben, ja, aber nur, um sie loszuwerden. Er würde schon früher abreisen. Doch nicht ohne sie.

Darum würde sie am See übernachten müssen. Es würde nicht bequem sein, doch große Ziele verlangten bekanntlich Opfer. Aber was packte man ein, für eine Expedition ins Unbekannte? Der Zauberstab war natürlich das Wichtigste sowie das wenig Gold, welches sie in ihrem Zimmer verwahrte. Und dann noch ein paar Kleider.

Nachdem alles eingepackt war, beschloss Evelyna, in die Hausbibliothek zu gehen. Ihre Tasche stellte sie in einer Ecke der Eingangshalle ab, damit sie jederzeit aufbrechen konnte und wies die beiden Hauselfen an, sie dort stehen zu lassen.

„Auch, wenn Master und Mrs Potter was anderes sagen?", fragte Sally mit piepsiger Stimme.

„Auch dann lasst ihr meine Tasche dort stehen. Und ihr rührt sie nicht an, verstanden?"

Sally und Winnie nickten, weswegen Evelyna ihren Weg fortsetzte. Vielleicht würde sie noch irgendetwas herausfinden, dass sie gebrauchen könnte. Die meisten Bücher kannte sie zwar, aber manchmal fand man ja doch noch etwas Neues. Bis zum Abendessen blieb sie da, vergrub sie sich in die vertrauten Bücher, die sie allen Menschen vorzog, und ließ sich von nichts stören.

Nicht von ihren Eltern und ihrem Bruder, als diese in das Haus kamen, nicht von dem lauten Befehl an die Hauselfen, das Abendessen vorzubereiten. Selbst als es so weit war und ihre Familie sich im Esszimmer versammelte, ließ sie sich nicht stören. Es dauerte allerdings nicht lange, bis Winnie neben ihr auftauchte.

„Es gibt nun Abendessen, Miss."

„Danke, Winnie." Evelyna klappte ihr Buch zu und stellte es zurück ins Regal. Ihre Finger verharrten noch einen Moment auf dem Buchrücken. Sie würde es nie zu Ende lesen.

Als sie das Esszimmer betrat, sah sie, dass das Abendessen gerade aufgetragen wurde.

„Du kommst zu spät", ertönte die kalte Stimme ihres Vaters.

„Verzeihung", murmelte sie und setzte sich rasch neben ihrer Mutter.

Eine Weile herrschte Schweigen, bis ihr Vater erneut zusprechen ansetzte.

„Nun, da auch die Letzte eingetroffen ist, möchte ich bekanntgeben, dass es mir gelungen ist, die Hochzeit von Evelyna mit einem von Phineas Niggelus Blacks Söhnen vorzuziehen. Sie wird nun schon vor ihrem siebzehnten Geburtstag verheiratet sein."

Evelyna blieb das Essen im Hals stecken. Ihre Augen fingen an zu tränen, während sie hustete, in dem verzweifelten Versuch, ihren Hals freizukriegen. Als es ihr gelungen war, bemerkte sie den bösen Blick ihres Vaters. Es war offensichtlich, dass er eine euphorischere Reaktion erwartet hatte. Die bekam er von ihrer Mutter.

„Oh, wie wunderbar! Mit welchem seiner Söhne denn?"

„Nun, das ist das Beste. Cygnus fällt natürlich weg, er ist ja fünf Jahre jünger als Evelyna. Nach einem Treffen mit Sirius und Arcturus werden dies die Jungen entscheiden. Sirius ist sechs Jahre älter und Arcturus nur ein Jahr jünger als unsere Tochter und damit sind sie reif genug, um dies zu entscheiden. Am kommenden Sonntag sind wir bei den Blacks eingeladen. Es wird Zeit, die Blacks und Potters endgültig zu vereinen."

„Ähm, Entschuldigung", meldete sich Evelyna zu Wort, „aber ich habe nicht vor, einen der beiden zu heiraten!"

Sie wusste schon seit ihrer Kindheit, dass sie der Familie Black versprochen war. Bisher hatte es sie nie gekümmert, da sie erst volljährig sein musste und sie nicht vorhatte, solange hierzubleiben. Doch jetzt, kurz bevor sie wirklich aufbrach, wollte Evelyna, dass ihre Familie wusste, was sie davon hielt. Wie sehr sie den Gedanken verabscheute und es in ihr brodelte.

„Darum geht es doch gar nicht." Ihr Vater wischte ihren Einwand beiseite. „Du wirst einen der beiden Ehelichen, und zwar den, dem du sympathischer bist."

„Aber ich will es nicht!", wiederholte Evelyna mit erhobener Stimme, etwas, was sie sich sonst immer verkniffen hatte. Es war an der Zeit, endgültig ein paar Dinge klarzustellen.

„Du wirst!"

„Nein! Ich werde euch nämlich verlassen!"

Ein Moment herrschte Stille. Ihr Vater runzelte die Stirn, ihre Mutter wirkte verblüfft und Henry sah mit großen Augen von seinem Vater zu Evelyna und wieder zurück.

„Du wirst uns nicht verlassen. Nur durch eine Heirat und nicht anders."

Evelyna sah ihrem Vater direkt in die Augen.

„Ich breche noch heute auf." Ihre Stimme zitterte ein wenig, doch klang trotzdem fest.

„Kind, du bist doch noch nicht einmal volljährig! Und außerdem – wo willst du hin?", mischte sich ihre Mutter ein.

„Nenne mich nie wieder Kind! Ich habe meine Schulausbildung abgeschlossen –"

„Abgebrochen, wohl eher", knurrte ihr Vater. „Du bist ein Kind. Ein unerzogenes, undankbares, verwöhntes Kind."

„- habe die Erlaubnis zu zaubern und will nun etwas von der Welt sehen. Und das nicht an der Seite eines Blacks!", fuhr Evelyna fort, ohne auf die Worte von ihrem Vater zu achten.

„Genug!"

Ihr Vater war aufgesprungen und starrte sie zornig an.

„Entschuldige dich sofort, Evelyna Valeria, und sprich nie wieder davon, dann werde ich dir verzeihen! Du wirst einen der Blacks heiraten und nie wieder widersprechen. Andernfalls gehörst du nicht mehr zur Familie!"

Evelyna stand ebenfalls auf.

„Dann gehöre ich halt nicht mehr zur Familie. Lieber lebe ich als Verbannte, wenn die einzig andere Alternative wäre, Hausfrau und Mutter zu werden. Ja, ich tausche mein Leben im Wohlstand und in goldenen Fesseln gegen ein Leben in Freiheit, wo ich nichts habe, außer meinem Willen und wo ich tun und lassen kann, was ich will! Ich habe es hier gehasst! Ich hasse dieses falsche, gekünstelte Leben, welches von mir verlangt wird zu führen. Dieses brave Leben, welches keinen Platz für Abenteuer lässt, dazu, etwas Neues zu probieren und sich selbst zu finden. Ihr wollt mich loswerden, etwas anderes verbirgt sich nicht hinter dieser Ehe. Aber ich habe andere Pläne – was ihr wissen würdet, hättet ihr in den letzten Jahren mal ernsthaft mit mir geredet."

Keiner am Tisch sagte etwas. Evelyna hielt ihren Zauberstab fest umklammert, sie würde nicht zögern, ihn einzusetzen, sollten ihre Eltern etwas gegen sie unternehmen. Als das Schweigen unerträglich zu werden drohte, verschwand die wutverzerrte Miene ihres Vaters. Er entspannte und setzte sich.

Dann nickte er.

„Dann sei es so. Ab sofort hast du keinen Zugriff mehr auf unser Verlies oder sonstigem Besitz. Dein Name wird vom Familienstammbaum gelöscht und es wird sein, als hätte es dich niemals gegeben. Dein Name ist in unseren Augen nichts mehr wert. Und nun geh. Ich verbiete dir, jemals wieder einen Fuß über unsere Schwelle zu setzen. Verschwinde aus diesem Haus und trete mir nie wieder unter die Augen!"

Evelyna entspannte sich, nickte und machte Anstalten, das Esszimmer zu verlassen. Doch eine leise Stimme konnte sie zum Stehenbleiben bewegen.

„Wann kommst du wieder?" Henry.

Er sah sie an und in seinen braunen Augen konnte sie die Verwunderung über das eben Geschehene sehen. Evelyna machte ihm keinen Vorwurf. Er konnte ja nichts dafür, dass sie den Erwartungen ihrer Eltern nicht gerecht wurde. Auf seinen kleinen Schultern lag die ganze Erwartung ihrer Familie, jetzt noch mehr, nachdem sie sich in jeglicher Hinsicht als eine Enttäuschung erwiesen hatte.

Sie zwang sich zu einem Lächeln.

„Ich werde nie wieder kommen, Henry. Doch glaube mir, ich bin glücklich. Und ich weiß, dass auch du glücklich sein wirst. Du wirst große Dinge tun. Und ich werde dich nie vergessen."

Evelyna bekämpfte die plötzlich aufkommende Traurigkeit. Sie durfte nicht zögern. Sie hatte sich entschieden. Für die Freiheit. Für das Unbekannte.

Sie verließ das Esszimmer, nahm ihre Tasche und verließ das Haus. Sie würde es schaffen.

Chapter 3

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Gellert konnte über so viel Dummheit nur staunen. Über diese Überheblichkeit und Arroganz. Für wen hielt die sich? Dachte dieses Mädchen wirklich, dass nur weil sie eine Potter war, alle auf sie hören würden? Nun, auf sie wartete am nächsten Tag eine Überraschung. Denn sie hatte ihm gar nichts zu sagen.

Er würde garantiert nicht auf sie warten, sondern so früh wie möglich aufbrechen. Sollte sie doch zusehen, wie sie zu Recht und von hier wegkam. Wahrscheinlich wollte sie auch gar nicht wirklich von hier weg, es war nur der Reiz zu rebellieren. Doch kaum wäre sie aus ihrem gewohnten und zweifellos lukrativen Umfeld raus, würde sie sich zurück nach Hause sehnen und zurückkehren.

Damit würde er sich mit Sicherheit nicht abmühen. Er schuldete ihr gar nichts und fühlte sich in keiner Weise für sie verantwortlich. Sie würde ihn nur behindern mit ihrer Ahnungslosigkeit von der Welt und dachte vermutlich, er würde eine Art entspannte Weltreise machen. Doch das würde er nicht tun. Bei seiner Mission konnte er sie nicht gebrauchen.

Bathilda bestand darauf, für Gellert ein Abschiedsessen zu kochen und er hatte einfach nicht die Nerven und Geduld mit ihr zu diskutieren, sondern ließ es still über sich ergehen. Bathilda redete genug für sie beide, wobei sie immer wieder durchblicken ließ, dass es sie sehr begrüßen würde, wenn er blieb. Aber das war ausgeschlossen.

„Hast du schon einen Portschlüssel bekommen?“, unterbrach er ihren Redeschwall.

Ihren enttäuschten Blick ignorierte Grindelwald gekonnt.

Schließlich nickte Bathilda und zeigte auf einen verrosteten Schlüssel, der auf dem Kaminsims lag.

„Ab morgen lässt er sich aktivieren“, sagte sie.

„Wie oft?“

„Ein Jahr kannst du damit reisen, dann soll er im Ministerium abgegeben werden.“

Grindelwald nickte langsam.

Ein Jahr. Das war besser als erwartet. Vermutlich hoffte Bathilda, dass er nach einem Jahr wieder zurückkam. Doch das würde er nicht tun. Eine Frage drängte sich aber noch in ihm auf. Oder besser gesagt, zwei.

„Kennst du eine Evelyna Potter?“

„Evelyna Potter? Henry hat manchmal von einer Evelyna geredet und sie als Schwester bezeichnet. Doch sonst habe ich noch nie etwas von ihr gehört. Mr und Mrs Potter haben sich nie dazu geäußert. Deswegen nahm ich an, das Henry sie sich einbildete oder vielleicht von ihr geträumt hat. Oder das sie eine entfernte Cousine ist. Wieso fragst du?“

„Gerüchte“, murmelte Grindelwald. Warum wurde sie verleugnet? Das war egal, ermahnte er sich sofort. Es ging ihn nichts an und war nicht sein Problem.

„Und was weißt du über Ariana Dumbledore?“

„Nicht viel. Ich wusste gar nicht, dass es sie gibt, bis ich gesehen habe, wie ihre Mutter mit ihr spazieren gegangen ist. Das war sehr merkwürdig. Es war in der Nacht und sie ist mit ihr eine Runde durch den Garten gegangen. Dabei hat Kendra sie die ganze Zeit festgehalten, als würde Ariana jeden Moment wegfliegen. Kendra war alles andere als glücklich, dass ich von Ariana erfahren habe und hat mir verboten, ihnen nachzuspionieren oder es an die große Glocke zu hängen. Sonst würde ich alle in Gefahr bringen. Albus hat mir zumindest gesagt, dass sie krank ist und panische Angst vor Menschen und Lärm hat und sie sie deshalb von der Außenwelt abschirmen würden. Doch auch er hat mir gebeten, es nicht weiterzuerzählen. Als würde ich sowas tun!“

„Natürlich nicht“, log Grindelwald. Seine Tante war die klatschsüchtigste Person, die er kannte. 

Aber das konnte er ihr ja schlecht sagen. Er wollte nicht im Streit gehen, sie war schließlich die Einzige aus seiner Familie, die ihm erhalten geblieben war. Beinahe die Einzige. Und darum musste er auch gehen. Er wollte sie nicht in Gefahr bringen.

Ariana sollte also krank gewesen sein. So weit ging sein Wissen auch. Mit der Angst vor Menschen konnten die Dumbledores es begründen, dass Ariana nicht nach Hogwarts ging. Denn ein Squib war sie auf keinen Fall gewesen. Sie war mächtiger als Albus gewesen, doch auch gefährlicher. Ihre Magie war ungeschult und unreif. Niemand hatte ihr beigebracht, ihre Kräfte zu kontrollieren. Hatte sie die Explosion ausgelöst? Hatte sich versehentlich selbst umgebracht? Würde er jemals die Antworten finden?

Während Bathilda weiter redete, machte er Pläne für den nächsten Tag. Er würde eine Nacht noch hier schlafen, und am nächsten Morgen, noch bevor seine Tante aufstand, zum See gehen. Dort war er ungestört und vor neugierigen Blicken und Fragen sicher. So früh wie möglich.

 


Evelyna erreichte den See schnell. Sie hatte nicht sonderlich auf den Weg geachtet, ihre Füße hatten diesen von alleine gefunden. Sie wusste, sie sollte etwas fühlen, Wut und Trauer, doch das war nicht der Fall. Selbst, als sie bewusst diese Gefühle in sich erzeugen wollte, funktionierte es nicht. Doch eines konnte sie überdeutlich spüren: Freude. Sie war frei! Niemand würde ihr jetzt noch Vorschriften machen und sie zu irgendwas zwingen. Zu einem Leben, welches sie nicht führen wollte. Nun hatte sie endlich die Kontrolle über ihre Zukunft.

Doch die Euphorie verschwand langsam und machte einem neuen Gefühl Platz. Erschöpfung. So kurz der Moment auch gewesen sein mochte, in welchem sie gegen ihren Vater aufgestanden war, so hatte er sie doch ausgelaugt. Psychisch vor allem. Am liebsten hätte sie sich sofort hingelegt, um zu schlafen, aber sie wusste auch, dass das nichts bringen würde. Dafür fühlte sie doch noch zu aufgewühlt.

Sie sah sich am See um, fand eine geschützte Stelle und errichtete rasch ein paar Schutzzauber. Sichtschutz, damit sie innerhalb eines bestimmten Radius nicht gesehen wurde, sowie einen Alarmierungszauber, der ein nur für sie hörbares Geräusch aussandte, wenn sich jemand nährte.

Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie alleine war, zog sie sich rasch bis auf die Unterkleidung aus – auf das Korsett hatte sie verzichtet – und stieg in den See. Das Wasser kühlte ihren aufgeheizten Körper und Evelynas Gedanken, die sie fast überfordert hatten, beruhigten sich. Eine Weile ließ sie sich vom Wasser treiben, bevor sie den See wieder verließ, sich abtrocknete und wieder in ihr Kleid schlüpfte. Da sie nicht wusste, wann sie das nächste Mal die Gelegenheit hatte, neue Kleider zu kaufen, wollte sie mit ihren Sachen möglichst sparsam umgehen.

Dann zog sie ein paar Decken aus ihrem Rucksack und legte sich am Fuß des Baumes schlafen. Der bemooste Boden war erstaunlich weich und obwohl Evelyna nicht gedacht hatte, hier draußen auch nur ein Auge zumachen zu können, schlief sie schnell ein. Was sie aber unterschätzt hatte, waren die Geräusche. Blätter raschelten, wenn nachtaktive Tiere sie streiften, Eulen kreischten. Da Evelyna diese Geräuschkulisse nicht gewohnt war, war ihr Schlaf unruhig. Ständig schreckte sie hoch, um sich dann genervt wieder in ihr provisorisches Lager sinken zu lassen.

Als es dämmerte und die Eulen und Uhus von noch lauteren Vögeln abgelöst wurden, beschloss sie, schon mal ihre Sachen zu packen. An Schlaf war eh nicht mehr zu denken. Die Decken hatte sie schon verstaut und als sie ihre Sachen einpackte, hörte sie Schritte. Auch ihr Alarmierungszauber meldete sich sofort. Sie wandte sich um und sah Grindelwald näher kommen. Aufgrund ihres Zaubers für Sichtschutz hatte er sie noch nicht gesehen. Das beschloss sie umgehend zu ändern.

„Was machst du denn schon hier? War nicht Mittag gesagt?“, rief sie ihm zu und ließ den Zauber sinken.

Seinen Blick verbuchte sie als persönlichen Sieg. Es war eine Mischung aus Überraschung, Frustration und – Anerkennung.

„Offenbar meinst du es ernst“, stellte er fest.

„Fällt dir ja früh auf“, konterte sie.

Grindelwald seufzte.

„Gut, sagen wir mal, ich bin einverstanden, dass du mich begleitest. Woher weiß ich, dass ich dir wirklich vertrauen kann? Dass du mich nicht bei der kleinsten Schwierigkeit verlässt?“

„Du wirst es wohl darauf ankommen lassen müssen.“ Evelyna zuckte mit den Schultern. 

„Vertrauen entsteht durch die Tat.“

„Mir fällt da eine sicherere Methode ein“, sagte Grindelwald. „Der unbrechbare Schwur.“

Notes:

I'm back!
Ja, jetzt ist alles vorbereitet - aber was denkt ihr, wie wird Evelyna sich entscheiden?
Wird sie den unbrechbaren Schwur leisten?

Chapter Text

Das Lächeln auf Evelynas Gesicht verblasste.

Das erschien ihr als keine gute Idee. Sollte sie, kaum dass sie es geschafft hatte, ihren ersten Fesseln zu entkommen, sich neue anlegen lassen? Doch würde er ihr anders jemals vertrauen?

„So weit geht deine Loyalität nun doch nicht, was?“ Grindelwald lächelte kalt.

„Ich bin loyal!“, entgegnete sie giftig. „Ich bin eine Slytherin und wenn wir was sind, dann loyal gegenüber denen, denen wir trauen!“

„Slytherin?“

Grindelwald war unentschlossen. Albus hatte ihm genug von den Hogwarts-Häusern erzählt und Slytherins waren laut ihm ein wenig verschlagen und hinterlistig. Gegenüber ihren Feinden.

„Der Hut hat gesagt, ich bin sehr schwierig, da ich gegensätzliche Charaktereigenschaften vereine, und wollte mich eigentlich nach Hufflepuff schicken, da ich dort so akzeptiert werde. Aber das wäre in den Augen meiner Eltern ein Skandal gewesen. Also hat der Hut mich nach Slytherin geschickt, da dies an zweiter Stelle war und von meiner Familie eher akzeptiert werden würde. Aber ich habe niemals richtig dazugehört.“

„Erspar mir bitte deine Lebensgeschichte. Ich kann nicht riskieren, jemanden bei mir zu haben, der mich vielleicht eines Tages verraten wird.“

„Was soll ich denn verraten? Noch hast du doch gar nichts angestellt! Und wenn dir mein Wort nicht reicht, lass es mich beweisen. Lass mich beweisen, dass ich dein Streben verstehe und unterstütze. Dass ich dir nicht in den Rücken fallen werde. Du wirst auf Widerstände stoßen und kannst dann jede Hilfe gebrauchen.“

Grindelwald stöhnte genervt auf, aber ihm war klar, dass sie sich nicht abschütteln lassen würde.
Mit sichtlichem Widerstreben hielt er ihr den Portschlüssel hin, den sie ohne zu zögern berührte. Auch als Grindelwald seinen Zauberstab erhob, zuckte Evelyna nicht mit der Wimper. Sie fürchtete sich kein bisschen vor ihm.

„Portus“, murmelte Grindelwald, alle Gedanken an seine unerwünschte Begleitung verbannend und nur fest auf sein Ziel konzentrierend. Nach wenigen Sekunden verspürte er das vertraute Ziehen hinter seinem Nabel und wurde fortgerissen.

Im Kreis wirbelnd flogen sie eine Weile, wobei Grindelwald nicht umhinkam, ein wenig über Evelynas Mut zu staunen. Schließlich bräuchte er sie jetzt nur schocken und hätte seine Ruhe. Doch das schien sie nicht zu befürchten.

Nach einem langen Flug knallten sie abrupt auf die harte Erde. Evelyna rappelte sich sofort auf und sah sich neugierig um. Sie waren in einem Tal gelandet und den Geräuschen nach zu urteilen, war hinter dem Hügel, der vor ihnen war, eine Stadt. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse. Überall waren mit Moos bewachsende Berge, gelegentlich durchbrochen von blau glitzernden Wasserfällen oder reißenden Flüssen. Doch trotz der Stadtnähe wirkte alles unberührt, urwüchsig, wild und nahezu magisch.

Hier hatten die Muggel die Natur noch nicht unterworfen und ihren Bedürfnissen angepasst. Hier herrschte Frieden.

Evelyna blickte nach unten. Die Erde war schwarz. Vulkanerde.

„Wo sind wir?“, fragte sie, auch wenn sie die Antwort zu kennen glaubte.

„Island“, bestätigte Grindelwald ihre Vermutung. „Hier fällt man als Zauberer nicht auf und kann weiter planen.“

„Und vielleicht mal in die Bibliothek gehen“, ergänzte Evelyna.

Grindelwald wirkte überrascht.

„Ja“, bestätigte er nach einer Weile. „Die wäre vielleicht auch einen Besuch wert.“

Den Weg in die Stadt legten sie schweigend zurück, wobei Evelyna sich alles ins Gedächtnis rief, was sie über Island wusste. Die Muggel hier hatten ihren Glauben an Magie nie verloren und vor langer Zeit war ein Vertrag aufgestellt worden. Würden die Menschen die Geschöpfe – hauptsächlich Feen, Elfen und Trolle – in Ruhe lassen, ihren Lebensraum nicht beschädigen, die Feen nicht als Dekorationen missbrauchen und die Elfen nicht versklaven, wären auch sie sicher vor Trollüberfällen, Kindesentführungen oder Ähnlichem. Dieser Vertrag führte dazu, dass immer mehr Geschöpfe sich hier ansiedelten. Der Vertrag war nie gebrochen worden und so lebten hier alle friedlich zusammen. 

Über vierzig Prozent der Menschen waren Hexen und Zauberer, die Freundschaften mit Muggeln pflegten und sich trotzdem an das internationale Geheimhaltungsabkommen hielten. Wobei dies hier eigentlich überflüssig war. Hier war die Magie allgegenwärtig. 

Auf dieser Insel gab es außerdem die größte Bibliothek der Zauberergesellschaft. Hatte man Fragen, würde man dort Antworten finden. Nur die Bibliothek selbst zu finden, war schwer. Ihr Eingang war verborgen und jeden Tag woanders und sah für jeden anders aus, was sämtliche Beschreibungen überflüssig machte. Doch hatte man sie einmal gefunden, würde man es immer wieder tun. Es gab Tricks, die es einem erleichterten, doch auch die musste man können.

„Warst du schon einmal in der Bibliothek?“, fragte Evelyna Grindelwald neugierig.

„Nein“, antwortete der. „Sie zu finden, wird schwierig sein.“

Inzwischen waren sie in der Stadt angekommen. Das Ortsschild war nicht lesbar, doch es war nicht Reykjavik. Alle nickten ihnen freundlich zu, während Grindelwald und Evelyna durch die Straßen gingen. Evelyna unterdrückte die Frage, was als Nächstes geplant war, denn sie ahnte, dass es ihn nervte. Er würde schon einen Plan haben. 

Ihr großes Vertrauen in ihn verblüffte sie selber, schließlich kannte sie ihn gar nicht. Noch dazu hatte sie nie jemandem vertraut, da sie wusste, wie gefährlich das war. Wer vertraute, konnte benutzt werden. Doch trotzdem konnte sie nichts dagegen tun. Sie konnte nur hoffen, dass ihr Herz klüger war als ihr Verstand.

Chapter 5

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

„Wie viele Nächte wollen Sie bleiben?“, fragte der Mann gelangweilt.

Grindelwald und Evelyna hatten eine Art Tropfenden Kessel entdeckt, Pub und Schlafmöglichkeit in einem. 

Während Grindelwald redete, sah Evelyna zu Boden und hielt sich im Hintergrund. So, wie man es von gut erzogenen, reinblütigen Mädchen erwartete. Vielleicht hatte die strenge Etikette, nach der sie aufgewachsen war, doch Vorteile. Denn es kam keine Frage nach dem Alter. Schließlich war es üblich, Mädchen so früh wie möglich zu verheiraten und so würde man einfach davon ausgehen, dass sie Grindelwalds Frau war. Das Paare nach der Vermählung wegfuhren, war zwar nicht der Standard, aber auch nicht unüblich, denn häufig lernten sich die Frischverheirateten erst nach der Hochzeit richtig kennen. Dann noch ein bescheidenes, unterwürfiges Auftreten und die Tarnung war perfekt.

„Das wird sich noch zeigen. Ich sage erstmal zwei Wochen, aber vermutlich wird es länger dauern“, antwortete Grindelwald. Seine ganze Haltung drückte Selbstsicherheit aus. Während Evelyna ihn aus den Augenwinkeln beobachtete, fragte sie sich unwillkürlich, ob er wohl auch so streng erzogen worden war. Gab es auch ein Mädchen, das er heiraten sollte? War er davor geflohen, so wie sie? 

Evelyna wusste, dass er eine Beziehung mit Albus eingegangen war. War er geflohen, weil er seine sexuellen Neigungen verstecken musste? Schließlich war Homosexualität ein Tabuthema, wurde als unnatürlich angesehen und wenn es jemand öffentlich machte, machte er sich damit zum Außenseiter. Zum Einzelgänger. Wobei es bei Muggel noch schlimmer war.

Albus hatte ihn geliebt, da war sich Evelyna sicher. Jede seiner Gesten hatte dies verdeutlicht. Doch hatte Grindelwald ihn auch geliebt? Oder hatte er ihn benutzt? 
Sie ahnte, dass sie für die Wahrheit Geduld haben musste. Vielleicht würde er ihr eines Tages davon erzählen, aber wahrscheinlich nicht. Trotzdem setzte sich Evelyna in diesem Moment zum Ziel, herauszufinden, was zwischen den Beiden gewesen war.

„Der Schlüssel ist für Zimmer 23“, sagte gerade der Inhaber und überreichte Grindelwald einen Schlüssel.

Der bedankte sich, nahm den Schlüssel entgegen und ging Richtung Treppenhaus. Evelyna folgte ihm still.
Das Zimmer stellte sich als überraschend geräumig heraus und war mit dem Wichtigsten ausgestattet. Schrank, Bett, Schreibtisch und eine Tür, die offenbar in ein Badezimmer führte.

„Es gefällt mir besser, wenn du nicht redest“, stellte Grindelwald fest, kaum dass die Tür zu war.

„Mir nicht“, erwiderte Evelyna. „Das war einer der unzähligen Aspekte, die ich an meiner Erziehung gehasst habe.“

„Nur zu reden, wenn du dazu aufgefordert wirst?“ 

„Ja. Du wurdest auch streng erzogen“, schlussfolgerte sie. 

Sofort verfinsterte sich Grindelwalds Gesicht.

„Wie kommst du darauf?“

„Deine Körperhaltung eben. Und der Ton. Den hat mein Vater auch gerne benutzt, da dies so ein typischer du-tust-was-ich-dir-sage-Ton ist.“

„Hat noch nie geschadet“, sagte Grindelwald kurz.

Eine Weile herrschte Schweigen. Dann-

„Meine Eltern haben durchaus Wert auf Etikette gelegt“, gab er zu. „Doch sie waren immer für uns da, haben uns viele Freiheiten gelassen und haben nie einen von uns zu etwas gezwungen, dass wir nicht wollten.“

Evelyna biss sich auf die Unterlippe. Das war unangenehm. Sie war parademäßig in ein Fettnäpfchen getreten, denn es war ihr nicht entgangen, dass Grindelwald von seinen Eltern in der Vergangenheit gesprochen hatte. Doch vielleicht hieß es nicht das, was sie dachte. Vielleicht hatte er sie einfach verlassen, sich von ihnen losgesagt, so wie sie von ihren. Doch wer war „uns“? Hatte er Geschwister? 

Grindelwald sah sie an.

„Warum wolltest du von deinen Eltern weg?“

Er hatte ihr etwas verraten, also würde sie das auch tun müssen.

„Ich bin nur ein Mädchen“, versuchte sie zu erklären. „Nicht der Erbe, den sie sich gewünscht haben. Sie haben mich täglich spüren lassen, dass es so war. Nachdem mein Bruder geboren wurde, wurde es besser. Doch sie haben mich trotzdem nicht, im Gegensatz zu ihm, am öffentlichen Leben teilhaben lassen. Sicher, ich durfte das Haus verlassen, sollte aber Kontakte meiden. Darum habe ich auch viel Zeit mit den Dumbledores verbracht, die ich von Hogwarts kannte. Nun wollten sie mich verheiraten, an die Familie Black abschieben. Mein Leben lang wurde ich darauf gedrillt, die perfekte Ehe- und Hausfrau und Mutter zu sein. Dabei wollte ich einfach nur frei sein.“

Abrupt brach sie ab. So viel Persönliches hatte sie noch nie jemandem erzählt.

Grindelwald sah sie an. Zum ersten Mal wirklich. Sie konnte es nicht genau beschrieben, aber dieser Blick schien sich in sie hineinzubohren und sie gefangen zu halten. Evelyna schauderte unwillkürlich, war aber auch nicht in der Lage, den Blick abzuwenden. Und dann war es vorbei. Grindelwald verzog leicht das Gesicht zu einem Lächeln.

„Dann haben wir ja im Grunde das gleiche Ziel. Freiheit.“

Evelyna erwiderte das Lächeln zaghaft.

„Verrätst du mir, was du vorhast?“

„Ich muss die Bibliothek finden. Ich hoffe, ich finde dort Hinweise, wo der Elderstab ist.“

Evelyna runzelte die Stirn. Sicher, sie hatte ihn und Albus häufig belauscht und wusste deshalb, dass sie von der Existenz des Zauberstabs, des Steins und Tarnumhang überzeugt waren, aber sie war skeptisch.

„Und dann? Willst du dem Besitzer des Stabes im Schlaf die Kehle durchschneiden?“

„Kommt drauf an, mit wie viel Intelligenz derjenige gesegnet ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch ohne Mord geht. Denn so ungewöhnlich dieser Stab auch sein mag, letztendlich ist er auch ein Zauberstab und damit auch den normalen Regeln unterworfen.“

„Was macht dich so sicher? Dass dieser Stab existiert? Es ist schließlich nur ein Märchen.“

Sein Blick war schwer zu deuten. War er genervt? Unschlüssig? Abwertend?

„Ich kenne die Geschichte, doch ich bin überzeugt, dass jede Geschichte einen wahren Kern hat. Und ich kann in die Zukunft sehen“, sagte Grindelwald schließlich. „Ich sehe viele Möglichkeiten, wie sich die Dinge entwickeln könnten. Und in ein paar sehe ich auch diesen Zauberstab. Ich weiß, dass es der Elderstab ist. Ich muss alles daransetzen, dass diese Zukunft eintritt. Dann habe ich die größten Chancen. Leider sehe ich nur den Stab, keinen Hinweis darauf, wo er sein könnte.“

„Verstehe“, murmelte Evelyna. „Vielleicht steht dazu was in der Bibliothek. Vorausgesetzt, wir finden sie.“

„Das werden wir. Da bin ich mir sicher. Außerdem brauchen wir noch eine Alternative zum unbrechbaren Schwur.“

Sofort verfinsterte sich Evelynas Gesicht.

„Wir werden sehen“, sagte sie kühl.

„Eine Frage hätte ich noch“, fiel Grindelwald ein. „Du kanntest Ariana. Was war mit ihr?“

Evelyna riss die Augen auf.

„Du hast es auch gespürt“, flüsterte sie. 

Grindelwald nickte langsam.

„Ja. Und ich konnte es mir nicht erklären.“

„Das kann ich mir auch nicht. Aberforth hat mir erzählt, dass sie als Kind im Garten von drei Muggeln beim Zaubern beobachtet wurde. Sie wollten, dass Ariana es ihnen beibrachte, doch das ging verständlicherweise nicht. Die Muggel ließen Ariana als psychisches Wrack zurück. Seit diesem Tag war sie wie von Sinnen. Was genau sie taten, weiß ich nicht. Das wusste wahrscheinlich nur Ariana. Da ihr Vater sie rächte, kam er nach Askaban, wo er starb. Und die Dumbledores zogen nach Godric´s Hallow, wo sie Ariana versteckten. Sie weigerte sich wohl, zu zaubern. Doch sie war nun mal eine Hexe und Magie findet immer einen Weg. Bei Ariana in Form von unkontrollierten, mächtigen Zaubereiausbrüchen. Bei einem davon starb wohl ihre Mutter.“

„Sie hat sich also geweigert, sodass sich die Magie in ihr angestaut hat“, fasste Grindelwald zusammen. „Und hat sich zu viel angestaut, kam es zur Explosion.“

„So habe ich es verstanden.“

„Das sollte man vielleicht dann auch mal nachgucken. Ob es noch mehr solcher Fälle gibt oder gab und wie das für den Betroffenen endet. So jemanden unter Kontrolle zu haben … natürlich müssen die Ausbrüche kontrolliert sein, aber dann, könnte einen niemand aufhalten.“

Evelyna schwieg.

„Lass uns die Bibliothek suchen gehen“, schlug Grindelwald vor. „Dann verschwenden wir den Tag nicht.“

„Gerne. Wenn man wüsste, was man sucht. Wir können ja schlecht hinter jeder Tür nachsehen.“

„Dabei müssen wir uns auf unser Gefühl verlassen. Das wird uns zur richtigen Stelle führen. Theoretisch.“

„Aber die Praxis hält sich nie an die Theorie.“

Grindelwald stöhnte.

„Verurteile die Mission doch nicht schon zum scheitern, bevor wir angefangen haben! Sonst schicke ich dich zurück.“

„Das versuch mal“, murmelte Evelyna, folgte ihm aber, als er das Zimmer verließ.

Notes:

Ja, ich lebe noch!

Meine Frage zum Wochenende - was haltet ihr von der Besetzung der neuen HBO-Serie? Gerade vom Goldenen Trio?

Also ich muss sagen, gerade das Trio finde ich nahezu perfekt. Dominic gibt mir zwar noch keine Harry-Vibes, aber ich denke, wenn er in der Rolle ist, wird er überzeugen.

Übrigens, ich kann jeden verstehen, der die Serie aufgrund von Rowlings Aussagen cancelt - ich werde mir die Serie als gebrauchte DVD holen, damit diese Frau keinen Cent mit mir verdient.

Beleidigende und rassistische Kommentare werden nicht geduldet, konstruktive Kritik ist gern gesehen. Und auch Aussagen wie "Wer will das?", "Niemand braucht ein Remake" sind überflüssig. Wir brauchen es nicht, aber wir bekommen es. Das ist nicht mehr zu ändern. Es wird niemand gezwungen, diese Serie zu gucken, aber solche Kommentare bringen buchstäblich gar nichts und werden auch nichts ändern.

Chapter Text

Die isländische Zauberergesellschaft erwies sich als freundlich, aber nicht unbedingt hilfsbereit. Wann immer Grindelwald nach der Bibliothek fragte, bekam er nur ein geheimnisvolles Lächeln und Kopfschütteln zur Antwort.

Evelyna redete niemanden an, denn auch wenn die Zauberer ein wenig lockerer lebten, sowohl im Umgang mit Homosexuellen, als auch mit den Freundschaften zwischen Jungen und Mädchen, so wurde es doch nicht gern gesehen, wenn junge Mädchen zu neugierig waren. Nur antworten, wenn man etwas gefragt wird, diese Regel galt für die Öffentlichkeit – und für Reinblüter auch zu Hause. Nachdem, was Evelyna über Muggel und Muggelstämmige gehört hatte, durften sie zuhause ungefragt reden. Sie hatte gelernt, ihre manchmal unbedachte und scharfe Zunge am Zaum zu halten, sämtliche verräterischen Gesichtsausdrücke zu kontrollieren und ihre Gedanken gut zu verstecken. Ihre Rebellion fand nur in ihrem Herzen statt, denn Godric’s Hollow war nur eine kleine Stadt. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass einiges, was man sagte, die Runde machte.

Was die Sprechweise an sich anging; die unterschied sich nicht weiter von der der Muggel. Junge Zauberer redeten ein wenig offener untereinander, doch immer noch mit einer gewissen Distanz.

Doch es gab auch Momente, in denen sie ein wenig froh war, solch eine strenge Erziehung genossen zu haben. Sie fiel nicht auf. Sie benahm sich, als hätte sie nie etwas anderes gemacht, als in einem Kleid und einem dünnen Mantel durch die Straßen zu laufen. Sie war froh, dass sie eher Alltagskleider trug, die hier nicht aus dem Rahmen fielen und nicht solche eleganten, in die ihre Mutter sie immer stecken wollte, damit sie vorzeigbar war. 

„Also, Miss Potter“, fing Grindelwald an, „wie alt bist du nun eigentlich genau?“

Evelyna verkniff sich ein Lächeln.

„Sechszehn“, antwortete sie. „Aber erst seit kurzem. Vor anderthalb Monaten habe ich in Hogwarts meine ZAGs geschrieben.“

„Und?“

„Vor zwei Wochen habe ich meine Ergebnisse erfahren. In Ermangelung an Freunden bin ich Jahrgangsbeste geworden.“

„Und warum hast du dann die Schule abgebrochen?“

„Ich nähere mich der Volljährigkeit. Meine Eltern wollten mich noch vorher verheiraten, da ich mich, nach ihrer Logik, so nicht wehren kann. Diesen Triumph wollte ich ihnen nicht gönnen und habe mich deshalb dazu entschieden, mit meiner Familie zu brechen. Darum habe ich auch viel Zeit in der Bibliothek verbracht, so dass mir die Lehrer Hogwarts nichts mehr beibringen konnten. Professor Dippet war nicht begeistert, als er davon erfuhr, doch er konnte meine Meinung nicht ändern.“

„Das hätte mich auch überrascht“, antwortete Grindelwald trocken. „Hat es jemals jemand geschafft, deinen Entschluss zu ändern?“

„Ja, das hat mein Bruder geschafft. Als ich erfahren habe, dass ich einen Bruder bekomme, habe ich ihn und den Gedanken an ihn gehasst. Die Tatsache, dass ich dadurch noch unwichtiger werde, denn meine Eltern haben kein Geheimnis daraus gemacht, dass ein Junge für sie oberste Priorität hat. Doch dann habe ich ihn gesehen, er wurde älter und viel zu gut für meine Familie. Ich will nicht, dass meine Eltern ihn verderben. Und ich habe entdeckt, dass es nicht das schlechteste ist, übersehen zu werden.“

„Redet du immer so viel?“

„Nein, aber du hast gefragt. Was ist mit dir? Wie alt bist du und warum gehst du nicht mehr zur Schule?“

„Hat man dir nicht beigebracht, keine Fragen zu stellen?“

„Natürlich hat man das. Aber das ist mir egal.“

Grindelwald antwortete nicht und Evelyna drang nicht weiter auf ihn ein. Sie mochte nicht viel von ihrer Erziehung halten, aber sie hatte eine gute Menschenkenntnis. Und Grindelwalds Schweigen entsprang nicht nur einer gewissen Stur- und Genervtheit – wobei diese Aspekte auch eine Rolle spielten – sondern es verbarg sich etwas anderes dahinter. Der Grund für seinen Hass.

„Ich bin ebenfalls sechszehn Jahre alt“, antwortete Grindelwald schließlich. „Werde allerdings demnächst siebzehn. Und ich wurde von Durmstrang verwiesen.“

„Durmstrang“, wiederholte Evelyna, wobei sie den zweiten Teil seiner Aussage übersprang. Er würde ihr ohnehin nicht antworten. „Eine Schule im Osten Europas. Gibt es dort wirklich nur Reinblüter?“

„Nicht ausschließlich. Es gibt auch eine Handvoll Halbblüter, aber die haben es in der Regel schwer und bleiben unter sich.“

„Aber Muggelstämmige-?“

„Werden erst gar nicht aufgenommen. Wobei es ja eigentlich keine gibt, schließlich gab es ja schon mal einen Zauber in der Familie, der halt einen Muggel geheiratet hat und nur weil diese Kinder dann keine Magier sind, ist das Gen ja nicht verloren. Es wird rezessiv autosomal weitergegeben. Und das ihnen die beste Zaubererschule den Eintritt verweht, weil sie das Glück hatten und das Gen sich durchgesetzt hat, finde ich ein wenig unsinnig.“

Evelyna nickte. Davon hatte sie gelesen. 

„Also hast du nichts gegen Muggelstämmige?“

„Nein, sie können ja nichts für ihre Abstammung. Ich habe noch nicht viele Muggelstämmige getroffen, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie meine Visionen besser verstehen, als alte Zaubererfamilien und Ministeriumsbeamte.“

„O, ich glaube, du unterschätzt den Hass, denn die Zaubererfamilien in sich tragen“, murmelte Evelyna. „Natürlich war ich nie zu irgendwelchen Bällen oder Empfängen eingeladen, aber einiges habe ich trotzdem mitbekommen. Sie hassen es, sich verbergen zu müssen, ein Geheimnis aus ihrer Existenz zu machen. Viele von ihnen sind gegen das Geheimhaltungsabkommen.“

„Gut“, murmelte Grindelwald. „Wenn ich mir nun noch sicher sein könnte, dass du mich nicht hintergehst, würde ich deine Anwesenheit vielleicht tolerieren können.“

Evelyna seufzte. Schon wieder dieses leidige Thema.

„Gib mir eine Chance, stell mich auf die Probe, es ist mir egal!“, erklärte sie. „Den unbrechbaren Schwur werde ich nicht leisten, aber ich schwöre dir trotzdem, dass ich dir folgen werde. Nenne mich, von mir aus, deinen ersten Anhänger. Ich verstehe dein Anliegen.“

„Aber ich verstehe dich nicht“, erwiderte Grindelwald. „Du wolltest von deiner Familie weg, so viel verstehe ich. Aber warum heftest du dich so an mich?“
Evelyna antwortete nicht sofort. Sie kannte den Grund, doch hatte sie den niemals erzählt. Keinen von den Dumbledores, die dieses Feuer in ihr zum lodern brachten. Ihr war klar, dass Grindelwald Gehorsamkeit verlangte und sie wollte ihn nicht enttäuschen. Und wenn jemand ihr Motiv verstehen konnte, dann er.

„Es war das Schicksal der Dumbledores, das mich aufgeweckt hat. Besonders das von Ariana. Ich kannte sie ziemlich gut und mochte sie. Manche Dinge hat sie auch nur mir erzählt, zum Beispiel, dass sie sich die Schuld für alles gibt. Das ihr Vater in Askaban sitzt, das ihre Mutter an der Last sie zu pflegen zerbricht, das ihre Brüder so eingeschränkt sind. Ihre ganze Familie ist zerbrochen und sie hat sich die Schuld gegeben. Aber da Aberforth mir ihre Geschichte erzählt hat, wurde mir klar, dass sie ein Opfer war. Ein Opfer der Grausamkeit von Muggel. Das hat sie nicht verdient. Sie war ein so zauberhaftes Mädchen und der einzige Mensch, mit dem ich mich identifizieren konnte. Und mir wurde klar, dass sie ein normales Leben hätte führen, wenn die Muggel sie in Ruhe gelassen hätten. Und das hätten sie getan, müssten wir uns nicht verstecken. Wäre es bekannt, dass es uns gibt, hätten diese Muggel sie in Ruhe gelassen und Ariana hätte ein normales Leben führen können. Die Muggel haben eine komplette Familie zerstört.“

„Dann sind deine Gründe persönlicher Natur, das ist gut“, meinte Grindelwald. „Dann ist man hartnäckiger.“

„Also hast du auch einen persönlichen Grund?“

„Hör zu. Ich toleriere deine Anwesenheit – da ich dich eh nicht loswerde – und ich akzeptiere dich als meinen ersten Anhänger, doch du hältst dich an meine Regeln. Und die erste wäre, du stellst mir keine Fragen und sprichst nicht unaufgefordert.“

Evelyna nickte. Es war ein Fortschritt. 

Sie sah Grindelwald von der Seite an. Blonde Locken, faszinierende zweifarbige Augen, ein anziehendes und attraktives Gesicht. Noch dazu hatte er scheinbar einen Wachstumsschub hinter sich, denn sie musste eigentlich nach oben sehen. Er war fast anderthalb Köpfe größer als sie. Hatte er wirklich eine strenge Erziehung genossen, dann hatte er auch gelernt, charmant zu wirken – auch wenn sie davon noch nichts gespürt hatte. Und wenn er erst sechszehn war, wie würde er dann erst in zehn Jahren aussehen? In dieser Gesellschaft konnte das Äußere Türen öffnen und von daher könnte Grindelwald sehr erfolgreich werden. Und sie war sich sicher, dass er redegewandt war und sich gut ausdrücken konnte. 

Was heiß diese Beobachtung für sie? Nichts Gutes, da war sie sich sicher. Sie würde wieder unsichtbar werden, weil er sie nicht brauchte. Sie hingegen brauchte ihn, um als Teil dieser Gesellschaft akzeptiert zu werden. Es würde später keine Rolle spielen, dass sie die Erste war, die sich ihm angeschlossen hatte. Sie war nun mal nur ein Mädchen.

Der einzige Weg, dem zu entgehen, wäre, für ihn wichtig zu werden. Ob nun aus persönlichen Gründen oder ob er anderweitig auf sie angewiesen wäre, Evelyna wollte kein Schattendasein führen. Es war merkwürdig, dass sie in seiner Nähe sein und bleiben wollte, aber auch nachvollziehbar. Ihr Leben bisher war eintönig gewesen, in seiner Nähe versprach es aufregend zu werden.

„Du weißt schon, dass anstarren als unhöflich gilt?“

Offenbar hatte Grindelwald ihren Blick bemerkt.

„Ich habe dir gesagt, dass Regeln mich nicht interessieren.“ 

Er seufzte frustriert.

„Auch wenn du deine Eltern verlassen hast, so tue zumindest in der Öffentlichkeit so, als kämest du aus einer guten Familie!“

„Warum?“

„Miss Potter! Wenn du dich nicht gleich ruhig verhältst, vergesse ich meinen Vorsatz, dich zu ertragen!“

Evelynas Erziehung protestierte, ihre innere Stimme sagte, sie solle nun ruhig sein, aber sie machte trotzdem den Mund auf.

„Und welche Konsequenzen hätte das?“

Grindelwald Mund verzog sich zu einem kalten Lächeln.

„Schwarzmagische.“

Nicht die Antwort ließ Evelyna den Atem stocken, auch nicht das kalte, spöttische Lächeln. Nicht mal seine Augen, die ihr verrieten, dass das kein Scherz war. Es war die vollkommene Gelassenheit, die er ausstrahlte. Diese Sicherheit der eigenen Stärke, die sie aus dem Konzept und ihren Atem wie Herzschlag zum verstummen brachte. Und da war wieder diese Unruhe. Wie machte er das? Warum konnte er von etwas Verbotenem reden und sie fand es anziehend? War es der Reiz des Verbotenen? 
Diese Gedanken beschäftigten Evelyna so sehr, dass sie nun tatsächlich größtenteils schwieg.

Chapter 7

Notes:

Am 1. September muss hier natürlich auch ein neues Kapitel kommen :)
In welchem Schuljahr wärt ihr mittlerweile oder seit wie vielen Jahren raus?
Ich wäre seit sieben Jahren raus - oder aber ich wiederhole das letzte Schuljahr zum siebten Mal.

Chapter Text

Nachdem sie am Abend nach erfolgloser Suche in den Pub zurückkehrten, wurden Evelyna und Grindelwald von einem älteren Mann mit Schürze abgefangen.

„Entschuldigen Sie, ich wollte nur persönlich unsere neuen Gäste begrüßen. Ich hoffe, es gefällt Ihnen hier „In der Zwischenwelt“ und alles entspricht Ihren Wünschen?“

Er redete nur mit Grindelwald, aber das störte Evelyna nicht. Sie war es nicht nur gewohnt, sie wurde gerne übersehen. Das hatte viele Vorteile, wie sie festgestellt hatte. Trotzdem unterdrückte sie ein Schaudern. Etwas an diesem Mann sorgte dafür, dass sie sich unwohl fühlte. In Hogwarts hatte es auch Menschen gegeben, die ihr Übelkeit bereiteten und die sie in Zukunft mied. Jetzt unterdrückte sie den Impuls einen Schritt rückwärts zu gehen. 

Grindelwald sah den Mann mit hochgezogenen Brauen an.

„Und Sie sind?“

„Nennen Sie mich einfach Cal“, sagte der Mann lächelnd. „Ich bin Eigentümer dieses bescheidenen Pubs.“

„Danke, ich bin zufrieden.“

„Kann ich Ihnen etwas Gutes tun?“

„Ich verspüre eine Abneigung gegenüber der Vorstellung, mit fremden Menschen zu Abend zu essen. Wenn es sich einrichten lässt, würde ich gerne im Zimmer essen.“

„Aber natürlich. Was wollen Sie denn?“

Während Grindelwald diktierte, was er zu essen wünschte, mied Evelyna jeden Blickkontakt. Sie durfte sich nichts anmerken lassen, aber würde in Zukunft versuchen, diesen Mann – Cal – in Zukunft zu meiden.

Als sie einmal aufblickte, begegneten sich ihre Blicke. Aus seinen Augen sprach so eine Kälte und Verachtung, dass sie am liebsten wieder den Blick abgewendet hatte, doch diese Blöße wollte sie sich nicht geben. Stattdessen richtete sie sich auf und achtete auf ihre Haltung, die sie, wie ihr bewusst wurde, seit vergangenen Abend sträflich vernachlässigt hatte. Sie konnte von Glück reden, dass ihre Eltern nie herausfinden würden, dass die gerannt war, in der Öffentlichkeit gebadet und unter freien Himmel geschlafen hatte.

„Möchten Sie auch etwas … Mrs Grindelwald?“

Es kostete Evelyna gewaltige Anstrengung, ihren neutralen Gesichtsausdruck nicht entgleiten zu lassen, aber schließlich hatte sie damit gerechnet. Grindelwald scheinbar nicht, denn sein Gesicht spiegelte eine Mischung aus Unglauben, Entsetzen, Überraschung und Erschrecken wieder.

„Nein, danke. Ich möchte nichts“, antwortete Evelyna beherrscht. Sie wollte nichts essen, was ihr dieser Mann brachte.

Cal nickte einmal unterwürfig in Grindelwalds Richtung, bevor er sich in Richtung Bar verabschiedete.

„Los“, murmelte Grindelwald und gab Evelyna ein Zeichen, ihm zu folgen.

Kaum hatten sie die Gaststube verlassen, öffnete Evelyna den Mund, doch Grindelwald warf ihr einen eindringlichen und warnenden Blick zu, so dass sie ihn wieder schloss. Sie musste sich an die Regeln halten, auch wenn sie gehofft hatte, dass diese nur für die Öffentlichkeit galten. Sie hatte nicht geplant, ihr restliches Leben größtenteils schweigend zu verbringen.

Doch das musste sie auch nicht, wie ihr kurz darauf klar wurde. Grindelwald wollte nur nicht, dass sie belauscht wurden. Denn keine zehn Sekunden später, kam ihnen ein Mann entgegen, der eine düstere Aura ausstrahlte. Mit blutunterlaufenen Augen aus dunklen Höhlen starrte er sie beide ungeniert an, als sie an ihm vorüber gingen. Sein vor dreckstarrender Mantel ließ nicht erkennen, welche Farbe er ursprünglich hatte. Er roch nach Rauch, Schweiß und anderen Komponenten, über die Evelyna nicht weiter nachdenken wollte. 

Er gehörte zu der Sorte Mensch, um die alle anderen einen großen Bogen machten, die nirgendwo hingehörten und niemanden und nichts zu verlieren hatten. Und das machte sie gefährlich. Doch Evelyna und Grindelwald kümmerte das nicht. Sie fürchtete sich nicht, wussten schließlich beide, unabhängig voneinander, dass sie einen Angriff von einer Person unverletzt überstehen würden – im Gegensatz zum Herausforderer. 

„Es kann dich nicht wirklich überrascht haben!“, meinte Evelyna, kaum dass sie ihr Zimmer erreicht und die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte.
Grindelwald ging nicht auf die Bemerkung ein, sah aber dennoch zu ihr.

„Du magst diesen Cal nicht.“ Es war eine Feststellung, keine Frage.

„Stimmt.“ Evelyna zog ihren Mantel aus und sorgte mit einer kleinen Bewegung ihres Zauberstabs dafür, dass er sich an den Kleiderhaken hängte. Grindelwald hatte nicht mal mit der Wimper gezuckt.

„Warum nicht?“

„Das interessiert dich?“, fragte sie zurück.

„Du scheinst eine recht gute Menschenkenntnis zu haben. Was hältst du von ihm?“

„Nicht viel. Er ist mir suspekt. In seiner Gegenwart fühle ich mich unwohl, aber das muss nichts zu sagen haben. In Hogwarts gab es auch Menschen, denen ich lieber aus dem Weg gegangen bin.“

„Als Slytherin?“

Evelyna lächelte.

„Anscheinend hattest du eine ziemlich einseitige Berichterstattung über mein Haus.“

Jetzt wandte Grindelwald den Blick ab.

„Mag sein.“

„Ja, ich war eine Slytherin, doch dies ist auch das Haus der Reinblüter. Mädchen sind in ihren Augen nichts wert. Was das angeht, denken die Zauberer in den anderen Häusern ein wenig fortschrittlicher. Nicht viel, aber doch hören sie uns zumindest zu. In Slytherin beharren alle auf die alten Bräuche und Sitten. Es ist kein Vorteil, als Mädchen in Slytherin zu sein.“

„Und die, die du gemieden hast? Welchen Grund gab es dafür?“

„Sie alle hatten diese Ausstrahlung. Eine leichtsinnig-gefährliche. Das gefährliche –“

Es klopfte.

Sofort verstummte Evelyna, während Grindelwald die Tür öffnete und das Essen in Empfang nahm. Als er die Tür wieder schloss, bemerkte er ihren misstrauischen Blick.

„Ich denke, du willst nichts?“

„Nichts, was er angerichtet hat!“

Grindelwald zuckte gleichgültig mit den Schultern, während er sich an den Schreibtisch setzte und das Besteck in die Hand nahm.

„Wie du meinst.“

Da Grindelwald mit Essen beschäftig war, beschloss Evelyna, ein Bad zu nehmen und sich für die Nacht umzuziehen. Während sie mit dem Zauberstab das Wasser auf die gewünschte Temperatur erwärmte, stieß sie gedanklich auf ein anderes Problem. Wie sollte sie die Schnüre von ihrem Kleid lösen? Als sie vergangene Nacht draußen geschlafen hatte, hatte ihr Kleid nur einen Reißverschluss besessen, doch dann hatte sie dieses mit Knöpfen und Schnüren angezogen. Das war schon von den Hauselfen fertig geschnürt gewesen, so dass sie es nur noch mit dem Zauberstab ein wenig enger binden musste.

Und auf das Korsett hatte sie komplett verzichtet, was auch für eine Ohnmacht bei ihren Eltern gesorgt hätte, doch Tatsache war nun mal, dass sie es sich noch nie alleine umlegen musste. Auch das müsste sie die nächsten Tage lernen, auch wenn es ganz angenehm war, einmal frei atmen zu können.
Zuhause hätte ihr sowohl mit dem Korsett, als auch mit dem Kleid ein Hauself geholfen, denn das Geschirr des Abendessens wäre abgewaschen und das Frühstück vorbereitet. Ein Hauself wäre natürlich bei ihrem Bruder, so wie immer, wenn ihre Eltern zu tun hatten und der Haushalt in Ordnung war. Für die Hauselfen würde es weniger Arbeit bedeuten, dass sie fort war. Doch das war in Godric’s Hollow, nicht aus Island. 

Evelyna versuchte, im Spiegel zu erkennen, welche Schleife sie zuerst öffnen musste, doch selbst nachdem sie ihn gereinigt hatte, blieb das Spiegelbild milchig und verwischt. 

Sie seufzte. Zum Glück lebte sie in einer magischen Welt. 

Schnell trennte sie das Kleid am Rücken auf, um dann, als sie badete, es wieder zu reparieren und sich den Mechanismus einzuprägen. Als sie es eine Viertelstunde später mit geschlossenen Augen öffnen konnte, legte sie es beiseite, um sich abzutrocknen. Dann zog sie sich ein Nachthemd an, wo es zum Glück nicht viel zu schnüren gab, darüber einen Morgenrock und Morgenmantel und kehrte in das Zimmer zurück.

„Ich dachte schon, du wärst ertrunken“, begrüßte sie Grindelwald.

„Zu früh gefreut“, meinte Evelyna trocken und runzelte die Stirn.

Offenbar hatte Grindelwald ein wenig umgebaut. Anstatt des großen Doppelbettes standen nun zwei einzelne Betten im Raum, beide ungefähr gleich groß. Nur wirkte dadurch das Zimmer voller.

„Meinst du nicht, dass das auffällt?“

„Wieso sollte es? Und was geht es die anderen an? Ich habe für diesen Raum bezahlt, also kann ich auch umbauen. Wenn wir diesen Ort verlassen, wird nichts mehr darauf hinweisen.“

Das war nicht ganz das, was Evelyna meinte, doch sie ließ es unkommentiert. Stattdessen setzte sie sich auf ein Bett und fuhr mit den Fingern an den Rand lang, an dem die Betten miteinander verbunden waren. Er war alles andere als sauber abgetrennt und ungefährlich. Es mochte sein, das Grindelwald ein äußerst fähiger Zauberer war, aber er musste sich dringend angewöhnen, auch auf Kleinigkeiten zu achten. Mit einem sanften Klopfen ihres Zauberstabs ebnete sie den Rand und verbannte damit die Gefahr, sich zu verletzen. 

Als das erledigt war, legte sie sich in ihr Bett und versuchte zu entspannen, was gerade nach einem so ereignisreichen Tag von größter Wichtigkeit war. Einen Moment der Unachtsamkeit und sie könnte ihren größten Triumph verlieren. Alles in den Hintergrund zu schieben, allem gleichgültig gegenüber zu sein. 

Okklumentik wurde ihr mit in die Wiege gelegt, wie so vielen reinblütigen Kindern. Durch die strenge Regel, niemals irgendwelche Gefühle zu zeigen, war es nur ein kleiner Schritt gewesen, in ihrem Kopf eine Mauer zu errichten, die feindliche Angriffe abwehrte. Denn nicht anderes waren Legilimentoren. Feinde, die in die Köpfe anderer eindringen konnten, um dessen Wissen zum eigenen Vorteil zu verwenden. 

Doch darüber war sie sich erst im Klaren, seit sie in Hogwarts war, wo sie einiges über sich gelernt hatte. Wo sie ihr Talent entdeckt hatte. Für sie war Okklumentik wichtiger als für andere. Wer Zugang zu ihrem Kopf hatte, kannte die Wahrheit. Über jeden, der sie jemals angelogen hatte.