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to the underworld and back

Summary:

Die Bombe explodiert, Leo stirbt, Adam bleibt zurück. Aber in diesem Universum existieren die griechischen Götter und mit etwas Hilfe findet Adam einen Weg in die Unterwelt. Er hat nur ein Ziel: Leo aus der Unterwelt retten und eine zweite Chance mit ihm erhalten.

Ein Nacherzählung der Sage von Orpheus und Eurydice, aber mit Adam als Orpheus und Leo als Eurydice. Und mit einem Happy Ending, weil ich die beiden nicht mit einer Tragödie zurück lassen konnte, wir wissen ja wie das bei Orpheus und Eurydice geendet ist...

Notes:

Diese fic enthält übrigens Elemente der Serie Kaos (muss man nicht gesehen haben um es zu verstehen) und ist eine Songfic, weil ich leicht eskaliert bin. Alle songs sind von Vincent Lima, der sehr obsessed mit griechischer Mythology ist und ein ganzes Album über Orpheus und Eurydice geschrieben hat (kommt übrigens am 19.09. raus falls jemand Interesse hat)

Eine Playlist mit allen songs die in dieser fic sind findet ihr hier: spotify playlist Die songs sollten auch an den Stellen mit lyrics passend verlinkt sein falls ich das richtig gemacht habe.

Der zweite Teil ist fertig geschrieben und wird wenn alles gut läuft morgen hochgeladen, hängt alles davon ab wie aufmerksam ich in der berufsschule bin (eure chancen stehen gut, ich höre den lehrern so 80% der zeit nicht zu)

(See the end of the work for more notes.)

Chapter Text

Alles ist gehüllt in Rauch, er brennt in seinen Lungen, setzt sich in seinem Bewusstsein fest. Er kann nichts sehen, es ist zu dunkel. Als hätte sich ein Teil des Rauchs wie ein Schleier über seine Augen gelegt.

Adam blinzelt, versucht die Rußpartikel los zu werden. Sie bleiben.

Nur langsam kann er sich daran erinnern wo er ist, wie er her gekommen ist.

Was passiert ist.

Er war mit Leo hier, dann Rauch, ein lauter Knall, Hilflosigkeit, Hitze. Er weiß nicht einmal ob die Reihenfolge stimmt, es macht keinen Sinn.

Aber Leo, Leo war hier, bei ihm. Wo ist er?

Adam spürt wie sein Herzschlag schneller wird, wie sich sein Atem beschleunigt. Es hilft nicht, sorgt nur dafür das sich mehr Rauch in seine Lungen setzt, jede Bewegung noch schwerer macht, jeden Gedanken noch träger als den vorherigen.

Wo ist Leo? Was ist-


Adam findet sich aufrecht sitzend im Bett wieder, sein Atem geht schnell, zu schnell. Sein ganzer Körper fühlt sich klamm an und zeitgleich ist ihm kalt. Ein kalter Schauer fährt seinen Rücken herunter und er kann das Zittern nicht unterdrücken.

Seine Gedanken rasen und er kriegt keinen von ihnen richtig zu fassen, es fühlt sich noch immer so an als würde Rauch seine Lungen füllen, bis er bei einem Gedanken landet, der klar ist wie die helle Sommersonne.

"Leo?"

Er merkt nur, dass er den Namen laut gesagt hat, weil er sich vor seiner eigenen Stimme erschreckt.

Er schaut sich um, hektisch, panisch, während mehr und mehr Fetzen des Traumes zu ihm zurück kehren.

Das Feuer, der Rauch, die Explosion.

Leo, auf dem Boden.

Leo, in seinen Armen.

Leo, der sich nicht bewegt.

Leo, der aufgehört hat zu atmen.

Leo liegt neben ihm, seine Brust hebt und senkt sich gleichmäßig, ruhig im Schlaf.

Leo liegt neben ihm und trotzdem sieht Adam nichts als den leblosen Leo, den er gerade noch in den Armen gehalten hat, in diesem zu echt wirkenden Traum.

In diesem Traum der immer wieder kehrt, wie …

Adam schlägt die Decke zurück, die sich mittlerweile wie ein Gefängnis anfühlt, und steht auf. Der kalte Boden unter seinen nackten Füßen lässt alles etwas echter wirken, etwas weniger wie einen Traum. Er will nicht dass das hier ein Traum ist, nicht wenn das seinen Albtraum zur Realität machen würde.

Er schaut noch einmal zurück zu Leo, der weiterhin in ihrem Bett liegt und friedlich schläft, nichts von dem ahnt was Adam jede Nacht aufs neue konfrontieren muss. Wieder und wieder.

Adam schleicht sich aus ihrem Schlafzimmer, geführt vom sanften Mondlicht das durch die Fenster herein fällt. Sie fühlt sich fast an wie eine alte Freundin, so viele Stunden hat Adam in letzter Zeit mit ihr verbracht.

Er ist sich sicher das die Mondgöttin ihn nur belächelt, vielleicht sogar auslacht, dafür dass er sie als seine Freundin ansieht, während sie dabei zuschaut wie er Nacht um Nacht allein auf der Terrasse sitzt, nur mit seiner Gitarre in der Hand, um Leo nicht mit seinen Träumen zu wecken oder zu belasten.

Auch heute greift er auf dem Weg nach draußen seine Gitarre, die wie immer auf dem Ständer neben dem Sofa nur auf ihn wartet. Sie schimmert sanft im silbernen Mondlicht, begrüßt ihn wie den alten Freund der er, zumindest für sie, tatsächlich ist.


"Ich habe noch nie jemanden so spielen sehen."

Adam sieht bei den Worten auf, überrascht das überhaupt jemand mit ihm spricht. Der Einzige der ihn gerade sehen sollte ist sein Vater, und der hat noch nie freundliche Worte für ihn übrig gehabt.

Er findet sich wunderschönen, dunklen Augen gegenüber wieder. Augen in denen er für einen kurzen Moment verloren geht, bis ihn jede Faser seines Körpers daran erinnert, dass sein Vater jederzeit zurück kommen kann und er nicht aufhören sollte zu spielen.

"Sonst sieht mich niemand spielen.", murmelt er zur Antwort, justiert den Griff an seiner Gitarre und entlockt ihr die nächsten Töne.

Seine Augen wandern immer wieder hoch, zu dem Jungen auf der Mauer der ihm beim Spielen zusieht. Je länger diese Situation andauert, desto mehr Angst sammelt sich in Adams Nacken und breitet sich langsam auf den Rest seines Körpers aus.

Er versucht es auszuhalten, schafft es bis zu dem Moment in dem er denkt er müsse gleich implodieren. Er schaut wieder nach oben, hört kurz auf an den Saiten der Gitarre zu zupfen.

"Du musst gehen, bevor-"

Er kann den Satz nicht beenden, hört von drinnen Schreie. Sein Vater.

Ohne darüber nach zu denken, fängt Adam wieder an zu spielen, als er noch einmal nach oben schaut, zum oberen Ende der Mauer, ist der Junge mit den wunderschönen Augen verschwunden.


"You said, 'If you can see me, it's all in your head
But it feels real to me now, it felt real to me then
It feels real to me now-"

"Warum bist du wach?"

Leos Stimme ist kaum lauter als ein Flüstern, sie reicht um Adam zum Stoppen zu bringen. Er lässt die Gitarre sinken und schaut zu ihm auf.

"Konnte nicht mehr schlafen, was ist deine Ausrede?", erwidert Adam ebenso sanft.

Leo lächelt, ihm entkommt ein Schnauben, sanft und belustigt und so echt. Ein weiterer Beweis dafür, dass Adams Traum nicht echt ist, besonders das hier, dieser Moment. Er schiebt den Gedanken den er hatte ganz weit weg, den Gedanken was dieser Traum bedeutet könnte.

Leo setzt sich zu ihm, neben ihn auf die Bank auf die Adam sich immer setzt, wenn er draußen Gitarre spielt. Er schaut ihn einfach nur an und für einen kurzen Moment geht Adam in diesen wunderschönen braunen Augen verloren. So wie jedes Mal, so wie damals schon als Leo nur der Junge war der ihn ab und an besucht hat. Der Junge oben auf der Mauer.

"Was hast du gerade gespielt?", fragt Leo schließlich in die Stille.

Adam reißt sich von Leos Augen los, auch wenn er nicht will. Er könnte hier ewig so sitzen bleiben, dann weiß er zumindest das Leo nichts schlimmes passieren kann.

"Das war was Neues, solltest du eigentlich noch nicht hören."

Leo lächelt und Adam kann nicht anders als es zu erwidern.

"Ich kann auch wieder gehen?", sagt Leo, und Adam schüttelt direkt den Kopf.

"Bleib."

Leo lehnt sich näher zu ihm und Adams Herz beschleunigt direkt das Tempo. Er schaut wieder in Leos Augen, dann fällt sein Blick wie automatisch nach unten, auf Leos Lippen.

Adam lehnt sich auch nach vorne, Leo entgegen, ihre Lippen treffen sich.

Leo lächelt in den Kuss hinein und Adam tut es ihm gleich, kann nicht anders als ihm zu folgen, so wie er es immer tut.

Als sie sich voneinander lösen, bleiben sie nah beieinander. So nah, dass Adam meint sie würden weiterhin die gleiche Luft atmen. Er möchte nicht das dieser Moment endet.

"Kannst du was anderes spielen? Ein Lied das ich hören darf?"

Adam nickt, lehnt sich noch einmal nach vorne und presst seine Lippen kurz auf Leos. Nur kurz, nicht lang genug um Leo die Chance auf eine Reaktion zu geben.

"Klar."

Adam rutscht ein Stück zurück, greift seine Gitarre wieder richtig und zupft ein paar zufällige Noten, bevor er entscheidet welches Lied er spielt. Ein Lied das er schon vor längerer Zeit für Leo geschrieben hat.

Irgendwie sind seine Lieder alle immer für Leo, zumindest seit er die Freiheit hat das selbst zu entscheiden.

"We've been out on the floor for ten minutes or so
And I looked in your eyes, and they spoke
They said, boy you can't dance
But you've walked through my head
And you stopped to make friends with my hopes
And the days I feel weak and the others can't see
You say, I'll love you carefully
So will you love me carefully?"


Adam hat seine Gitarre lange nicht angefasst, nachdem er weggelaufen ist. Er hat sie mit genommen, nachdem sein Vater tot und die Schuld Leo gegenüber zu groß war, aber er hat nie auf ihr gespielt.

Jedes Mal hat es sich angefühlt als würde er genau das tun was sein Vater will, es ihm recht machen, auch jetzt, wo er nicht mehr seinen heißen Atem im Nacken spürt, während er es tut. Zehn Jahre war es so, ein Blick auf die Gitarre und er hat die Schreie seines Vaters im Ohr gehabt. Bis er Vincent kennen gelernt hat.

Vincent war anders, verständnisvoll, hat ihm zugehört. Hat ihn davon überzeugen können, das er Spaß daran haben darf Musik zu machen, das es keine Schande ist, wenn er mal etwas falsch macht.

Er hat wieder angefangen zu spielen, und immer wenn er die Augen geschlossen hat, war es als könnte er ihn vor sich sehen. Leo, den Jungen mit den dunklen Augen der eines Tages auf der Mauer saß und ihm zugeschaut hat. Wenn er dort so sitzt, stellt er sich immer vor Leo wäre auch da.

Manchmal wünscht er sich er hätte Leo mitgenommen, ihm angeboten gemeinsam wegzulaufen. Manchmal fühlt sich diese Schuld noch größer an, als die die ihn ursprünglich zum Gehen bewegt hat.

"There's something in my heart
That makes me want to run away
Oh, how I want to bring you too
There's something in my soul
That cries out when the seasons change
I want to give those tears to you
But is that fair to do?
Is that fair to you?"


"Sicher das wir rein gehen sollen? Wir wissen nicht was uns drinnen erwartet.", Esther klingt gleichermaßen besorgt und hoffnungsvoll.

Pia ist da drin, in dieser verdammten Höhle. Sie müssen sie da raus holen, egal was es kostet.

"Wir haben nicht genug Zeit um auf Verstärkung zu warten, wie du gesagt hast, wir wissen nicht was drinnen auf uns wartet.", erwidert Adam.

Er sieht wie Leo ihm einen schnellen Blick zu wirft, er schaut zu schnell weg als das Adam ihn richtig deuten kann. Er ignoriert das flaue Gefühl, das sich in seiner Magengrube festsetzt, ignoriert die böse Vorahnung. Hier geht es um Pia, nicht um ihn.

Es war eigentlich ein Fall wie jeder andere, dachten sie zumindest. Dann hat Adam es verbockt und jetzt ist sie in der Gewalt ihrer Verdächtigen. Weniger Verdächtige und mehr ihre tatsächliche Täterin, wenn man die letzten Stunden in Betracht zieht.

Es ging alles so schnell, aber sie wissen das Pia in dieser Höhle ist, das sie darauf wartet von ihnen gerettet zu werden.

"Wir gehen rein.", beschließt Leo. "Adam, du kommst mit mir. Esther, du gehst hinten herum."

Sie nicken beide und Adam folgt Leo, während Esther sich von ihnen entfernt.

 

"Wir wissen nicht ob sie tatsächlich etwas mit dem Mord an diesen Waldnymphen zu tun hatte.", wirft Pia in den Raum.

Esther schaut entgeistert zu ihr. "Glaubst du das wirklich? Die Beweislage ist eindeutig."

"Es ist egal was unsere eigene Meinung hierzu ist. Esther und ich gehen der Spur nach, ihr beide habt euch den Schreibtischdienst verdient."

Adam stöhnt, widerspricht aber nicht. Sobald sich die Tür hinter Leo und Esther geschlossen hat, dreht Pia sich zu ihm. "Wir sollten nochmal mit ihr reden."

Adam will widersprechen, schaut einmal in Pias erwartungsvolle Augen und wirft alle Vorsicht aus dem Fenster.

"Okay."

 

Er hätte ihr niemals zustimmen dürfen. Das weiß er jetzt, dann wären sie nie in dieser Situation gelandet. Dann wäre Pia nicht entführt worden und all das wäre nie passiert.

Leo ist neben ihm, jeder eine Waffe in der Hand. Ihr Gegenüber ist auch bewaffnet, die andere hat eine Bombe. Und scheiße, darauf waren sie nicht vorbereitet, so gar nicht.

Es geht alles so schnell und zeitgleich als hätte jemand die Geschwindigkeit herunter gedreht, als würde alles in Zeitlupe passieren. Dann geht die Bombe hoch.

Jemand schreit, Adam ist sich nicht sicher ob er es selbst war oder jemand anders.

Pias Entführerin ist tot.

Pia lebt.

Esther scheint es gut zu gehen, obwohl sie sich gerade in der Ecke übergeben hat.

Von seiner Position auf dem Boden kann Adam Leo nicht sehen, er weiß nur das Leo bei Pia war. Das er versucht hat sie zu schützen.

Adam kämpft sich hoch. Alles ist gehüllt in Rauch, er brennt in seinen Lungen, setzt sich in seinem Bewusstsein fest. Er kann nichts sehen, es ist zu dunkel. Als hätte sich ein Teil des Rauchs wie ein Schleier über seine Augen gelegt.

Es ist als wäre er schon einmal hier gewesen, als hätte er diese Situation schon unzählige Male durchlebt. Es dauert einen Moment bis Adam sich erinnert, bis er realisiert was gerade passiert.

Adam spürt wie sein Herzschlag schneller wird, wie sich sein Atem beschleunigt. Es hilft nicht, sorgt nur dafür das sich mehr Rauch in seine Lungen setzt, jede Bewegung noch schwerer macht, jeden Gedanken noch träger als den vorherigen.

Er muss zu Leo, er muss sicher gehen das er sich irrt, dass das hier gerade nicht passiert.

Irgendwie schafft Adam es seine zittrigen Beine unter sich zu bekommen, ohne direkt wieder zusammen zu brechen. Er stolpert mehr als das er geht bis er bei Leo ist.

Leo, auf dem Boden.

Leo, in seinen Armen.

Leo, der sich nicht bewegt.

Leo, der aufgehört hat zu atmen.

"Nein, nein, nein."

Er hört nicht auf dieses Wort zu sagen, auch als Esther sich neben ihn zieht, sieht was passiert. Er hört wie sie Leos Namen schreit, kann sich nicht bewegen.

Nach dem Moment des Schocks schalten sich seine Instinkte ein. Eigentlich will er Leo nur in seinen Armen halten, ihn nicht gehen lassen, zeitgleich weiß er was er tun muss. Zeitgleich hat er vor langer Zeit gelernt was er zu tun hat wenn jemand aufhört zu atmen.

Er legt Leo auf den Boden, so sanft wie er kann. Reißt die Schutzweste auf und fängt an sich auf seinen Brustkorb zu stützen, immer und immer wieder. Dazwischen beatmen, das weiß er auch noch. War bisher immer froh, dass er so etwas noch nie machen musste.

"Nein, Leo, bleib hier."

Leo hört ihn nicht, das weiß er. Es ist ihm egal.

Adam weiß nicht wie viel Zeit vergeht bis Esther ihn von Leo runter zieht. Da sind Menschen um sie herum, so viele. Er hat nicht bemerkt, dass sie gekommen sind.

Hat nur Augen für Leo, kann sich nicht abwenden, kann nicht wegsehen.

Von Leo, sein Gesicht blutverschmiert.

Von Leo, der reglos dort liegt.

Von Leo, der immer noch nicht atmet.

Adam kann sich nicht daran erinnern was danach passiert. Weiß nicht wie er wieder nach Hause gekommen ist, er weiß nur das es sich nicht mehr wie zu Hause anfühlt, jetzt wo er allein hier ist.


Adam hört auf raus zu gehen, flüchtet sich in die Musik die er für so lange Zeit verachtet hat. Die Leo immer geliebt hat.

"How do you know which time might be the last?
What I would give just to see you again
I'd walk to the depths of a world down below
And demand to get back what some circumstance stole

I still remember the last look of hope in your eyes
Oh, I wish I had stayed just a little while"

"Hast du darüber nachgedacht es wirklich zu tun?"

Adam schreckt auf, hört direkt auf zu spielen. Er hat nicht bemerkt, dass jemand außer ihm hier ist.

Ganz kurz denkt er an die Möglichkeit das es Leo ist, bis sich in Sekundenschnelle sein Verstand einschaltet und ihn korrigiert. Es kann nicht Leo sein, Leo ist tot.

Er hat ihn selbst beerdigt, ihm die Münze mitgegeben damit der Fährmann ihn in die Unterwelt übersetzt.

Gegen all seine Hoffnung steht nicht Leo dort, sondern Vincent.

"Was machst du hier?", fragt Adam schließlich.

Er hat nicht mit Vincent gerechnet, hat ihn so lange nicht mehr gesehen. Ihre Wege haben sich eigentlich vor längerer Zeit getrennt.

Vincent zuckt nur mit den Schultern und lässt sich auf den Boden der Terrasse fallen, zieht seine Beine in einen Schneidersitz.

"Ich wollte sehen wie es dir geht."

Adam schnaubt. "Was glaubst du?"

Vincent legt kurz den Kopf schräg, als würde er Adam so besser sehen können. "Wenn ich ehrlich bin, beschissen."

"Ja, ich weiß.", murmelt Adam darauf nur.

Was soll er auch sagen, er weiß genau wie er aussieht. Er war seit mindestens einer Woche nicht mehr duschen, er weiß es gar nicht mehr so genau. Er hat seit mindestens drei Tagen nicht mehr in einen Spiegel geguckt, weil er dort immer nur meint im Augenwinkel Leo zu sehen. Er ist immer weg wenn er genauer hinschaut.

Er guckt wieder zu Vincent, der immer noch genau so aussieht wie das letzte Mal als sie sich gesehen haben. Irgendwie scheint Vincent konstant zu sein, sich nicht zu verändern. Abgesehen von seiner Kleidung natürlich, die immer ausgefallen und bunt ist, und immer irgendwie anders.

Vincent hat ihn zurück zur Musik gebracht, Adam hat nie gefragt warum. Er beschließt es jetzt zu tun.

"Warum hast du mir geholfen, damals?"

Vincent sieht ihn fragend an. "Was meinst du?"

"Als du mir beigebracht hast, das die Musik und mein Vater unabhängig voneinander existieren können."

"Oh.", sagt Vincent nur, und dann für eine Weile nichts mehr. "Ich habe Potential in dir gesehen und… ein Freund von mir hat mir gesagt ich würde es nicht schaffen, also musste ich es erst recht versuchen. Und vielleicht war mir auch ein bisschen langweilig."

Es macht irgendwie Sinn, wenn Adam darüber nachdenkt. Vincent war eines Tages plötzlich da, irgendwie Teil seines Lebens als wäre er nie woanders gewesen als an seiner Seite. Als Adam beschlossen hat in seine Heimatstadt zurück zu kehren war Vincent genau so schnell weg wie er gekommen ist. Andere Freunde hat er in all der Zeit die sie sich kennen nie erwähnt.

"Was für ein Freund?", fragt Adam deshalb, und weil er bemerkt hat wie Vincent gezögert hat bevor er das Wort ausgesprochen hat.

Vincent zögert wieder, zuckt dann mit den Schultern als hätte er ein kurzes Gespräch mit jemandem geführt den Adam nicht sehen kann. "Mein Partner."

Mehr sagt Vincent nicht, und auch wenn man das Wort vielseitig interpretieren kann, weiß Adam genau was Vincent meint. Er hat also einen Partner, so wie Adam ihn in Leo hat. Hatte. Der Gedanke an das was er verloren hat schmerzt noch immer, auch zwei Wochen nachdem Leo von ihm weggerissen wurde.

Erst da kommt ihm der Gedanke das er es Vincent nicht erzählt hat, was passiert ist.

"Woher weißt du davon?"

Vincent sieht ertappt aus als Adam diese Frage stellt. Er scheint nicht darüber nachgedacht zu haben, was sein Erscheinen hier bedeutet. Sie haben so lange nicht mehr miteinander geredet, dass Adam es sich auch nicht dadurch erklären kann, dass er vielleicht eine Verabredung mit Vincent verpasst hat.

"Ich-", mehr sagt Vincent nicht, er scheint nur um Worte zu ringen. Dabei wandert seine Hand, wie so oft, zum Ring der an einer Kette um seinen Hals hängt. Adam fällt genau in dem Moment auf der er nie danach gefragt hat was der Ring bedeutet.

Vincent lässt die Hand sinken und schaut Adam an."Versprich mir das du nicht durchdrehst, wenn ich dir jetzt die Wahrheit sage?"

Adam lehnt sich nach vorne und legt die Gitarre sanft auf den Boden. "Ich versprechs."

Er glaubt sich nicht einmal selbst, aber was soll er sonst sagen. Egal was Vincent ihm sagen will, es scheint wichtig zu sein, und genau deshalb will Adam es auch wissen.

Vincent scheint zu merken das Adam nicht unbedingt ehrlich ist, entscheidet scheinbar das es gerade egal ist.

"Mein Partner und ich, wir… sind schon sehr lange zusammen. Und vorher-"

Er scheint mit sich zu ringen und eigentlich will Adam etwas sagen, ihn ermutigen weiter zu erzählen, aber die Worte bleiben ihm im Hals stecken. Es ist ja scheinbar etwas das Vincent ihm all die Jahre die sie sich kennen verschwiegen hat, also muss der jetzt ohne Hilfe mit der Sprache raus rücken.

Vincent holt noch einmal tief Luft. "Er hat mir die Unsterblichkeit geschenkt, weil er noch ein Versprechen bei seinem Vater einzulösen hatte. Seitdem kann ich an Orte sehen an denen ich gerade nicht bin. Ich gucke manchmal einfach was du so machst und als ich dich bei der Beerdigung gesehen habe…"

Er lässt den Satz ins Nichts laufen, sie wissen eh beide wie er enden wird.

Adam wiederum wirft sich aber eine ganz bestimmte Frage auf, schließlich haben nicht viele Leute Väter die jemanden unsterblich machen können, auch nicht wenn sie das vielleicht wollen.

"Wer ist dein Partner? Oder soll ich besser fragen was?"

Vincent wendet seinen Blick von ihm ab, starrt raus auf die Grünfläche neben der Terrasse die Adam seit der Beerdigung nicht mehr betreten hat. Das war immer Leos Reich, der Rasen und all die Pflanzen die er dort gepflanzt hat.

Vincents Antwort ist so leise das Adam es fast nicht hört. "Dionysus."

Es ist nicht womit Adam gerechnet hat, nicht im geringsten, andererseits weiß er auch nicht was er erwartet hat.

"Wie alt bist du wirklich?"

Es ist nicht die Frage die er eigentlich stellen will, gleichzeitig ist es die einzige Frage die es geschafft hat den Weg von seinem Gehirn zu seinem Mund zu überleben.

Vincent sieht ihn weiterhin nicht an. "116. Also nicht besonders alt im Verhältnis zu den normalen Unsterblichen."

Adam kann das ungläubige Schnauben nicht unterdrücken. "Normal würde ich keinen Unsterblichen nennen."

Vincent verdreht die Augen, schaut ihn aber wenigstens wieder an. "Na schön, die Kritik nehme ich an."

"Wie kommt man an eine Beziehung mit einem Gott."

"Du willst doch nur von der Gegenwart ablenken."

"Vielleicht, ich will trotzdem eine Antwort."

"Ist einfach passiert."

Die Antwort akzeptiert Adam einfach, auch wenn er sich sicher ist das da mehr hinter steckt. Aber Vincent hat trotzdem recht, er will von seiner eigenen Situation ablenken, sich selbst davon ablenken das er, im Gegensatz zu Vincent, jetzt allein ist.


"Hast du darüber nachgedacht es wirklich zu tun?"

Diese Frage von Vincent geht Adam nicht aus dem Kopf, auch mehrere Tage nach seinem Besuch nicht. Er versteht einfach nicht was Vincent damit meinte, und das zerbricht ihm den Kopf.

Was soll er denn tun? Worüber soll er ernsthaft nachgedacht haben?

Natürlich gibt es eine Sache über die er nachgedacht hat, er hat überlegt Leo einfach in die Unterwelt zu folgen indem er selbst stirbt. Aber das wird nicht funktionieren, das wurde ihm von klein auf von seiner Mutter beigebracht, und in der Schule wurde es ihnen auch eingetrichtert.

Wer sich selbst tötet landet auf den Feldern von Asphodel. Adam ist sich sicher das Leo dort nicht gelandet ist, also bringt es ihm nichts es zu tun. Selbst wenn, würde er ihn trotzdem nie wieder sehen. Sie wären wieder am gleichen Ort und doch so weit voneinander entfernt.

Er dreht die Waffe in seiner Hand, betrachtet sie von allen Seiten. Wenn er ausbricht, von den Feldern, dann…

Er ist sich nicht ganz sicher warum er seine Dienstwaffe überhaupt in der Hand hat, erinnert sich kaum daran sie aus dem Waffenschrank geholt zu haben. Die erste vollkommen klare Erinnerung die er wieder hat ist wie er hier sitzt, Waffe in der Hand und die Überlegungen des Todes das Einzige das seine Gedanken einnimmt.

Er hört nicht das jemand die Terrassentür öffnet, hört die Schritte nicht. Das Erste das er wahrnimmt ist der erschrockene Aufschrei seines Namens.

"Adam!"

Er zuckt zusammen, lässt vor Schreck die Waffe fallen die zum Glück nicht entsichert ist, so weit hat er sich nicht einmal bringen können. Er schaut auf und findet sich Pia gegenüber wieder.

"Was machst du hier?", fragt er, auch wenn die Frage nicht besonders angebracht ist in dieser Situation.

"Was machst du da?", entgegnet Pia nur.

"Nachdenken."

Es rutscht Adam mehr heraus als das er aktiv entscheidet es zu sagen.

Pia schnauft. "Über den Tod? Mit ner Waffe in der Hand?"

Pia verschränkt die Arme vor der Brust und schaut in urteilend an. Adam Blick wandert wieder auf die Waffe die jetzt zu seinen Füßen liegt, dann wieder zu Pia.

"Ich hätte es eh nicht gemacht.", gibt er zu, nur im Flüsterton weil er sich zu mehr nicht bringen kann.

"Aber du hast drüber nachgedacht.", schießt Pia direkt zurück.

Adam zuckt nur mit den Schultern. "Es würde mir nichts bringen, ich würde nicht an den Ort kommen wo Leo-"

Mehr bekommt er nicht raus, seine Kehle verschließt sich einfach mit den Tränen und der Trauer die wieder in ihm aufsteigen und alles andere unmöglich machen.

Pia ist so schnell bei ihm das er einen Moment braucht um zu verstehen, dass sie jetzt neben ihm sitzt. Dann nimmt sie ihn in den Arm und hält ihn einfach nur.

"Es tut mir so Leid, Adam."


Adam sitzt wieder auf der Terrasse, es ist der einzige Ort an dem man ihn mittlerweile antrifft. Dieses mal hat er wieder die Gitarre in der Hand und zupft zunächst lustlos an den Saiten bis er doch anfängt eines seiner Lieder zu spielen.

"So take both my hands
Spin me around
I'm real in your arms
That's enough for right now
We've been through the past
We're still here somehow
You made it all real
When you said it out loud

We turned and we walked toward the chirp of the birds
As a droplet of rain found a home in the dirt
Oh, life tried to teach me it only gets worse
But I met you just after the end of the world"

Weiter kommt Adam nicht, die Tränen wieder zu stark um noch ein weiteres Wort heraus zu bekommen.

Es ist eines der Lieder die er für Leo geschrieben hat, kurz nachdem sie endlich zusammen gekommen sind. Er würde alles dafür geben den Song noch ein weiteres Mal für Leo spielen zu können.

Er flüchtet sich in die Musik, hat selbst gemerkt das er sehr viel öfter nach seiner Gitarre greift als vor der Explosion, vor Leos Tod. Es bringt ihm eine innere Ruhe, obwohl die Musik früher nur Furcht in ihm ausgelöst hat. Damals als sein einziger Gedanke beim Spielen noch seinem Vater galt.

Jetzt gilt jeder Gedanke, bei jedem Ton den er den Saiten entlockt, nur Leo. Immer nur Leo. Er wünscht sich trotzdem Leos Anwesenheit herbei, dafür würde er sogar die Musik aufgeben.

Er denkt immer noch regelmäßig über Vincents Worte nach und was er mit ihnen gemeint haben könnte. Egal wie er es dreht und wendet, es macht keinen Sinn. Er hat nur eines seiner Lieder gesungen, und Vincents Kommentar war ob er darüber nachgedacht hat. Er weiß nicht über was er nachgedacht haben soll, ob es mit dem Lied zu tun hat oder nicht.

Adam ist klar das er in dem Lied singt, dass er überall hin gehen würde um Leo wieder zu sehen, selbst in die Tiefen der Erde. Er hat das Lied geschrieben bevor Leo überhaupt von ihm weg gerissen wurde, hat nie wirklich daran gedacht was die Zeilen sonst bedeuten können.

Langsam wird ihm klar was Vincent vielleicht meinte, auch wenn es weiterhin keinen Sinn macht. Er hat darüber nachgedacht Leo in die Unterwelt zu folgen, natürlich hat er das, nur würde ihm das einfach nichts bringen. Die einzige Möglichkeit wäre nicht wirklich zu sterben, sondern einen anderen Weg zu finden. Den wird es sicher nicht geben.

Adam legt die Gitarre zur Seite und steht auf, schaut raus auf die Pflanzen die langsam anfangen die Köpfe hängen zu lassen. Sie wurden einfach zu lange nicht mehr gegossen, Adam hatte einfach keine Kraft dazu.

Jetzt geht er zur Gartenhütte und holt den Gartenschlauch raus. Nur weil Leo sich nicht mehr um sie kümmern kann, muss er die Pflanzen ja nicht alle sterben lassen. Besonders wenn es vielleicht wirklich einen Weg gibt zu ihm zu gelangen.


Er findet Vincent in einer Bar.

Früher hätte ihn das gewundert, als sie zusammen gelebt haben hat Vincent Bars und Clubs gemieden, ist nur mitgekommen wenn Adam ihn fast schon angefleht hat. Jetzt, wo er ihn hier sieht, wirkt es so als würde Vincent hier hin gehören, als wäre er nie woanders gewesen.

Irgendwie macht es Sinn, mit dem Wissen das Vincent von einem Gott, von Dionysus, die Unsterblichkeit geschenkt bekommen hat.

Vincent wirkt überrascht als er Adam entdeckt.

"Was machst du hier?"

Adam wartet mit seiner Antwort, setzt sich erst neben Vincent an die Bar, schaut ihn für einen Moment genau an.

"Gibt es einen anderen Weg zu Leo, ohne dafür sterben zu müssen?"

Vincents Augen weiten sich, dann versteckt er seinen Gesichtsausdruck hinter seinem Glas, nimmt einen großen Schluck von dem knallpinken Getränk, stellt es gespielt langsam wieder ab.

"Wie kommst du darauf?", fragt er vorsichtig.

Adams Blick verfinstert sich. "Tu nicht so unschuldig."

Vincent grinst. "Hab mich schon gewundert wie lange es noch dauert."

"Bis ich deine kryptische Frage verstehe?"

"Yep.", sagt er nur und zuckt mit den Schultern. "Willst du eigentlich was trinken?"

Bevor Adam etwas erwidern kann winkt Vincent schon die Person hinter der Bar heran und bestellt ihm etwas. Adam hat keine Zeit zu protestieren. Kurze Zeit später steht ein verdächtig blaues Getränk vor ihm.

"Du hättest auch mal Klartext reden können.", erwidert Adam ohne den Drink eines weiteren Blickes zu würdigen.

Vincent zuckt mit den Schultern und zieht wieder am Strohhalm seines pinken Gebräus. "Hätte aber nicht so viel Spaß gemacht."

So langsam ist Adam mit der Geduld am Ende, unsterblich hin oder her, im Gegensatz zu Vincent hat er nicht ewig Zeit.

"Also, was ist es?"

Vincent schaut sich einmal in der Kneipe um und lehnt sich dann näher zu Adam, als wolle er sicher gehen das sie niemand hört. "Es gibt ein verstecktes Tor in die Unterwelt, wenn du den Wettbewerb gewinnst darfst du es nehmen."

"Was für ein Wettbewerb?"

Vincent seufzt und stellt geräuschvoll sein Glas auf der Bar ab.

"Du hast wirklich keine Ahnung, oder?"

Langsam geht Adam das Gehabe auf die Nerven. Es wirkt fast als wolle Vincent ihm gar nicht helfen, als würde er ihn ein bisschen an der Nase herumführen wollen.

"Ey, muss ich dir eigentlich alles aus der Nase ziehen?"

Vincent schaut kurz zur Seite, seine Augen scannen wieder den Raum. Als er sich Adam zuwendet hat sich etwas in seinem Blick verändert, aber Adam kann nicht sagen was es ist. Er wirkt irgendwie traurig.

"Können wir woanders reden? Bei dir vielleicht?"

Adam zuckt mit den Schultern. "Klar."

Er will einfach nur Antworten, wo Vincent ihm diese gibt ist ihm sehr egal.

Den blauen Drink lässt er unberührt auf der Bar stehen.


"Willst du das wirklich tun?", wiederholt Vincent noch mal die Frage die er ihm bestimmt schon zehn Mal gestellt hat seitdem sie losgefahren sind. Sie sitzen gerade mal eine Viertelstunde in diesem Auto.

"Ja, Vincent, will ich. Hör auf zu fragen."

Vincent rutscht im Beifahrersitz weiter nach unten und verschränkt die Arme vor der Brust.

"Will ja nur sicher gehen.", murmelt er in dem Kragen seines bunt schillernden Hemds das er nur zur Hälfte zugeknöpft hat.

Adam verdreht die Augen, sagt aber sonst nichts.

Sie sind auf dem Weg zu Höhle, das ist zumindest der Name den Vincent ihm genannt hat. Angeblich ist es der Ort von dem aus man in die Unterwelt gelangen kann. Wenn man eine Aufgabe erfüllt, die einem die Schwestern des Schicksals gegeben haben. Adam hat keine Ahnung was ihn dort erwarten wird.

Er hat Pia und Esther nicht gesagt das er weg geht, und noch weniger wo er hin geht, was er vor hat. Sie würden beide versuchen ihn aufzuhalten, und auch wenn er jetzt sehr überzeugt ist, möchte er diese Überzeugung nicht riskieren.

Er muss Leo retten gehen, das ist alles was zählt.

Er schaut kurz zu Vincent, dann wieder auf die Straße.

"Weißt du was für Aufgaben die Schwestern stellen?"

Vincent zuckt mit den Schultern, schaut aus dem Fenster und spielt mit dem Ring an der Kette um seinen Hals. "Keine Ahnung, war noch nie da."

Adam will fast in die Bremse treten und den Wagen zum stehen bringen, ihre Fahrt hier und jetzt beenden bis Vincent aufhört ihm nur Halbantworten zu geben. Er hält sich zurück, sie sind auf einer viel befahrenen Straße und das würde sicher einen Unfall verursachen.

"Woher meinst du dann all diese Sachen zu wissen?", presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

"Dionysus.", die Antwort kommt ohne jegliches Zögern. "Er hat mir erzählt das er selbst mal einen Sterblichen dort hin gebracht hat. Sein Name war Orpheus."

Da wird Adam hellhörig. Irgendwie sagt der Name ihm etwas, aber nicht in Verbindung mit all dem mit dem Vincent ihn jetzt in Verbindung bringt.

Orpheus war ein bekannter Musiker, vor Jahren, bis er irgendwann einfach von der Bildfläche verschwunden ist. Nachdem seine Frau verstorben ist.

Langsam aber sicher geht Adam ein Licht auf. "Was ist mit ihm passiert, mit Orpheus?"

Vincent starrt nur weiter aus dem Fenster, reagiert nicht als habe er Adams Frage nicht gehört.

"Vincent?"

Der Angesprochene seufzt, macht sich irgendwie noch kleiner in seinem Sitz obwohl Adam nicht erwartet hat dass das möglich ist. Er spielt wieder mit dem Ring, eine Bewegung die langsam anfängt Adam zu irritieren, besonders weil er es die ganze Zeit aus dem Augenwinkel sehen kann, egal ob er hinschaut oder nicht. Gelegentlich blitzt das Gold in der Sonne.

"Orpheus hat es bis zu seiner Frau, Eurydice, geschafft. Sie hat ihn aber nicht mehr geliebt, als sie gestorben ist, und in der Unterwelt hat sie jemand anders gefunden. Sie hat sich geweigert mit ihm zu gehen."

Dieses Mal tritt Adam versehentlich fast in die Bremse. Egal was er sich ausgemalt hat was mit Orpheus passiert ist, das hat er nicht erwartet. Er will eigentlich richtig zu Vincent schauen um seinen Gesichtsausdruck deuten zu können, aber er muss weiter auf die Straße achten.

"Hat er es geschafft, aus der Unterwelt raus?"

Er sieht aus dem Augenwinkel wie Vincent nickt. "Ja, aber er war am Ende trotzdem allein."

Für kurze Zeit herrscht Stille zwischen ihnen.

"Warum hilfst du mir? Und sag mir bitte einfach die Wahrheit.", fragt Adam schließlich.

Vincent setzt sich etwas aufrechter hin, hängt jetzt nicht mehr wie ein nasser Sack im Beifahrersitz. Ein seltsamer Gesichtsausdruck breitet sich kurz auf seinem Gesicht aus, ist aber zu schnell weg. Adam hat keine Ahnung was durch den Kopf seines Freundes geht.

"Weil du mein Freund bist, Adam. Dio hat mich darum gebeten es nicht zu tun, aber…ich wollte dir wenigstens die Chance geben. Oder zumindest die Wahl, ob du es versuchen möchtest."

Adam muss schwer schlucken. Er wollte Ehrlichkeit, doch mit so viel hat er trotzdem nicht gerechnet. Gleichzeitig hat er immer noch das Gefühl das Vincent ihm etwas verschweigt, etwas wichtiges.

Trotzdem bedankt er sich erstmal, sie können das noch vertiefen wenn sie angekommen sind.


Er besteht die erste Aufgabe in der Höhle, die andere Person die mit ihm antritt auch. Sie gehen beide weiter in die nächste Runde.

"Sag uns wie sehr du die Person liebst, die du zurück bringen willst. Ohne Worte zu benutzen."

Die Schwester des Schicksals die gesprochen hat zeigt erst auf Adam und dann auf ein Klavier das in der Ecke steht. Zögernd steht Adam auf.

Er weiß nicht ob er diese Aufgabe meistern kann, sein Gegner hat gut vorgelegt und er hat seit Jahren kein Klavier mehr angefasst. Besser gesagt seitdem er von Zuhause weg gerannt ist.

Die Gitarre, das war mit Vincents Hilfe irgendwann kein Problem mehr, aber das Klavier? Jedes Mal wenn Adam etwas spielen wollte, sogar davor saß, haben seine Finger einfach nicht kooperiert. Oft konnte er nicht einmal seine Hände weit genug anheben um sie auf die Tasten des Klaviers zu legen.

Dieses Mal muss er, muss seine eigene Angst überwältigen. Für Leo.

Adam schaut nur einmal zurück zu Vincent, direkt nachdem er am Klavier Platz genommen hat. Er nickt ihm mit einem aufmunternden Lächeln zu, Adam nickt kurz zurück.

Er schaut auf die Tasten vor sich, hört irgendwo ganz entfernt die wütenden Schreie seines Vaters, so wie früher wenn er nicht gut genug war.

Dann fängt er an zu spielen.

Die Schreie rücken in den Hintergrund, die Höhle rückt in den Hintergrund.

Plötzlich sind all diese Dinge egal, alles was noch zählt ist die Musik.

Die Tasten des Klaviers empfangen seine zunächst leicht zitternden Finger wie alte Freunde, wie jemanden den sie lange nicht gesehen und doch vermisst haben. Adam realisiert das er es auch vermisst hat, das Gefühl der Tasten unter seinen Fingern.

Er spielt einfach nur, entlockt dem Klavier einen Ton nach dem nächsten, eine Taste nach der anderen, bittet sie eine Melodie zu formen die seiner Aufgabe würdig ist. Es ist kein Lied das er zuvor gespielt hat, er lässt sich einfach von seinem Herzen leiten, von seiner Liebe zu Leo. Und von dem Schmerz den er durch Leos Abwesenheit spürt.

Adam merkt erst das er beim Spielen seine Augen geschlossen hat, als er fertig ist. Es herrscht völlige Stille im Raum und ihn überkommt die Angst das er etwas falsch gemacht hat, das er versagt hat.

Die Stimme seines Vaters wird lauter, drängt sich aus seinem Unterbewusstsein nach vorne. Roland Schürk wird vom Klatschen einer einzigen Person unterbrochen, dann noch einer, und einer weiteren, bis nichts mehr zu hören ist außer der Applaus den Adam nicht erwartet hat.

Er schaut zurück zu den Schaulustigen, zu denen die hier sind um zu sehen wie verzweifelt andere Menschen sind ihre Geliebten wieder zu sehen. Mittendrin ist Vincent, er strahlt förmlich und auch wenn er es nicht unterscheiden kann, wirkt es so als würde er am lautesten Klatschen. Er wirkt fast unecht, zwischen den anderen, zu perfekt um einer von ihnen zu sein.

Adam schiebt den Gedanken weg, alles was gerade wichtig ist, ist ob es gereicht hat. Ob er weiter darf, in die nächste Runde.

Er dreht sich zu den Schicksalsschwester, sie nicken ihm zu. Alle drei gleichzeitig, in einer flüssigen Bewegung. Als wären sie in diesem Moment keine drei Entitäten, sondern eins.

Erleichterung breitet sich in seiner Brust aus, eine Erleichterung die er seit längerer Zeit nicht mehr gespürt hat.

"Unser Glückwunsch, Adam Schürk.", spricht eine der Schwestern. "Du hast dir deinen Weg in die Unterwelt verdient."

Sie lächelt, Adam ist sich nicht sicher ob es freundlich oder bedrohlich auf ihn wirken soll.

Eine der anderen beiden Schwestern wendet sich der Menge zu und ruft: "Ab hier kannst du ihm nicht mehr helfen, wir hoffen das du das nicht vergessen hast!"

Adam dreht sich, um zu sehen wem sie diese Worte zugerufen hat. Er sieht nur wie Vincent langsam auf sie zukommt. Er lächeln, aber es wirkt gequält.

"Natürlich."

"Gut."

Die drei Schwestern wenden sich wieder Adam zu. "Folge uns."

Sie sagen es alle gleichzeitig, eine etwas gruselige Fähigkeit, aber der Repräsentation des Schicksals möchte Adam hier nichts vorhalten.

Die Schwestern wenden sich alle von ihm ab und die Besucher der Kneipe spalten sich vor ihnen auf, niemand möchte ihnen im Weg stehen.

Mit einem weiteren Blick zu Vincent, der ihm aufmunternd zu nickt, folgt Adam ihnen. Er sieht aus dem Augenwinkel das Vincent dicht hinter ihm ist.


"Versprich mir das du auf mich wartest?", sagt Adam noch zu Vincent bevor er geht.

"Natürlich.", erwidert Vincent nur mit einem sanften Lächeln.


How do you know which time might be the last?
What I would give just to see you again
I'd walk to the depths of a world down below
And demand to get back what some circumstance stole

Adam versteht langsam was Vincent meinte, mit seiner Frage. Wie er überhaupt in genau dem Moment auf die Frage gekommen ist.

Er hatte nicht darüber nachgedacht in die Unterwelt zu gehen, aber vielleicht hätte ihm dieser Gedanke kommen sollen. Jetzt ist es egal, jetzt ist er genau dort wo er sein will. Auf dem Weg zurück zu Leo.

I still remember the last look of hope in your eyes
Oh, I wish I had stayed just a little while

But I opened the door and I went down the stairs

Eine der Schwestern des Schicksals hält ihm die Tür auf und Adam tritt auf die Treppe die dahinter liegt ohne sich noch einmal um zu schauen.