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Das Ritual der Seelen

Summary:

Der Wechsel an die Uni steht kurz bevor. Die drei ??? machen noch mal einen Kurztrip in die Berge, bevor der Ernst des Lebens losgeht. Doch wo die drei ??? auftauchen, ist der nächste Fall nicht weit. Nur ist dieser Fall anders als alle anderen.

Chapter 1: Waldgeister

Notes:

Die Idee zu der Geschichte kam mir, weil ich etwas im Buch/Hörspiel zu „Späte Rache“ total blöd fand, da es so unglaubwürdig ist: Peter wird entführt. Als Cotta danach fragt, warum sich Justus und Bob keine Sorgen machen, ist deren Antwort, weil ihnen eine innere Stimme sagt, dass es ihm gut geht. Sie „spüren“ also, dass mit ihrem Zweiten alles okay ist?! Was für eine lahme Erklärung!
Ich habe mir mal Gedanken gemacht, wie DAS plausibel wird. :)

Hier die Szene aus dem Buch, die ihm Hörspiel genauso ist. Cotta sagt: „Ich habe schon mit Peters Eltern telefoniert. Die sind natürlich sehr besorgt. Darf man fragen, wieso ihr so cool seid?“ Justus zuckte mit den Schultern. Dann strich er sich über seinen Bauch. „Eine innere Stimme“, verkündete er. Und Bob echote: „Eine innere Stimme. Genau. Bei mir auch.“ Cotta stemmte die Hände in die Hüften. „Hoffentlich habt ihr Recht“, sagte er. Sein zweifelnder Gesichtsausdruck entging Justus nicht.

Chapter Text

„Kommt her! Die Aussicht ist herrlich!“ Peters Stimme drang an ihre Ohren, getränkt mit Freude und einem kleinen Lachen. Bob schmunzelte, auch wenn er sich gleichzeitig ein wenig keuchend beeilte hinter Peter herzukommen. Aber immer noch besser als Justus, dachte er mit einem Blick nach hinten, wo ihr Erster noch immer heftig nach Luft schnappend etliche Meter hinter ihnen versuchte Schritt zu halten.

Bob schloss zu Peter auf. „Wahnsinn!“, rief er, als er das erblickte, was Peter sah: Den Mount Shasta, der zweithöchste Vulkan der USA. Die schneebedeckten Gipfel waren beeindruckend und auch wenn sie noch deutlich tiefer wanderten, lief Bob ein kleiner Schauer bei diesem Anblick über den Rücken.

Es war immer wieder faszinierend, was die Natur für Gebilde erschuf. Die Sonne schien hoch vom Himmel, trotzdem hatten sie leichte Wanderjacken an, die sie optimal auf dieser schweißtreibenden Tour wärmten. Bob atmete genießerisch ein, was für ein Anblick.

„Herrlich, oder?“, rief da Peter und Bob ließ mit einem Lächeln seinen Blick zu ihm gleiten. Das war nun auch ein wirklich schöner Anblick: Peter, der mit seinem strahlenden Lächeln der Begeisterung umher sah, die Hände in die Hüften gestemmt hatte und einfach unternehmungslustig aussah. Es war ansteckend. „Ist es“, meinte Bob, obwohl sein Blick immer noch auf Peter weilte.

Der sah nun zu ihm, und die Begeisterung in seinem Blick wurde ergänzt um etwas Weicheres, Wärmeres und - Bob schluckte - etwas Zärtlicheres. Ein heftiges Keuchen lenkte sie beide ab und nun richtig breit grinsend sahen sie sich um, als nun auch der Dritte im Bunde zu ihnen aufschloss.

Peter kicherte süffisant. „Hast du es auch endlich geschafft?“, neckte er. Justus schoss ihm einen dunklen Blick zu. „Sehr witzig, Zweiter“, keuchte er. „Ich… schleppe… schließlich auch… den schwersten Rucksack.“ „Und den schwersten Körper.“ Justus wollte zweifelsohne zu einer spitzen Erwiderung ansetzen, doch Bob ging dazwischen. „Spart euch das Gezanke“, meinte er. „Genießt lieber, was wir hier sehen.“ Er machte eine ausladende Geste. „Erdgeschichte von mehreren tausend Jahren.“

Justus nickte und erklärte: „Das ist Shastina, einer der Kegel, welchen die vier primären Ausbruchskanäle des Shasta zugrunde liegen. Dieser Kegel ist etwa 9500 Jahre alt und ist damit im Vergleich zu den beiden anderen Kegeln Misery Hill und Sargents Ridge recht jung, werden doch diese beiden auf“ „Just!“, rief Peter. „Ich will keinen Vortrag hören, sondern die Aussicht genießen.“

Justus wandte sich ihm pikiert zu. „Wie kannst du etwas genießen, wenn du nicht weißt von welcher Bedeutung etwas ist?“ „Weil ich es schön finde.“ Justus schnaubte. „Beides hat seine Berechtigung“, schlichtete Bob. „Just, du genießt es, weil du die Geschichte kennst und Peter genießt es, weil es ihm gefällt.“ Justus verzog missbilligend den Mund, was deutlich machte, wie er dazu stand, sagte aber nichts mehr. Bob nahm es mit einem tiefen Durchatmen hin. So waren die beiden eben.

Während sie kurz darauf weiterliefen, konnte Bob sich gar nicht sattsehen. Sie hatten ja schon etliche besondere Orte bei ihren Fällen erkundet, aber was er hier sah, war wirklich beeindruckend. Hügelige Landschaft, die vor Jahrtausenden geformt wurde und nach und nach immer kahler wurde.

Noch säumten überall Nadelbäume, auch einige Laubbäume und viele Sträucher ihren Weg. Aber je höher sie blickten, desto kahler und kälter wurde es. Irgendwie unvorstellbar, dass dort Schnee lag, doch sie konnten ihn deutlich sehen.

Es war kein Wunder, dass dieser Ort Legenden und Mythen produziert hatte. Bob hatte bei seinen Recherchen zu diesem Ort viele faszinierende Geschichten gelesen. Bei Gelegenheit würde er diese Peter und Just erzählen.

Ihr Weg ging leicht bergauf, einen steinernen Pfad zwischen Wiesen entlang auf denen hier und da noch was blühte. Es war eine wirklich schöne Tour. Zumal die Sonne hoch am Himmel stand und auch wenn es nicht so warm war wie in Rocky Beach, war es doch perfektes Wanderwetter.

„Wenn ihr nicht etwas schneller werdet, schaffen wir die erste Etappe nie“, meinte Peter mit Blick zu ihnen zurück, da er schon wieder etliche Meter vorausgeeilt war. „Ich genieße die Aussicht“, sagte Justus defensiv. Peter lachte. „Von wegen. Dir ist es nur einfach zu anstrengend.“ Bob seufzte. Dass diese beiden sich aber auch nicht mal fünf Minuten in Ruhe lassen konnten. „Lasst es“, ging er sofort dazwischen. „Wir werden schon noch etliche Meilen schaffen, bevor es dunkel wird.“ Bob blickte kurz in den Himmel.

„Aber die Hütte werden wir erst morgen erreichen“, meinte Peter. Bob nickte und meinte zwinkernd an Peter gewandt: „Aber im Zelt werden wir es auch gemütlich haben.“ Sein großer Freund lachte, ein Anblick, der immer ein kleines Kribbeln in seinem Magen auslöste. Gut gelaunt fügte Peter hinzu: „Zur Not krabble ich in deinen Schlafsack.“ „Untersteh dich“, warnte Bob und schlug ihm freundschaftlich auf den Oberarm. Peter kicherte. „Dann freue ich mich umso mehr auf die Hütte.“

„Zu Recht“, meinte da Justus und schloss schnaufend zu ihnen auf. „Die Nächte werden schon recht kühl. Deswegen hat uns wohl Mister Moore als Bezahlung für unseren Aufenthalt auch Holzhacken abverlangt“, setzte er stöhnend hinzu.

„Das wird dir gut tun“, stellte Peter spitz fest. Justus grummelte nur. Nun auf einer Höhe schritten sie weiter. „Ich helfe ihm gern“, meinte Bob. „Ihr habt doch gesehen, wie alt der Mann ist. Wenn wir dafür ein wenig Holzhacken müssen, finde ich das nur fair.“ „Hast ja recht“, meinte Justus beschwichtigt.

„Meint ihr, es stimmt?“, fragte Peter. „Was denn?“, wollte Bob wissen. Peter sah besorgt aus, als er nun antwortete: „Nun ja, Mister Moore hat uns doch von den Geisten erzählt. Den Waldgeistern, die unweit des kleinen Sees, wo seine Hütte steht, umhergehen.“ Justus stöhnte und auch Bob verdrehte die Augen. „Mensch Peter“, meinte ihr Erster. „Wir haben inzwischen so viele Fälle gelöst. Wann war es jemals ein echtes Gespenst?“ „Nie“, beantwortete Bob die Frage in einem genervten Tonfall. „Also warum sollte es dieses Mal anders sein?“, fügte Justus rhetorisch hinzu.

Peter schnaufte angegriffen. „Ist ja schon gut“, maulte er. „Ich fand seine Schilderungen recht authentisch.“

„Ja“, höhnte Justus und machte die achtungsheischende Stimme des alten Mannes sehr authentisch nach. „Uuuhhh, da sind Geräusche in der Nacht im Wald zu hören.“ Jetzt sprach er wieder normal, als er die Aussage des Alten ins Lächerliche zog: "Die Schwester einer Nachbarin, die vor zehn Jahren mal hier gewohnt hat, hat von einer Bekannten der Cousine erfahren, als sie im Wald unterwegs war, dass es…“ Justus schnaubte. „Du weißt, wie sowas läuft.“

Peter schnaubte geschlagen. „Ja, schön. Der alte Mann hat vielleicht etwas übertrieben, aber trotzdem… bisher war ja immer was an solchen Erzählungen dran.“ „Mag sein“, schaltete sich Bob ein. „Aber es waren bestimmt keine Geister.“ „Ja, ja“, gab Peter nun zu, verzog den Mund, sagte aber sonst nichts mehr.

Bob blickte von einem zum anderen und lächelte. Seine beiden Sturköpfe, die gerade bei dem Thema Übersinnliches an genau den entgegen gesetzten Enden standen. Damit war er wohl die goldene Mitte, dachte er mit einem immer breiter werdenden Grinsen und der Intention seine Gedanken unbedingt für sich zu behalten, bevor der nächste Streit vom Zaun brach.

„Schaut euch das an“, rief er und deutete in die Ferne, wo man besonders beeindruckend ehemalige Lavaströme sehen konnte, die nun zu Stein geworden waren. Die Landschaft, die sie nun durchschritten, war leicht hügelig, grasbewachsen und doch wirkte sie an einigen Stellen, wie von einem anderen Stern.

Sie liefen weiter, wollten in einer ersten Etappe den See Shastina erreichen. So gingen sie Stunde um Stunde stetig voran und erreichten ihn schließlich am frühen Nachmittag. Der See war atemberaubend. Das Wasser lag tief und glasklar vor ihnen, bezauberte mit einem faszinierenden Blau. Der Gipfel des Shatana spiegelte sich in seiner glatten Oberfläche. Schnee im Wasser - es war ein unglaublicher Anblick. In der Ferne sahen sie einen Heißluftballon.

„Das muss ein Anblick sein“, sprach Peter schwärmerisch. Sie ließen sich an seinem Ufer nieder und holten das Picknick raus, das sie eingepackt hatten. Nach dieser Stärkung liefen sie weiter, wollten heute noch ein gutes Stück höher hinaus.

Die Dämmerung senkte sich schließlich über sie. Sie waren nun seit einer guten Stunde bereits umgeben von Nadelbäumen, wodurch es noch dunkler schien als es eigentlich war. Peter hielt schlagartig inne. „Hört ihr das?“ Er hatte Bob und Justus, die neben ihm gingen, an den Armen gepackt.

Etwas überrascht blickten sie zu ihm. „Was denn?“, wollte Bob wissen. „Ich habe was gehört.“ Alle drei lauschten in die Stille. Doch vorerst war nichts zu hören.

Sie liefen weiter, doch Peters Sinne waren geschärft und immer wieder lauschte er in den Wald hinein. Er konnte Vögel hören, das Rauschen des Windes und das Geräusch, das ihre Füße machten, wenn sie auf Äste traten. „Da wieder“, sagte Peter. Und dieses Mal hörten es auch Justus und Bob.

Ein entferntes Heulen, beinahe wie der Klang einer Sirene drang an ihr Ohr. Es war schrill, ziemlich hoch und in seiner Tonlänge lang gezogen wie der Schrei eines Sterbenden. Peter schauderte. „Das sind sie“ hauchte er. „Wer?“, wollte Bob atemlos wissen. „Die Waldgeister.“

Justus seufzte gedehnt. „Peter, das sind“, begann er reichlich genervt. „Lasst uns dem einfach auf den Grund gehen“, meinte Bob, der den aufkommenden Streit bereits erahnte.

Sie folgten den immer wieder aufheulenden Lauten. Bob glaubte weit weniger an Übersinnliches als Peter, aber auch ihn ergriff ein ungutes Gefühl bei diesen Tönen, die da an sein Ohr drangen. Dann waren sie plötzlich weg. Verdutzt blieben sie stehen.

Etliche Momente lauschten sie in die Stille hinein, doch es kam nichts wieder. „Hier ist nichts mehr“, meinte Justus nur. „Vielleicht war es nur der Wind.“ Peter sah ihn skeptisch an, sagte aber nichts mehr.

„Lasst uns endlich einen Schlafplatz finden“, meinte Bob. „Ich bin ziemlich müde.“ Dem stimmten auch die beiden anderen zu. „Und hungrig“, grummelte ihr Erster, was Peter und Bob lachen ließ. Sie liefen weiter durch den Wald auf der Suche nach einer geeigneten Stelle zum Übernachten.

„Hier ist es schön“, meinte Peter und sah sich auf einer kleinen Lichtung um, die hauptsächlich mit Moos und Farn bedeckt war. Es war ein lauschiges Plätzchen. „Da können wir unser Zelt aufstellen“, meinte er und deutete auf die flache Wiese, die sich in sattem Grün vor ihrem ausbreitete. „Und eine Feuerstelle gibt es auch“, stellte Justus fest und deutete auf den mit Steinen eingezäunten Bereich. „Bob und ich bauen das Zelt auf, du Peter besorgst Feuerholz.“

Sie stellten ihre Rucksäcke ab und kümmerten sich um ihre jeweiligen Aufgaben. Bobs Lachen drang an Peters Ohr, der in den umliegenden Wäldern Holz sammelte. „Das gehört hier hin, Just.“ „Diese angebliche Verbesserung ist und bleibt mir ein Rätsel. Wieso sollte es einfacher sein ein Zelt zu werfen statt Stöcke ineinander zu stecken.“ Bob lachte erneut. „Das sagst du nur, weil du nicht verstanden hast, wie man es werfen soll.“ Sogar auf die Entfernung hörte Peter Justus schnauben. Und seinen angekratzten Gesichtsausdruck konnte er sich bestens vorstellen.

Bald prasselte ein wärmendes Feuer vor ihnen und sie verzehrten weiteren Proviant. Wenn alles gut lief, würden sie morgen Abend die Hütte erreichen. Peter gähnte ausgiebig. Was war er müde! Aber erst einmal drückte seine Blase. Er erhob sich, lief an einen großen Baum etwas abseits und pinkelte in die Nacht.

Er hatte sich gerade wieder eingepackt, als es neben ihm knackte. Erschrocken wandte er sich um. Er blickte in die Dunkelheit, doch da war nichts zu sehen. Noch etliche Atemzüge wartete er, dann lief er eilig mit einem unguten Gefühl im Nacken zurück ans Feuer, ließ sich etwas dichter als zuvor bei Justus nieder. Bob saß ihnen schräg gegenüber, seine blonden Haaren leuchteten regelrecht im Licht des Feuers.

Dann huschte Peters Blick zu den Flammen, die sich wärmend in den Himmel erhoben. Er folgte ihnen mit seinem Blick, sah in einen traumhaft schönen Sternenhimmel, der tief schwarz da lag und den doch die Sterne wie glitzernde Diamanten erhellten. Peter mochte die Sterne.

„Soll ich euch eine Geschichte erzählen?“, frage Bob in diese Stille. „Ist sie gruselig?“, fragte Peter direkt zurück. Bob lächelte sanft. „Ne, ein wenig dramatisch. Aber auch ergreifend. Ich bin auf sie bei meinen Recherchen zu diesem Ort gestoßen.“

„Lass hören, Dritter“, forderte Justus ihn auf. Peter rückte instinktiv ein Stückchen näher zu Justus. Ihre Hüften und Beine berührten sich, doch dankenswerter Weise sagte Justus nichts dazu.

„Es geschah auf einer Lichtung“, sprach Bob leise und nun drückte Peter sich noch mehr an Justus. Von wegen nicht gruselig! Warum hatte ihr Dritter aber auch ein Talent zum Geschichtenerzähler?

„Sie war vermutlich ganz ähnlich der unsrigen“, sprach er und machte eine kleine Geste zu ihrer Umgebung. „Zwischen drei Felsen mit alten magischen Symbolen“, sagte er mit leiser, verschwörerischer Stimme. Peters Blick huschte umher. Hier standen zwar auch große Steine, aber die hatten zum Glück keine Symbole. Als Bob nichts mehr sagte, fragte Peter: „Was geschah auf dieser Lichtung?“

Die blauen Augen sahen ihn an und raunten dann, durchaus mit schauspielerischem Talent: „Das Unvorstellbare.“

Peter verzog den Mund und maulte, weil ein Kribbeln durch seinen Körper ging. „Du hast versprochen, dass es nicht gruselig wird.“ Bob lächelte ihn an. „Schon gut“, sprach er sanft und fuhr dann mit normaler Stimme fort: „Viele Jahrhunderte ist es her, das es sich ereignet hat. Ein Jüngling wurde von einem wilden Tier angegriffen und schwer verletzt. Blutend lag er da, den nahenden Tod vor Augen…“ Bob streckte seine Hand aus, ganz so, als würde er auf jene Stelle in der Ferne weisen, an der es geschehen war. Peter schauderte.

„Seine Geliebte fand ihn. Ihre Trauer war grenzenlos, ihr Leid so furchtbar groß, dass sie Magie heraufbeschwor, die ihrer unendlichen Liebe entsprang.“

Peters Augen waren starr auf Bob gerichtet, den er doch nicht wahrnahm, denn vor seinem inneren Auge hatte sich die Szene entfaltet: Er sah sie, die Geliebte, wie sie sich in ihrer Verzweiflung über ihren Geliebten beugte, ihre Augen voller Tränen, der Boden voller Blut.

„Sie griff nach seinen Händen“, führte Bob weiter aus. „Und damit entfesselte sich die ganze Macht jenes Ortes und ihrer Liebe.“ Seine Stimme klang unerwartet geheimnisvoll, dass es Peter in seinen Bann zog und gleichermaßen frösteln ließ.

„Was dann geschah…“, raunte Bob. „… geht über den Verstand hinaus. Sie rettete ihren Geliebten, indem sie ihre Lebenskraft mit ihm teilte. Ihre Seelen verbanden sich. Zeit ihres Lebens und über den Tod hinaus waren sie miteinander verbunden; liebten sich wie es nicht zu begreifen ist.“

Peter lächelte leicht, Erleichterung machte sich in ihm breit. „Dann ist ja alles gut ausgegangenen.“ Es war ein schöner, irgendwie romantischer Gedanke. Doch Bob wackelte mit dem Kopf. „Wie man es nimmt. Ihre Liebe war zwar stark, doch als sie im Alter krank wurde und starb, starb er mit ihr. Ihre Leben waren für alle Zeiten verbunden.“ Peter entwich ein melancholisches Seufzen. Das klang so romantisch wie tragisch.

Das Feuer knackte und Peter blickte hinein, sah einigen Funken dabei zu, wie sie ihn den nachtschwarzen Himmel aufstiegen. Er zitterte, als ein Windstoß ihren Lagerplatz erfasste. Mit warmen Gefühl nahm er zur Kenntnis, dass Justus einen Arm um ihn legte. Peter blinzelte einige Male. War für eine Legende - sie war zwar nicht so unheimlich wie die Gerüchte über die Waldgeister, aber Peter schauderte es trotzdem.

„War die Geschichte okay?“, erkundigte sich Bob. Peter lächelte ihn an. „Ja, ganz okay. Aber bitte nicht noch eine“, bat er und Bob schmunzelte. „In Ordnung.“ „Ein guter Moment“, erhob nun Justus die Stimme. „Um schlafen zu gehen.“ „Hm“, brummte Bob zustimmend. „Gute Idee, Just. Wenn wir morgen wirklich die Hütte erreichen wollen, sollten wir möglichst viel Schlaf kriegen.“

Sie erhoben sich, Peter fühlte sich unglaublich müde und kroch hinter seinen Kollegen ins Zelt. Doch die Geschichte ging ihm nicht aus dem Kopf. Irgendwas war daran, dass ihn fesselte und faszinierte, sprach Peter mit ihren schaurig schönen Elementen irgendwie an. Er hoffte nur, dass sie nicht wahr war. Solche Dinge gruselten ihn.

Peter kuschelte sich tiefer in seinen Schlafsack. Und obwohl er müde war, wollte sich der Schlaf doch nicht einstellen. „Mich gruselt es ein wenig“, murmelte er in die Dunkelheit des Zelts. „Erst diese Waldgeister und dann die Legende…“ Er schauderte.

Im nächsten Moment spürte er ein tiefes Gefühl der Ergriffenheit, denn unabhängig voneinander und doch zeitgleich hatte Justus eine Hand auf seine Schulter gelegt und Bob eine auf seine Brust. „Wir sind da“, hörte er Justus schlaftrunken flüstern. Von Bob kam ein lediglich schläfriges „Hm“.

Und doch lächelte Peter mit geschlossenen Augen in die Dunkelheit. Justus und Bob waren an seiner Seite, würden es immer sein. Mit dieser Sicherheit war er nur wenige Augenblicke später eingeschlafen.

???

Der nächste Tag brach mit strahlendem Sonnenschein an. Nach einem kleinen Frühstück packten sie alles zusammen und machten sich auf den Weg. Justus steckte mit einem Seufzen sein Handy weg. „Immer noch kein Empfang.“ „Den sollen wir doch auf der Hütte wieder haben“, meinte Bob, der sich gerade noch seine Wanderschuhe zuband.

„Mein Optimismus diesbezüglich hält sich in Grenzen. Unser geschätzter Vermieter Mister Moore glaubt auch an Waldgeister. Wer weiß, ob er dann auch richtig einschätzen kann, ob es Empfang auf der Hütte gibt“, meinte Justus etwas verdrossen. „Ach komm schon, Just“, warf Peter ein. „Selbst wenn wir keinen Empfang haben, ist doch auch mal ganz schön. Nur wir und die Natur.“ Peter klang so begeistert, dass Justus lächeln musste. „Du hast eine verklärte, aber liebenswerte romantische Ader.“

Peter prustete. „War das jetzt ein Kompliment oder eine Beleidigung?“ „Das war“, setzte Justus an, doch Bob nutzte den Moment, um sich zu erheben und zu verkünden: „Bestimmt ein Kompliment. Los jetzt, Kollegen“, rief er enthusiastisch. „Wir haben eine ganz schöne Etappe vor uns.“ Peter kicherte. „Ein Tag, der mit einem Kompliment von Justus anfängt, kann nur gut werden.“ Peter schielte zu ihm, der durchaus zufrieden aussah, was Peters Grinsen nur noch vergrößerte. Selbst Bob schmunzelte, als er von einem zum anderen sah. Das war mal was Neues, das die beiden so friedlich miteinander umgingen.

Ihr Weg führte sie weiterhin durch hügelige, wunderschöne Landschaft. Sie kamen an kleinen Seen, beeindruckenden Felsformationen und unglaublichen Ausblicken vorbei. Zur Mittagszeit machten sie eine Pause auf einem Felsen, von dem aus sie den Mount Shatana erneut bewundern konnten. Es war ein erhabener Anblick. Gestärkt machten sie sich wieder auf den Weg. Peter summte ein Liedchen, während Bob und Justus sich in einer Diskussion über irgendeinen Artikel ergossen, den sie in der neusten Ausgabe des National Geographic gelesen hatten.

Peter beobachtete mit Erstaunen, welche Insekten hier noch herum schwirrten. Er hätte nicht erwartet, dass es in zweieinhalb Tausend Metern Höhe noch so eine abwechslungsreiche Flora und Fauna gab. Der Nachmittag glitt dahin. Nach einer kleinen Trinkpause machten sie sich an die letzte Etappe des Tages. Sie wollten unbedingt die kleine Hütte noch erreichen.

Sie kamen über eine Lichtung, die mit weichem, etwa handhohen Gras vielerlei Wildblumen herrlich bunt bewachsen war. Als sie die Mitte erreicht hatten, fielen Peter drei riesige Steine auf, die wie ein Dreieck um sie herum standen und mit seltsamen Symbolen bedeckt waren. Ein Schauer ergriff ihn und Peter blieb stehen. Hier, genau hier war es passiert vor so vielen hundert Jahren. Er konnte es förmlich spüren.

„Peter?“ Bob und Justus waren bereits am anderen Ende angelangt, wollten gerade wieder in den Wald eintreten. Besorgt sah ihn Bob an, doch Peter schüttelte den Kopf. „Schon gut. Ich war nur in Gedanken.“ Und so folgte er seinen Freunden wieder hinein in den Wald. Mit jedem Meter, den sie sich weiter von der Lichtung entfernten, fühlte sich Peter als könne er wieder freier atmen. Die Geschichte von der Legende mit diesem Ritual der Seelen, die sich verbunden hatten, hatte ihn wirklich mitgenommen.

Da half es auch nicht, dass sich bald die Dämmerung über den Ort senkte und die Luft spürbar kühler wurde. Noch wärmte sie die Anstrengung des stetigen bergauf Laufens. „Schaffen wir es noch bis zur Hütte?“, fragte da Bob. Justus wackelte mit dem Kopf. „Das dürften noch etwa anderthalb Stunden sein.“ Bob brummte. „Dann lasst uns bald einen Platz für unser Nachtlager finden. Dann laufen wir eben erst morgen früh zur Hütte. Ich bin ziemlich erledigt.“ Peter und Justus stimmten zu. Auch sie hatten für heute genug vom Wandern.

Sie liefen noch etwas weiter, um eine geeignete Stelle zu finden, als Peter es wieder hörte, die schaurigen Töne, die ihm so durch Mark und Bein gingen. „Da ist es wieder.“ Peters Stimme war nur ein angstvolles Raunen. So wenig er wissen wollte, was es war, konnte er sich doch nicht zurückhalten, seine Entdeckung kundzutun.

„Was denn?“, fragte Bob. „Na, die Waldgeister“, flüsterte er. „Hört ihr das nicht?“ „Zweiter, das sind doch keine Geister.“ „Was sonst?“, forderte Peter zu wissen. Justus schnaubte und sprach entschlossen: „Das werden wir jetzt endlich rauskriegen.“ Leicht gequält äußerte Peter: „Hätte ich bloß nicht gefragt.“

Sie liefen los, huschten in dem dunkler werdenden Wald leise den seltsamen Tönen hinterher, die immer in der gleichen Länge, Tonhöhe und Lautstärke erklangen. Peter fand sie einfach nur schaurig.

Plötzlich hörten sie auf und verdattert blieben die drei stehen. „Sind sie weg?“, fragte Peter flüsternd. Doch kaum, dass sie alle drei lauschend warteten, ging es wieder los. Peter verzog den Mund. „Das klingt ja noch schlimmer“, murmelte er, denn die Töne waren noch höher, aber viel kürzer.

„Das schließt wohl jetzt schon aus, dass es Waldgeister sind“, meinte Justus. „Das klingt viel eher…“ Er blickte zu Bob. „Wie ein Signal“, meinte der. Justus nickte. „Richtig.“

„Wer sollte so ein Signal senden?“, fragte Peter, der kurz davor war, sich die Ohren zu zuhalten. „Jemand, der unentdeckt bleiben will“, gab Justus sofort die Antwort.

Sie liefen wieder los, folgten dem Geräusch. Bob runzelte die Stirn. „Wo kommt das her?“, murmelte er verwirrt. „Ich hätte schwören können, dass es aus Osten kommt“, meinte Justus. „Hm“, machte Bob. „Aber jetzt kommt es doch aus Richtung Norden, oder?“, fragte er in die Runde. Sie nickten sich zu und liefen nun in die andere Richtung.

Das dauerte noch einige Minuten, dann war das Signal plötzlich wieder verstummt. Peter stöhnte hörbar. „Das ergibt doch keinen Sinn. Wenn es ein Signal ist, was bedeutet es dann? Andere Tonhöhen und -längen und dann noch von anderen Orten. Was soll einem das denn sagen?“

Justus packte ihn plötzlich heftig am Arm. Erschrocken wandte Peter sich ihm zu. „Das ist die Idee. Es gibt einen Ort an.“ „Huh?“, fragte Peter nur. „Warte noch einen Moment!“, sprach er und lauschte. Peter blickte zu Bob, doch auch der zuckte nur mit den Schultern. Dann lächelten sie sich an. Typisch Erster!

Kurz darauf erklangen wieder diese schaurigen Laute, doch dieses Mal wieder länger und tiefer. Justus lächelte triumphierend. „Bob, gib mir mal dein Notizbuch.“ Der Dritte Detektiv war ein wenig verwirrt, tat es aber.

Murmelnd beugte sich Justus darüber. Es herrschte gerade noch so viel Licht, dass er etwas sehen konnte, auch wenn er das Notizbuch ziemlich nah an seine Augen halten musste. Er zückte sein Handy, rief eine Karte der Gegend auf, denn auch wenn sie keinen Empfang hatten, das GPS funktionierte.

Es dauerte noch einige Minuten, in denen Justus nichts weiter tat, als zu murmeln. Peter und Bob warteten mehr oder weniger geduldig. Peters Kommentar „Wir könnten uns in der Zwischenzeit ja noch ein paar Würstchen grillen, Dritter“, überhörte der Erste geflissentlich.

„Ja!“, rief er schließlich. Gespannt warteten Bob und Peter darauf, dass ihr Erster sie erhellte. Breit lächelnd sah er sie an. „Wir haben drei Töne gehört, die zugegebenermaßen effektvoll inszeniert waren, aber im Grunde waren es nur drei Töne. Ich habe mich gefragt, was für eine Art Signal es sein soll. Morsezeichen waren es nicht. Und drei sind auch zu wenig, um Botschaften im Sinne von Buchstaben zu übermitteln. Also musste es etwas sein, dass man mit drei Tönen, besser gesagt drei Punkten übermitteln kann.“

Nun begriff auch Bob: „Einen Standort.“ „Richtig“, bestätigte Justus. „Also habe ich die Tonhöhe und -länge in Verbindung mit den GPS-Daten dieses Ortes gebracht.“ Er tippte auf sein Handy. „Durch die Tonlänge und Höhe wird ein Treffpunkt verbreitet.“

„Genial!“, rief Peter. Mithilfe von Justus’ Handy machten sie sich auf den Weg die richtige Stelle zu finden. Ihre Taschenlampen ließen sie aus, obwohl es inzwischen dunkel war. Sie wollten kein Risiko eingehen, denn wer auch immer für die Signale verantwortlich war, schlich hier herum und wollte sicherlich nicht entdeckt werden.

Leise liefen die drei Fragezeichen ihrem Zielort immer weiter entgegen. Schließlich öffnete sich der Wald vor ihnen zu einer kleinen Lichtung. Sie hielten hinter einem übrigen Busch inne. Peter erkannte weiches, sanftes Gras. Das Mondlicht erhellte die Umgebung. Es sah beinahe ein wenig gespenstisch aus. Hier im Wald war kaum was zu sehen, aber die Lichtung lag leicht erstrahlt vor ihnen. Drei Steine standen an den Seiten. Da waren seltsame Symbole eingeritzt, fiel Peter auf. Sein Mund öffnete sich. Dies war die Lichtung von der Bob erzählt hatte; die sie heute schon mal überquert hatten. Da waren die Steine, die er beschreiben hatte.

„In Deckung“, zischte da Justus und sofort begab sich Peter mit seinen beiden Kollegen in eine hockende Position hinter den Busch. Keinen Moment zu früh, denn dann konnten sie mit ansehen, wie nach und nach Männer die Lichtung betraten. Wie Schatten traten sie aus der einsetzten Finsternis heraus. Taschenlampen leuchteten auf.

Nun standen da tatsächlich zehn Männer. Sie sahen finster aus. Vier von ihnen hielten Gewehre in der Hand und blickten sich um als erwarteten sie jeden Moment einen Angriff. Das sah nicht gut aus.

Einer der Männer holte aus seiner dunklen Jacke ein Päckchen heraus und gab es einem anderen. Die waren offenbar die Anführer, wie Peter bemerkte, alle anderen blieben im Hintergrund. Der eine Anführer schaute sich das Päckchen genau an, öffnete es und probierte.

Justus zückte sein Handy. Lautlos machte er Bilder, während Peter und Bob das Geschehen genau beobachteten. „Was tun die da?“, flüsterte Peter. Etliche Momente sagte keiner was. Sie beobachteten lediglich, was vor ihren Augen geschah. Der Mann mit dem Paket nickte, dann trat einer seiner Männer hervor und übergab eine unscheinbare Plastiktüte. Die öffnete nun der Empfänger, schaute sich den Inhalt genau an. Dann nickte auch er und ein weiterer Mann überreichte eine ganze Kiste.

„Das sind Drogenhändler“, murmelte Justus. „Was?“, rief Peter entsetzt flüsternd. Bob streckte sich ein bisschen. „Ja“, murmelte er. „Ich glaube, du hast recht. Die übergeben Drogen für Geld.“

„Gras?“, rief Peter hoffnungsvoll. Doch Bob schüttelte den Kopf. „Der Inhalt der Päckchen ist weiß. Das ist Heroin oder Kokain.“ Peter wurde ganz anders zu mute. „Wieviel passt denn in so eine Kiste?“, fragte er, als sie nun sahen, wie zwei große Kisten mit einzelnen Päckchen darin an die eine Gruppe gereicht wurden. „Schätzungsweise 30 Kilogramm“, flüsterte Justus.

„Oh man“, meinte Bob. „Das sind wahrscheinlich Drogen im wert von 3 Millionen Dollar. Wobei ich nicht über den aktuellen Kurs informiert bin.“ Er legte den Kopf schief, dann zuckte er. „Mist“, entwich es ihm dann. Bob zog fluchend den Kopf ein. „Ich glaube, sie haben mich gesehen.“

„Nicht bewegen“, zischte Justus. Es knackte vor ihnen, ihre Herzen hämmerten und dann- „Wen haben wir denn da?“, grollte eine Stimme.

Grob wurde Bob aus ihrem Versteck gerissen. Peter wollte schon aufspringen, doch Justus hielt ihn zurück. Kaum, dass sich ihre Blicke trafen, schüttelte Justus den Kopf. Peter verstand: Sie konnten Bob viel besser helfen, wenn sie unentdeckt blieben.

„Wer bist du und was willst du hier?“, sprach der Mann mit einem schweren spanischen Akzent. „Ich war wandern und habe mich verlaufen“, stotterte Bob. „Mit so wenig Gepäck?“, fragte der Mann zweifelnd mit Blick auf Bobs eher mittelgroßen Rucksack. „Ja, ich brauche nicht mehr“, sprach Bob ein wenig fahrig. Ein Schnauben drang an ihre Ohren, als der Mann daraufhin Bob fester packte. Dem entwich ein Stöhnen.

„Wir haben einen ungebetenen Gast“, rief er und lenkte damit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf Bob. „Sieh an!“, rief der Mann, der das Geld geprüft hatte in einem dermaßen gehässigen Ton, dass es Peter eiskalt den Rücken runter lief.

„Wir müssen sie verscheuchen“, flüsterte Justus. „Ja“, stimmte Peter ihm zu. „Aber wie?“

Justus’ Augen blitzten auf. „Waldgeister“, raunte er. Im ersten Moment blickte Peter verwirrt drein, dann erhellten sich seine Gesichtszüge. „Ich habe noch das Lied Roar von den Bards of Savage auf meinem Handy.“ „Perfekt“, murmelte Justus, der die Heavy Metal Band auch kannte; hatten sie doch einst auf dem Schrottplatz einen Auftritt gehabt. Es war ein elendiges Gebrüll. „Und ich habe noch Scream von den Babarians.“ Peter grinste. Das würde ein Spaß werden.

„Ich schleiche rüber“, meinte Peter und deutete auf einen Busch in etwa zehn Meter Entfernung. „Wenn es von mehreren Seiten kommt, ist es noch effektvoller.“ Justus gab ihm einen Daumen hoch. „Um exakt 23:25 Uhr“, murmelte er noch. Peter nickte und kroch im dunkeln Dickicht über den Boden. Er bewegte sich so lautlos wie möglich bis er das Gestrüpp erreicht hatte, hinter dem er sich postieren wollte.

Sein Blick glitt zur Uhr. 23:23 Uhr. Er sah auf zu den Gangstern, die gerade in einer Mischung aus Englisch und Spanisch schnell miteinander sprachen, zu schnell für Peter, der mal ein paar Brocken Spanisch gelernt hatte. Just verstand sie bestimmt.

Gerade wechselte noch eine Tüte Geld den Besitzer und dann… Päckchen mit weißem Pulver wurden übergeben. Peter schluckte. Das war wirklich ein Drogenhandel. Er verzog den Mund. Mit sowas wollte er nichts zu tun haben. Diese Kerle sahen gefährlich aus, sehr gefährlich und nun hatten sie auch noch Bob in ihrer Gewalt.

Peters Uhr zeigte 23:24 Uhr. Er öffnete die Datei, die er abspielen wollte und achtete darauf, ausreichend Lautstärke einzustellen. Sein Blick huschte unentwegt auf die Uhr. Noch einmal sah er auf. Wieder sprachen die Männer irgendwas.

Er blickte zu Bob, neben dem noch immer der Typ mit der Waffe stand. Er schauderte bei dem Gedanken daran, was passieren würde, wenn er sie benutzte. Nein, rief er sich zur Ordnung.

23:25 Uhr. Peter drückte Play und duckte sich noch etwas tiefer ins Gebüsch, seine Augen unentwegt auf die Verbrecher gerichtet. Es krachte los.

Wie erhofft zuckten alle zusammen, sahen sich panisch an. „Rückzug!“, befahl der Anführer und seine Männer gehorchten sofort. Auch die zweite Bande setzte sich in Bewegung. Erleichtert sah Peter, wie die Männer das Weite suchten und wie die Ameisen in ihren Bau krochen und in diesem Fall schnell in den Wald flohen.

Nun war Bob unbewacht, der sich umsah und natürlich wusste, wer für den Lärm verantwortlich sah. Peter wäre zu gerne aus seiner Deckung gekommen, aber zwei der Verbrecher waren noch nicht weg. Während einer schnell die fallengelassenen Päckchen auflas und sich in die Taschen stopfte, blickte der andere zu Bob.

Peters Gefühl der Erleichterung wandelte sich augenblicklich, als er den Gesichtsausdruck des Mannes sah: Finstere Entschlossenheit. Er trat auf Bob zu, der ihm abwartend entgegen sah; er hielt seinen Körper völlig steif, fiel Peter noch auf. „Tut mir leid, Kleiner“, sprach er. „Zeugen sind immer schlecht.“

Bevor Peter verstehen konnte, was geschah, sah er es aufblitzen. Seine Augen weiteten sich. Das war ein Messer. Der Mann hatte es gezückt.

Peter schrie, irgendwas. Er wusste nicht was. War es Bobs Namen gewesen? Eine Warnung?

Und dann endete die Welt, wie er sie kannte. Denn der Drogenhändler rammte Bob das Messer mit voller Wucht in den Bauch und floh in die Dunkelheit des Waldes.

???

Fortsetzung folgt…

Chapter 2: Das Blut des Freundes

Chapter Text

„Bob!“ Peters Stimme glich mehr einem Schrei als dem Ausruf eines Namens. Die Panik, die ihn ergriffen hatte, war hörbar.

Er rannte, rannte so schnell wie noch nie in seinem Leben. Doch er war nicht schnell genug, denn Bob sank, die Hände auf jene Stelle gepresst, wo das Messer ihn durchstoßen hatte, leichenblass zu Boden - als wäre mit einem Mal alles Leben aus ihm gewichen.

Der Täter war weg, doch Peter war es egal. Er musste zu Bob. Er kam bei ihm an, bevor er über seine Knie nach vorne über kippte. Peters Arme umfingen ihn, betteten ihn zu Boden, wo Bob ihn vollkommen erstarrt anblickte, seine Lippen zitterten als wollten sie Worte bilden, die sie doch nicht fanden. Der Schock war ihm wortwörtlich ins Gesicht geschrieben.

Auch Peter war wie von Sinnen. Er schaute zu der Wunde, Bobs Jacke war blutdurchtränkt. Seine Atmung ging so unfassbar schnell und ruckartig. Peter öffnete die Jacke und zerriss sein Shirt, keuchte, als er sah, dass das Messer in Bobs rechtem Unterleib eine tiefe Wunde gerissen hatte, die unentwegt blutete.

„Nein, nein, nein.“ Seine Stimme zitterte. Dennoch wusste er, was er tun musste. Justus kam neben ihm an, schnaufend, keuchend, doch auch seine Augen waren voller Angst auf ihren Dritten gerichtet, der da am Boden lag.

Peter nutzte den Moment, in dem Bobs Blick zu Justus flatterte und presste seine Hände so feste er konnte auf die Wunde. Bobs Schrei war markerschütternd. „Ruf einen Krankenwagen“, schrie Peter Justus an. Der nickte und griff nach seinem Handy. „Kein Empfang“, kam es gepresst wenige Sekunden später. Ja, das wussten sie ja.

„Das Funkgerät.“ Sie zerrten den Rucksack, der noch halb unter Bob lag hervor. Justus öffnete ihn, währenddessen Peter sein eigenes Shirt auszog und auf die Wunde presste. Sie mussten diese Blutung stillen. Oder zumindest im Zaum halten, bis Hilfe kam.

Er sah auf zu Justus, der in diesem Moment das Funkgerät herausholte. Justus wurde schlagartig kalkweiß. Und dann sah Peter warum: Es war kaputt. „Nein“, sprach er, schüttelte den Kopf.

Justus blickte ihn an, auch in seinem Blick war die Gewissheit zu sehen. „Moos“, entwich es ihm. „Moos hilft.“ Justus sprang auf, rannte wie ein Besessener umher und rupfte überall soviel Moos ab, wie er finden konnte. Kaum war er wieder bei Peter, löste der sein Shirt von der Wunde, er hörte Bob keuchen, dieses furchtbare ruckartige Geräusch, das immer unsteter wurde.

Justus presste das Moos auf die Wunde, Bob stöhnte und der Erste sprach: „Bleib ruhig, Bob. Das kriegen wir hin.“ Doch er sah ihm nicht in die Augen und sie alle wussten, dass es eine Lüge war.

Peter blickte zu Bobs Gesicht, sein Mund war geöffnet, diese furchtbaren Atemzüge entkamen ihm und Peter griff nach seiner Hand. Sie war kalt. Er sah wieder zu der Wunde. Das Moos war durchtränkt. Da war so viel Blut. Wieso war da so viel Blut?

„Bob.“ Justus’ Stimme klang so hohl, so leer, so angsterfüllt, wie Peter sie noch nie gehört hatte. Peter sah wieder auf, blickte vom angsterfüllten Justus zu Bob, dessen Lider sich schlossen, einige Male flatterten. Peter bekam es mit der Angst zu tun, mit Todesangst. Nein!

Er beugte sich über Bob, prüfte seine Atmung mit dem Ohr und seinen Puls am Hals mit der Hand. Nein! „Sein Puls wird schwächer“, murmelte Peter verzweifelt.

Justus sah zu ihm. Ihre Blicke trafen sich und Peter erkannte das bodenlose Entsetzen, während Justus weiterhin die Hände auf die Wunde presste und versuchte diese furchtbare Blutung zu stoppen.

Mit Schaudern sah Peter, wie das Moos immer weiter durchnässt wurde. Er sprang auf, schaffte mehr Moos herbei. Wortlos wechselten sie sich ab. Nun presste Peter wieder seine Hände auf die Wunde, sah nicht einmal, dass er selbst blutüberströmt war. Er drückte und drückte. Doch… „Just“, wimmerte Peter. „Es hört nicht auf.“

Der Erste prüfte erneut Bobs Puls. Zu sehen, dass Justus’ Lippen nun zitterten, riss etwas in Peter auf. „Wir müssen doch was tun“, schrie Peter verzweifelt. „Wir müssen doch irgendwas tun.“ Die Tränen explodierten aus seinen Augenwinkeln.

Justus’ Lippen hatten sich aufeinander gepresst, und als auch in seinen Augen Tränen erschienen, wusste Peter, dass alles vorbei war. Er starrte blind vor Entsetzten und Verzweiflung hinab auf Bob, den so blassen Bob. „Nein“, murmelte er. „Nein.“

Sie sahen dabei zu, wie das Leben aus ihrem Freund wich. Der Waldboden unter seinem schmalen Körper war rot geworden, das Moos erneut vollkommen vollgesogen mit seinem Blut, doch noch immer hielt Peter seine Hände auf der Wunde. „Ich würde alles tun, alles.“ Es war ein Gebet, ein verzweifeltes Stoßgebet in der unsinnigen Hoffnung irgendwer würde ihn erhören.

Peters Stimme war ein leises Weinen. „Bitte, es muss doch jemanden geben, der ihm helfen kann.“ Bitte. Bitte. Bitte. Er darf nicht sterben. Er darf nicht sterben. Ich würde alles tun, alles.

Die kalte Hand des Todes streckte sich nach ihm aus. „Bob.“ Seine Stimme schluchzte das Wort nur noch. „Bob.“

„Es - gibt - nichts - mehr, was - wir - tun - können.“ Justus brachte jedes einzelne Wort nur unter größten Mühen hervor.

Peter starrte ihn an. Wie konnte er so etwas sagen? Wie konnte er aufgeben? Ein Justus Jonas gab nicht auf. „Das darf nicht sein“, widersprach Peter. „Nicht Bob. Nicht unser Bob.“ Er flehte, doch Justus schüttelte den Kopf. Wut stieg augenblicklich in Peter hoch.

Doch sein Freund schüttelte weiter leidend den Kopf, nahm Bobs Hand in seine und beugte sich zu seinem Freund. Sein Mund war nun ganz nah an Bobs Ohr, sah ihm direkt ins todesblasse Gesicht. „Ich liebe dich, Bob.“

Allein dieser Satz ließ die Tränen ungehemmt über Peters Wangen fließen. Er fühlte doch genauso. „Habe ich immer und werde ich immer“, sprach Justus mit zitternder Stimme.

„Du warst der Mensch, mit dem ich mich am liebsten unterhalten habe; dein Geist hat mich immer gefesselt und deine Fähigkeiten der Recherche habe ich beneidet wie geliebt.“ Peters Tränen liefen in Strömen, als er diesen Worten lauschte.

Justus beugte sich noch näher an Bob. „Danke, dass du mein Freund warst. Ich werde dich nie vergessen, deine Wärme, deinen Humor, deine Liebenswürdigkeit und deine Energie.“ Und dann küsste er ihn auf die Stirn, viele Sekunden verharrte er da und Peter sah, wie Tränen über Justus’ Wangen rollten und auf Bobs Gesicht tropften.

Es war dieser Anblick - dieser Anblick mit dem die Gewissheit einherging, dass wenn sie Bob verlieren würden, auch einander verlieren würden. Das würden sie niemals verkraften. Niemals.

Peter flehte in Gedanken: „Bei allen Heiligen, bei allen Dämonen und Geistern, bei allem, was es da gibt zwischen Himmel und Erde. Bitte rettet Bob. Rettet ihn.“ Seine Augen schlossen sich, während Tränen aus ihnen hervorquollen.

Peters Atmung stockte. Ein tiefes Dröhnen, ein Wummern als würde die Erde beben, als würde sie aufbrechen und ihr etwas entkommen, das weder zu erklären noch zu verstehen war. Es klang tief, unendlich, schien um ihn herum und gleichzeitig tief in ihm zu sein. Da war ein heller Ton, schwingend, wunderschön, machtvoll und allumfassend.

Peters Augen öffneten sich voller Verwunderung und Ergriffenheit. Er sah zu Justus, der noch immer weinend über den sterbenden Bob gebeugt war. Und dann waren da Worte. Peter hörte Worte und doch wusste er nicht, ob er sie wirklich mit seinem Ohr wahrnahm oder mit seinem Herzen.

Und diese Worte sprachen zu ihm, voller Trost und Schönheit, voller Hoffnung und Lebendigkeit. Ewigkeit. Die Worte formten sich in seinem Innern und er wusste, dass er sie aussprechen musste, um ihre Bedeutung zu verstehen.

„Wir können ihn retten.“ Peter sprach diese Worte beinahe mechanisch aus. Es war so schwer, sich zu konzentrieren, zu verstehen, zu sprechen. Doch als er es einmal ausgesprochen hatte, wusste er, dass es stimmte.

Er blickte zu seinem Freund, dessen Kopf sich gehoben hatte. Verweinte braune Augen blickten ihn irritiert an. Peter sah Justus, doch war seine Sicht eine andere, irgendwie klarer mit mehr Kontrast, als hätte er eine Art Sonnenlichtfilter über den Augen. Alles strahlte. Es war wunderschön und doch verstand es Peter nicht. Er verstand nur die Worte, die er gesprochen hatte.

„Just“, sagte er und fühlte sich von einer Ruhe und Gewissheit ergriffen, die er nicht erklären konnte. „Würdest du ihn retten wollen, wenn du könntest?“

Das Gesicht seines Freundes verzog sich vor Unverständnis und nur zu gerne hätte er es ihm erklärt, doch er verstand es ja selber nicht. Er wusste es einfach nur. „Peter? Was soll das?“, fragte er, seine Stimme ungehalten.

„Bitte Just, vertrau mir“, bat er und klang so zuversichtlich, denn er spürte, dass es keinen Grund mehr gab Angst zu haben. "Würdest du?“, setzte er erneut nach. Justus’ Antwort kam prompt: „Natürlich.“

Peter wusste, dass er noch eine Frage stellen musste, er brauchte Justus’ Einverständnis, die ultimative Antwort, mit der alles gelingen würde. Zusammen würden sie das schaffen.

Und so stellte er die eine Frage, die den weiteren Verlauf von drei Schicksalen beeinflussen würde. Es waren nicht nur drei Schicksale, spürte Peter. Es waren drei Seelen. „Was würdest du dafür geben?“

Justus’ Augen groß, braun, wunderschön, voller Emotionen blickten ihn unentwegt an, während Justus’ Mund jenes Wort sprach, das Peter ersehnt hatte: „Alles.“

Peter lächelte. „Dann werden wir es gemeinsam schaffen.“

Und dann waren da wieder die Worte in seinem Innern, mehr eine Melodie, wie Peter nun erkannte. „Tu, was ich sage“, sprach er, doch hörte er seine eigenen Stimme kaum, war zu konzentriert auf das, was er in sich und um sich herum spürte.

"Es gibt einen Weg. Wir müssen uns bei den Händen nehmen.“ Justus war vollständig verwirrt, das sah Peter ihm an und dennoch nahm er seine Hand und griff nach der von Bob. „Sprich mir nach“, forderte er Justus auf. Und dann sagte Peter Worte, die er noch nie gehört hatte, die er weder verstand noch begriff und doch wusste er mit jeder Faser seines Körpers, das sie Bob helfen würde.

Peter sprach, er hörte Justus nachsprechen, verstand noch weniger. Dann war da plötzlich Wärme, Licht. Er spürte eine Kraft, die von so elementarer Bedeutung war, dass es Peter den Atem nahm. Die Kraft des Lebens, schoss es ihm durch den Kopf. Und doch… da war mehr… so viel mehr, das er nicht verstand.

Etwas in ihm vibrierte, schien sich mit dieser Kraft zu vereinen, da war noch etwas anderes, zwei andere um genau zu sein. Eine Schönheit nie gekannten Ausmaßes begegnete Peter, ergriff ihn und ließ ihn nicht mehr los.

Ein letztes Wort kam über seine Lippen, Justus wiederholte es. Und als dieser Laut verklungen war, hörte es auf. Alles erstarb so schlagartig, dass es Peter umriss. Seine Sicht war wieder normal, da war nicht mehr dieses Klingen um und in ihm, da war nur noch…

Peter keuchte und griff sich an den Bauch, konnte die Hände der anderen nicht mehr länger halten. Schmerz.

Und obwohl es wehtat, dachte Peter noch: Es ist vollbracht. Und dann war da nur noch Schwärze.

???

Fortsetzung folgt…

Chapter 3: Verbunden

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Bobs Kehle entrang sich ein Stöhnen, irgendwas war seltsam. Er fror. Mit einem leichten Zittern schlug er die Augen auf, blickte verschwommen zu hohen Bäumen durch deren Blätter die ersten Strahlen eines morgendlichen Himmels schienen.

Er tastete nach links in Erwartung von kalten, harten Waldboden, doch spürte er einen warmen, weichen Körper. Er lächelte schwach, das war eindeutig Justus. Er tastete nach rechts. Wieder glitt ein Schmunzeln über seine müden Züge. Hart und warm. Das war Peter.

Er dachte nach. Er dachte scharf nach, doch fühlte er sich so benebelt, dass es schwierig war, einen klaren Gedanken zu fassen. Wieso war er in einem Wald? Wieso lag er hier am Boden? Wind strich durch die Blätter über ihm.

Ach ja, sie waren zu einer Wandertour aufgebrochen. In der Nähe das Shatana und da… ja, die Waldgeister. Er lächelte. Sie waren mal wieder einem Verbrechen auf der Spur gewesen. Diese Geräusche hatten sie zu einer Lichtung geführt. Bob presste konzentrierend die Augen zusammen. Und dann… ach ja, ein Drogendeal und er war entdeckt worden. Peter und Just hatten für eine Ablenkung gesorgt und…

Bob tat einen gewaltigen, scheckerfüllten Atemzug, setzte sich schlagartig auf und presste eine Hand auf den Bauch. Er sah an sich hinunter, sein Shirt war zerrissen, hing in blutigen Fetzen an ihm herab. Und auch seine Jacke… Bob schauderte. Sie war blutdurchtränkt.

Doch als sein Blick auf seinen Bauch fiel, erstarrte er. Da war nichts. Er rieb sich die Augen und obwohl seine Kontaktlinsen ein wenig brannten, erkannte er doch genug. Er blickte auf seinen nackten Oberkörper und sah… nichts. Gar nichts.

Da war keine Wunde, nicht mal eine Kruste oder eine Narbe. Fassungslos blickte er an sich hinab, eine Hand wanderte sofort auf die Stelle an seinem Bauch, drückte darauf herum. Hatte er das alles geträumt? Er war sich ziemlich sicher, dass er verwundet worden war, er erinnerte sich an den Schock, an die Schmerzen und… Bob runzelte die Stirn.

Da waren Stimmen gewesen. Er konnte sich nicht erinnern, was sie gesagt hatten, aber er erinnerte sich an ihre Gefühle: Angst und Panik, Schmerz und Trauer. Bob rieb sich erneut die Augen, dann blickte er sich um. Sie waren noch immer im Wald und neben ihm… ja, da lagen Peter und Justus zu beiden Seiten.

Er wandte sich an seinen Ersten, berührte ihn leicht an der Schulter. Kurz erschien ein warmer Lichtblitz vor seinen Augen. Bob stutzte. Was war das denn? Er beugte ich zu Justus, rüttelte erneut. „Hey“, sprach er sanft. „Aufwachen, Schlafmütze.“ Er schmunzelte, denn normalerweise war er derjenige, der am längsten schlief. Justus regte sich, grummelte und Bob lächelte noch breiter.

Doch dann schlug Justus die Augen auf, ein gehetzter Ausdruck stand in ihnen. Ihre Blicke kreuzten sich und Justus schoss so schnell in eine sitzende Position, dass Bob erschreckt zurück zuckte. „Bob!“ Justus’ Stimme war so emotional, dass Bob ihn erstaunt anblickte. Sein Freund schlang einen Moment später die Arme um ihn. „Bob“, murmelte dieser erneut und er spürte regelrecht wie ergriffen Justus war.

Bob erwiderte die Umarmung und war schlagartig überwältigt. Trauer und Erleichterung prasselte mit einer Heftigkeit auf ihn ein, dass es ihn erschütterte.

„Was ist passiert?“, wollte Bob wissen. Justus löste sich von ihm, sein Blick zu Boden gesenkt. Er sah so fertig aus, wie Bob ihn noch nie gesehen hatte.

„Es ging alles so schnell…“, murmelte er, beinahe verstohlen. Bob wurde unruhig. Wenn schon Justus nicht in der Lage war einen Tathergang ruhig zu schildern, wie schlimm war es dann wirklich gewesen? „Du wurdest verletzt und“ Doch weiter kam er nicht, denn hinter ihnen ertönte ein: „Bob!“

Peter klang so emotional wie Justus. Bob wandte sich um. Einen Moment später waren auch seine Arme um ihn und Bob spürte so tiefe Zuneigung, dass er sich atemlos fühlte. Peter hielt ihn und hielt ihn, seine Umarmung so innig, dass es Bob beinahe ein wenig peinlich war. Er bewegte sich leicht, Peter verstand den Wink und ließ ihn los.

„Was ist geschehen?“, fragte Bob atemlos, blickte von einem zum anderen. Seine Freunde tauschten einen Blick, der Bob überhaupt nicht gefiel. Da war so viel Schmerz zu sehen.

„Du wurdest angegriffen“, sprach schließlich Justus, doch schien es ihm äußerst schwer zu fallen. „Einer der Dealer hat dich mit einem Messer verletzt.“ Bob nickte. „Ja, ich meine mich zu erinnern, dass er mich am Unterleib erwischt hat.“ Er legte eine Hand auf genau jene Stelle, links seiner rechten Hüfte. Er bemerkte den Blickwechsel, der zwischen Justus und Peter folgte. Er runzelte die Stirn, sein Blick glitt auf den Boden und dann erstarrte er. Da war Blut. Viel Blut. Moos und eine Jacke, blutdurchtränkt und… er sah Peters Hände, blickte zu Justus und erkannte, dass auch seine Hände voll getrockneten Blutes waren. „Ist das… mein Blut?“

„Ja“, hauchte Justus und Bobs Augen wurden immer größer, als er leise sprach: „Das ist viel Blut.“ „Ja.“ Wieder sagte Justus nicht mehr als nur dieses eine tonlose Wort und doch klang es so als verberge sich eine ganze Lebensgeschichte dahinter.

Bob sah von einem zum anderen. „Wieso lebe ich noch?“, fragte er das für ihn Naheliegenste. Niemand konnte einen derartigen Blutverlust lebend überstehen, geschweige denn unbeschadet. Allein die Frage zu stellen, war mit einem Gefühl der Vorahnung verbunden und gleichzeitig vollkommenem Unglauben. War das hier noch real? Träumte er einen wilden Traum aus dem er bald erwachen würde? Hatte er einen Sonnenstich erlitten? Oder doch wieder eins über den Schädel bekommen?

Bob sah auf der Suche nach Antworten von einem zum anderen, doch seine Freunde schwiegen und hinzu kam dieser Ausdruck auf ihren Gesichtern, der Bob mehr Angst als alles andere machte: Da war so eine bodenlose Verzweiflung. Und jetzt… Bob sah voller Verwirrung, dass Justus hilflos zu Peter schaute. Der öffnete seinen Mund, wollte offenbar etwas sagen.

„Ehrlich gesagt…“ Peter übernahm tatsächlich das Reden. Was? Seit wann hatte Peter Antworten, die Justus nicht hatte? „Ich bin mir nicht ganz sicher“, sprach er und rieb sich in einer Geste der Verlegenheit über den Nacken.

„Wir waren so verzweifelt, weil…“ Er machte eine zittrige Geste über den Waldboden. Bob verstand ihn… wenn einer der anderen beiden so geblutet hätte, wäre er auch verzweifelt gewesen.

„Also habe ich um Hilfe gebeten.“ Peter stockte, lachte ein unter anderen Umständen sehr süßes Lachen, doch nun klang es gequält. „Ich weiß selbst nicht, was dann passiert ist. Aber irgendwie hat sich alles verändert. Wie in dieser alten Legende. Das hier ist ein magischer Ort… also… habe ich getan, was ich tief in meinem Innern spürte. So…“ Er zögerte kurz, selbst noch wundersam berührt: „… konnten wir dich retten.“

Als Peter nun einmal angefangen hatte, sprudelten die Worte wie ein Wasserfall aus ihm heraus. „Ich kann es nicht genau beschreiben. Alles Lebendige schien plötzlich eins zu sein, ich konnte eine Kraft in und um uns herum spüren und dann habe ich Justus dazu geholt und als wir drei uns dann bei den Händen hielten…“ Peter streckte seine eigenen zur Bekräftigung seiner Worte zu beiden Seiten aus. „… da ist irgendwas passiert. Wir wollten dich um jeden Preis retten“, sprach er schnell.

„Dann wurde ich ohnmächtig und bin eben erst wieder zu mir gekommen.“ Peter hatte geendet und obwohl er so viel gesprochen hatte, sah Bob ihn vollkommen verständnislos an. Er konnte nicht begreifen, was Peter da gesagt hatte. In seiner Verwirrung blickte er zu Justus und der… nickte lediglich.

„Ich verstehe immer noch nichts“, sagte Bob verwirrt. „So sehr auch ich an der Aufklärung interessiert bin“, wandte Justus ein. „Sollten wir doch vielleicht erst einmal einen geschützteren Ort aufsuchen. Die Hütte von Mister Moore ist etwa anderthalb Stunden entfernt. Das sollten wir schaffen. Zudem sollten wir unsere Mobiltelefone alle hundert Meter auf Empfang prüfen, vielleicht kriegen wir welchen. Ich würde gerne Inspektor Cotta informieren, denn auch wenn die Bande über alle Berge sein dürfte, haben wir doch stichhaltige Informationen und Beweise gesammelt, die ein Ergreifen der Täter einfacher machen würde.“

„Einverstanden“, nickte Bob und auch Peter stimmte dem zu. Langsam erhoben sie sich. Bob ächzte und sofort spürte er Sorge. Er sah zu Peter. „Schon gut“, murmelte er, ohne weiter darüber nachzudenken. „Ich fühle mich etwas schwindelig.“ Sofort griff Peter ihm unter die Arme, als er ihm nun in die Jacke half, die achtlos herumlag.

Justus äußerte: „Ich muss gestehen, dass auch mir nicht ganz wohl ist.“ Sie blickten sich alle an. „Wie weit ist die Hütte entfernt?“, erkundigte sich Peter. Bob kramte nach der Karte in seiner Hosentasche, doch Justus sprach: „Wenn ich das recht in Erinnerung habe, sollte die Hütte in nordwestlicher Richtung von hier in etwa fünf Meilen liegen.“

Sie schulterten ihre Rucksäcke. „Gut, dann gehen wir langsam in die Richtung“, bestätigte der Zweite Detektiv und blickte aufmerksam von Justus zu Bob. Die nickten und setzten sich in Bewegung.

Alle drei merkten, dass sie erschöpfter waren als sonst, aber Peter steckte es ganz gut weg. Er beobachtete jedoch seine Freunde ganz genau, hatte sein Tempo im Vergleich zu den vergangenen Tagen deutlich gedrosselt und blieb mit beiden auf einer Höhe.

Der neue Tag war voller Wonne angebrochen. Die Vögel zwitscherten, Insekten surrten in der Vormittagssonne fleißig umher und ein angenehmer Wind strich hin und wieder durch die Bäume. Es war ein schöner, lebensbejahender Tag und die Freude, dass sie hier zu dritt unterwegs waren gluckerte durch Peter wie ein junger Gebirgsbach, der sich voller jugendlichem Übermut ins Tal stürzte.

Ein lautes Knacken riss Peter aus dieser Idylle und erschrocken machte er einen Satz zurück, wobei ihm ein Laut der Furcht entwich. Ein Vogel schoss schräg vor ihm aus dem Gebüsch.

„Oh Mist“, rief da Bob und griff sich an den Bauch und auch Justus entwich ein keuchender Laut der Überraschung. Verwirrt blickte Peter sich zu seinen Freunden um. Die beiden schauten tatsächlich ängstlich zu ihm. Er lachte verlegen. „Entschuldigt. Das war nur ein Vogel. Der hat mich erschreckt.“

Doch zu seiner Verwirrung gaben seine beiden Freunde keine Zeichen von Entwarnung. Stattdessen wirkten sie noch so erschrocken als zuvor, wenn nicht noch erschrockener. „Was?“, fragte Peter verunsichert.

Zu seiner Verwirrung blickten sich nun Bob und Justus an. „Konntest du das spüren?“, fragte Bob. Justus nickte, doch seine Augen und Stirn spiegelten eine Verwirrung, die ihm nicht ähnlich sah.

„Was habt ihr denn?“, wollte Peter wissen. Justus öffnete einige Male den Mund, schloss ihn wieder, dann sprach er langsam, zögerlich, so als traute er seinen eigenen Worten nicht. „Es war nicht meine Angst.“

„Häh?“ Peter verstand gar nichts. Doch Bob nickte. „Das ging mir ganz genauso.“ Sie blickten ihren Zweiten mit einer Intensität an, dass dieser ganz unruhig wurde. „Was meint ihr denn damit?“, fragte er.

„Lasst uns weitergehen“, sprach Justus. „Ich werde diese Theorie erst durch ausreichend Beweise stützen müssen.“ „Oder sie hoffentlich widerlegen“, murmelte Bob. Peter sah nur verwirrt von einem zum anderen, zuckte die Schultern und setzte den Weg fort.

Da er den besten Orientierungssinn hatte, führte er sie weiter an. Justus zückte zwischendurch immer wieder sein Handy, doch Empfang hatte er nirgends. Seufzend steckte er es wieder weg. Bob sah jedem dieser Versuche Verbindung zur Außenwelt aufzubauen mit gemischten Gefühlen entgegen. Sie würden Cotta über alles informieren, jedoch… ein schweres Gefühl der Trauer stieg in ihm auf.

Bei aller Offenheit konnten sie Cotta ein Detail nicht erzählen. Und somit würde der Mann, der ihm das angetan hatte, ungeschoren davon kommen. „Bob?“ Justus’ Stimme drang an sein Ohr. „Was ist mit dir?“ Der schluckte. „Mir wurde nur gerade bewusst, dass der Mann, der mich…“ Er zögerte, doch alle drei dachten das Wort umgebracht „… angegriffen hat“, umschrieb Bob es. „Ist noch da draußen. Und wir können nichts gegen ihn tun, denn wir haben nichts in der Hand.“ Er legte seine Hand auf seinen Bauch und auch wenn dort kein direkter Schmerz war, fühlte er doch in seinem Innern ein schmerzhaftes Aufflackern, wie das Echo eines Schmerzes. Es war seltsam.

Justus sprach sofort: „Wir werden Cotta alles sagen, was wir wissen. Und wir werden ihm auch sagen, dass er mit einem Messer auf dich los ist und billigend dein Ableben in Kauf genommen hat. Cotta wird uns glauben.“

Bob nickte. „Jaaa“, sprach er mit einem gedehntem Atemzug. „Es ist dennoch ein unangenehmes Gefühl.“ Plötzlich war da Peters Hand in seinem Rücken. „Wir schaffen das schon“, sprach er zuversichtlich. Bob sah zu ihm auf. Und als er in die warmen grünen Augen sah, glaubte er ihm.

Es dauerte noch etwas über eine Stunde dann kam die Hütte in Sicht, die ihre Unterkunft für die kommenden drei Tage darstellen sollte. Justus griff erneut nach seinem Handy. „Haha!“, rief er triumphierend. „Ich habe Empfang.“ Schnell wählte er die Nummer des Inspektors, der bereits nach wenigen Sekunden dran war.

In knappen Worten informierte er ihn über ihre Entdeckungen bezüglich der Dealer-Banden. Natürlich ließ er alles weg, was danach auf der Lichtung geschehen war. „Schönen Urlaub noch ihr Drei“, verabschiedete sich der Inspektor schließlich. Justus legte auf.

Sein Blick blieb an seinen beiden Freunden hängen. „Wir sollten uns waschen gehen“, meinte er und deutete auf sie drei. Erst jetzt wurde es ihnen allen bewusst, wie sie aussahen: Verschwitzt, verdreckt und voller Blut.

Sie liefen zum kleinen Bach, der seitlich der Hütte entlang floss. Schnell zogen sie sich aus, sammelten ihre Wäsche auf einem Haufen und stiegen ins etwa dreißig Zentimeter tiefe Wasser, das mit einem herrlichen Plätschern an ihnen vorüber zog.

Während alle damit beschäftigt waren sich von von all dem Dreck und dem Blut sauber zu waschen, wurde Bob bewusst, wie viel Blut es war. Sein halber Körper war bedeckt von eingetrocknetem Blut. Was war hier geschehen?

Er blickte kurz zu Justus und Peter, die beide ebenfalls nackt im Bach standen und sich sauber rieben, dabei kurzzeitig das Wasser rötlich färbten. Bob ergriff ein inneres Zittern, ein Schaudern, eine Mischung aus Ekel und Angst. Das Wissen um etwas, das geschehen war, das vielleicht nie hätte geschehen dürfen.

Plötzlich sah Peter ihn an, fragend, irritiert und… musternd. Bob mochte es nicht. „Bist du…“ Peter stockte. „Angeekelt?“ Bobs Augen wurden groß. Wieso wusste Peter, was er fühlte? Er schluckte. „Es ist nur so viel Blut“, sprach er, um irgendwie zu erklären, was er da fühlte. Aber wieso musste er überhaupt seine Gefühle erklären?

„Lasst uns reingehen“, hörte er Justus sagen, der ihre dreckige Kleidung gerade im Bach ausspülte und dann ins Haus ging. Peter folgte ihm und noch während Bob seinen nackten Freunden hinterher sah und ihn ein mehr als ungutes Gefühl ergriff, wusch er sich die letzten Reste Dreck und Blut vom Körper.

Als Bob fertig war und die Hütte betrat, hing Peter gerade ihre Kleidung vor einem prasselnden Feuer auf, während Justus einen Tee kochte. Bob nahm die Kleidung, die Peter ihm hingelegt hatte entgegen und schlüpfte schnell hinein.

Dann blickte er sich um. Der Raum in dem Bob stand, war mittelgroß. Vor einem offenen Kamin gab es ein gemütliches Lager aus Decken und Kissen. Auf der anderen Seite des Raumes war ein kleiner Esstisch mit vier Stühlen vor einer winzigen Küchenzeile, die aus Gasherd mit zwei Platten, einem kleinen Kühlschrank und einem Spülbecken neben einem Küchenschrank bestand. Es würde für die paar Tage reichen.

Bob lief auf die Treppe gegenüber zu. Sie führte ins Dach des Hauses, wo es ein Zimmer mit zwei Etagenbetten und ein kleines Bad gab. „Falls ihr mal aufs Klo müsst“, rief er von oben herunter. „Ist hier oben der richtige Ort.“

„Oder draußen“, hörte er Peter kichernd antworten. „Solange du nicht direkt vor die Haustür machst“, murrte Bob, als er wieder die Treppe runter kam.

„Hey!“, beschwerte sich Peter. „Sowas tue ich nicht.“ „Wenn ich dich da an das eine Male in den Wäldern vor Hill View erinnern darf“, widersprach Justus sofort. Peter wurde rot und rechtfertigte sich: „Da war es dunkel. Ich habe einfach nicht bemerkt, wo ich da bin.“ „Das sagen sie alle“, neckte Bob lachend, der sich nur zu gut daran erinnerte.

Justus goss den Tee auf und Bob stellte ein paar Tassen auf ein kleines Tischchen neben dem flauschigen Teppich. Dort ließ er sich nieder. Peter folgte seinem Beispiel und schließlich setze sich auch Justus mit einem Seufzen.

Für einige Momente herrschte Schweigen und alle drei starrten in das Feuer, das eine wohltuende Wärme aussandte. Bob bemerkte, wie erschöpft er wirklich war. Es war erst Mittag und doch fühlte er sich, als hätte er nächtelang zu wenig Schlaf bekommen. Nachdenklich blickte er in die tänzelnden Flammen, während sich eine Hand unwillkürlich auf seinen Unterleib legte.

War das wirklich geschehen? Peter hatte es zwar versucht zu erklären, aber so richtig schlau wurde Bob nicht daraus. Es klang alles so fantastisch, so übersinnlich.

Und dann auch noch diese seltsame Sache mit den Gefühlen. Er dachte an den Moment zurück, als Peter sich vor dem Vogel erschreckt hatte. Ihm selbst war ein dermaßen heftiger Schreck in die Glieder gefahren, dass es sich angefühlt hatte, als hätte er es selbst gespürt. Und doch… es war Petes Gefühl gewesen.

„Werdet ihr daraus schlau?“, fragte er leise in die Stille. Zwei Gesichter wandten sich ihm zu.

„Was meinst du?“, erkundigte sich Justus. Bob atmete tief durch. „Alles“, entwich es ihm dann. Er nickte zu seiner Hand hin, die noch immer auf seinem Unterleib lag. Seine beiden Freunde blickten dahin. Und plötzlich… Bob spürte… Verzweiflung. Was war das nur für ein Gefühl? Er war nicht verzweifelt. Er war verwirrt. Aber warum spürte er Verzweiflung?

Der Verdacht, den er hatte, seitdem er Peters Angst hatte spüren können, wuchs schlagartig zu gigantischer Größe an. Und damit kam bei ihm Furcht auf. Furcht und Ärger. Denn das konnte nicht sein, oder?

„Was ist da passiert?“ Bobs Stimme zeigte nur zum Teil den Ärger, den er empfand. „Was meinst du?“, fragte Peter irritiert. Die Tatsache, dass Peter ausgerechnet jetzt so schwer von begriff war, schürte nur seine Wut. „Spürst du Ärger?“, fragte er den Zweiten direkt.

Der zog verwirrt die Augenbrauen kraus. Dann sagte er: „Ja.“

„Bist du ärgerlich?“, wollte Bob von ihm wissen.

Peter schüttelte den Kopf. „Eigentlich nicht.“

„Das meine ich“, rief Bob rechthaberisch. „Es ist mein Ärger.“ Peters Augen wurden groß, er schien erst jetzt zu begreifen, was Bob ihm damit sagen wollte. „Du meinst… ich kann deinen Ärger spüren?“, schlussfolgerte Peter.

Bob nickte in einer Mischung aus Genugtuung und Frustration. „Wie kann das sein?“, wollte er nun wissen und blickte Justus an. „Ich kann nur Vermutungen anstellen. Aber das, was auf dieser Lichtung passiert ist, erinnert doch stark an jene Dinge, die du uns in der Legende erzählt hast.“

Bobs Mund öffnete sich leicht. Ein Atemzug, von dem er nicht gemerkt hatte, dass er ihn angehalten hatte, entlud sich seinen Lippen.

Er sah Peter schlucken und spürte, spürte verdammt noch mal, wie sehr er gerade überrascht war. Offenbar war ihm diese Information auch neu. Hatte er mit demselben Flehen wie die Geliebte damals ihren Liebsten gerettet hatte, dasselbe in der letzten Nacht mit Bob getan? Peter spürte seine Wangen brennen. Er sah zu Justus, denn der hatte schließlich mitgemacht. Der setzte hinzu: „So ungern ich es auch zugebe, aber eine andere Erklärung habe ich auch nicht.“

Bobs Augen wurden riesig. „Wisst ihr, was das heißt?“, fragte er und während Peter den Kopf schüttelte, sah Justus ihn abwartend an. Er hatte eine Ahnung, natürlich hatte er die, er war schließlich Justus Jonas.

„Nach allem, was ich bisher über diese Legende gelesen habe, die auch Das Ritual der Seelen genannt wird, habt ihr unsere Seelen aneinander gebunden. Ihr habt etwas von eurer Lebensenergie übertragen, was mich retten konnte. Wir sind nun aneinander gebunden. Ist euch das klar?"

„Aneinander gebunden“, wiederholte Peter. „In welchem Ausmaß?“, fragte er stirnrunzelnd hinzu. Bob schnaufte.

„Das müssen wir wohl rausfinden“, meinte Justus und klang schon wieder mehr so als ginge es darum ein Rätsel in einem Fall zu lösen.

„Und was ist das mit den Gefühlen?“, meinte Peter.

„Das ist wohl eine Nebenwirkung, die wir erst weiter ergründen müssen“, meinte ihr Erster. Bob schnaubte. „Na super.“ Justus und Peter sahen nicht nur Bobs Frustration, sie spürten sie auch. Dann herrschte Schweigen.

Alle drei blickten ins knackende Feuer und Justus trank wieder etwas Tee. Bob benutzte die Tasse um seine kalten Hände zu wärmen. Sie waren einander gebunden in welcher Form auch immer. Er musste unbedingt mehr über diese Legende und das Ritual in Erfahrung bringen. Sie hatten ihre Seelen verbunden, wenn es wirklich das war, was sich da auf der Lichtung ereignet hatte.

Wobei seine gegen seinen Willen verbunden worden war. Er blickte auf, sah zu Peter und Justus, seine beiden besten Freunde. Sie hatten ihn gerettet, doch der Preis… Bob spürte eine tiefe Trauer in sich, ein Verlust, den er sich nicht erkläre konnte und ein ungutes Gefühl in ihm aufsteigen ließ.

Er hätte sterben sollen, doch nun… er würde weiterleben und er war dankbar dafür. Dennoch wusste er nicht, wie sich dieses Weiterleben gestalten würde.

„Hast du Schmerzen?“ Justus’ Frage riss ihn aus seinen Gedanken. Er sah in die braunen Augen seines Freundes. „Warum fragst du?“ „Weil ich mich erschöpfter als gewöhnlich um diese Uhrzeit fühle.“ Bob sah, dass auch Peter nickte. „Ich mich auch. Was aber irgendwie kein Wunder ist, wenn es wirklich so gelaufen ist, dass wir etwas von unserer Lebensenergie auf Bob übertragen haben.“

Während Peter sprach, hatte sich Bobs Hand erneut auf jene Stelle gelegt, an dem das Messer in ihn eingedrungen war. Er schüttelte den Kopf. „Nein, ich habe keine Schmerzen. Aber auch ich fühle mich müde. Ich werde wohl gleich ein wenig lesen. Das entspannt mich für gewöhnlich.“

„In Ordnung“, sprach Justus. „Dann schlage ich vor, dass wir wie geplant unseren Waldurlaub hier verbringen und die Zeit fernab von allem anderen zum Ausruhen und Erkunden dieser neuartigen Verbindung nutzen.“

Peter seufzte. „Das klingt nach Arbeit.“ Bob schmunzelte leicht. „Justus erkundet, du ruhst dich aus.“ Peter lächelte ihn an. „Das klingt schon eher nach meinem Geschmack.“ „Weiß ich doch“, zwinkerte Bob ihm zu.

???

Fortsetzung folgt…

Chapter 4: Innig

Notes:

Bei der LiveTour Phonophobia gehört Peter zu den Synästhetikern, also Menschen, deren Sinne anders miteinander harmonieren. So sieht Peter Töne als Farben. Diese Eigenschaft mache ich mir im Folgenden zu nutze. :)

Gute Unterhaltung!

(See the end of the chapter for more notes.)

Chapter Text

Sie hatten sich alle entspannt. Bob hatte sich mit einem Buch auf die kleine Terrasse hinter dem Haus gesetzt, die einen traumhaften Blick über Berge, Wälder und Täler freigab. Er musste erst einmal ein wenig Erholung finden, bevor er sich in seine Recherchen stürzen konnte.

Justus hatte sich mit dem Inhalt des Kühlschranks vertraut gemacht in der Absicht etwas für sie zu kochen und Peter hatte sich in den Kopf gesetzt die Umgebung noch ein wenig zu erkunden. Er war froh.

So gerne er bei Bob und Justus war, hier nun allein im Wald zu sein, tat gut. Die letzten Stunden waren so unfassbar aufwühlend gewesen. Der Angriff auf Bob war beinahe schon wieder in den Hintergrund getreten, denn die Auswirkungen seines Beinahe-Tods waren viel präsenter.

Jetzt, wo Peter wusste, was es war, konnte er es viel deutlicher spürten: Justus und Bobs emotionale Präsenz. Sie mischten sich in seinem Inneren mit den Farben, die er hörte; irgendwie waren seine Freunde für ihn nun noch greifbarer, echter, als würden sie bei ihm sein, auch wenn sie getrennt waren.

Er spürte Bobs stille blaue Präsenz, die Farbe des Himmels an einem Frühlingstag. Er las und war dabei entspannt. Justus war es auch, sein sattes Sonnengelb war strahlend wie eh und je, er wusste, dass er gerade in der Küche zu Gange war; etwas, das er gerne tat. Es war seltsam die beiden nun so zu spüren, aber irgendwie auch vollkommen natürlich, als wäre einer seiner Sinne etwas schärfer geworden.

Justus spürte es auch. Während er in der kleinen Holzhütte am Küchentisch saß und in aller Ruhe ein Essen zubereitete, versuchte er sich an diese neue Situation zu gewöhnen. Jetzt, wo die Gefühle der Aufregung, der Fassungslosigkeit und Angst abgeklungen waren, war auch er wieder in der Lage so logisch zu analysieren wie eh und je.

Obwohl er nicht ausschließlich gefühlsmäßig handelte, sondern meistens seinen Verstand benutzte, kannte Justus seine eigene Gefühlswelt gut. Er fühlte sich mit seinen zwanzig Jahren recht sicher in seiner Person, wusste wer er war und was er wollte. Auch in Bezug auf seine Gefühle.

Es überraschte ihn, dass er nun, in seinem Bauch, um genau zu sein, auch noch etwas anderes spüren konnte. Die emotionale Präsenz von Peter und Bob. Es fühlte sich so an als habe er neben seinem eigenen Gefühl noch zwei andere.

Diese konnte er aber so einwandfrei seinen beiden Freunden zuordnen, als stünden sie neben ihm. Bobs Präsenz war von einer ruhigen still fließenden Art. Peters Präsenz hingegen war aufgewühlter, ein wenig unsteter aber jetzt in diesem Moment auch ruhig. Es war faszinierend und seltsam zugleich, was Justus da spürte. So als wären seine beiden Freunde immer bei ihm.

Bobs Buch, das er sich extra für ihren Urlaub eingepackt hatte, war ein fesselnder Thriller, der ihn ausreichend ablenkte. Und doch… immer wieder blickte Bob auf, denn das Empfinden in seinem Innern hatte sich verändert. Als würde er Justus und Peter anblicken und in ihren Gesichtern erkennen, wie es ihnen gerade ging.

Peter war zufrieden, fröhlich und Justus war entspannt. Er hörte das gleichmäßige Hacken eines Messers auf einem Holzbrett und wusste, dass Justus ihnen eine Mahlzeit zubereitete. Die Aussicht darauf war gut, Bob merkte wie hungrig er war.

Und dennoch… Bobs Hand legte sich auf seinen Bauch, an jene Stelle, an der er verletzt worden war. Sein Leben wäre am gestrigen Tag zu Ende gewesen. Allein der Gedanke daran, ließ einen Kloß in seinem Hals wachsen. Er hätte sterben sollen. Gestern hätte der Tag seines Todes sein sollen. Wenn er wirklich gestorben wäre… er schloss die Augen, spürte Tränen in sich aufsteigen bei dem Gedanken an seine Eltern. Bei Gott! Sie hätten so gelitten.

Und Justus und Peter erst… er wusste, dass es sie zerstört hätte. Und er selbst? Bob hatte noch so viel vor in seinem Leben, er wollte studieren, die Welt sehen, vielleicht Journalist werden und fremde Länder und Menschen kennenlernen. Er wollte Beziehungen haben, Affären und vielleicht eines Tages auch Vater werden. Obwohl er sich das jetzt noch nicht vorstellen konnte.

Er wollte so vieles und all das hätte gestern enden sollen. Er lebte. Aber sollte er noch leben?

Angst und Trauer stiegen in ihm auf und mit ihnen- Das Hacken brach ab.

Bob wurde abgelenkt, denn Sorge stieg in ihm auf, die nicht seine war. Schlagartig wusste er, dass Justus seine Gefühle erspürt hatte. Bob presste die Lippen aufeinander, als er Bitterkeit in sich aufsteigen spürte. Seine Gefühle gehörten nicht mehr ihm. Diese Gewissheit fraß sich in ihn wie ein aasfressender Wurm in einen toten Körper. Das, was er am allermeisten vor der Außenwelt schützte, war nun nicht mehr seins. Er war durchschaubar geworden, ein offenes Buch.

„Bob?“ Justus erschien auf der Terrasse. Der Blonde wandte sich ihm zu, sein Gesicht betont neutral, auch wenn er wusste, dass es keinen Zweck hatte. Aber er konnte seine Maske nicht fallen lassen. „Ich…“ Justus stockte. Kein Wunder, schließlich war es ihm unangenehm wie Bob deutlich spüren konnte. „Geht es wieder?“, fragte er dann.

„Ja, danke“, sagte Bob kurz angebunden und wandte sich seinem Buch zu. Er wusste, dass Justus es nur gut meinte, er sorgte sich um ihn, wie er spüren konnte, aber Bob war verärgert. Und es ärgerte ihn, dass Justus genau das nun wusste.

???

„Das war köstlich“, rief Peter begeistert und Bob sah nicht nur seine Freude, er spürte sie auch. Sie war so ansteckend, dass auch Bob gut gelaunt äußerte: „Das war es wirklich.“

Seit dem Nachmittag hatte Bob sich etwas beruhigt und so konnte er den Moment mit seinen Freunden durchaus genießen. Genüsslich streckten sich die drei an ihrem kleinen Esstisch aus, denn das Mahl, das Justus ihnen bereitet hatte, war super gewesen.

Justus lächelte und Peter war amüsiert darüber, dass er den Hauch Verlegenheit in Justus’ Gesicht nicht nur sah, sondern auch fühlen konnte. Es war irgendwie putzig.

„Wer hat Lust auf eine Runde Brettspiele?“, fragte da Bob und zückte aus seinem Rucksack das Urlaubsset. Peter rieb sich die Hände. „Haha, macht euch darauf gefasst, geschlagen zu werden.“ Justus und Bob tauschten einen drögen Blick. Leider war es wirklich so, dass Peter beim Mensch-ärger-dich-nicht meist unverschämtes Glück hatte und sie mit Wonne besiegte.

Zwei Stunden später trotteten sie ins Obergeschoss. Wobei trotten auf Justus und Bob zutraf, Peter schwebte förmlich, denn er hatte sie glorreich besiegt - wieder und wieder. Und nicht nur seine Schadenfreude zu sehen, sondern auch zu spüren, war ein ganz neues Level der Niederlage.

Justus nahm das untere Bett auf der linken Seite, Peter schwang sich nach oben. Bob kroch in das andere Bett, aber auch er schlief lieber unten. Peter liebte es oben und kletterte mit Wonne hinauf. Es dauerte nicht lange, bis alle drei Fragezeichen aufgrund ihrer Erschöpfung im Land der Träume weilten.

Peter schoss in eine sitzende Position hoch. Ein Geräusch hatte ihn geweckt, sein Herz hämmerte. Was war das? Gedanken an Waldgeister fluteten seinen Geist und Angst stieg in ihm auf. Was-? Er hielt inne. Er hörte es wieder… ein… Wimmern.

Peters Atmung stockte. „Nein.“ Es klang so herzzerreißend, dass Peters Augen sich weit öffneten. Er spürte… „Bob“, murmelte er und sprang aus dem Bett auf den Boden. Schnell war er beim gegenüberliegenden Etagenbett, kniete sich hin und lauschte. Ja, Bob war unruhig, stöhnte und - Peters Herz zog sich zusammen - weinte er? Er knipste die Nachttischlampe an.

„Bob?“, sprach er erneut, dieses Mal etwas lauter in der Hoffnung, sein Freund würde ihn hören. Tat er! Bob schoss so schnell nach oben, dass Peter zuckte. Verwirrt blickte der Blonde umher, seine Augen geweitet, seine Brust bewegte sich so schnell als sei er gerannt. Und dann… Peter spürte die aufgewühlte schwarze See mit einem Schlag, die Verzweiflung und die alles zuschnürende Trauer, die wie eine Welle über ihn herein schwappte.

Bob weinte. Er verbarg sein Gesicht in seinen Händen und weinte. Ein Knarren ließ Peter aufsehen. Justus war zu ihm getreten und betroffen blickten sie sich an, bevor sie wieder zu ihrem Freund sahen, der da wie ein Häufchen Elend in seinem Bett saß.

„Bob.“ Peters Stimme war leise, sanft und voller Mitgefühl. Das Leid ihres Freundes war so greifbar; tiefes, dunkles Blau, das plötzlich so still da lag wie der Ozean an einem windstillen Tag. Peter konnte sich nicht mehr beherrschten, er streckte seine Hand aus, berührte Bob am Oberarm. Es war wie ein Stromstoß. Etwas durchzuckte sie spürbar, ein Funken der Erleichterung, der Bob und ihn selbst augenblicklich durchfloss.

Fasziniert und neugierig folgte Peter diesem Gefühl, bewegte sich nach vorne und schloss Bob in seine Arme. Wellen, schön, voll warmen Blau ergossen sich über Peter. Erleichterung in Reinform schäumte über sie hinweg wie der wogende Schaum auf den Wellen des Meeres.

Peter streckte trotz dieser Wonne instinktiv den Arm zu Justus aus. Er ergriff dessen Knie, zog daran in einer unmissverständlichen Geste der Aufforderung. Dann war Justus bei ihnen, kniete sich dazu und als sich auch seine Arme um sie legte, war es als würde sich die warme Sommersonne über dem herrlich kühlen Meer ergießen.

Tiefer Frieden und schützende Sicherheit erfüllte sie und Peter wusste, dass es Bob und Justus genauso ging. Die Minuten vergingen, sie hielten sich, waren einfach und schwelgten in diesem vertrauten und doch vollkommenen neuen Gefühl ihrer Nähe.

Und das Beste: Bobs Verzweiflung und Not waren verschwunden und zurück blieb nichts als das Gefühl der Sicherheit und Erleichterung.

???

Keiner von ihnen erwähnte die letzte Nacht, doch sie alle spürten die Auswirkungen: Die Tatsache, dass ihre Berührung einen so enorm heilsamen Effekt gehabt hatte, war unbegreiflich und gleichzeitig tat dieses Wissen gut, beruhigte - zumindest ging es Peter so als er sich an diesem Morgen Justus gut gelaunt in der Küche anschloss, der bereits dabei war Frühstück zu machen.

Der Duft frischen Kaffees zog Peter magisch an. „Großartig, Erster“, rief er, als er bereits den Becher dampfend auf den Tisch stehend sah, mit Milch und Zucker, so wie er es mochte. Während Justus Eier und Speck briet und Peter sich mit seinem Kaffee am Esstisch niederließ und in einer Zeitschrift blätterte, lag Bob mit offenen Augen in seinem Bett und starrte an die Matratze über ihm.

Körperkontakt mit Justus und Peter war nie ein Problem gewesen, sie suchten ihn instinktiv, schließlich waren sie schon viele Jahre befreundet. Es hatte immer eine natürliche Komponente gehabt, etwas, das sie einfach taten. Ohne nachzudenken. Und so war es auch letzte Nacht gewesen, zumindest im ersten Moment. Peter, der eh ein körperlicher Mensch war, hatte ihn mittels Berührung trösten wollen. So weit, so gut.

Doch die Berührung selbst… Bob erschauerte bei der Erinnerung. Sie hatte sich vollkommen anders angefühlt als jede zuvor. Da war eine so intime Komponente gewesen, wie Bob sie noch nie gespürt hatte. Irgendwas tief in ihm hatte sich berührt gefühlt, akzeptiert in all seiner Schwäche und der Schmerz des Traumes war dahin gezogen wie eine Wolke im Wind.

Was hatte das alles zu bedeuten? Bob griff nach seinem Handy. Er ahnte, dass seine Recherche nicht so fruchtbar werden würde, wie wenn ihm eine Bibliothek zur Verfügung stand, aber dennoch wollte er wissen, was es war, dass sie verband.

Nach einer halben Stunde gab er frustriert auf. Für Recherchen wissenschaftlicher Art, welche in die Tiefe gingen, war das World Wide Web einfach nicht geeignet. Er hatte nichts erfahren, was er nicht schon wusste.

Bob erhob sich, kleidete sich ein und lief hinab, wo ihn bereits der Geruch von Frühstück und Kaffee umfing. Da stand bereits eine Tasse Kaffee mit Milch auf dem Tisch, die für ihn war. Lächelnd griff er danach. Das hob seine Stimmung deutlich. „Morgen“, grüßte er Justus, der gerade den Tisch deckte.

Peter kam von draußen rein. „Das Wetter ist herrlich. Wenn ihr mögt, ich habe gestern in etwa drei Meilen Entfernung einen kleinen Waldsee entdeckt. Wollen wir da hin?“, erkundigte er sich unternehmungslustig.

Genau das taten sie. Nach dem Frühstück brachen sie auf, erkundeten die Umgebung, die so schön war wie alles, was sie bisher gesehen hatten. Der kleine Bergsee war noch mal von einer ganz besonderen Schönheit. Er war so flach und klar, dass man überall den Grund sehen konnte. In seiner spiegelnden Oberfläche waren Himmel, Wolken und Bäume zu sehen. Es war wunderschön.

Und so verbrachten sie hier den Tag, warfen Steine in den See, neckten sich, gingen schwimmen und genossen die freie Zeit in dieser Idylle. Und als Bob nach einer kleinen Jagd mit Peter schnaufend am Ufer lag und hoch in den Himmel sah, war er mit einem Mal sehr dankbar, dass er noch lebte.

Am frühen Nachmittag liefen sie wieder zurück zur Hütte. Sie hatten soeben eine kleine Mahlzeit zu sich genommen hatten, als Bob etwas auffiel. „Leute!“ Bobs Stimme drang von neben der Hütte hervor. Dann trat er ins Sonnenlicht vor der Hütte, wo Peter und Justus an dem kleinen Runden Tisch saßen. Der Erste Detektiv schnitzte, der Zweite döste.

„Mister Moore, unser Vermieter hat nicht übertrieben, als er uns bat bald Holz zu hacken.“ Die beiden anderen hoben den Blick. Bob warf die Hände hoch. „Wir haben drinnen noch genau zwei Scheite. Und hier draußen liegen nur noch dermaßen große Klötze, das wir die nie angezündet kriegen.“

Peter erhob sich mit lässigem Schwung. „Dann lass uns mal eine Axt suchen gehen.“ Bob sah ihn ein wenig skeptisch an. „Kannst du das denn?“ „Wird schon nicht so schwer sein.“ Bob schnaufte, dann wandte er sich mit Peter zusammen dem kleinen Schuppen zu, der neben der Hütte stand. Die alte Holztür mit Vorschieberiegel ließ sich mit einem knarrenden Geräusch öffnen. „Na wer sagt’s denn?“, rief Peter, als er hineinlugte. „Da sind sogar zwei Äxte.“ Gut gelaunt nahm er sie und reichte eine Bob. „Ran ans Werk“, rief er voller Tatendrang.

Sie liefen zurück vors Haus, wo Justus noch immer am Tisch saß und schnitzte. „Hey, Künstler. Komm mal her und hilf uns“, meinte Peter neckend. Justus hob den Blick und seufzte. „Das ist wohl unumgänglich.“ Peter grinste. „Schaff uns einfach die Holzblöcke ran, dann hacken wir die klein.“

Justus lief neben das Haus und kam wenige Sekunden später schnaufend und ächzend mit einem ziemlich großen Klotz an. Immer noch heftig keuchend legte er ihn ab. Peter neckte: „Ein bisschen Krafttraining kann dir nicht schaden.“ Justus schoss ihm einen dunklen Blick zu. „Ich bin durchaus stark, aber diese Blöcke haben im Vergleich zu ihrem Volumen eine sehr hohe Masse.“ Bob grunzte. „Sag doch einfach, dass sie dir zu schwer sind.“

Statt einer Antwort drehte Justus sich nur um und holte einen zweiten Klotz. Während Peter bereits drauflos hackte, wartete Bob noch einen Moment bis Justus ihm seinen gegeben hatte und machte sich dann auch ans Werk.

Peter liebte körperliche Betätigung. Aber auch er musste nach zwei Stunden Holzhacken zugeben, dass dies echt harte Arbeit war. Aber sie hatten es Mister Moore, dem alten Besitzer der Hütte, der sie ihnen so günstig überlassen hatte, versprochen, den Gefallen zu tun und den Holzvorrat ordentlich aufzufüllen.

So standen sie hier also im Sonnenschein dieses herrlichen Tages und fragten sich, warum genau sie das taten. Sie wussten es natürlich: Sobald die Sonne weg war, wurde es kalt, sehr kalt - wie sie bereits in den letzten Nächten festgestellt hatten.

Peter war mehr als froh, als Justus ihnen Getränke gebracht hatte und sie eine Pause machen konnten. „Man“, rief Peter und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Heute Nacht werde ich gut schlafen. Kälte hin oder her.“ „Kalt wird uns sicherlich nicht mehr sein“, meinte Justus mit Blick auf den Stapel, den sie bereits zurecht gehackt hatten. Bob bewegte seinen Kopf ein wenig hin und her und ließ die Schultern kreisen. „Ich werde jeden Muskel spüren.“ „Hm“, machte Justus nur. Sie leerten ihre Gläser, dann machten sie sich wieder an die Arbeit.

Anderthalb Stunden später verkündete Justus endlich: „Das ist der Letzte.“ Und hievte den riesigen Klotz vor Peter. „Ich geh duschen und mach uns was zu essen“, verkündete ihr Erster. Bob und Peter seufzten nur bei dieser Aussicht, dann hackten sie wieder drauf los. Bob war bald darauf fertig. „Schaffst du den Rest allein?“

Peter hielt inne und blickte zu seinem Freund, während er heftig keuchte. „Wird schon“, meinte er. Bob grinste und lief in die Hütte hinein, während Peter noch mal seine letzten Kraftreserven mobilisierte, um auch das letzte Stück dämlichen Holzes kleinzukriegen. Dann räumte er sie wie auch die anderen zuvor direkt an die Stelle neben der Hütte, wo sie dank des Überhangs des Daches vor Feuchtigkeit geschützt waren.

Die Sonne war bereits dabei zu versinken und als Peter ins Haus trat, außer Atem und verschwitzt, empfing ihn der Geruch eines deftigen Eintopfs. „Das riecht himmlisch“, stöhnte er. Justus zwinkerte ihm vom Herd aus zu. „Noch zehn Minuten, dann kann es losgehen.“

„Dann husch ich schnell unter die Dusche“, ließ Peter ihn wissen. „Bob sollte gleich fertig sein“, mutmaßte Justus. Peter schnaubte ein wenig: „Der braucht bestimmt mal wieder Unmengen Zeit, damit seine Frisur sitzt.“ Justus lachte und Peter nahm zwei Stufen auf einmal die Treppe rauf. Da Bob hier nicht zu sehen war, musste er wirklich noch im Bad sein.

Peter klopfte. „Ja?“ „Ich bin’s. Kann ich reinkommen?“ „Ja.“ Peter schob die Tür auf und musste sich augenblicklich ein Grinsen verkneifen. Bob stand vor dem Spiegel, Handtuch um die Hüften und kräuselte sich die Haare. Peter schlüpfte aus seiner Kleidung und sprang unter die Dusche. Was für eine Wohltat! Das heiße Wasser tat seinen verausgabten Muskeln unfassbar gut.

Mit einem Schlag wurde es eiskalt. Er quietschte auf, sein Herz raste und der Schock saß so tief, dass einen Moment später der Duschvorhang aufgerissen wurde und ein erschrockener Bob ihn anstarrte. Peter hatte sich den Armaturen zugewendet und drehte nun das Wasser ab. „Alles okay?“, wollte Bob wissen.

Erneut erschreckt wandte Peter sich um, sah in Bobs aufgewühlte Augen. Nur langsam beruhigte sich seine Atmung. „Alles gut“, meinte er, wenn auch leicht keuchend. „Es wurde nur plötzlich kalt. Offenbar ist das heiße Wasser alle.“ Etliche Momente blickten sie sich an. Es klopfte. Beide wandten sich der Tür zu. „Ja?“, sagte Peter. „Alles in Ordnung?“, fragte Justus und streckte den Kopf rein. „Ich habe…“ Er hielt inne, räusperte sich, als sein Blick beinahe scheu von einem zum anderen glitt. War Justus verlegen?

Peter erklärte: „Ich habe mich nur erschreckt, da das Wasser plötzlich eisig wurde. Das hat wiederum Bob erschreckt und damit auch dich.“ Justus nickte nur. Einen Moment ruhte sein Blick noch auf seinen Freunden, dann sprach er: „Essen ist in einer Minute fertig.“ „Wir sind gleich da“, ließ Bob ihn wissen. Peter bemerkte, wie Bobs Blick für einen Moment auf seinem Körper ruhte, ein Kribbeln prickelte über seine Haut, aber dann wandte Bob sich ab und beide machten sich fertig fürs Essen.

Dieses war gerade im Gange, als Justus äußerte: „Wir sollten Regeln aufstellen, was den Umgang mit unseren Gefühlen angeht.“ Interessiert lauschten Bob und Peter stumm den Vorschlägen ihres Ersten, während sie weiterhin ihren Eintopf aßen. „Mir wäre es wichtig, dass immer nur der Besitzer des Gefühls die Erlaubnis hat, dieses anzusprechen. So gewährleisten wir eine gewisse Privatsphäre.“

„Das finde ich gut“, meine Peter sofort, wenn auch mit vollem Mund. Auch Bob schloss sich an, auch wenn er es dennoch unangenehm fand, denn die Tatsache, dass die beiden anderen sein Gefühl kannten, blieb bestehen. Er griff zum Wasserglas, um den bitteren Geschmack im Mund hinunterzuspülen.

„Es sollte sich zwar von selbst verstehen, aber ich möchte, dass wir nie jemandem von dem erzählen, was da passiert ist“, stellte Bob klar. „Das würde uns auch niemand glauben“, warf Peter ein. Doch Justus nickte sofort. „Verständlich. Auch ich halte dieses Vorgehen für ratsam.“

Das Klingeln von Justus’ Handy unterbrach sie und Peter zuckte vor Schreck zusammen. Schnell kaute Justus fertig, schaltete auf laut und meldete sich mit: „Justus Jonas.“

„Cotta hier“, kam es prompt. Überrascht blickten sich die drei an. „Ich wollte euch kurz auf den neusten Stand bringen.“ Er holte kurz Luft. „Nach deinen Schilderungen und den Fotos, die du mir zugeschickt hast, konnten wir die Bande bis nach San Diego verfolgen. Sie dealen mit Kokain und das über die Grenze zu Mexiko hinweg.“

„Den Kollegen im Süden waren sie bekannt. Wir sind noch dran, zu mal bereits vor Ort auch undercover ermittelt wird. Daher kann ich nichts weiter dazu sagen, außer, dass in absehbarer Zeit ein Zugriff geplant ist, der die Bande ziemlich treffen wird.“ Justus sah mit gewichtiger Miene in die Runde. „Dann danke Ihnen, Inspektor, dass Sie uns dennoch informiert haben.“

„Ist ja euch zu verdanken, dass wir den Kerlen näher denn je sind. Wann seid ihr wieder hier?“, wollte der Inspektor wissen. „Morgen Mittag werden wir uns auf den Rückweg machen.“ „Dann noch eine schöne Zeit bis dahin“, wünschte er ihnen. Justus sprach: „Danke und bis bald.“ „Bis bald.“ Dann hatte Cotta aufgelegt und auch Justus verstaute sein Handy wieder.

„Das war äußerst anständig von ihm sich zu melden“, meinte Peter kauend. Justus und Bob nickten nur, was Peter nutzte, um verlauten zu lassen: „Schmeckt übrigens mal wieder köstlich, Just.“ Der schenkte ihm einen warmen Blick. „Danke.“ Strahlendes Sonnengelb, dachte Peter für einen Moment und erwiderte das Lächeln. Justus ging es gut und das fühlte sich wunderbar an.

Richtig gesprächig schien keiner der drei zu sein und so aßen sie stumm weiter, während die Dämmerung einsetzte und die Hütte immer weiter in Dunkelheit tauchte. „Wir sollten Feuer machen“, überlegte Bob laut.

Nachdem sie gegessen hatten, kümmerten sich Peter und Bob um den Abwasch, während Justus das Feuer im großen Kamin anfachte und sich dann auf die Kissen davor mit einem deutlich vernehmbaren Seufzen fallen ließ. Peter wollte es ihm unbedingt gleich tun. Ein ruhiger Abend vor dem Feuer war genau das Richtige nach diesem anstrengenden Nachmittag.

Schnell spülte er ihr Geschirr und legte es für Bob bereit, der abtrocknete. Dann schloss er sich Justus an, setzte sich mit einem ebenso genüsslichen Seufzen neben ihn und blickte ins Feuer. Er lehnte sich nach hinten an die großen Kissen. „Was für ein Tag“, sprach er leise.

„Kannst du laut sagen“, meinte Justus und bewegte die Schultern ein wenig. „Habt ihr noch Durst?“ hörten sie Bob fragen. „Ne“, schüttelte Peter den Kopf. „Komm zu uns!“ Er streckte die Hand nach Bob aus, über dessen Gesicht ein seltsamer Ausdruck huschte. Peter spürte was, beinahe etwas Furchtsames, dunkles Blau, das leicht schwarz schwappte.

Doch Bob kam auf ihn zu und ließ sich dann neben ihm nieder. Gut gelaunt sah Peter von einem zum anderen. Dann, in einer spontanen Bewegung legte er seine Arme um seine beiden Freunde. Sofort spürte er wieder dieses unfassbare Wohlgefühl. Funkelndes Sonnenlicht auf wogenden Wellen.

„Das war doch ein produktiver Tag“, rief er und lachte. „Anstrengend“, keuchte Justus. Bob brummte nur „War er.“ „Hat aber doch gut getan, oder?“, wollte Peter wissen. Bob schnaubte. „Meine Schultern sind ganz schön verspannt.“ Ohne nachzudenken knetete Peters Hand drauf los, schließlich lag sie auf einer der besagten Schultern. Bob seufzte ausgiebig. „Schon besser“, murmelte er. Peter schmunzelte.

Er wandte sich nach rechts. „Deine auch?“ Justus zuckte nickend mit den Schultern und so begann Peter auch bei ihm Hand an zu legen. Eine ganze Weile geschah nichts, außer das leise Seufzen seiner Kollegen aufgrund seiner fachmännisch massierenden Finger.

„Du hast magische Hände“, äußerte Bob genießerisch. Peter kicherte. Da war so ein Schauer in seinem Innern, den er sich nicht erklären konnte. Er ignorierte ihn. „Was ist mit deinen Schultern?“, wollte da Justus wissen. „Denen geht es gut. Ich spüre meine Arme und meine Brust jedoch ziemlich.“

Plötzlich war da Justus’ Hand an seinem Oberarm, streichelte seinen Bizeps. Es tat so gut. Wie konnte ein so unspektakuläre Berührung nur noch aufregend sein? Das warme Sonnenlicht ergoss sich förmlich von seinem Arm aus und kroch in seinen Körper. Tief atmete er ein und aus. Was tat das gut!

Er zuckte leicht, als plötzlich Bobs Hand auf seiner Brust lag. Er schaute nach links zu ihm, nur für einen Wimpernschlag blickten sie sich an. Bob schien nach Einverständnis zu suchen und Peter nickte leicht. Dann bewegte sich die Hand und blaue Zuneigung floss in ihn hinein wie Wellen, die sich sanft schäumend am Strand ergossen.

Sanft streichelte Bob seine Brust und trotzdem übten seine Finger einen leicht massierenden Druck auf seine Brustmuskulatur aus. Es war herrlich und löste ein aufregendes Prickeln aus, das Peter noch nicht ganz einordnen konnte.

Seine eigenen Finger massierten weiter die Schultern der beiden, spürte, dass es ihnen gefiel, denn Freude und ein tiefer Frieden hatte sie alle erfasst.

Bobs Hand stieß an seinen Nippel, Peter keuchte ein wenig. Doch anstatt die Stelle zu meiden, tat Bob es wieder. Peters Mund öffnete sich vor Erstaunen. Er spürte Aufregung und Freude von Bob. Ihm gefiel es! Tief ausatmend ließ Peter seinen Kopf nach links fallen - und blickte direkt in blaue Augen.

Wunderschöne, blaue Augen, die ihn mit einem so tiefen Blick ansahen, dass Peter weder aus noch ein wusste und vollkommen gebannt hinsah. Dazu das Kribbeln, das immer intensiver wurde und durch Bobs Hände mit rasender Geschwindigkeit genährt wurde.

Peters Atemzüge wurde schwerer und Bobs Blick huschte zu seinen Lippen. Oh Gott! Dachte Bob daran ihn zu küssen? Und dachte Peter selbst nun auch daran?

Ja.

Und zwar nicht nur einen Schmatz unter Freuden, sondern…mehr, deutlich mehr. Intim, verbunden, innig… Peter wollte es. Er wollte es so sehr. Er atmete zittrig ein, richtete seinen Kopf wieder nach oben aus, weg aus Bobs Bannkreis, und zog, weil er diesem Drang irgendwas entgegen setzen wollte, sowohl Bob als auch Justus mit einem kräftigen Ruck weiter zu sich.

Seine Hände rutschten unwillkürlich von den Schultern der beiden am Rücken hinab zu den Taillen. Und während er Bob locker bis an den unteren Rücken greifen konnte, lag seine Hand auf Justus’ breitem Kreuz. Doch an beiden Orten setzte er seine Massage fort. Er spürte, dass er mit dem sich aufbauenden Etwas in seinem Innern nicht alleine war.

Die Aufregung, die Freude war bei ihnen allen Dreien zu spüren, multiplizierte sich und alles, was Peter tun konnte, war diese beiden zu halten und zu streicheln und sich dabei auf die Lippe zu beißen, um sich nicht anmerken zu lassen, dass dies alles eine verdammt sinnliche Komponente für ihn hatte.

Justus’ Hand glitt von seinem Oberarm über seine Schlüsselbeine auf seine Brust. Peter unterdrückte ein Keuchen. Im nächsten Moment berührten sich auf seiner Brust Justus’ und Bobs Hände.

Atemlos sah er wie die beiden ihre Finger für einen Moment verschränkten, sich streichelten und dann wieder voneinander abließen um Peter zu berühren.

Justus’ Hand glitt hinab auf seinen Bauch, so sanft und liebevoll, dass es Peter gleichzeitig rührte und in Aufregung versetzte. Diese beiden so nah bei sich zu spüren, war unglaublich.

Noch nie hatte Peter so etwas erlebt. Er schwelgte in diesem vollkommenen Gefühl, atmete tief ein und aus und hielt die beiden Menschen in seinen Armen, die er nie wieder missen wollte.

???

Fortsetzung folgt…

Notes:

Was bin ich gespannt auf eure Gedanken zum Kapitel. :D
Wir lesen uns. <3

Chapter 5: Gefühle außer Kontrolle

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Peter blinzelte leicht, bewegte sich ein Stückchen, weil ein neuer Tag begonnen hatte. Er schwitzte ein wenig und hielt inne. Da war etwas direkt bei ihm. Da waren zwei direkt bei ihm.

Peters Augen öffneten sich schlagartig, blickten an die Decke der Holzhütte in ihrem Wohnraum. Ja, hier lag er. Mit Bob und Justus im Arm. Gedanken an die letzten Nacht fluteten seinen Geist. Sie hatten gekuschelt. Sie hatten sehr sinnlich gekuschelt. Und nun lagen sie noch immer hier Arm in Arm und verrieten damit sehr deutlich, was sie die letzte Nacht getan hatten. Etwas, da was zumindest für Peter die Grenzen ihrer bisherigen Freundschaft deutlich erweitert hatte.

Er schluckte. Wie peinlich berührt konnte man sein? Sehr, stellte Peter mit einem verkniffenen Gesichtsausdruck fest. Plötzlich bewegte sich Justus und Peter überkam ein Stich Panik. Doch er rief sich sofort zur Ordnung, denn wenn er panisch wurde, würden es seine Freunde merken.

Tief atmete er ein und aus, spürte wie Justus sich regte, wach wurde und dann - innehielt. Peter nahm eine seltsame Mischung von Gefühlen wahr, die er nicht benennen konnte, aber er ahnte, dass auch Justus sich nun erinnerte.

„Guten Morgen“, sprach Justus dann und klang so unbeteiligt, als würde er jeden Morgen in Peters Armen aufwachen. Peter stellte fest, dass er überhaupt nichts gegen diesen Gedanken hatte. Er schluckte. Justus erhob sich, streckte sich. „Ich fürchte das nächtliche Liegen in deinen Armen hat meinem Nacken nicht wirklich gut getan.“ Er ächzte ein wenig.

Peter war noch viel zu verwundert über Justus’ Entspannung als dass er etwas hätte sagen können. Das Sonnengelb war so stetig und strahlend wie eh und je. Bob regte sich. Peter blickte zu ihm, dessen Arm noch immer über seinem Bauch lag. Blaue Augen blinzelten ihn an, leicht lächelnd erst, doch dann erstarb es, wurde distanzierter, ernster, denn nun erinnerte sich offenbar auch Bob.

Immerhin einer, dachte Peter erleichtert, als er erkannte, dass Bob sich peinlich berührt fühlte. Er schob sich von Peter weg, der atemlos feststellte, dass ihm sofort etwas fehlte. Auch Bob erhob sich und an der Art wie er sich durchs Haar strubbelte, wusste Peter, dass auch er peinlich berührt war. Zudem spürte er deutlich das unruhige Gefühl, das von ihm ausging, beinahe etwas Schreckhaftes an sich hatte.

Während Justus in ihrer Küche hantierte und sicherlich Kaffee aufsetzte, lief Bob ins Bad. Peter derweil lag noch auf ihrem Lager und starrte an die Decke, versuchte seine aufgewühlten Gedanken zu beruhigen, damit seine beiden Freunde nicht noch seine Aufregung in all ihrer Deutlichkeit spüren konnten.

Peter versuchte zu analysieren. Sie hatten die Nacht über gekuschelt. Aber nicht so wie früher, um sich zu wärmen, oder weil es einfach schön war, sondern weil es sinnlich gewesen war; aufregend und auf eine noch vollkommen unbekannte Art intim. Sie hatten einander nah sein wollen, weil sie auf der Schwelle zu etwas standen, das…

Peter atmete so lautlos wie möglich aus. Noch nie! Wirklich noch nie hatte er daran gedacht, wie es wohl sein würde, Justus und Bob gleichzeitig sexuell näher zu kommen. Er hatte zwar schon mal daran gedacht, wie es wohl mit Männern wäre, aber er war dem noch nie nachgegangen und erst recht hatte er noch nie diese beiden für eine derartige Aktivität in Betracht gezogen.

Doch nun… es hatte sich so natürlich angefühlt, so schön und irgendwie innig, dass es Peter maßlos faszinierte. Seine Hand glitt über sein Gesicht in sein Haar. Oh man! Was für ein Amok. Er musste sich dringend von dieser vollkommen unangebrachten Richtung, in die seine Gefühle und Gedanken drifteten, ablenken. Letztere waren beinahe ungefährlich im Vergleich zu Ersterem - bisher hatte er zwar die Gefühle der anderen nicht so differenziert gespürt, dass er Verlegenheit, Schüchternheit oder Geilheit (dachte Peter mit einem schmerzhaft selbstironischen Zug um den Mund) gespürt hätte. Aber er wollte kein Risiko eingehen und so stand Ablenken auf dem Programm.

Peter erhob sich von ihrem Lager und lief hinauf in ihr Schlafzimmer, das die letzte Nacht vollkommen unbenutzt verbracht hatte. Er wühlte in seinem Rucksack und zerrte seine Laufsachen hervor. Das war es, was er nun brauchte, um Abstand von dieser (leider wunderbaren, aber vollkommen unangemessenen) Nacht zu bekommen.

Er schlüpfte aus seinen Klamotten von gestern, zog sich die Sporthose und die Socken an. Er schnürte sich gründlich seine Laufschuhe und richtete sich auf, als auch schon die Badezimmertür aufging und Bob - mit herrlich frisch frisiertem Haar, sodass es sein schönes Gesicht nur noch vorteilhafter umschmeichelte - heraustrat.

Und als wäre die Tatsache, dass Peter genau das als Erstes dachte nicht schon unpassend genug, huschten Bobs Augen auf seinen nackten Oberkörper und lösten damit ein Kribbeln aus, gefolgt von einer Gänsehaut und plötzlich sehr harten Nippeln.

Er spürte eine vorsichtige Angst und zusammen mit Bobs Verhalten wusste er, dass es Scham war. Wie gerne hätte er Bob gesagt, dass sie sowas von im selben Boot saßen, doch alles, was er herausbekam, war ein leicht hysterischer Atemzug, gefolgt von einem überflüssigen „Ich geh laufen.“

Er schnappte sich sein Shirt, zog es über und rannte - ja, er rannte - die Treppe hinunter. Der Duft von Kaffee und Frühstück stieg ihm in die Nase, doch er wollte beides nicht - er wollte nur weg. Zum Glück stand sein Wasserglas von gestern noch auf dem Tisch. Zügig leerte er es und verließ so schnell und unauffällig wie möglich die Hütte.

Kaum, dass er ins Licht eines neuen Morgens getreten war, fühlte er sich besser. In seinem üblichen Tempo schlug er den Weg in den Wald ein, freute sich über das angenehme Gefühl auf Waldboden, abgetretenen Pfaden und Wiesenwegen zu laufen. Je weiter er lief, desto entspannter wurde sein Inneres.

Ja, sie hatten sinnlich gekuschelt. Ja, er hatte erstmalig darüber nachgedacht, ob ihre Freundschaft auch etwas Sexuelles erlaubte. Ja und? Peter spurtete mit einem Lächeln durch diesen Morgen. Warum auch nicht?

Er war jung, er durfte Dinge ausprobieren und wollen. Die Nacht von Bobs drohendem Tod hatte etwas verändert und auch wenn Peter noch nicht richtig begriff, was das bedeutete, war er doch bereit sich darauf einzulassen, zu erkennen, was das hieß.

Diesen Entschluss gefasst, ließ er alle Gedanken ziehen, spürte nur noch, dass er hier in diesem Moment war und wie gut ihm diese morgendliche körperliche Betätigung tat - wie sie alle Gedanken beiseite wischte und ihn glücklich machte.

Entsprechend gut gelaunt und befreit kam er nach siebzig Minuten lockerem Dauerlauf zurück zur Hütte. Justus saß davor, schnitzte so konzentriert an seinem Stück Holz, dass Peter leicht lächelte, als er zu seinen Dehnübungen ansetzte.

Dann lief er hoch ins Badezimmer. Er ging seiner Routine beim Duschen nach. Und als das Wasser so herrlich warm über seinen Körper perlte, kamen ganz von alleine Gedanken auf. Nach dem Training war er grundsätzlich etwas geiler als gewöhnlich, fühlte sich einfach gut, lebendig und stark. Seifenwasser floss über seinen Körper und Peter folgte dem sinnlichen Gefühl mit seinen Händen. Bis sie schließlich zwischen seinen Beinen ankamen. Genüsslich begann er sich zu streicheln, genoss das kribbelnder Gefühl der Erregung, das in ihm aufstieg.

Er griff zu, keuchte, weil er augenblicklich härter wurde. Seine Augen schlossen sich und in ihm stieg seine Lieblingsfantasie auf: Ein hübsches Mädchen, dessen Lippen sich um ihn schlossen und hingebungsvoll lutschten. Ja, dachte er. Das war so gut.

Justus saß draußen in der Sonne, sein Blick konzentriert auf das Stück Holz in seiner Hand gerichtet, über das er mit beinahe meditativem Rhythmus sein Messer gleiten ließ, um daraus einen Mynah zumachen.

Mit einem Mal schoss ein Gefühl in seinen Körper, dass er abrutschte und ein Keuchen seinen Lippen entkam. Peter!, dachte er entsetzt. Peter war erregt, er… „Nein“, murmelte Justus und hielt sich am Tisch vor ihm fest. „Peter“, stöhnte er. „Nicht.“

Doch der Mann unter der Dusche bekam davon nichts mit, war zu sehr absorbiert von dem, was er fühlte. Er war so geil. Das Mädchen in seiner Fantasie, das gerade vor ihm kniete, verwandelte sich. Blond gelockte Haare und blaue Augen, die ihn von unten herauf ansahen.

Peters Mund öffnete sich mit einem Keuchen, als ein geiler Schauer durch seinen Körper schoss. Bobs Lippen umschlossen ihn, saugten so kräftig, dass er noch härter wurde. Er lehnte sich nach hinten an die Fliesen und trotz der Kälte stellte er sich vor wie es Justus’ Arme waren, die ihn umschlossen und seine Brust gegen die er nun lehnte.

Bob hatte mit einem Buch auf ihrer kleinen Veranda hinter dem Haus gesessen. Der Morgen war abgesehen vom Aufwachen und dem kurzen Blick auf Peters nackten Torso unspektakulär verlaufen.

Und dann kam alles anders. Lust ergriff ihn so schlagartig, dass Bob sein Buch fallen ließ und keuchend einatmete. Er war so überrascht, dass er eine Hand in seinen Schritt gepresst hatte, bevor er begriff, dass dieses Gefühl nicht von ihm kam, sondern von- „Peter“, keuchte er, seine Augen geweitet, seine Atmung beschleunigt, während er versuchte zu begreifen, was geschah.

Peter war sicherlich vom Joggen zurück, also stand er unter der Dusche und… Bob stockte der Atem, als ihm klar wurde, was sein Freund gerade tat. Bob biss die Zähne aufeinander. Er wollte nicht, dass es ihn beeinflusste.

Und doch konnte er sich nicht dagegen wehren. Peters Leidenschaft, seine Erregung fraß sich durch seine Adern, steckte ihn in Flammen und ließ ihn ohne sein Zutun hart werden. Bob biss sich auf die Lippe. Es ging nicht mehr. Die Hand, die eh schon in seinem Schritt lag, packte zu.

Peter stöhnte auf, weil er in seiner Fantasie hinter sich Justus’ nackten Körper spürte, der eine eindeutige Sprache sprach. Eine aufragende Härte presste sich in seinen Rücken, während starke Arme ihn hielten und Bob wahre Wunder mit seinen Lippen an seiner Erektion vollführten.

Oh Gott! Er dachte an seine besten Freund und es war einfach nur geil. Peter stöhnte und kam. Seine Beine zitterten so heftig, dass er froh um die stützende Wand in seinem Rücken war. Als er langsam wieder zu Atem und zu klarem Verstand kam, öffnete sich sein Mund mit einem überraschten Stöhnen.

Er spürte… Peter riss die Augen auf. [style type=„italic"]Was? Bob war erregt. Er- Peter stöhnte zitternd auf, weil er spürte wie Bobs Lust explodierte und wahre Fontänen blauer Freude durch seinen Körper schossen. Und das in einem Ausmaß, dass es Peter erneut lustvoll zucken ließ.

Es dauerte noch etliche Atemzüge bis Peter sich in der Lage fühlte, die Dusche zu verlassen. Und während er sich abtrocknete, rasten seine Gedanken. Er war so ein Idiot! Da hatte er mit seinem Lauf die Peinlichkeit des Morgens hinter sich lassen wollen und dann passierte das.

Wider Erwarten konnten sie offenbar die Erregung des anderen spüren. Und so… Peter bekam rote Wangen, als er sich nun einkleidete, hatten Bob und Justus genau gespürt, was er unter der Dusche getan hatte.

Er selbst war so geil gewesen, dass er die Gefühle seiner Freunde nicht bemerkt hatte - zumindest vorerst, denn Bobs Lust hatte ihm die Augen geöffnet. Bobs Lust…

Peter schüttelte den Kopf vor Unglauben und gleichzeitig prickelte etwas in ihm, denn das Erlebte war so aufregend wie anregend gewesen. Dennoch überwog im Moment das unfassbar große Gefühl der Peinlichkeit. Auch wenn Bob und Justus seine Gedanken unter der Dusche nicht kannten, fühlte es sich doch so verboten ab, dass er an sie gedacht hatte.

Peter rieb sich mit dem Handtuch noch mal durchs Haar und hängte es dann auf, bevor er frisch angekleidet das Bad verließ. Wie bei allen Heiligen sollte er Justus und Bob jemals wieder unter die Augen treten?

Doch da er großen Durst hatte, wagte er es sich hinab in den Hauptraum der Hütte. Ein Blick vorne raus zeigte ihm, dass Justus immer noch bei seiner Schnitzarbeit saß. Peter drehte den Kopf zur anderen Seite, schaute nach hinten hinaus, erkannte den vertrauten Lockenkopf. Bob saß also noch auf der Veranda. Wieder Willen fluteten Gefühle der Zuneigung ihn. Peter wäre beinahe über seine eigenen Füße gestolpert, fing sich aber nicht rechtzeitig auf und öffnete dann mit Schwung den Kühlschrank.

Flaschen klirrten und schnell nahm er sich einen O-Saft und Wasser heraus, mischte es und trank in gierigen Schlucken ein ganzes Glas leer. Dann goss er sich noch eines ein, verstaute die Flaschen wieder im Kühlschrank und überlegte, wie er die bevorstehenden Stunden mit seinen beiden Freunden überstehen sollte. Schließlich wollten sie heute zurück nach Rocky Beach und das hieß, sie mussten bald packen und sich auf den Rückweg machen, da ihr Abstieg sicherlich nochmal vier bis fünf Stunden dauern würde.

Peter atmete tief durch. Vier oder fünf Stunden in dieser Peinlichkeiten würden sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Aber da es nicht zu ändern war, konnte Peter auch direkt der Wahrheit ins Gesicht sehen.

Irgendwie hatte er das Gefühl, es würde bei Justus leichter werden. Und so lief er mit seinem Glas vor die Tür, wo Justus saß und schnitzte. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er nicht wusste, wie Justus auf seine Duscheskapade reagiert hatte. Erst hatte ihn seine eigene Lust überwältigt, dann die von Bob. Und so wenig er nun daran denken wollte, er war doch neugierig, was es bei Justus ausgelöst hatte.

Er ließ sich neben ihm auf einem der Holzblöcke, die als Sitzgelegenheit dienten, nieder. „Hast du schon geplant, wann wir uns auf den Weg machen müssen?“, fragte er, da es etwas war, dass er auch unter ganz normalen Umständen gefragt hätte.

Die Gefühle, die er von Justus empfing, waren so wie meistens: Ein ruhiges Gelb, unaufgeregt, fokussiert. Es tat gut, stellte Peter fest. Justus’ Nähe erdete ihn. Der blickte nun auf seine Armbanduhr. „In etwa einer Stunde sollten wir aufbrechen, dann sind wir, Pausen mit eingerechnet, gegen Nachmittag wieder am Parkplatz.“

„Gut, ist noch was vom Frühstück übrig?“, erkundigte sich Peter. „Ja, ich habe dir die Reste in den Kühlschrank gepackt.“ Zum ersten Mal hob Justus den Blick und als er es tat, war Peter beinahe ein wenig überrascht, denn was er sah und fühlte, war klare rapsgelbe Zuneigung.

„Danke“, entkam es ihm ein wenig stockend. Er schluckte, nickte und machte kehrt. Damit hatte er nicht gerechnet. Er hatte irgendwie Vorwürfe oder gar Ekel erwartete, aber nicht schlichte Akzeptanz. Es war ein verdammt gutes Gefühl.

So deutlich erleichtert trat er zurück zur Küchenzeile, um sich am Kühlschrank zu bedienen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass dort ein Teller mit Pancakes stand. Er schnappte sich Sirup aus dem Schrank und ließ sich am Küchentisch nieder. Das würde ein großartiges Mahl werden. Schmausend machte er sich über die Portion her, hatte seine Pfannkuchen in Sirup ertränkt, so wie er es mochte.

Die Terrassentür öffnete sich und - Bob kam herein. Peter hielt unwillkürlich inne, den halb gekauten Pancake noch im Mund, denn ihre Blicke trafen sich. Wilder Strudel blauer Gischt türmten sich in seinem Innern auf, Zorn und Ärger mischen sich, und dennoch war auf Bobs Gesicht nichts zu sehen. Umständlich schluckte Peter.

„Sind das alle Reste?“ Bob deutete auf den Teller. Peter folgte seinem Blick, da er im ersten Moment nicht mal mehr wusste, was er soeben gegessen hatte. Bobs Emotionen wirbelten in ihm wie ein Sturm auf dem Meer. „Ja“, sagte er dann tonlos und reichlich verwirrt.

„Wolltest du die allein essen?“, kam es spitz und zum ersten Mal konnte Peter auch in Bobs Ton hören, dass dieser sauer war. „Ja.“ Er war viel zu abgelenkt, um zu begreifen, was er da sagte. Als Bobs Augenbrauen noch oben schossen, besann er sich. „Nein“, sprach er schnell. „Ich meine…“ Er atmete ein. „Ich dachte, du hättest schon gegessen. Just meinte, er hätte mir die Reste in den Kühlschrank gepackt. Da dachte ich“

„Du hättest Exklusivrechte“, unterbrach ihn Bob angepisst. Peter öffnete den Mund, merkte wie in ihm selbst Unfrieden aufstieg. „Es war ein Irrtum, okay. Ich teile sehr gerne meine Pancakes mit dir.“ Er schob den Teller demonstrativ in die Mitte des Tisches.

Bobs Blick glitt zu ihnen, die da mit reichlich Sirup auf dem Teller schwammen. „Du weißt, dass ich sie am liebsten pur esse.“ „Ja, oder mit Puderzucker“, gab Peter launisch zurück. „Wie gesagt, ich wusste nicht, dass du auch noch essen möchtest.“

„Wie praktisch für dich“, kam es überlaunig. Peter biss die Zähne aufeinander. „Kannst du das lassen!“ Es war keine Frage, trotzdem fragte Bob scheinheilig: „Was denn?“ „So zu sein.“ „Ich soll aufhören zu sein?“, fauchte Bob.

Peters Mund öffnete sich mit einer passenden Antwort, doch dann hielt er erstarrt inne. Aufhören zu sein. Sterben. Nein! Das hatte er erst erlebt, das durfte nicht sein… er senkte den Blick, als er spürte, wie Trauer und Verzweiflung in ihm hochstiegen. Er schob den Teller vor ihm noch weiter von sich weg, der Appetit war ihm vergangen. „Iss du“, meinte er nur geschlagen. „Ich habe keinen Hunger mehr.“

Er stand auf, wandte sich zur Tür. Er brauchte frische Luft. „Peter.“ Bobs Stimme hielt ihn zurück. Langsam wandte er sich um.

„Es…“ Blaue Augen blickten ihn reuevoll an. „Es ist schwer für mich, okay?“, sprach er leise. „Die Ausmaße unserer Verbindung…“ Er brach ab und Peter nickte. „Ich verstehe, Bob. Wirklich“, setzte er hinzu, spürte Scham, Ungewissheit und trotzdem heftige Zuneigung in sich aufsteigen.

„Es ist für uns alle ungewohnt.“ Er atmete tief durch. „Nur bitte…“ Er stockte, wusste nicht genau, wie er es sagen sollte. „Sprich nie wieder davon, dass du aufhörst zu sein. Das ertrage ich nicht.“ Tränen schossen in seine Augen und schnell wandte er sich ab, lief die Treppen hoch ins Schlafgemach. Er hatte schließlich zu packen.

???

Es war mehr als seltsam, als sie eine Stunde später alles beisammen hatten und sich vor der Hütte trafen. Ihr gemeinsamer Wanderurlaub war zu Ende. Doch noch hatten sie den Abstieg vor sich und der gestaltete sich als ebenso schön, und nicht so anstrengend wie der Hinweg zu dieser kleinen verlassenen Hütte.

Ohne es abzusprechen, mieden sie jene Lichtung zwischen den Felsen, auf der sich das ereignet hatte, was sie für den Rest ihres Lebens begleiten würde. Und Peter wollte auch nicht daran denken, denn die Tatsache, dass sie Bob beinahe verloren hatte, riss ein Stück seines Herzens heraus. Er blickte zu ihm, sah, wie er einige Meter vor ihm den Abhang zügig hinab schritt. Sein blondes Haar wippte bei jedem Schritt, leuchtete im Sonnenlicht.

Peter atmete tief durch. Er lebte. Und wenn er dieses Ritual richtig verstanden hatte, würde keiner von ihnen so schnell sterben können, da sie ihre Lebensenergie teilten und so einander immer helfen können. Es war ein tröstlicher Gedanke, der Peter über die schlimmen Erinnerungen hinweg half.

Dieser Urlaub war mit Abstand der Ungewöhnlichste seines Lebens gewesen. Eine wahre Berg- und Talfahrt der Gefühle. Und so seltsam diese neue Situation auch noch war, Peter war bereit sich ihr zu stellen. Er war neugierig und wollte wissen, was das für sie Drei bedeutete.

Und zudem… Peter lächelte leicht. Er war ebenso neugierig zu erkunden, was diese intensive Körperlichkeit zwischen ihnen zu bedeuten hatte. Er konnte sich durchaus vorstellen, Bob und Justus nochmal so zu halten wie in der letzten Nacht. Ob jemals mehr daraus werden würde, wusste er nicht, er wusste nur, dass er sich ein Leben ohne diese beiden nicht mehr vorstellen konnte. Sie waren seine Freunde und Kollegen.

Schließlich kamen sie bei dem Parkplatz an, wo Peter seinen MG geparkt hatte. Was für ein schöner Anblick! Und erst das Gefühl, wieder in seinem geliebten Wagen zu sitzen. Und zu fahren. So gerne Peter sich bewegte, er mochte es doch ebenso gerne in seinem sportlichen Wagen durch die Küstenstraßen zu brausen.

Genau das tat er nun auch auf dem Weg zurück nach Rocky Beach. Das Fenster auf seiner Seite leicht geöffnet, leise Musik, die dudelte und Peter fühlte sich wunderbar, während ihm der Wind durch die Haare glitt. Peter brauste in die Kurve, während sein linker Fuß gut gelaunt den im Takt der Musik wippte. Er hatte das Gefühl in eine neue und doch vertraute Zukunft zu fahren.

Bob neben ihm auf dem Beifahrersitz war ebenfalls mit seinen Gedanken beschäftigt. Doch gingen diese in eine anderen Richtung. Seit Stunden dachte er über das nach, was während dieses Wanderurlaubs passiert war. Es war unglaublich gewesen - im Sinne von unbegreiflich und… Bob presste die Lippen aufeinander… unangenehm.

Was nach dem Messerangriff passiert war, hatte er immer noch nicht mal ansatzweise verarbeitet. Er hätte tot sein sollen und doch lebte er. Und der Preis dafür war nun diese Verbindung.

Bob lehnte seine Stirn gegen das kühle Glas des Autos, versuchte seine aufwallenden Emotionen zurückzudrängen. Er mochte es nicht. Er fühlte sich unwohl, dass seine Gefühle ihm nun nicht mehr alleine gehörten. Er fühlte sich auf eine Art durchschaubar, die ihm ganz und gar nicht gefiel.

Zudem kamen noch jene Gefühle, die er selbst nicht spüren wollte, erst recht nicht, dass andere sie spürten. Die Fahrt in Peters MG verlief schweigend, sie alle hingen ihren Gedanken nach und Bob war froh, dass die kürzlichen Ereignisse nicht auch noch dazu geführt hatten, dass sie wussten, was der andere dachte. Es war so schon schwierig genug. Wie sollte er mit all dem nun umgehen?

Bob war ratlos, er fühlte sich machtlos. Er war in eine Situation hinein manövriert worden, die er nicht kontrollieren konnte und aus der es keinen Ausweg gab: Seine Gefühle gehörten nicht mehr nur ihm.

Zudem… Bob schloss die Augen. Die letzte Nacht… er atmete tief durch… die Nacht, in der sie einander so sanft gehalten, so intim gestreichelt hatten… noch immer kribbelte seine Haut bei dem Gedanken daran. Es war ein wunderbares Gefühl gewesen.

Er ahnte, dass ihn diese Erinnerung für den Rest seines Lebens, bei allen körperlichen Interaktionen mit anderen verfolgen würde. Er wusste, dass er nie wieder so etwas spüren würde, wenn nicht mit den beiden.

Und genau das, genau das ärgerte ihn. Er hatte keine Wahl mehr. Er war ein Gefangener.

Peters MG kam zum Stillstand und riss Bob damit aus seinen Gedanken. Er sah sich um, erkannte sein Elternhaus und öffnete die Wagentür.

„Sehen wir uns später?“, erkundigte sich Justus, als Bob das Auto verließ. Er hielt inne, seinen Rucksack über die Schulter geworfen und blickte zurück zu den beiden Insassen des Autos. Justus und Peter. Seine beiden Freunde, seine Kollegen und doch… er brauchte Zeit für sich. Er musste all das begreifen, einen klaren Kopf kriegen und verstehen, was er wollte - und was nicht.

Er atmete tief durch. Es fiel ihm wahrlich nicht leicht, das Kommende zu sagen, aber er musste es tun, wenn er seinen Verstand behalten wollte. „Ich brauche etwas Abstand“, sagte Bob dann. Er biss die Zähne zusammen, denn er spürte die Enttäuschung der beiden wie eine Flut, die ihn niederzureißen drohte. Nein, sagte er sich. Das waren nicht seine Gefühle.

Er setzte hinzu: „Ich muss verstehen, was das alles bedeutet und was ich will.“ Er blickte die beiden an. Justus nickte und er spürte sein Verständnis. Peter hingegen sah zögerlich aus, sagte aber nichts, doch Bob spürte seine leise aufflammende Angst. Er hatte recht damit, wusste Bob.

„Wir sehen uns“, sprach er und warf die Autotür zu. Und obwohl es ihm ein schlechtes Gewissen bereitete, wusste er, dass dieses Wiedersehen ferner in der Zukunft lag, als er seinen beiden Freunden glauben gemacht hatte.

???

Fortsetzung folgt…

Notes:

Ich bin sehr gespannt zu erfahren, was euch nun durch den Kopf geht.
Kommt gut in die Woche. <3

Chapter 6: Die Reichweite ihrer Gefühle

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Mein Dad hat mir angeboten mit nach Peru zu kommen. Vier Wochen in der Nähe von Lima am See Junin. Was für eine Gelegenheit. Ich halte euch auf dem Laufenden. -Bob

So unbedarft Bob dies in ihren Chat schrieb, es hingen auch weitaus schwerere Gefühle mit dran, als er es tat. Vier Wochen in Peru bevor das Studium losgehen würde, klangen genau nach dem, was er brauchte, um mit Abstand über die Ereignisse im Wald nachzudenken.

Schön zu lesen, Dritter. Viel Freude und berichte, wie es in den Anden ist. -Justus

Werde ich, Erster, sicherte Bob seinem Freund zu.

Als er neben seinem Vater im Flieger saß, stellte er mit Erleichterung fest, dass die Signatur der Gefühle seiner beiden Freunde spürbar nachließen. Es war eine Wohltat, endlich hatte er das Gefühl, wieder ein eigenständiger Mensch zu sein; auch wenn er ein sehnsüchtiges Ziehen verspürte. Aber das ignorierte er.

Ich bin gelandet. Alles gut soweit. Melde mich, sobald es Neuigkeiten gibt.

Einen halben Tag später schrieb er:
Wir sind hier den bisher unbekannten Andenvölkern auf der Spur. Das ist unglaublich spannend. - Bob
Konntest du schon den Riesenfrosch oder einen Brillenbär entdecken? -Justus
Ja. Ich schicke dir später Fotos. Du wirst es lieben, Just. -Bob

 

??? Eine Woche nach dem Ritual ???

Kollegen!!!, kam es von Peter. Wenn der drei Ausrufezeichen benutzte, musste es dringende Neuigkeiten geben.
Coach Wood hat es mir eben berichtet. Ich wurde nach New York zu einem Testspiel bei den Profis eingeladen. Basketball in New York zu spielen… ich kann es nicht glauben.
Ist ja Wahnsinn, Peter. Ich drücke alle Daumen. -Bob
Herzlichen Glückwunsch. Du wirst sie umhauen. -Justus

??? Zehn Tage n.d.R. ???
Wie war dein Spiel, Zweiter? -Justus
Es war unglaublich. Unsere Mannschaft hat gewonnen. Die Atmosphäre war der Hammer. Der Unterschied zu unserer Liga ist so krass. Aber auch fesselnd. Die Profis sind wirklich Profis.
Wie geht es jetzt weiter? -Justus
Das weiß ich in ein paar Tagen. Coach Wood deutete an, dass es vielleicht ein weiteres Spiel geben könnte. -Peter
Klingt ja super. Auch von mir herzlichen Glückwunsch. Ich hänge gerade in einem kleinen Kaff fest und warte auf den Bus, der in drei Stunden kommen soll. Die Aussicht ist super, aber die Warterei ist nervig. -Bob
Du kannst dir ja die Zeit in der örtlichen Bibliothek vertreiben. -Peter
Rate mal, wo ich gerade bin? ;) -Bob

Lächelnd legte Justus das Handy weg. Er blickte sich für einen Moment in der Zentrale um. Es war still geworden hier und er war froh, dass Blacky noch da war und ihn hin und wieder mit einem Krächzen oder einem Wort unterhielt.

Sein Blick blieb kurz an dem geschnitzten Mynah hängen. Nicht, dass er eine Erinnerung an jene Tage im Wald gebraucht hätte. Sie waren nur all zu präsent. Sie waren in seinen Körper eingraviert, denn die Gefühle seiner Freunde waren nun ein Teil seiner Selbst geworden.

Das klingelnde Telefon riss ihn mit einem Zucken aus seinen Gedanken. Er nahm ab. „Ja, Justus Jonas von den“ Er stockte nur kurz. „Drei Detektiven.“

„Justus“, sprach die dunkle Stimme. „Inspektor Cotta“, grüßte er leicht überrascht, aber auch erfreut. „Was kann ich für Sie tun?“

„Ich bräuchte eure Hilfe“, kam Cotta direkt zum Punkt. „Reicht meine?“, wollte Justus wissen. „Wie meinst du das?“, erkundigte sich Cotta irritiert und Justus konnte sich vorstellen, wie er seine Stirn runzelte. Er erklärte: „Peter ist zur Zeit in New York und Bob in Peru.“

Cotta schien amüsiert, denn mit einem kleinen Glucksen meinte er: „Oi, da hat es deine Freunde ja über den Kontinent verstreut. Aber na klar. Mit deinem Hirn nehme ich auch Vorlieb.“ Prompt sagte Justus: „Wie schön, wenn man für seinen Verstand gewollt wird.“

Cotta schien verblüfft, dann lachte er. „Kannst du in einer halben Stunde hier sein?“ „Kann ich.“

Cotta hat mich zu einem Fall hinzugezogen.
Bob, kannst du klären, welchen Zusammenhang es zwischen den folgenden Fakten gibt.
Justus tippte schnell das ein, was er wusste. Eine Stunde später hatte Justus seine Antwort, die den beiden verhalf den Fall zügig aufzuklären.

Wenig später konnte man in der Rocky Beach Today lesen: Justus Jonas vom Detektivbüro die drei ??? trug maßgeblich zur Lösung des Betrugsfalles bei. Auf die Frage an Inspektor Cotta, ob er eine Zusammenarbeit mit dem jungen Detektiv auch in naher Zukunft in Betracht zöge, sagte der: „Das wird sich zeigen.“

Und wie es sich zeigte. Justus hatte seine Unterstützung bei dem Fall genutzt, um Cotta Details über den Stand der Ermittlungen bei den Drogendealern aus den Rippen zu leiern. Das Thema mochte Peter und Bob nicht mehr interessieren, aber er würde alles daran setzen, dass diese Verbrecher hinter Schloss und Riegel landeten.

 

??? Vier Wochen n.d.R. ???

Es fühlte sich noch immer wie ein Traum an. Bob hatte seinen Artikel über das geheime Leben der Bewohner am See Junin veröffentlicht. Er kam so gut an, dass er wie kein anderer Artikel der Ausgabe gelesen wurde.
Das ist ja mal ein unglaublicher Artikel, Bob. Sogar meine Eltern haben davon gesprochen. -Peter
Danke, Peter. Das kam alles ziemlich überraschend. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass der so ein Erfolg wird. -Bob
Auch ich beglückwünsche dich. -Justus

 

??? Fünf Wochen n.d.R. ???

Ich werde das Studium nicht antreten. Ich habe von der L.A. Post ein Angebot für eine Kolumne für sechs Monate bekommen. Zudem will mich National Geographic für eine weitere Reportage engagieren. Sollte sich das wider Erwarten nicht in die richtige Richtung entwickeln, kann ich immer noch studieren gehen. -Bob
Ist ja unglaublich. Das freut mich für dich. Wo wirst du wohnen? -Peter
Ich habe jetzt eine kleine Bleibe in Miami. Von dort aus komme ich schnell nach Südamerika. Als nächstes geht es wohl nach Guatemala. - Bob
Dann sind wir jetzt beide Ostküsten-Boys. -Peter
Liegen ja nur 2000 Kilometer zwischen uns. ;) -Bob

Justus’ Hand schloss sich so feste um sein Handy, dass er die Anspannung im ganzen Unterarm spüren konnte. Alles bröckelte, brach auseinander. Sie hatten zusammen studieren wollen und nun… Bob hatte sich zurückgezogen und würde wohl nicht so bald zurückkommen. Er hatte sich für ein Leben unterwegs entschieden. Weit weg von Rocky Beach, weit weg von - Justus schluckte die aufkommenden Emotionen herunter - den drei Fragezeichen.

 

??? Sechs Wochen n.d.R. ???

Peter rief an. Das kam nicht so oft vor, war es doch praktischer sich Nachrichten zu schicken. Doch als er an diesem Nachmittag bei ihnen durch klingelte, erreichte er seine beiden Freunde.

„Kollegen“, rief er und platzte förmlich vor Freude und Stolz. „Ich habe einen Vertrag“, schrie er ihnen entgegen. „Was?“, wollte Bob voller Erstaunen wissen.

Peter frohlockte: „Die Knicks haben mir einen Vertrag angeboten.“ „Die Profi-Liga?“, hakte nun auch Justus nach. „Jaaa!“, schrie Peter seine Begeisterung heraus. Bob war baff. Justus auch. „Das ist ja großartig.“ „Herzlichen Glückwunsch, Zweiter.“

 

??? Sieben Wochen n.d.R. ???

Wo wirst du wohnen, Peter? -Justus
Ich habe ein Zimmer hier bei der Trainingsanlage. Es ist unglaublich hier. Warte, ich schicke euch gleich Bilder. -Peter

Die Bilder, die daraufhin ihre Gruppe erreichten, waren umwerfend: Der Blick aus Peters Fenster zeigte eine große grünende und sehr gepflegte Anlage. Überall wuchsen Bäume und herrlich blühende Büsche. Pfade zum Laufen schlängelten sich vorbei an Bereichen mit Trainingsgeräten. Ein Pool war am rechten Bildrand zu sehen und mehrere Basketballplätze in der Ferne. Dazu kam die strahlende Sonne New Yorks, die alles aufs wunderschönste erhellte.

Das nenn ich mal eine Aussicht. -Justus
Ja, ich kann es selbst kaum glauben. Das Zimmer ist zwar nicht groß, aber es reicht dicke zum Wohnen. Wo treibst du dich rum, Bob? -Peter

Auch der schickte ein Bild mit der Anmerkung: Meine Aussicht zur Zeit in Canilla. Sie zeigte eine trockene Straße, auf ein alter Mann in Landestracht lief und verbissen einem alten Karren nachstarrte, der ordentlich Staub aufgewirbelt hatte. Es sah gleichzeitig trostlos und lustig aus.

Während Justus ein überraschtes Du bist wirklich in Guatemala? schrieb, kam von Peter ein: Da hast du ja auch mal eine hübsche Aussicht. ;)
Haha, aber im Landesinneren ist es unglaublich. Bilder folgen. -Bob

 

??? Acht Wochen n.d.R. ???

Mein Studium beginnt. Einführungsvorlesung in Verhaltenspsychologie ist schon mal ganz spannend. -Justus
Für wen? -Peter
Witzig, Zweiter. -Justus
Wohnst du auf dem Campus? -Bob
Nein, im Moment ist kein Zimmer zu kriegen. Zudem brauchen Onkel und Tante meine Hilfe auf dem Schrottplatz. So wohne ich weiterhin zuhause. -Justus

 

??? Neun Wochen n.d.R. ???

Mit grimmiger Genugtuung las Justus die Schlagzeile in der L.A. Post: Drogendealerszene wurde ein empfindlicher Schlag verpasst - Rocky Beach Police Department maßgeblich an Ergreifung beteiligt

Endlich mal gute Nachrichten aus dem Süden unseres schönen Staates. Nachdem die Welle des Drogenschmuggels zuletzt Höchstwerte erreicht hatte, sind die Nachrichten aus dem San Diego Police Department nur alle zu erbaulich.

In enger Zusammenarbeit mit dem Police Department Rocky Beach unter der Leitung von Inspektor Cotta, konnte dem Drogenring in San Diego, der bis nach Mexiko operiert, und mit seinen Drogen (hauptsächlich Kokain) unseren schönen Staat sogar bis hoch nach Sacramento überflutet, einer der heftigsten Schläge des letzten Jahrzehnts zugefügt werden.

In einer Nacht- und Nebelaktion wurde nach monatelanger Vorbereitung ein Drogendeal auf frischer Tat beobachtet und gefilmt. Dabei waren zwei hohe Tiere des Kartells und reichlich Helfershelfer anwesend. Insgesamt wurden 21 Personen festgenommen. Bei dem Deal wurden zudem über 100 Kilogramm Kokain beschlagnahmt, was einem Wert von 77 Millionen US-Dollar entspricht. Von diesem Schlag dürfte sich der Drogenring San Diego nicht so schnell erholen.

Ein Artikel, der ironischer Weise von Bill Andrews verfasst worden war. Justus atmete tief durch. Bobs Vater. Er konnte nicht ahnen, dass diese Gangster beinahe das Leben seines Sohnes auf dem Gewissen gehabt hätten.

Es war eine Erinnerung, die Justus bis heute die Luft zum Atmen nahm. Sie hatten Bob beinahe verloren. Justus schloss die Augen, versuchte den Schmerz nicht all zu intensiv aufflammen zu lassen. Denn zu den Schmerzen von jener Nacht gesellten sich die Schmerzen von heute: Bob und Peter waren weg. Und Justus hatte keinen blassen Schimmer, ob sie jemals zurückkehren würden.

 

??? Zehn Wochen n.d.R. ???

Wie läuft das Training? -Bob
Peter antwortete: Unglaublich hart. Aber auch so toll. Unser erstes Spiel gegen die Tigers steht am Samstag an. Drückt mir die Daumen. Ich darf direkt von Anfang an auf dem Platz stehen.
Daumen sind gedrückt. -Bob

Das heiße Wasser floss über seinen Körper. Peter wollte nur noch ins Bett. Das Spiel war so viel härter gewesen als er erwartet hatte. Sie hatten alles aus sich herausgeholt und es hatte geklappt. Peter grinste in den Wasserstrahl. Mit einer unglaublichen Serie am Schluss hatten sie das Spiel noch mal zu ihren Gunsten herum gerissen und waren schließlich als Sieger vom Platz gegangen. Nachdem die erste Euphorie abgeebbt war, hatte Peter nur noch duschen wollen.

Und da stand er jetzt im Bad, das an sein kleines Zimmer angrenzte und ließ sich das heiße Wasser über den Körper rinnen. Es tat so gut. Er war wirklich in Form gewesen. Peter nahm das Stück Seife aus seiner Halterung, schäumte sich ein, erspürte seine Haut, seine Muskeln und- er hielt inne.

Seit Wochen, genauer gesagt seit knappen zweieinhalb Monaten hatte er es nicht mehr getan. Das eine Mal in der Hütte nach seiner Joggingrunde hatte ihn dahin gehend für lange Zeit die Lust genommen. Aber heute Abend, nach diesem harten Spiel, spürte er, wie dringend er es brauchte; wie sehr sein Körper, erfüllt von Hormonen, auch in diesem Bereich Erfüllung finden wollte.

Er hatte schon bemerkt, dass er die Gefühle von Justus und Bob weniger intensiv spürte, was vermutlich an der Entfernung lag. Und das wirkte sich sicherlich auch auf diesen Bereich aus. Peter seufzte ausgedehnt, als seine Finger sich kurz entschlossen um seine langsam fester werden Erektion schlossen.

Das war jetzt genau das richtige nach diesem Spiel. Peter schloss die Augen. Und obwohl er an jenes namenlose Mädchen denken wollte, das ihm früher immer so gute Dienste geleistet hatte, waren es doch zwei Männer, die sich in seinen Geist schoben, als er nun stöhnend seine Härte rieb.

Bob war so verärgert. Er hatte es irgendwie vergessen. Er hatte nicht mehr daran gedacht. Die Gefühle seiner beiden Freunde waren zu einem Hintergrundrauschen geworden, etwas, das da war, aber mit dem er leben konnte. Er war so beschäftigt gewesen, dass er selbst keinen Moment daran gedacht hatte, das wieder mal zu tun.

Und dann war da Peter, der, sicherlich aufgegeilt von dem harten Spiel, seine Hände nicht bei sich behalten konnte. Und Bob? Er stützte seinen Kopf in die Hände.

Er hatte sich wieder einmal nicht beherrschen können. Er wusste nicht, was es war. Aber zu spüren, was Peter fühlte, seine Erregung, die ihn selbst so ansprach, war unwiderstehlich für ihn.

Er verabscheute sich selbst dafür - er wollte nicht seinem besten Freund hinterher lechzen, aber er ärgerte sich auch über Peter und Justus, das sie ihn in diese Situation gebracht hatten, denn beide wussten natürlich, dass auch er Hand an sich gelegt hatte, mitgerissen worden war von der Welle der Lust, die von Peter ausgegangen war.

 

??? Drei Monate n.d.R. ???

Die New York Times titelte in ihrem Sportteil: Der neue Shooting-Star am NBA-Himmel
Erst vor Kurzem wurde Peter Shaw, (der „Zwerg“ wie er auch genannt wird, da er mit seiner Körpergröße von 1,95m eher zu den kleineren Spielern gehört) in die Mannschaft aus einem kleinen Küstenstädchen in Kalifornien berufen.

Und was für ein Glücksgriff das war. Der Zwerg sorgt für frischen Wind bei den Knicks und ist mit seiner Schnelligkeit und seiner Beweglichkeit, die eher einem Tänzer als einem Spieler der NBA entspricht, nicht nur etwas fürs Auge, sondern auch für den Punktestand des Teams. Wir sind gespannt, welche sportlichen Leistungen der junge Mann noch aus sich und seinem Team herausholt.

Habt ihr es schon gelesen? -Justus
Was denn? - Bob

Justus schickte den Link in ihre Gruppe.

Wahnsinn, Peter. Herzlichen Glückwunsch. -Bob
Aber der Artikel ist peinlich. -Peter
Ach was, du bist jetzt eben der neue Star. Super-Boy war gestern, nun hießt es Shooting-Star. -Bob
Sehr witzig. -Peter
Du bist eben ein Star, wenn auch ein keiner. ;) -Bob
Das sagt der Richtige. -Peter

 

??? Vier Monate n.d.R. ???

Was macht das Studium? -Peter
Spannend. Und besser mit den Fällen zu vereinbaren als die Schule. -Justus
Welche Fälle? -Peter
Cotta zieht mich hin und wieder zu rate. -Justus
Du wirst wohl noch Cop. -Peter
Unwahrscheinlich. -Justus
Brich Cotta nicht das Herz. -Peter

 

??? Fünf Monate n.d.R. ???

Ein Anruf von Peter verband sie. „Wo seid ihr?“, rief er gut gelaunt. „Da komme ich nach Rocky Beach und weder im Hause Andrews noch im Hause Jonas finde ich meine besten Freunde.“

„Ich bin auf Hawai“, erzählte Bob, der gerade am Strand saß und die warme Sommersonne genoss. „Auf Hawai?“, echote Peter ungläubig. „Ja, hier schau“, meinte Bob und drehte sein Handy, zeigte seinen Freunden den weißen Sandstrand, die herrlich blühenden Büsche und natürlich das Meer.

„Oh man!“, rief Peter. „Diese Wellen.“ Bob lachte und richtete die Kamera wieder auf sich. „Ja, ich dachte mir schon, dass du diesen Anblicke lieben würdest.“ Peters Lächeln war unglaublich schön. Der fragte: „Und du, Just?“

„Ich hocke in einem kleinen Motel an der Grenze zu Mexiko.“ Nun blickten sowohl Peter als auch Bob überrascht. Der Dritte Detektiv fragte: „Wie das?“

„Cotta und ich sind Verdächtigen auf der Spur.“ Peter prustete. „Du verbringst Weihnachten mit Cotta?“ Justus zuckte mit den Schultern. „Verbrechern sind Feiertage egal. Und es gibt wahrlich schlimmere Menschen mit denen ich mir Weihnachten vorstellen könnte.“

Peter verzog das Gesicht. „Aber in einem Motel mit Cotta?“ Justus meinte nur: „Ich mag ihn.“ Peter amüsierte sich. „Trotzdem schade, dass ihr nicht hier seid“, sprach er. „Wisst ihr noch letztes Jahr? Als wir mit Onkel Titus und Tante Mathilda in den Bergen waren? Und dieser Typ als Krampus mit diesen furchtbaren Glöckchen unterwegs war?“ Peter klang noch immer leicht panisch, sodass Bob und Justus lachen mussten.

„Ja, das war doch, als du dich so spektakulär von der Seilbahn abgeseilt hast“, sprach Bob schwärmerisch. Peter prustete. „Stimmt. Das war so kalt. Zum Glück konnten wir uns in unserem Zimmer wieder aufwärmen. Der Kamin war schon echt ein Pluspunkt.“ Bob und Justus summten zustimmend, schwelgten alle für einen Moment in süßen Erinnerungen an diese weihnachtliche Episode ihrer Detektei.

Als die Stille anhielt, kam noch etwas anderes dazu: Ein tiefes Gefühl von Bedauern und Nostalgie. Alle drei hielten inne. Sie blickten sich an und jeder von ihnen spürte die Traurigkeit des anderen, die sie nur all zu leicht als Sehnsucht identifizieren konnten. Sehnsucht nach den alten Zeiten, nach ihren Fällen, nach… einander.

„Ich vermisse euch“, sprach da Peter das aus, was er fühlte. „Ich auch“, gestand Justus und selbst Bob konnte sich zu einem „Ja.“ überwinden. Dann war es wieder still.

„Was hab ihr Morgen vor?“, unterbrach Peter die immer drückender werdende Stimmung. Justus schüttelte den Kopf. „Das wird sich zeigen. Je nachdem, was unsere Verdächtigen tun.“

„Ich bin bei einer Party eingeladen. Ich bin ja an kalifornische Weihnachten gewöhnt. Das wird hier sicherlich noch mal anders.“ „Mit Cocktail in der Hand am Strand?“, neckte Peter. „So in etwa“, gestand Bob. „Dann macht es gut“, meinte Peter. „Ja, du auch“, sprach Justus. Bob winkte, doch er spürte Traurigkeit. Seine eigene und die von seinen Freunden. Er presste die Lippen aufeinander, während er den Blick hob.

Das Meer lag strahlend schön vor ihm. Noch glitzerten Sonnenstrahlen in ihm. Diese Weite war atemberaubend. Ich vermisse euch. Peters Satz hallte in ihm nach. Ja, er vermisste sie auch. Er vermisste sie wie verrückt.

Aber noch immer konnte er nicht darüber hinweg sehen, was da vor fünf Monaten im Wald beim Shasta geschehen war. Er lebte nur noch, weil Justus und Peter ihn gerettet hatten und sie dabei aneinander gekettet hatte. Das Schlimme war: Er wollte sie. Er wollte sie beide. Er wollte bei ihnen sein, mit ihnen zusammen sein in welcher Form auch immer.

Aber er fühlte sich in eine Richtung gedrängt, ohne Ausweg, ohne Alternative, ohne jemals selbst diese Entscheidung getroffen zu haben. Und das konnte er nicht akzeptieren. Er rebellierte dagegen mit allem, was er hatte; wollte seine Unabhängigkeit, seine Freiheit nicht aufgeben, nur weil seine Freunde ihn an sich gefesselt hatten.

Dass er diese Freiheit ohne seine Freunde nie gehabt hätte, weil er gestorben wäre, war ihm klar, dennoch… er konnte es nicht ertragen. Und er konnte auch nicht mehr seine Abstinenz ertragen.

Seit jenem Morgen, als Peter unter der Dusche gestanden hatte, war ihm das Ausmaß dieser Verbindung klar geworden. Egal (und zwar ganz egal) was er tat, bei allem (ja, bei allem) waren Justus und Peter irgendwie dabei. Es war eine Grenzüberschreitung sondergleichen und etwas, an dem er stark zu knabbern hatte.

So war alles Sexuelle in ihm wie erstorben - solange er es kontrollieren konnte. Denn alle paar Tage, machmal auch nur alle ein bis zwei Wochen konnte er es nicht verhindern, denn dann tat Peter es. Und dem konnte er sich nicht widersetzen.

Er hasste es und doch ersehnte er es, denn es war der einzige sexuelle Ausgleich, den er sich erlaubte. Ich vermisse euch, hallte es wieder in seinem Innern. Schnaubend sah Bob auf die Wellen, während es immer dunkler wurde. Es war ein Hohn. Er vermisste sie auch. Und doch hasste er sie manchmal. Und heute war so ein Abend. Er verfluchte sie beiden für diese Verbindung. Er war so wütend, so frustriert, dass es ihm egal war.

Entschlossen stand er auf, suchte die nächste Strandbar auf, die wunderbar in der Nähe des Wassers gelegen war und betrank sich. Er vermisste die beiden, war enttäuscht von sich selbst, weil er sie vermisste und über alledem lag seine sexuelle Frustration und die Bitterkeit überhaupt in dieser Situation zu sein.

Und dann war da dieser Typ, der die Bar betrat. Surfer ohne Zweifel, groß, gut gebaut, mit tollem Haarschnitt, freundlichen Augen und einem hinreißenden Lächeln.

Das konnte er auch. Betrunken, bestens gelaunt und wild entschlossen ließ Bob all seinen Charme spielen. Und der führte ihn, wie früher auch, zu einem erfolgreichen Abschluss.

Am nächsten Morgen drehte Bob sich zur Seite. Sein Blick fiel auf einen rotbraunen Haarschopf, der auf einem weißem Kissen lag. Bob lächelte und streckte seine Hand nach Peter aus, vergrub seine Finger in dem seidigen Haar. Er rutschte näher, wollte ihm einen Kuss geben.

Und dann drang ein Geruch in seine Nase, der nicht passte. Der andere regte sich, Bob zuckte zurück und alles fiel ihm wieder ein. Blaue Augen blickten ihn an, durchaus warm und sympathisch, doch Bob wurde übel. Und das lag nicht nur am Restalkohol. Es lag daran, dass das hier nicht Peter war. Es lag daran, dass er sich wünschte, es wäre Peter gewesen. Abscheu, Selbsthass, die Auswirkungen des Alkoholkonsums und all seine Bitterkeit stiegen in ihm auf.

„Guten Morgen“, sprach der andere und wollte sich zu ihm lehnen. Fahrig stand Bob auf, ihm wurde schwindelig. „Ich hätte nichts gegen eine Wiederholung einzuwenden“, sprach er, dessen Name er vergessen hatte.

Bob schüttelte den Kopf. „Kein Interesse.“ Trotz seines Schwindels las er seine Unterhose vom Boden auf, schlüpfte hinein und torkelte zu seiner Hose. So schnell es sein Zustand zuließ, zog er sie an und streifte sich sein Shirt über. Er blickte sich um. Das hier war nicht seine Unterkunft. Offenbar war er mit dem Typen mit gegangen. Bob atmete tief durch. Das war eigentlich nicht seine Art.

Er sah in blaue Augen, die ihn musterten. „Hast du einen Freund oder war es so schlecht, dass du an einer Wiederholung nicht interessiert bist?“ Und einfach nur, weil Bob ihn zum Schweigen bringen wollte, maulte er zurück: „Beides.“

Entzürnt sah ihn sein Gegenüber an und fragte rhetorisch: „Warum sind die besten Ficks immer die größten Arschlöcher?“ Bob zuckte mit den Schultern, warf ihm ein „Das frage ich mich auch gerade.“ an den Kopf und verließ das Apartment.

Noch während er zurück in seine Unterkunft lief, wurde ihm immer übler, denn eine Wahrheit sprang ihm ins Gesicht: Er hatte sich einen Typen aufgerissen, der wie Peter aussah. Wie tief konnte man sinken? Bob schwor sich, nie wieder jemanden abzuschleppen, der Just oder Peter ähnlich sah.

Er würde sich vorerst ausschließlich auf Frauen konzentrieren. Das war außerhalb der Gefahrenzone. Doch allein der Gedanke daran, warum er von nun an Männer meiden wollte… Bob presste sich eine Hand vor den Mund. Dann übergab er sich geräuschvoll hinter den nächsten Busch.

 

??? Sieben Monate n.d.R. ???

Bob, kannst du rauskriegen, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Diebstahl von Vermeers Das Konzert und dem Einbruch bei Sotheby’s vor drei Jahren gibt? -Justus
Doch er erhielt keine Antwort.

Als sich auch nach einem halben Tag nichts getan hatte, recherchierte Justus selbst. Und obwohl er die Antworten, die er suchte, schließlich fand, und den Fall mit Cotta aufklärte, schwebte doch über allem die Gewissheit, dass sich etwas verändert hatte.

 

??? Elf Monate n.d.R. ???

Justus hatte Bob endlich mal wieder telefonisch erwischt. „Wo bist du?“, fragte er seinen Freund, bei dem die Telefonverbindung alles andere als gut war. Entsprechend war auch das Bild von seinem Freund sehr pixelig und von wechselnder Qualität. „In Chile.“ Justus entwich ein erstaunter Laut.

Ein wenig ungeduldig erkundigte sich Bob: „Was gibt es denn? Ich habe in wenigen Minuten ein Interview.“ „Hast du mal aufs Datum geguckt?“, wollte Justus da wissen.

„Oh“, sprach Bob dann. Justus lachte. „Ich dachte mir, wir sollten unserem Zweiten vielleicht gemeinsam gratulieren.“ „Puh“, entwich es Bob. „Danke dir, Just. Ich hätte das echt verschwitzt.“ „Wofür mein Gehirn doch alles gut ist“, spottete Justus selbstironisch, aber die Welle der Traurigkeit empfing Bob selbst über die Entfernung von zig Kilometern.

Sie klingelten Peter an. Es dauerte ungewöhnlich lange bis er abnahm. „Der feiert wahrscheinlich“, meinte Bob, schließlich spürte er Freude von Peter.

Dann ging er ran. „Hey zusammen“, sprach er und fuhr sich durchs Haar. Verlegenheit. Alle konnten es sehen und spüren. „Alles Gute zum Geburtstag“, rief Justus, der sich von den Gefühlen nicht ablenken ließ, schließlich hatten sie sich einst versprochen nie die Gefühle eines anderen zu benennen. „Wie geht es dir denn, Geburtstagskind?“

Peter sah etwas peinlich berührt aus. Stockend äußerte er: „Das passt gerade nicht so gut.“ „Liegst du irgendwo betrunken herum?“, fragte Bob zwinkernd. „Ich bin zweiundzwanzig geworden, nicht einundzwanzig“, meinte Peter einen Hauch beleidigt. „Ein Grund mehr zu trinken“, rief Bob lachend.

„Pete, kommst du zurück?“, rief da eine Frauenstimme gut hörbar von irgendwo her. Nun wurde Peters Verlegenheit so deutlich wie seine grünen Augen, die groß in die Kamera guckten. „Mit wem telefonierst du denn?“, fragte erneut die Stimme. Peter stockte. Dann war da eine schöne blonde Frau zu sehen, die sich ins Sichtfeld schob und eng neben Peter Platz nahm. „Das ist Sally“, sprach Peter schließlich. „Hi!“, grüßte die winkend in die Kamera.

„Sally?“, echote Bob. „Ja, meine Freundin“, erklärte Peter. „Aha.“ Peter beeilte sich zu sagen: „Danke für euren Anruf, Kollegen. Ich melde mich später wieder.“ Bob legte auf, bevor es Peter tat. Er war so wütend. Peter hatte sich also eine Freundin geangelt.

Eifersucht und Wut wirbelten in ihm, mischten sich zu einem giftigen Cocktail, der ihm die Speiseröhre hinauf stieg wie bittere Galle.

Es war wie eine innere Kriegserklärung für Bob. Jedesmal, wenn er spürte, dass Peter und Sally zugange waren, riss er auch jemanden auf; zahlte es Peter mit gleicher Münze heim. Um Typen machte er jedoch einen großen Bogen.

??? Dreizehn Monate n.d.R. ???

Die Rocky Beach Today hatte eine interessante Meldung gebracht: Justus Jonas zum offiziellen Berater des Rocky Beach Police Departments ernannt.

Nachdem er bereits monatelang immer wieder maßgeblich zum Erfolg des Departments beitragen hat, wurde es nun offiziell, was viele schon munkelten. Justus Jonas, auch bekannt als Mitglied der Detektei die drei ??? ist nun zum offiziellen Berater ernannt worden. Uns freut es, wird doch so die Aufklärungsquote sicherlich noch besser werden.

Wann wolltest du uns das sagen? -Bob
Ist ja Wahnsinn, Just! Hat Cotta dem wirklich zugestimmt? -Peter
Haha
, kam es zurück. Dann führte ihr Erster etwas genauer aus: Ja, es ist ganz offiziell. Und denkbar harmlos. Ich helfe so mit wie bisher auch. Nur gehen einige praktische Rechte mit diesem Titel ein.
Darfst du Cottas Officers herumkommandieren? -Peter
Auch. -Justus
Das kann ich mir lebhaft vorstellen. - Peter
Dir alles Gute für die Meisterschaften! -Justus
Danke. Das wird eine harte Zeit. Aber das Team ist bestens in Form. -Peter
Bestimmt schade für deine Freundin, wenn sie dann so wenig von dir hat. -Bob
Sally ist nicht mehr meine Freundin. Es hat nicht geklappt zwischen uns. -Peter

Darauf wusste Bob auch nichts zu antworten. Er kam sich mit einem Mal kindisch und dumm vor.

 

??? Achtzehn Monate n.d.R. ???

Bob hatte sich Peters Trainingsplan besorgt. So wusste er, wann welche Spiele anstanden. Und das hatte er nur aus einem Grund getan: Er wollte wissen, wann die Möglichkeit einer „gemeinsamen“ Aktivität bestand. Es war beschämend, es war töricht, es war falsch. Und doch war es sein geheimes Vergnügen, sein guilty pleasure, das sowohl guilty als auch pleasure war. Das einzige Mal, wo er es sich erlaubte den Gefühlen, die seit jener Nacht im Wald sein Leben beherrschten, nachzugeben.

Er hasste sich dafür. Und dennoch konnte er nicht widerstehen. Und da sein Geburtstag anstand, hatte er sich selbst ein Geschenk gemacht. Das Paket war erst vor wenigen Tagen angekommen, sein ganz persönliches Geburtstagsgeschenk. Er hoffte, dass Peter es heute tat. Die Chancen standen gut, spielte er doch heute gegen die Boston Celtics, ein wirklich harter Brocken, wenn Bob den Vorberichten zu dem Spiel trauen konnte.

So war er den ganzen Tag aufgeregter als üblich gewesen. Die Geburtstagsgrüße trudelten per Nachrichten; schließlich wussten alle, die ihm gratulieren wollten, dass er die schriftliche Form der mündlichen vorzog.

Als der Abend kam, wartete er geduldig, vorfreudig mit einem Glas Sekt in der Hand in seiner Unterkunft, die im malerischen Yucatan gelegen war. Er spürte, wie anstrengend das Spiel war, er spürte Frustration, Ärger, aber auch überschäumende Freude. Und als diese schließlich anhielt, wusste er, ohne es nachzulesen, dass Peters Team gewonnen hatte.

So hoffte er heimlich, dass Peter ihm dieses Geschenk machen würde, denn er wollte sich etwas gönnen. Peter enttäuschte ihn nicht. Eine Stunde nach dem Spiel spürte er das inzwischen vollkommen vertraute Gefühl der wachsenden Lust.

Oh ja!, dachte Bob nur und machte es sich in seinem Bett bequem. Er spürte die erwachende Erregung seines Freundes, die wie eh und je auch auf ihn überging. Mit geschlossenen Augen lag Bob da, spürte tief in sich hinein, wollte jede Winzigkeit miterleben und sich mitreißen lassen von den lustvollen Gefühlen, die da in seinem Innern parallel zu Peters erwachten.

Seine Hände glitten über seinen Körper, streichelten sich und doch kannten sie nur ein Ziel. Leises Stöhnen erfüllte den leeren, dunklen Raum, als Bob sich nun selbst umgriff und berührte. Immer schneller wurden seine Bewegungen, seine Atmung keuchender. Er wollte kommen - mit Peter.

Aber der… Bob biss sich auf seine Lippe. Warum musste er sich Zeit lassen? So viel Zeit, wo Bob doch endlich… kurzzeitig ließ Bob von sich ab, denn ihm war eingefallen, was da ganz neu in seinem Nachttisch auf ihn wartete.

Als er den Dildo das erste Mal gesehen hatte, hatte er sich noch gefragt, wie er das in sich kriegen sollte, doch jetzt erschien es ihm umso lustvoller genau das zu versuchen. Bob bereitete sich gründlich vor, dehnte sich und derweil war da immer Peter, überall Peter.

Es war nur eine Frage der Zeit. Das, was er sich zum Geburtstag gewünscht hatte. Und als seine Erregung kaum noch im Zaum zu halten war, schob er ihn in sich, langsam und tief, dachte dabei an Peter, der die Stelle des künstlichen Phallus einnahm.

Es war geiler als alles, was er zuvor gemacht hatte. Aber es war nicht genug. Bob schob sich den zweiten Dildo, den er gekauft hatte, in seinen Mund, stellte sich vor, es wäre Justus. So voll trieb er sich seinem Höhepunkt immer weiter entgegen, konnte nicht mehr zurück, wollte es auch nicht.

Hier und heute würde er sich einfach mal das gönnen, was er so sehr wollte. Und wie er es wollte. Er war so kurz davor. Aber er würde warten. Wenn Peter es aushielt, dann würde er es auch können.

Justus lag seitlich im Bett, sein Oberkörper war nackt und sein Unterkörper mit einer luftigen Pyjamahose bekleidet. Zwischen seinen Beinen klemmte ein Kissen, während er hoffte, es würde bald enden.

Doch das tat es nicht. Weder bei Peter noch bei Bob.

Sie ließen sich Zeit, beide, schienen sich gegenseitig anzustacheln, hochzuschaukeln und doch zurückzuhalten. Justus atmete mit geöffnetem Mund heftig in sein Kissen, das sein Keuchen zum Glück verschluckte. Wieso hatte er nicht auf den Plan geschaut?

Normalerweise vermied er diese Abende. Er hatte sich Peters Trainingsplan besorgt und wusste, wann die Gefahr bestand, es käme zu einer derartigen Situation. Er ging dann immer früh schlafen, manchmal nahm sogar eine Schlaftablette.

Doch heute hatte er es vergessen. Der aktuelle Fall hatte ihn und Cotta lange beschäftigt und als er vor einer halben Stunde nach Hause gekommen war, hatte er nur noch was essen uns ins Bett fallen wollen. Da hatte ihn die plötzliche Aktivität der beiden vollkommen überfahren.

Und nun lag er hier, heftig erregt, die Augen geschlossen haltend und betend, es möge enden. Doch das tat es nicht. Es wurde immer mehr, immer leidenschaftlicher, immer intensiver. Justus konnte sich nicht dagegen wehren. Nicht heute. Nicht jetzt. Er wollte sich auch nicht mehr dagegen wehren. Einmal wollte er dem nachgeben, wonach es ihn seit so vielen Jahren verlangte. Einmal nur.

Er tat es, bewegte leicht seine Hüften gegen das Kissen. Es dauerte nicht lange. Gemeinsam mit den beiden erlebte auch er das alles erschütternde Gefühl der sexuellen Befriedigung.

Doch es war nur von kurzer Dauer. Denn noch während seine Freunde in den Nachwehen ihrer Orgasmen schwelgten, schlugen bei Justus die alles vernichtenden Schuldgefühle zu.

Er hatte sich nicht beherrscht, er war seinen Trieben gefolgt. Er versuchte sich zu beruhigen, doch fühlte er sich so schlecht wie nie zuvor.

Denn das Problem ging viel tiefer: Während seine Kollegen woanders (und in Bobs Fall auch häufig mit wem anders) Erfüllung fanden, wollte Justus nur Peter und Bob.

Er begehrte sie nicht nur, er liebte sie aus tiefstem Herzen.

???

Fortsetzung folgt…

Notes:

Ich bin so unfassbar gespannt, was ihr zu dem Kapitel sagt.
Schreibt mit eure Gedanken.

Chapter 7: Fluch und Segen der Zeit

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

??? Drei Jahre nach dem Ritual ???

Mit einem tiefem Atemzug griff Justus zum Handy.
Da es keinen schönen Weg gibt, das zu schreiben, tue ich es ohne Umschweife: Samuel Reynolds ist gestorben. Er wird am Samstag um 14 Uhr beerdigt.

Peter starrte fassungslos auf diese Nachricht. Reynolds war tot? Irgendwie fühlte sich das nicht real an. Konnte das real sein? Ihr alter Freund und Wegbegleiter war einfach immer da gewesen. Peter hatte (irrationaler Weise) nie angenommen, dass dieser irgendwann mal weg sein würde. Tief durchatmend tippte er seine Antwort:
Ich werde Freitag anreisen. Kann ich bei dir übernachten?

Seine Eltern waren immer wieder für längere Zeit im Jahr in Houston, um näher bei Peters Großeltern väterlicherseits zu sein, die inzwischen pflegebedürftig waren. Und allein in seinem Elternhaus wollte Peter nun wirklich nicht sein. Erst recht nicht, wo der Anlass so traurig war. Er war noch nie gerne allein gewesen.

Selbstverständlich, Zweiter. Das gilt natürlich auch für dich, Bob. Wir haben genug Platz für euch beide. -Justus Und nach einigen Minuten folgte noch: Es wäre schön, euch hier zu haben.

Bobs Gefühl der Trauer saß tief. Samuel Reynolds war tot. Bob konnte es nicht glauben. Der Mann hatte ihm viel bedeutet, war ein Teil seiner Kindheit und Jugend gewesen. Und nun war er tot. Bob sah wieder auf sein Handy. Es wäre schön, euch hier zu haben.

Zu der Trauer in seinem Innern gesellte sich Verbitterung. Wollte er das? Wollte er bei Justus unterkommen, wohlwissend, dass er damit seinen beiden Freunden so nahe kommen würde wie seit drei Jahren nicht mehr?

Es dauerte bis Bob sich zu einer Antwort durchringen konnte. Aber er schluckte den alten Schmerz herunter, hier ging es um Kommissar Reynolds. Und es ging um seine alten Freunde. Denn bei aller Verbitterung wusste er doch ebenso gut, dass er sie sehen wollte. Und nun war die Gelegenheit da. Ich werde auch Freitag da sein. Mit Übernachtung. -Bob

???

Bob stieg aus dem Taxi, das ihn zum Schrottplatz gebracht hatte. Trauer, Aufregung und Vorfreude wirbelten gleichermaßen in ihm. Je näher er Rocky Beach und schlussendlich dem Schrottplatz gekommen war, desto wohler fühlte er sich; desto mehr wollte er endlich wieder jene beiden Menschen sehen, die ihm so viel bedeuteten.

Bob war gerade ausgestiegen und hatte bezahlt. In der flirrenden Hitze dieses Nachmittages betrat er das Gelände der Firma Titus Jonas und die Nostalgie, die ihn dabei überfiel, war so viel stärker als angenommen. Zumal Justus in diesem Moment auf dem Haus kam. Und - als hätte das Schicksal es geplant - kam Peter von der anderen Seite dazu.

Alle Drei hielten inne, blickten sich an und Bob spürte vor allem eines: Freude. Vielleicht lag es an dem Lächeln, das sich auf Peters Gesicht ausbreitete - und obwohl er älter, erwachsener und muskulöser aussah - war es dieses Lächeln, das Bob augenblicklich in der Zeit zurückwarf: Er war zuhause.

Lächelnd, voller Erleichterung ließ Bob seine Tasche fallen und rannte auf Justus zu. Peter tat es ihm gleich und wenig später hielt er die beiden Menschen, die ihm am allermeisten bedeuteten, wieder im Arm.

Wie hatte er es jemals ausgehalten, sich so lange von ihnen zu trennen? Freude, Erleichterung und Schmerz, sein eigener und der seiner Freunde mischten sich, wurden zu einem undurchdringlichen Konglomerat der Emotionen.

Es überraschte Bob so sehr, die Intensität all jener Gefühle und darüber stehend die all umfassende Erleichterung endlich wieder hier zu sein - bei Justus und Peter zu sein - dass es Tränen in ihm aufstiegen ließ. Sie lösten sich voneinander, in allen drei Augenpaaren konnten sie die Spuren ihrer Gefühle erkennen.

„Es tut so gut euch zu sehen“, sagte da Peter und Bob lächelte. Justus nickte. Bob konnte sich gar nicht sattsehen an seinen Freunden. Peters Haare waren etwas länger, sein Körper muskulöser; Justus hatte auch etwas längeres Haar, doch waren seine Gesichtszüge kantiger; er war immer noch korpulent, aber er wirkte viel älter, männlicher, eher stark als dick.

Doch seine Augen waren noch immer die dieselben, als sie ihm nun sanft entgegenblickten. „Kommt rein, ich habe euch das Gästezimmer vorbereitet.“

Peter grunzte und neckte: „Es gab mal Zeiten, wo wir in ein Bett gepasst haben.“ Justus blickte ihn unbeeindruckt an. „Würden wir vielleicht auch noch, wenn du nicht zu so einem Schrank geworden wärst.“ „Also bitte, wer von uns sieht denn so aus als würde er Krafttraining machen?“, neckte Peter.

Justus erwiderte völlig unbeeindruckt: „Es hat eben Vorteile Berater des Rocky Beach Police Departments zu sein. Die haben einen sehr guten Fitnessbereich.“ „Du trainierst wirklich?“, fragte Peter überrascht und ließ seinen Blick an Justus’ Körper auf- und abgleiten.

„Warum überrascht dich das so?“, kam es eingeschnappt. Bob spürte, dass die beiden sich in die Haare kriegen würde und rief ohne nachzudenken: „Kollegen, beruhigt euch mal wieder. Wir sind schließlich nicht hier, um zu streiten.“

Sie blickten zu ihm, Bob spürte ihre Ergriffenheit, als Peter nur meinte: „Was tut das gut, das du uns noch so nennst.“ Bob lächelte unwillkürlich. Er spürte etwas, das er verdammt lange nicht erlebt hatte: Heimat, Zuhause, Verbundenheit und die Gewissheit am richtigen Ort zu sein.

„Peter! Bob!“ Die kräftige Stimme von Tante Mathilda drang zu ihnen und überrascht wandten sie sich ihr zu. Bob war ehrlich gesagt ein wenig erschrocken. Was war in den letzten drei Jahren geschehen? Tante Mathilda sah deutlich älter aus als Bob sie in Erinnerung hatte. Doch ihr Lächeln war noch dasselbe und ihre mütterliche Freude so ansteckend wie eh und je.

„Lasst euch ansehen!“, rief sie und trat auf die beiden zu. „Das gibt es doch nicht“, sprach sie und drückte erst Peter an sich. „Wie viel sportlicher willst du denn noch werden? Ich staune ja schon immer, wenn Justus deine Spiele guckt, aber live bist du ja noch imposanter.“

Peter drehte sich in der Umarmung zu Justus, blickte ihn mit einem neckischen Blick an. „Du guckst Basketball?“, frohlockte er ungläubig. „Ach was, nur deine Spiele“, rief Mathilda und auch ohne die Gefühle von Justus zu spüren, sahen sie, dass ihr Erster verlegen war.

„Was für Arme“, rief Mathilda und lenkte die Augen aller auf Peters Extremitäten - und was für Extremitäten das waren. Mathilda hatte recht, Peters Arme, überhaupt sein Körper, waren beeindruckend, überaus ansehnlich. Bob atmete rief durch, schob das ganz tief in ihm aufkeimende Begehren beim ersten Anzeichen in die hinterste Ecke. Peter war eben attraktiv.

Dann wandte sich Mathilda ihm zu und verdrängte dankenswerterweise jegliche Gedanken an Peters Physiognomie. „Und du, Mister Journalist“, rief sie stolz als wäre Bob ihr Sohn - und vielleicht war das irgendwie auch.

„Da schreibst du einen großartigen Artikel nach dem anderen.“ Sie schloss ihn in ihre Arme. „Wir sind so stolz auf dich. Ich leihe mir immer wieder gerne das Album von Justus, um alle deine glorreichen Worte noch mal lesen zu können.“ „Album?“, fragte Bob verdattert. „Na das Album, in das er jeden deiner Artikel klebt; sogar die kleine Kolumne, die du“ „Tante“, zischte da Justus. „Das ist nicht wichtig.“

Bob löste sich grinsend von Mathilda. „Also, ich finde das schon wichtig. Wer hätte gedacht, dass mein größter Fan in Rocky Beach sitzt?“ Justus verzog verkniffen das Gesicht, was Bob amüsierte, jedoch nicht zu dem Gefühl der Traurigkeit passten, das er empfing.

„Kommt doch direkt mit in die Küche. Dann können wir was essen und zum Nachtisch gibt es Kirschkuchen. Den habe ich heute frisch gebacken.“

„Tante“, sprach Justus. „Die beiden wollen sicherlich erst ankommen und auspacken.“ „Ach was, die beiden haben eine lange Reise hinter sich, auspacken können sie auch später. Aber noch warmen Kirschkuchen als Nachtisch gibt es nur jetzt.“

„Also mich hast du überzeugt“, rief Peter breit strahlend. Bob nickte enthusiastisch und Justus gab sich geschlagen. Während Mathilda sich bei Peter einhakte und meinte: „Bei deinem Kalorienverbrauch kannst du wahrscheinlich den Kuchen allein verdrücken.“ Sie hörten Peter lachen. „Schon, aber ich brauche vor allem Eiweiß.“

Bob schloss sich Justus an, der hinter seiner Tante herlief. „Wie die Zeiten sich ändern“, meinte er zu ihm geneigt. Fragend blickte Justus ihn an. Grinsend sprach Bob: „Dass du mal einen Kirschkuchen zugunsten von Auspacken stehen lässt.“ Ein kleines Schmunzeln glitt über Justus’ Gesicht. „Manche Dinge ändern sich eben.“ „Ich hoffe nicht zu viele“, sprach Bob freimütig und war kurz darauf verwirrt weil er ein seltsames Gefühl erspürte: Trauer gemischt mit Sehnsucht. Beinahe so etwas wie Nostalgie. Bob verstand es nicht.

Sie traten in die Küche ein und der Geruch, der ihm dadurch in die Nase strömte, löste nicht nur ein Gefühl von Déja-vu aus, sondern verstärkte den Eindruck endlich wieder zuhause zu sein.

Mathilda holte in Windeseile einen Sack Kartoffeln aus der Kammer neben der Küche, streckte sich nach einer Schüssel im Schrank und griff zum Messer. Auch wenn sie Bob deutlich älter erschien, hatte sie dich nichts von ihrer Geschäftigkeit eingebüßt.

Während Justus den Tisch deckte und Bob ihm half, versorgte Peter sie mit Getränken. Sie machten das in einer so selbstverständlichen Art, dass es Bob deutlicher als alle Worte es gekonnt hätten zu verstehen gab, wie vertraut sie wirklich miteinander waren. Da waren drei Jahre ins Land gezogen und doch, hier in der Küche der Familie Jonas, offenbarte sich innerhalb weniger Minuten, dass die Zeit zwischen ihnen dreien stehen geblieben war.

„Nun erzählt doch mal“, rief Mathilda, die gerade Rührei anrührte und parallel bereits Bratkartoffeln in der Pfanne briet (wann hatte sie die denn geschält?, fragte sich Bob verwundert). „Wie geht es euch in der weiten Welt?“

Peter und Bob, die beiden Angesprochenen, blickten sich an. Da Bob zögerte, übernahm Peter das Reden. Schon wieder etwas, das vollkommen natürlich wirkte. „New York ist unglaublich. So ganz anders als hier. Kälter und auch irgendwie schnelllebiger. Aber auch voller Leben und Impulsivität. Ich habe mir ein kleines Apartment in der Nähe des Trainingsgeländes gemietet. Mir war nicht so danach direkt in der Stadt zu wohnen und kaufen wollte ich da auch nichts. Die Preise sind astronomisch.“

„Du dürfest doch ganz gut verdienen“, rief Mathilda. „Tante“, zischte Justus peinlich berührt, doch Peter lachte nur und winkte ab. „Das ist schon richtig, aber ich habe immer recht sparsam gelebt. Und ich möchte, dass irgendwann noch was für meine Eltern übrig ist. Die werden auch nicht jünger.“

Mathilda wandte sich ihm von Herd zu, lächelte ihn mit lieben Blick an. „Du bist ein lieber Junge, Peter.“ Der kicherte. „Lieb vielleicht, aber ein Junge sicherlich nicht mehr.“

„Uiuiui“, meinte Mathilda während sie sich nun wieder dem Herd zuwandte. „Heißt das, dass du dir eine nette Freundin geangelt hast und sie bald heiraten willst? In den Klatschspalten kann man eurer Team ja immer mal wieder mit diversen jungen Frauen sehen. Wobei die für meinen Geschmack ja immer zu dünn und zu unnatürlich aussehen.“

Die Stimmung in der kleinen Küche hatte sich spürbar für die drei ehemaligen Detektive verändert, lediglich Tante Mathilda war von diesem Wetterumschwung unbehelligt geblieben.

Peter entwich ein verlegenes Lachen, während er zu Boden sah. „Nein, da hat sich nie was Längeres ergeben“. Sally war so sportlich wie er, attraktiv, lebensfroh und wirklich ein lieber Mensch gewesen. Trotzdem hatte es nicht länger als zweieinhalb Monate gehalten. Und auch wenn der Sex gut gewesen war, Peter hatte doch (wie früher bei Kelly) seinen Fokus auf etwas anderes gelegt: Sport und seinen Austausch mit Justus und Bob - wobei der mit Letzterem immer seltener geworden war.

Er hatte auch noch mal zwei One-Night-Stands gehabt; beides sexuell befriedigende Erfahrungen, aber für seine Gefühlswelt ein einziges Chaos. Es gefiel ihm nicht nur kurzzeitig mit jemandem und dann auch rein sexuell zusammen zu sein. Ihm fehlte dabei etwas. Ihm fehlten… Peter hob schlagartig den Blick und räusperte sich.

Bob spürte einen Hauch Furcht, aber vor allem Anspannung. Er runzelte die Stirn. „Ist wahrscheinlich auch besser so“, meinte Mathilda, während sie mit einem Zischen das fertig angerührte Rührei in die Pfanne gleiten ließ. „Derartige Aktivitäten lenken nur ab.“ Sprach Justus’ Tante gerade wirklich von Sex? Bob wusste nicht, ob er lachen sollte oder nicht.

Das aufkeimende Lachen wurde ganz schnell erstickt, als Matilda sich umdrehte und meinte: „Und bei dir, Bob? Sind da Liebschaften von denen du uns berichten möchtest? Du kommst ja viel herum.“ Bob wuschelte sich durchs Haar. Drei von vier Personen und diesem Raum wussten genau, wie oft er Sex hatte. Es waren seit ihrer Trennung von vor über drei Jahren, sicherlich knapp zwanzig Personen gewesen. Hin und wieder musste er einfach Dampf ablassen.

Er räusperte sich. „Keine erwähnenswerten“, sprach er stattdessen. Mathilda nickte. „Ja, das ist heutzutage wohl anders. Ich lernte Titus mit neunzehn kennen. Seine Familie war neu dazu gezogen und bei einem Tanzfest trafen wir uns.“ Sie kicherte in einer Art, wie Bob es noch nie gehört hatte. „Ich war sofort angetan von diesem schmalen Jungen mit den zwei linken Füßen und dem süßen Lächeln.“ Sie seufzte nostalgisch.

„Es war Liebe auf den ersten Blick, als ich zu ihm hin bin und ihn bat mit mir zu tanzen. Auch wenn mir danach die Füße wehtaten, weil er so oft auf sie getreten ist.“ Sie lächelte versonnen. Ein leicht angebrannter Geruch stieg ihnen allen in die Nase. „Ach herrje, die Bratkartoffeln.“ Fluchend wandte sich Mathilda um, rührte, es zischte und die drei Fragezeichen blickten sich grinsend an.

Doch dann wich es, da trat beinahe so etwas wie Trauer an die Stelle der kurz aufflackernden Freude. Dachten die anderen gerade auch an die Zeit, als sie neunzehn Jahre alt gewesen waren? Immer zusammen, immer mit Fällen beschäftigt, vorfreudig, wann endlich die Schule vorbei sein würde und sie zusammen studieren gehen konnten.

Doch Mathilda bemerkte nichts. „Ist denn wenigstens dein Job ausfüllend, wenn es dein Liebesleben nicht ist?“, fragte Mathilda dann und riss sie alle aus dem Moment. Diese Frage war an Bob gestellt worden. Der nickte eifrig. „Ja, ich schätze es, frei zu sein und von Auftrag zu Auftrag zu arbeiten. Das führt mich immer wieder an neue Orte und zu interessanten Stories.“

„Und wird ebenfalls gut bezahlt.“ „Tante“, murrte Justus, doch klang es bei weitem nicht mehr so scharf wie noch zuvor. Auch Justus wusste, wann er auf verlorenem Posten stand. Bob lächelte jedoch nur und meinte selbstbewusst: „Gute Arbeit hat eben ihren Preis.“

Mathilda nickte geschäftig, als sie nun auch noch Bratwürste in die Pfanne tat und das Rührei wendete. „Das mag auf einige Jobs zutreffen“, sagte sie dann. „Aber die Arbeit, die Justus macht, ist ebenfalls gut. Aber er arbeitet immer nur pro bono.“ Sie seufzte lautstark als würde sie es nicht ganz verstehen.

„Ich würde ihn ja gerne rügen“, setzte sie hinzu, doch dann drehte sie sich zu ihnen um. „Aber wer kann schon an einem Menschen mit so gutem Herzen etwas auszusetzen haben?“, fragte sie rhetorisch und blickte Justus voller Wärme an. „Tante…“ Dieses Mal klang das Wort deutlich anders. Es war leise, gesprochen voller Rührung und Zuneigung.

Es zischte hinter ihr. „Ach herrje“, rief sie und wirbelte herum. „Man sollte nicht so viel reden beim Kochen“, sprach sie zu sich selbst, was die drei Fragezeichen schmunzeln ließ. Dann wurde auch schon der Tisch mit diversen Pfannen beladen. „Setzt euch doch“, bot sie an und die drei nahmen Platz.

„Kommt Onkel Titus noch dazu?“, wollte Peter wissen. Mathilda winkte ab. „Haut ruhig rein, der ist noch mit seinem Pickup unterwegs und hat sich bestimmt wieder irgendwo festgequatscht. Wenn der Mann nur nicht immer so viel reden würde.“ Sie schüttelte den Kopf. „Dann würde er auch pünktlich zum Essen kommen.“ Peter, Bob und Justus schmunzelten sich an, als sie nun schweigend ihr Mahl begannen.

„Super!“, murmelte Peter mit vollem Mund, der reinhaute als hätte er Tage nichts gegessen. Selbst Justus schien ein wenig überrascht von den Mengen zu sein, die ihr Zweiter verdrückte. Bob hingegen aß kaum etwas. Die ganze Situation, so schön es auch war wieder hier zu sein, schlug ihm auf den Magen.

Schließlich waren sie fertig und bevor einer der drei auch nur einen Finger krümmen konnte, war Mathilda bereits aufgesprungen, um abzuräumen. Dann stand er vor ihnen, der herrliche Kirschkuchen, der einen wunderbaren Duft verbreitete. Als Bob schließlich ein Stück auf dem Teller hatte, wurde ihm klar, dass er doch Hunger hatte.

Der Kuchen war so köstlich wie er ihn in Erinnerung hatte. Wieder breitete sich schweigendes Schmausen zwischen den Beteiligten aus. Bob spürte, dass es Peter und Justus gut ging. Die Trauer, die in einigen Momente deutlicher gewesen war, war nun gewichen, zurück blieb Ruhe und die Freude über den leckeren Kuchen, die auch Bob teilte.

Mathilda hatte sich bereits wieder erhoben, als Peter sich leicht zu ihnen beugte. „Gibt es unsere Zentrale noch?“, fragte er mit gesenkter Stimme, als Mathilda gerade abspülte. „Selbstverständlich“, sprach Justus, tatsächlich ein wenig pikiert, als wäre es eine Beleidigung überhaupt gefragt zu haben.

„Können wir hin?“, fragte Peter begeistert. „Natürlich, es ist weiterhin unsere Zentrale. Ihr müsst nicht fragen, wenn ihr sie aufsuchen wollt.“ „Na dann los“, rief Peter voller Tatendrang. Bob spürte Peters Vorfreude und auch er selbst war bei der Aussicht darauf durchaus neugierig, aber die Gefühle, die er von Justus empfing, waren da schwieriger zu verstehen. Es hatte beinahe etwas Lauerndes, Abwartendes…

Trotzdem sah er aus wie immer, als sie nun durch das Kalte Tor krochen und dann an jenem Ort waren, der seine Jugend so sehr definiert hatte wie kein anderer. Die Freude, die ihn erfüllte, war so stark wie Bob es nie erwartet hätte. Sogar der Geruch stimmte noch. Das war sein Zuhause.

„Als wäre die Zeit stehen geblieben“, rief Peter begeistert. Er lachte, als er sich umblickte. „Da liegen ja sogar noch meine alten Surfzeitschriften“, rief er strahlend und schnappte sich ein Heft. So schön Bob es auch fand, sein Fokus lag auf etwas anderem: Justus. Der sah Peter mit versteinerter Mine an, doch seine Augen waren aufgewühlter denn je. Es erinnerte Bob schlagartig an jene Zeit, als Justus mit Brittany angebändelt hatte und in einem tiefen Gewissenskonflikt gestürzt war zwischen seinen Prinzipien und seinen Gefühlen.

Bob löste den Blick von seinem Freund, sah sich nun selbst um. Es war wirklich unglaublich, hier sah alles tatsächlich noch so aus wie damals. Er trat zu seinem alten Archiv, besah es sich; es sah genauso aus wie an dem Tag als er das letzte Mal hier gewesen war. Ganz genauso.

Da lag sogar noch die Akte ihres letzten Falls ganz oben. Bob stockte. Es war jener Fall, den sie vor ihrem Ausflug zu den Waldgeistern abgeschlossen hatten. Justus hatte alles so gelassen, ganz genauso, nur war kein Staub zu sehen. Er hatte geputzt, seit drei Jahren hatte er hier alles wie in einer Zeitkapsel eingefroren.

Es löste in Bob ein tiefes Gefühl der Ergriffenheit, aber auch der Trauer aus, er verspürte Verlust und wusste nicht einmal, was er verloren hatte. Vielleicht war es die Zeit; das, was er gehabt haben könnte, wenn er nicht geflohen wäre, geflohen vor seinen eigenen Gefühlen, der Vergangenheit und der Zukunft.

Bob atmete tief durch. Es war wunderbar hier zu sein und gleichzeitig schmerzhaft. Seine Hände griffen nach den Akten im Archiv, zogen einige heraus und obwohl so viele Monde vergangen waren, seitdem er das das letzte Mal getan hatte, war es ihm doch vertraut.

Er lächelte als er seine alten Aufzeichnungen las, Anmerkungen und Gedanken. Das Papier unter seinen Fingern war ihm so vertraut wie die Handschrift, die er da sah. „Justus!“ Die Stimme seines Onkels drang an ihr Ohr. Wider erwarten seufzte Justus nicht, sondern sagte: „Da muss ich helfen.“ Bob und Peter blickten auf, tauschten nur einen kurzen Blick und waren sich dann einig: „Wir kommen mir“, sagte Peter und die beiden schlossen sich ihrem Freund an.

Sie kamen aus der Zentrale. Onkel Titus stand neben dem voll beladenen Pickup und hielt sich an der geöffneten Wagentür fest. „Was für ein Anblick!“, rief er gut gelaunt. „Die drei Fragezeichen. Wie geht es euch, Jungs?“ Bob blieb eine Antwort im Halse stecken. Hatte er bei Mathilda schon verwundert festgestellt, wie viel älter sie drei Jahren gemacht hatten, war es bei Titus noch krasser. Der Mann war deutlich schmaler als zuvor, wirkte ausgemergelt, was vielleicht auch daran lag, dass er keinen Schnurrbart mehr trug. Er wirkte… dünn.

Peter schien es nicht wahrzunehmen, oder zu ignorieren. Er begrüßte Onkel Titus mit einem breiten Lächeln und einem gut gelaunten „Danke, Onkel Titus. Wir schwelgen gerade in alten Zeiten.“ Der lachte. „Na, dazu gehört wohl auch das Entladen des Pickups. Packt mal mit an!“, rief er und die drei Fragezeichen machten sich an die Arbeit.

Ja, es war wie in alten Zeiten, dachte Bob schwitzend, als sie alles vom Wagen abluden und an die richtigen Stellen trugen. Schließlich servierte ihnen Mathilda auf der Terrasse noch selbstgemachte Limonade. Das Déja-vu war perfekt. Bob trank gierig, denn er hatte Durst.

„Ich brauche eine Dusche“, hörte er da Peter stöhnen, der sich über die Stirn wischte. „Dann wird es wohl Zeit das Gästezimmer aufzusuchen.“ Die drei liefen in den Flur, doch als Bob wie selbstverständlich zu dem Zimmer nahe des Eingangs laufen wollte, hielt Justus’ Stimme ihn zurück: „Das Gästezimmer ist oben.“

Verwirrt blickten Bob und Peter zu ihm. Der erklärte: „Die Treppen machen Titus zu schaffen, so haben wir das Schlafzimmer nach unten verlegt. Das Gästezimmer ist jetzt oben.“ Es bestätigte Bobs Eindruck, dass diese drei Jahre Titus deutlich hatten altern lassen. Oben angekommen öffnete Justus eine Tür. Dort stand ein großes Doppelbett und zum ersten Mal wurde Bob bewusst, dass er die Nacht hier mit Peter schlafen würde; neben Peter.

Er erinnerte sich an jene Nacht in der Hütte, als sie vor dem Feuer gelegen, sich berührt hatten auf eine Art und Weise wie nie zuvor. Bob schluckte, als Peter sich an ihm vorbeischob. „Das sieht gemütlich aus.“ „Dann richtet euch mal ein“, sprach Justus.

Und während Justus verschwand, wandte sich ihm Peter zu: „Wolltest du duschen gehen?“ Bob schüttelte den Kopf. „Ich war heute Morgen.“ „Gut, dann nutze ich die Gelegenheit. Bis gleich!“ War Peter wirklich so unbefangen? Bob hingegen spürte Anspannung in sich aufsteigen. Er wusste, was Peter gerne mal unter der Dusche tat. Und während es auf die Entfernung lediglich ein kleines Aufflammen jenes Gefühls der Begierde war, die Peter dabei spürte, wusste Bob, dass wenn er es jetzt tun würde - in ihrer unmittelbaren Nähe - es einem Orkan gleichen würde; einem, der Bob hoffnungslos mitreißen würde.

Er konnte sich auf die Entfernung schon nicht dagegen wehren; in Peters Nähe würde es ihn umhauen und Bob schätzte die Chance, dass er dann in die Dusche rennen würde, um es direkt live zu tun, leider im Bereich des Möglichen ein.

Bob stützte den Kopf in die Hände. Er war froh wieder hier zu sein, es tat gut - mehr als das, es erfüllte ihn, wie es nur der Ort konnte, den man zuhause nannte - und doch… Bobs Hände glitten in seine Haare. Das, was vor drei Jahren begonnen hatte, war noch immer da, stärker. Bob redete sich ein, dass es an dem Ritual gelegen hatte, das Peter und Justus entfacht hatten. Er hatte es als Ausrede genommen, um zu fliehen - fliehen vor seinen eigenen Gefühlen, die er nicht hätte verbergen können, wenn er in der Nähe dieser beiden geblieben wäre. Ihre Verbindung war schon immer stark gewesen, aber durch Peters und Justus’ Tat war sie unzerstörbar geworden und hatte sie in einer Art zusammen gebunden, die Bob Angst machte.

Er wusste, dass er Erfüllung im Leben nur mit diesen beiden finden konnte. Er wollte das. Und gleichzeitig hasste er es, denn ihm war die Wahl genommen worden. In Südamerika hatte er das ignorieren können, hatte sich ein Leben der Scheinwahl aufgebaut. Doch hier, in Rocky Beach, direkt bei Justus und Peter wusste er, dass es nur eine Farce gewesen war; eine Selbsttäuschung gigantischen Ausmaßes. Und damit stieg jene Bitterkeit, die ihn damals zum Gehen veranlasst hatte, wieder in ihm auf.

Das Aufflammen von Lust riss ihn aus seinen Gedanken. Peter. Bob keuchte. Peter war erregt. Bob biss sich auf die Lippe, versuchte an irgendwas anderes zu denken, nicht zu fühlen… und dann… ließ es nach. Bob atmete erleichtert auf. Offenbar hatte Peter nur kurz so gefühlt, war aber der Versuchung nicht erlegen. Gott sei Dank!

Bob sprang auf, kümmerte sich darum den Inhalt seiner Tasche im Schrank zu verstauen, er brauchte was zu tun, wollte Peter auf keinen Fall in die Augen sehen, wenn der von seiner Dusche zurück ins Zimmer kam. So setzte er sich, da seine kleine Tasche wirklich nicht viel her gegeben hatte, mit einem Buch aufs Bett (es war die einzige Sitzgelegenheit in diesem Zimmer) und las. Es war etwas, das ihn beruhigte und seine so aufgewühlten Gedanken zur Ruhe kommen ließ.

Trotzdem merkte er sehr genau, als Peter das Zimmer betrat, sein Haar war noch feucht vom Duschen, der Geruch seines Duschgels erfüllte sofort den Raum und obwohl er nicht hinsah, erinnerte er sich doch, wie er in der Hütte an jenem einen Morgen Peters nackten Oberkörper angesehen hatte.

Peter war schon immer ein gut aussehender Mann gewesen. Ob sich das geändert hatte? Er sah auf, ohne sich jemals bewusst dafür entschieden zu haben, erblickte wie Peter gerade dabei war sein Shirt überzustreifen. Sofort senkte Bob den Blick wieder auf sein Buch. Er hatte genug gesehen, um zu wissen, dass Peter (natürlich, er war Profisportler) noch muskulöser und definierter geworden war. Er wusste nun, wie sich seine Muskeln abzeichneten, wie braun gebrannt seine Haut war und unglaublich gut er aussah. Bob ließ sein Buch sinken, pressten die Zähne aufeinander. Nein! Er wollte das nicht. Er wollte-

„Bob?“ Peters vorsichtige Stimme drang an sein Ohr. „Ja?“, fragte er und sah auf, atmete derweil tief durch. „Bedrückt dich etwas?“ Etwas angriffslustiger als geplant, fragte Bob: „Wie kommst du darauf?“

„Du wirkst so angespannt.“ Mit einem Nicken deutete Peter auf seine Hand. Bob bemerkte erst jetzt, dass er sie zu einer Faust zusammen gepresst hatte. Dann atmete er tief durch, versuchte seinen Ärger, der in ihm brodelte, in den Griff zu kriegen. „Kann sein.“

„Warum?“, fragte Peter ruhig. Und auch wenn er es freundlich meinte, ärgerte es Bob doch. Es ärgerte ihn sehr. Er presste die Lippen aufeinander. Das war gefährliches Terrain für Peter, verdammt gefährliches, denn es schürte seinen Unmut. So zischte er: „Du kannst es doch spüren, warum fragst du dann?“

Peter öffnete perplex seinen Mund, dann schloss er ihn wieder, atmete tief durch. „Bob“, sprach er leise, langsam, ganz so als würde er nachdenken. Seit wann überdachte Peter seine Worte so genau? „Ich kann einige Basisemotionen von dir und Just wahrnehmen, aber ich kann nicht deine Gedanken lesen.“

Bob verzog verächtlich den Mund. „Du kennst mich gut genug, um von meinen Gefühlen auf meine Gedanken zu schließen.“ Peter schnaubte. „Vor drei Jahren hätte ich das vielleicht gekonnt. Aber dann bist du abgehauen und…“ Er presste die Lippen aufeinander. Da war nichts mehr von der Freude und Leichtigkeit in seinem Gesicht zu sehen, die sonst so kennzeichnend für ihn war.

„Machst du mir das zum Vorwurf?“, fragte Bob, wollte einfach provozieren. Doch Peter ließ sich nicht darauf ein. Er sprach nüchtern: „Ja.“

Bobs Wut kochte über. „Ich brauchte Zeit und Abstand. Ihr habt eure Seelen mit meiner verbunden. Ihr habt uns für alle Zeiten aneinander gefesselt ohne mich zu fragen, ob ich das will.“

„Es ging um dein Leben“, rief Peter verletzt und entsetzt. Bob schnaubte, auch wenn es unfair war, denn er wusste, dass er genau das gleiche getan hätte, wenn Justus’ oder Peters Leben in Gefahr gewesen wären. Doch die Bitterkeit in seinem Innern war größer: „Ihr habt mir keine Wahl gelassen. Und mir so auch die Wahl in allen anderen Bereichen meines Lebens genommen. Ich muss mit euch zusammen sein, um wahrhaft glücklich zu sein.“ Er schrie ihm diese Worte voller Wut entgegen.

Peters Lippen pressten sich aufeinander. Bob hätte sich gewünscht, er würde ihn auch anschreien, doch da funkelten nur Tränen der Wut in seinen grünen Augen. „Damit sagst du mir wohl, dass du vor dem Ritual nicht glücklich mit uns warst. Dass wir dich mit dem Ritual dazu gedrängt haben, immer bei uns zu sein.“ Peters Stimme brach ab, er schüttelte den Kopf, sein Mund in einer Bitterkeit zusammengepresst wie Bob es noch nie gesehen hatte.

Seine Augen richteten sich mit einer stechenden Intensität auf Bob, dass es ihm ungut im Nacken kribbelte. „Und ich war so naiv anzunehmen, dass wir alle uns mit unsere Detektei einen Lebenstraum erfüllt haben, den wir gemeinsam bis ins hohe Alter leben wollten.“

Bob war viel zu wütend, um darauf einzugehen. Natürlich war es das gewesen, was auch er gewollt hatte. Es war genau das, was er sich für seine Zukunft gewünscht hatte: Studieren, weiterhin Fälle lösen und nach ihren Abschlüssen ihre Detektei weiterführen. Doch dann…

Bob atmete schnaufend ein und aus. Er blickte den grünen Augen entgegen, die von Wut zu Traurigkeit wechselten. „Du hast es uns bis heute nicht verziehen.“ Es war eine Feststellung. Bob konnte nicht widersprechen, es war so. Peter blickte zu Boden, nickte mit aufeinander gepressten Lippen.

Dann hob er wieder den Kopf. „Auch wenn du mich dafür hasst“, begann er. „Ich würde mich immer wieder so entscheiden. Auch wenn du nicht mehr Teil meines Lebens sein willst, bist du am Leben und kannst deines leben. Das war es mir wert.“ Peter blickte Bob noch etliche schmerzerfüllte, aber entschlossene Momente an. „Ich schlafe bei Justus.“ Und damit rauschte er davon und Bob spürte eine bodenlose Leere in seinem Innern.

Er wollte hinter Peter her rennen, sich ihm in die Arme werfen, sich entschuldigen und ihm versichern, dass er ihn doch auch wollte. Doch Bob konnte nicht. Sein Stolz und die Bitterkeit der vergangenen Jahre hielten ihn verzweifelt in seinem eigenen Unglück fest.

???

Peter klopfte nur wenige Meter entfernt an Justus’ Tür. „Herein.“ Peter schob sich ins Zimmer. Justus saß in seinem Bett, las ein Buch und nur das fahle Licht der Nachttischlampe brannte noch.

„Kann ich bei dir schlafen?“, kam Peter direkt zur Sache. Justus sah ihn überrascht an. „Was ist passiert?“ Peter schluckte. „Wir haben gestritten. Heftig.“ Justus nickte nur mit zusammengepressten Lippen. Sie hatten es sich damals versprochen nicht die Gefühlslage des anderen zu erwähnen, wenn die betroffene Person nicht von sich aus etwas sagte. Peter kratzte sich im Nacken. „Du hast wahrscheinlich unsere Wut gespürt, oder?“

Justus nickte und fügte dann hinzu: „Und eure erhobenen Stimmen gehört.“ Peter lachte verlegen. Doch dann wich es urplötzlich aus seinem Gesicht und er sah Justus an, lange, leidend. Sein Freund erwiderte den Blick ruhig und die Welle der Zuneigung, die Peter erfasste, war groß. Doch das Gefühl des Verlustes war stärker.

„Er kann es uns nicht verzeihen.“ Peters Stimme war leiser geworden, langsamer, trauriger. Er sah Justus wieder bewusst an, sein Gesicht verzog sich vor Verzweiflung. „Hätten wir ihn sterben lassen sollen?“, fragte er rhetorisch. „Warum versteht er nicht, dass wir das nicht zulassen konnten?“

„Das versteht er“, versicherte Justus. „Er erträgt nur nicht die Folgen.“ „Und ich ertrage nicht, dass er sich fern von uns hält. Spürst du das auch? Dieses Loch in der Brust?“ Peter klopfte sich auf eben jene Stelle auf Höhe seines Herzens. „Ich merke es erst jetzt, wo wir wieder zusammen sind, wie sehr ihr mir gefehlt habt.“ Justus sagte gar nichts, sah seinem Freund nur ruhig entgegen. „Wie sehr du mir gefehlt hast.“ Er trat auf Justus zu.

„Darf ich?“, fragte er leise und deutete auf das Bett. Justus nickte ohne einen Ton zu sagen. Peter schlüpfte unter seine Decke wie sie es früher immer getan hatten. Beide starrten hoch an die Decke, ihre aufgewühlten Emotionen waren deutlich spürbar. Trauer, Verwirrung, Angst all das war da. Aber auch Zuneigung und auf diese konzentrierte Peter sich nun.

Er wandte den Kopf, blickte zu Justus hinüber, dessen Blick noch immer nach oben gerichtet war. „Würde es dir etwas ausmachen…“, begann er langsam, schluckte und versuchte zu ergründen, wie er Justus sagen wollte, dass er ihn halten wollte. Doch das musste er nicht, denn sein Freund sprach schon. „Nein“, sagte dieser. „Es macht mir nichts aus.“

Sofort rutschte Peter näher, schloss seine Arme um Justus, der es ihm gleich tat. Peter bettete seinen Kopf an Justus’ Schulter. Kaum, dass sie in dieser Umarmung verharrten, entwich Peter ein Seufzen und ein leises gehauchtes „Oh man“ kam ihm über die Lippen. Der Friede, der sich in ihm ausgebreitet hatte, war mit nichts zu vergleichen. Weder mit dem Surfen noch mit dem Gefühl einen besonders schweren Wurf geschafft zu haben. Das hier erfüllte ihn, seine Seele.

Ein kurzer Stich flammte in seiner Brust auf, weil er ahnte, wie sich dieses Gefühl noch erweitern würde, wenn Bob bei ihnen wäre. Doch diesen Gedanken verdrängte er.

Hier in diesem Moment genoss er es einfach von Justus gehalten zu werden, denn dessen Wärme und Nähe vermochten es, sein aufgewühltes Inneres zu zähmen wie niemand sonst. Er liebte diesen Mann.

???

Fortsetzung folgt…

Notes:

Mal wieder bin ich sowas von gespannt, wie ihr das Kapitel fandet.
Habt einen schönen Donnerstag! :)

Chapter 8: Die Beerdigung

Chapter Text

Am nächsten Morgen war von der nächtlichen Berg- und Talfahrt ihrer Gefühle nichts mehr zu spüren. Justus war früh aufgestanden und hatte das Frühstück gemacht, Peter war joggen gewesen und Bob hatte an seinem Laptop seinen neusten Artikel weiter verfasst, bevor sie sich alle zum Frühstück trafen, das sie einnehmen wollten, bevor es dann kurz nach dem Mittag zur Beerdigung auf den Rocky Beach Hauptfriedhof ging.

Morton hatte es sich nicht nehmen lassen, die versammelte Mannschaft zu fahren. Die Stimmung im Wagen war gedrückt, kein Wunder, denn die Aussicht darauf, ihren langjährigen Freund und Begleiter nun wirklich zu Grabe zu tragen, war niederschmetternd.

Sie mussten nicht erst die Gefühle des anderen erspüren, um zu wissen, dass es sie alle immer bedrückter machte, je näher sie dem Friedhof kamen. Schließlich hielt Morton vor der großen St. Patrick’s Kirche, wo Justus sofort ausstieg und Onkel und Tante aus dem Wagen half.

„Ich parke den Wagen noch, werte Herrschaft. Dann schließe ich mich Ihnen an.“ Peter erkundigte sich ein wenig überrascht: „Sie kannten Kommissar Reynolds?“ „In der Tat“, kam es reserviert. Mehr sagte er nicht und keiner fragte nach.

Als sie die Kirche betraten, war Peter vollkommen verblüfft. Es waren unglaublich viele Menschen hier, bestimmt über zweihundert. Damit hatte er nicht gerechnet. Aber der ehemalige Polizeichef von Rocky Beach war eben eine stadtbekannte Persönlichkeit gewesen und hatte im Interesse der Öffentlichkeit gestanden.

Die drei Detektive nahmen auf einer Bank weit hinten Platz, da die meisten Sitzreihen bereits belegt waren. Allein die ersten drei Reihen wurden von der Polizei besetzt. Peter erkannte auch seinen Bruder, der einzige Verwandte, den Reynolds noch gehabt hatte.

Der Gottesdienst begann und Peter, der wenig mit Derartigem am Hut hatte, fand es sehr würdevoll, auch wenn ihn die Reden der Offiziellen etwas zu dick aufgetragen waren. Dann kam der Moment, den Peter am meisten gefürchtet hatte.

Die Sargträger erhoben sich, unter ihnen auch Cotta und Reynolds Bruder, und kaum, dass der Sarg angehoben wurde, taten es auch alle anderen. Schweigend schauten sie alle ihm nach, dem Sarg, in dem jener Mann lag, der ihnen so oft geholfen hatte. Es war unvorstellbar. Peter spürte, wie es ihm die Kehle vor Trauer zuschnürte. Es war tröstlich zu wissen, dass er mit diesem Gefühl nicht allein war.

Instinktiv griff er nach links und rechts, suchte und fand die Hände seiner Freunde. Und auch wenn beide überrascht zuckten, nahm sie doch seine dargebotene Hand an, hielten sich umklammert in diesem Moment des Schmerzes und gleichzeitig spürten alle drei die tiefe Erleichterung, welche sie bei dieser Berührung durchfloss.

Das schwere Orgelstück war bewegend, das Samuel Reynolds auf seinem letzten Gang begleitet. Die Gemeinde schloss sich an, folgte schweigend und mit gebührendem Abstand dem Toten auf seinem Weg zum Grab.

Als schließlich alle in weitem Kreis und in mehreren Reihen um das Grab versammelt waren, ertönte Musik. Bläser der Polizei spielten eine langsame tragende Melodie und mit ihnen wurde der Sarg hinab in das Loch gelassen.

Peter hatte nie etwas Traurigeres geschehen - und etwas Gruseligeres. Die Vorstellung allein in ein solches Loch gesteckt zu werden, auch wenn man tot war, behagte ihm überhaupt nicht.

Und plötzlich war da erneut eine Hand. Er blickte verblüfft zur Seite und kreuzte braune Augen, die ihn traurig, aber voller Verständnis anblickten. Peters Mund verzog sich zu einem kleinen traurigen Lächeln. Er nickte Justus zu, drückte seine Hand und dieser wusste, dass seine Geste des Trostes angenommen war.

Dann war der hölzerne Sarg mit dem wunderschönen Blumenkranz verschwunden. Und diese Endgültigkeit zu erleben, war zutiefst ergreifend. Samuel Reynolds war tot.

Ein Priester sagte noch ein paar Worte, doch Peter hörte nicht zu. Er versuchte den tosenden Sturm seiner Gefühle im Zaum zu halten; zumal er das zähe Ockergelb von Justus und das schwere Schwarzblau von Bob ebenso erspürte.

Als Cotta nach vorne trat, riss er sich aus seinen Gefühlen. „Samuel Reynolds war ein Mann, den wir alle kannten. Viele beruflich, einige privat. Ich denke, ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, dass er ein Mensch war, den man nicht vergisst. Er hatte eine Wärme und Herzlichkeit an sich, die vielen in unserem Beruf über die Jahre abhanden kommen. Sam gehörte nicht zu ihnen.“

„Jeder von uns hat Erinnerungen an diesen besonderen Mann. Denken wir nun an ihn und das, was wir gerne erinnern.“ Schweigen trat ein. Peter wusste gar nicht so recht, woran er denken sollte. Die vielen Fälle, die sie mit ihm erlebt hatten, mischten sich zu einer Wirrwarr an Farben und Erinnerungen. Was übrig blieb war das Gefühl der Wärme und Unterstützung und der Gewissheit einen wirklich feinen Menschen gekannt zu haben.

Cotta mischte sich wieder unter die Trauergäste und erneut trat der Priester nach vorne. Er betete und dann durften sie alle nach vorne kommen und sich verabschieden. Es war surreal. Als schließlich die drei Fragezeichen dran waren, warf jeder von ihnen eine weiße Rose ins Grab. Peter starrte auf den Sarg, der mit Blumen und Erde berieselt war. Er konnte es noch immer nicht glauben. Da unten lag er, Samuel Reynolds. Danke, dachte Peter nur tief ergriffen. Dann schloss er sich seinen Freunden an und machte den Trauernden hinter ihnen Platz.

„Darf ich die Herrschaften zurückbringen?“, erkundigte sich Morton, nachdem alle gemessenen Schrittes zum Ausgang des Friedhofs gelaufen waren. „Ja bitte, Morton“, meinte Justus, doch Peter hörte, wie schwer es ihm fiel, die höflich neutrale Fassade aufrecht zu erhalten. Und war es auf dem Hinweg schon schweigsam gewesen, war es jetzt doch (dachte Peter mit einem Schaudern) totenstill.

Der Wagen hielt vor der Einfahrt des Schrottplatzes. „Möchten Sie noch mit rein kommen, Morton?“, erkundigte sich Justus. „Nach so einem Erlebnis sollte niemand allein sein“, bot er an. Peter bedachte ihn mit einem unbemerkten, lieben Blick. In solchen Momenten offenbarte sich, wie sanft Justus’ Wesen wirklich war.

„Ich danke Ihnen und würde das Angebot nur zu gerne annehmen.“ Nachdem Morton den Wagen geparkt und für sie alle die Tür aufgehalten hatte, schloss sich auch der Chauffeur der trauernden Gemeinschaft an, die nun das Wohnhaus der Familie Jonas betrat und sich dort in der Küche rund um den großen Tisch setzte.

Schweigend verteilte Mathilda eine Runde Schnaps. Sie hoben ihre Gläser, jeder tief in Gedanken versunken. „Auf Samuel Reynolds“, sprach sie und alle murmelten seinen Namen, bevor sie nun wieder schweigend, tranken. Peter verzog den Mund. Er trank eigentlich keinen Alkohol, und erst recht nicht sowas Starkes. Aber am heutigen Tag erschien es passend zu sein.

„Er hat mir diese Flasche einst geschenkt.“ Verblüfft blickten alle zu Onkel Titus. Der nickte in die Runde und deutete dann auf die Flasche auf dem Tisch. „Er hatte nach einem Sessel gesucht und war bei uns fündig geworden. Er war so froh drüber, dass er mir am nächsten Tag diese Flasche vorbeibrachte. Es hat mich noch so gewundert, weil das Möbelstück gar nicht besonders wertvoll gewesen war. Für ihn aber anscheinend schon.“

„Er wusste die kleinen Dinge im Leben zu schätzen“, meinte da Mathilda. „Er sagte mir das einmal, nachdem wir diese furchtbaren Bankräuber in der Stadt hatten. Ich weiß noch, dass ich ihn fragte, wie er denn damit zurecht käme und er meinte, dass er sich auf die kleinen, positiven Dinge konzentrierten würde.“ Eine kurze Pause entstand. „Er war ein guter Mensch“, setzte sie dann nachdenklich hinzu und goss sich noch einen Schnaps ein.

Peter sah Morton nicken und so überwand er sich und fragte: „Morton, darf ich Sie fragen, was Sie eben meinten?“ Alle Augen richteten sich auf ihn. „Sie sagten im Auto, dass sie Kommissar Reynolds gekannt hätten.“

Wider erwarten lächelte Morton. „Das habe ich in der Tat. Ich wurde im Zuge einer eurer Fälle von ihm verhört. Dabei stellten wir zufälligerweise fest, dass wir beide sehr gerne Schach spielen. Er lud mich zu sich ein, was der Beginn einer unerwarteten Bekanntschaft wurde.“

Morton lächelte versonnen, bevor er in seiner ruhigen Art weitersprach: „Wir waren uns ebenbürtig, was das Schachspielen anging. Und so trafen wir uns hin und wieder auf ein Spiel. Als er in den Ruhestand ging, schafften wir es uns einmal die Woche für ein Spiel zu treffen.“ Mortons Lippen pressten sich aufeinander. „Das haben wir in den letzten Jahren getan.“

Er blickte Peter an. „Sam war ein Freund. Und in der Tat ein feiner Mensch.“ „Hört, hört“, murmelte Bob nur, was mit dem Nicken seiner Kollegen bestätigt wurde. Bob selbst konnte sonst nichts mehr sagen. Der Schmerz über den Verlust ihres langjährigen Freund saß einfach zu tief. Er hatte ihnen so oft geholfen, war ihnen so oft unterstützend zur Seite geeilt. Es tat einfach weh. Und wenn Bob etwas nicht gut konnte, dann mit Schmerz umzugehen.

Plötzlich erhob sich Morton. „Ich danke euch für die Gesellschaft“, sprach er förmlich. „Ich muss mich jedoch empfehlen. Ich habe noch einen Fahrgast heute Abend.“ „Schön, dass Sie da geblieben sind“, meinte Mathilda und stand ebenfalls auf. „Ich bringe Sie noch zur Tür.“ „Sehr freundlich, die Dame.“

Das Schweigen in der Küche hielt an. Keinem der Anwesenden war nach reden zu mute. Als Mathilda gerade zurückkam, erkundigte sich Justus bei seinen Freunden: „Bleibt ihr noch zum Abendessen?“

Die beiden blickten ihn an. „Ich wollte bis morgen bleiben“, sagte Peter mit einem Nicken. „Ich auch, wenn es keine Umstände macht“, schob Bob hinterher. „Ach was!“, rief da Tante Mathilda. „Ihr dürft auch länger bleiben“, sprach sie geschäftig. „Kümmerst du dich ums Abendessen?“, fragte sie an Justus gewandt. „Natürlich, Tante“, antwortete dieser. „Danke, Junge.“

Während Titus sich mit einem „Ich bin noch in der Werkstatt“ langsam erhob und Mathilda nur meinte „Ich habe im Büro zu tun“, kümmerte sich Justus wie versprochen um das Abendessen.

„Können wir helfen?“, fragte Bob. Justus’ Blick streifte sie kurz. Da war mit einem Mal ein Funken Freude von ihm zu spüren, der sich kurz darauf in dem Heben seines Mundwinkels manifestierte. „Du kannst mir gerne beim Schnippeln helfen. Peter sollte lieber nicht mit scharfen Messern hantieren.“

„Hey!“, beschwerte sich der Zweite Detektiv. „Nur weil ich einmal beim Kochen vor vielen Jahren versucht habe ein Stück Holz statt eines Würstchens zu schneiden, heißt das nicht, dass ich nicht mit Messer umgehen könnte.“

„Es spricht eher für fragwürdige Kochkenntnisse“, frotzelte Bob. Justus schmunzelte. Dieser kleiner, spielerische Austausch tat unendlich gut nach den letzten schweren Stunden. „Du kannst den Tisch decken, Peter“, bot der Erste Detektiv an. „Na vielen Dank auch“, murrte der, machte sich dann aber trotzdem an die Arbeit.

Kurz darauf war die Küche angefüllt von Geräuschen: Dem Hacken eines Messers auf einem Holzbrett, dem Klappern von Geschirr, das aus einem Schrank genommen und auf einen Tisch gestellt wurde. Es war denkbar unspektakulär und doch gleichzeitig heilsam. Nach dem emotional aufwühlenden und zehrenden Nachmittag tat diese profane Tätigkeit einfach gut.

Bald schon roch es ganz außerordentlich gut und Peter, neugierig geworden, lugte über Justus’ Schulter auf den Herd. „Was gibt es denn Gutes?“ Er schnüffelte lautstark. Justus zuckte kurz, der Schreck deutlich zu spüren. „Chili“, sagte er dann.

Peter stöhnte genussvoll und trat einen Schritt zurück. „Das konntest du schon immer zur Perfektion zubereiten. Gute Idee für den heutigen Tag.“ „Ist auch bald fertig“, meinte Justus nur und rührte immer wieder im Topf herum. Peter zog die Stirn ein wenig kraus. Normalerweise war Just für Lob aller Art empfänglich. Er wandte sich ab, heute war eben alles ein wenig anders.

Er sorgte noch für neue Getränke, dann trudelten auch nach und nach Onkel und Tante wieder ein. Sie nahmen das Mahl die meiste Zeit schweigend zu sich. Peter blickte von einem zum anderen. Die schwere Stimmung war noch immer spürbar.

„Es war lecker, danke Justus“, sprach sein Onkel schließlich, als sie alle gesättigt waren. „Ich verabschiede mich. Morgen steht der Ankauf des Smith-Erbes an. Da will ich wach und ausgeruht sein. Da dürften einige Schnäppchen zu ergattern sein.“ In seinen Augen blitzte es auf und er wirkte für einen Moment um Jahre jünger. Doch dann erhob er sich, hielt sich am Tisch fest und schlich in Richtung Tür. Es war wirklich wackelig auf den Beinen.

Mathilda schien es ebenfalls zu bemerken. „Ich schließe mich an“, sagte sie und stand auf. „Macht nicht so lange, Jungs“, rief sie zwinkernd und legte dann einen Arm um Titus. Noch einige Zeit blickten die drei den beiden nach.

Dann fragte Bob an Justus gewandt: „Warum hast du uns nicht gesagt, wie schlecht es Onkel Titus geht?“ Der schwieg einen Moment. Dann sprach er leise: „Ich wusste nicht, ob euch das wirklich interessiert.“ Die Entrüstung war sofort spürbar. Justus setzte hinzu: „Es ist ja nicht so, als hätten wir in letzter Zeit viel Kontakt gehabt, sodass ich seinen Gesundheitszustand hätte erwähnen können.“ Seine Aussage war nüchtern gesprochen worden, doch Bob empfand trotzdem einen Angriff.

Um sich nicht mit jenen Gefühlen zu beschäftigen, fragte er: „Und wie geht das weiter mit den beiden?“ Justus legte sein Besteck weg und faltete seine Hände vor seinem Bauch. Dann sprach er bedächtig: „Nach gründlicher Überlegung habe ich mich dazu entschieden, den Schrottplatz zu übernehmen und weiterzuführen.“

Peters Mund klappte vor Erstaunen auf. „Was ist mit deinem Studium?“ „Und deinem Job als Berater?“, fügte Bob hinzu, den diese Ansage ebenfalls vollkommen überraschte.

„Ich habe meinen Bachelor bereits gemacht“, sagte Justus sachlich. „Ich hatte mich für einen Master eingeschrieben, aber seien wir mal ehrlich: Brauchen tue ich ihn weder für meinen Job als Berater noch für das Führen des Schrottplatzes. Ich werde Cotta so weit es mir möglich ist, weiter zur Verfügung stehen, aber mein Hauptaugenmerk wird auf dieser Firma liegen.“

„Willst du das wirklich?“, fragte Peter nach, leicht zweiflerisch. Justus nickte. „Ich habe es mir reiflich überlegt.“ Bob gab zu bedenken: „Das ist keine Antwort.“ Für etliche Momente blickte Justus ihn nur an, dann sprach er leise: „Man kriegt im Leben nicht immer das, was man will. Aber ich möchte das Lebenswerk der Menschen, die im Grunde meine Eltern sind, weiterführen. Und durch meine zeitweise Betätigung als Berater wird es wohl auch intellektuell stimulierend sein.“

Peter sah ihn ein wenig skeptisch an: „Aber alleine den Schrottplatz führen?“ „Noch können die beiden arbeiten“, erwiderte Justus stur. „Ja noch“, meinte Bob. „Aber nicht mehr lange.“

Justus’ Augen huschten zu ihm. Der Ärger kam überraschend, war aber eindeutig zu erkennen. „Das weiß ich“, zischte er. Sie sahen, wie ihr Erster tief durchatmete. Dann sprach er leise: „Und deswegen hatte ich gehofft… dass ihr euch mir anschließt.“

Nun sahen ihn zwei sehr verblüffte Männer an. Peter fasste sich als Erster. „Wir sollen mit dir den Schrottplatz führen?“, wiederholte er und klang so ungläubig wie sich auch Bob fühlte.

„Auch“, sagte Justus, woraufhin Peter direkt fragte: „Was denn noch?“

„Nun ja…“ Justus räusperte sich. Er war verlegen, stellte Peter erstaunt fest. Und das kam nun wirklich selten vor, dass Justus Jonas nach Worten rang.

Der sprach nun, immer noch leise, aber mit fester Stimme: „Für mich haben wir nie aufgehört die Drei Fragezeichen zu sein. Das ließe sich ja eventuell kombinieren.“ Beinahe schüchtern blickte er sie an.

„Just“, rief Peter ein wenig fassungslos, wenn auch liebevoll. „Ich spiele in New York Basketball. In der Profi-Liga. Mich kennen inzwischen sehr viele Leute. Ich bezweifle, dass ich noch ein guter Detektiv sein könnte. Unauffällig ermitteln ist dann nicht mehr. Und Bob lebt in Miami. Auch er ist ziemlich bekannt. Seine Zeitung wird auch nicht begeistert sein.“

„Das weiß ich ja“, sprach Justus und klang peinlich berührt. „Ich erwarte nicht, dass ihr eure Leben aufgebt. Ich bitte euch, darüber nachzudenken.“ Peter schmunzelte. Justus kam auf Ideen. Aber er würde darüber nachdenken.

Bob hingegen war mit etwas ganz anderem beschäftigt: Den Gefühlen, die er von Justus empfing. Die Sehnsucht, die Hoffnung, das starke Wünschen, sie beide würden zusagen. Er biss die Zähne aufeinander. Dann fragte er ungehalten: „Wie soll ich darüber nachdenken, wenn ich spüre, wie sehr du es willst?“ Es war ihm egal, dass er ihr Versprechen brach und die Gefühle seines Freundes ansprach.

Justus’ Augen richteten sich auf ihn und er spürte auch Peters Blick. „Wie soll ich frei entscheiden…“, fügte Bob an. „… wenn ich deine Sehnsucht spüre?“ Die Stimmung im Raum wurde spürbar kühler.

„Entschuldige“, fauchte Justus ihn ungewohnt ironisch an. „…dass ich dir diese Bürde zugemutet habe. Wenn es ging, würde ich euch einfach die Wahl lassen - rein kognitiv. Aber das geht nun mal nicht. Wir spüren eben die Gefühle des anderen. Ich kann das nicht ändern. Es tut mir leid, dass du dich deswegen bis heute unter Druck gesetzt fühlst.“ Justus funkelte ihn an.

Sie mussten nicht erst seine Wut spüren, sie konnten sie sehen. „Aber falls es dir entfallen sein sollte“, sprach er und klang ungewöhnlich höhnisch: „Es ging um dein Leben.“

Zur Wut gesellte sich Verzweiflung und eine niederschmetternde Traurigkeit. Justus sprang auf und trat so plötzlich vom Tisch weg, dass Peter und Bob zusammen zuckten. Zügig schritt er zur Tür, wollte offenbar gehen, während wahre Wellen des traurigen Ärgers von ihm ausgingen und das in einer Stärke, die beide noch nie erlebt hatten.

Plötzlich hielt er inne, wandte sich um, und den Ärger, den sie spüren konnten, sahen sie nun auch auf seinem Gesicht.

„Ist es wirklich so schwer zu verstehen?“, sprach er leise. Bevor Peter oder Bob auch nur den Mund aufmachen konnten, sagte Justus energisch, während sein Ton immer ärgerlicher wurde: „Ich wünsche mir, dass wir wieder die drei ??? werden.“ Noch nie hatten sie Justus so verbittert gesehen. Es war als hätte Bob mit seiner Abneigung die Büchse der Pandora geöffnet. Da trat etwas zu Tage, das sie nicht mehr einfangen konnten.

„Ich sehne mich nach euch“, sprach Justus plötzlich, weiterhin erfüllt von Ärger, aber auch von etwas viel Tieferem, Roherem. „Willst du mir das zum Vorwurf machen?“ Er funkelte Bob wütend an, dem es noch immer die Sprache verschlagen hatte. Da waren nur Justus’ Gefühle, die wie ein Sturm durch diese Küche fegten.

"Ich will euch bei mir haben“, sagte er mit der Klarheit eines Mannes, der genau wusste, was er wollte. Aber gleichzeitig klang er so unfassbar traurig, dass es dafür sorgte, dass Peter und Bob ihn nur erstarrt ansahen.

„Ich will, dass ihr hier einzieht“, setzte er hinzu, seine Stimme wurde brüchig. Und obwohl nun Tränen in seinen Augen schimmerten, setzte er voller Verzweiflung hinzu: „Ich will, dass ihr nie wieder geht.“ Seine Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern. Er blickte seinen beiden besten Freunden voller Sehnen entgegen, das Leid, die Sehnsucht und die grenzenlose Liebe so klar spürbar, dass sie eine dröhnende Stille hinterließ.

Justus’ Blick war so offen und verletzt, dass es die beiden anderen vollkommen sprachlos machte. Der Strudel der Emotionen, die in Justus tobten, hatte auch sie erfasst. Dieser keuchte, dann senkte er den Kopf. Er sah so geschlagen aus. „Ich geh ins Bett“, sprach er. Seine Hände krampften sich zu Fäusten, dann verließ er die Küche, ohne noch einen Ton zu sagen.

Die Sekunden verstrichen, dehnten sich aus und wuchsen zu Minuten. Erst dann war Peter in der Lage zu äußern: „Das war eine Liebeserklärung, oder?“

Bobs Antwort war mehr ein Hauch als ein Wort: „Ja.“ Zu mehr war er nicht in der Lage. Justus liebte ihn. Ihn und Peter. Und zwar offenbar so richtig - mit allem. Es war eine Erkenntnis, die ihn zutiefst traf.

Als etliche Minuten später immer noch nichts passiert war - Bob hoffte irgendwie noch, dass er träumte - hielt er es mit einem Mal nicht mehr aus. „Ich muss weg“, sagte er und setzte sich mit einem plötzlichen Impuls in Bewegung. Peter neben ihm zuckte.

Als er fast durch die Tür war, hielt ihn Peters Stimme zurück. „Bob.“ Er wandte sich um. „Kommst du…“ Er zögerte. „…wieder?“ Bob schluckte, dann nickte er. „Ja, bevor ich abreise, verabschiede ich mich noch.“ Er sah den Schmerz und fühlte ihn gleichermaßen.

Er wandte sich um und biss sich auf die Lippe, um all das irgendwie auszuhalten. Er spürte nicht nur Peters Enttäuschung und den Schmerz über sein Weggehen. Justus war versunken in Traurigkeit und es schmerzte Bob ebenso wie es ihn ärgerte.

Entschlossen verließ er das Wohnhaus der Familie Jonas und lief in die Innenstadt hinein. Er brauchte Ablenkung. Ablenkung von den Gefühlen in seinem Innern, jenen, die ihm gehörten und jene, die von Justus und Peter kamen. Er wollte all das nicht fühlen.

Bald stand er vor der kleinen Bar, Phil’s Bar ihr Name, die durch dezente Beleuchtung und angenehme Hintergrundmusik genau das versprach, was Bob brauchte: Ablenkung. Zumal war sie immer voll. So auch an diesem Abend. Er drängte sich durch die Menschen bis an die Bar.

„Ein Bier bitte.“ Der Mann neben ihm wandte sich um. „Bob!“, rief da kein anderer als Inspektor Cotta. „Du hier?!“, rief er überrascht. „Schließ dich uns doch an. Einige der Jungs und ich sind noch hier, um unserem Freund zu gedenken.“ Bob war nach vielem zu mute, aber ganz bestimmt nicht mit Polizisten an den Tod ihres ehemaligen Kollegen zu denken. „Nein, Danke“, sagte er daher und nahm sein Bier entgegen.

Cotta blickte ihn prüfend an. „Darf ich dir denn Gesellschaft leisten?“ Das überraschte Bob nun wirklich und er blickte dem anderen direkt ins Gesicht. „Wird das Ihre Kollegen nicht verärgern?“ Cotta lachte. „Sicherlich nicht.“ Er wandte sich zu einem anderen. „Geht schon mal vor. Ich schließe mich Bob an.“ „Klar doch“, sagte der Kollege nun und Cotta wandte sich Bob mit einem sehr lockeren Blick zu, der etwas von Hab ich doch gesagt hatte.

Bob machte eine kleine einladende Geste und sie ließen sich an einem winzigen Tisch in einer Ecke nieder, da nichts anderes mehr frei war. Bob nahm einen Schluck Bier und blickte sich im Raum um, mehr um sich abzulenken, als dass ihn wirklich die Inneneinrichtung interessiert hätte.

„Ich erspare uns beiden den Smalltalk“, sagte da Cotta auf einmal und hatte damit Bobs ungeteilte Aufmerksamkeit. Er wusste allein diesen Satz sehr zu schätzen. „Nach einem Tag wie dem heutigen finde ich es noch wichtiger, sich direkt den wichtigen Dingen des Lebens zu zu wenden. Wenn du also ein offenes Ohr brauchst, bin ich gerne für dich da.“

Bob schnaubte, er trank noch einen Schluck und fragte dann: „Was hat mich verraten?“ „Du meinst abgesehen davon, dass du an einem solchen Tag allein in einer Bar auftauchst und so aussiehst, als hättest du ein Gespenst gesehen?“ Bob huschte ein humorloses Lächeln über die Lippen. Er hatte in der Tat ein Gespenst gesehen, das Gespenst der tiefen Liebe, die Justus Jonas für ihn empfand. Bob schüttelte seinen Kopf, konnte es nicht glauben, obwohl er es selbst gehört hatte.

Cottas Angebot stand noch immer im Raum, also konnte er es auch annehmen. „Es ist so unfassbar kompliziert“, leitete er ein und war froh, dass Cotta gar nichts sagte, sondern nur still da saß und lauschte. „Es wird eine Entscheidung von mir verlangt. Nur kann ich diese Entscheidung nicht in Ruhe treffen, weil ich weiß, was mein Gegenüber sich erhofft.“

Erneut führte er sein Glas an die Lippen versuchte die Bitterkeit, die mal wieder in ihm aufstieg, hinunter zu spülen. „Ich bin nicht aus Stein.“ Er sah Cotta mit einem Mal an. „Ich weiß, wie sehr er sich meine Nähe wünschst. Ich sehe es in jedem seiner Blicke, ich spüre es…“ In jedem Augenblick, dachte er.

„Ich weiß, was er will. Aber wie soll ich für mich noch eine echte Entscheidung treffen, wenn ich ständig nur spüre, was er will?“ Nach einem Moment der Niederlage, wurde die Wut in ihm immer stärker. „Mir wurden sämtliche Möglichkeiten wirklich frei zu entscheiden genommen. Ich weiß, was sich erhofft wird; was vielleicht sogar erwartet wird. Aber was ist mit mir?“, fragte Bob rhetorisch und leerte sein Bier.

Die Wut wurde immer größer. „Ich habe keine echte Entscheidungsfreiheit mehr. Liebe ich ihn? Woher soll ich das wissen, wenn ich nie frei entscheiden kann?“ „Du fühlst dich manipuliert“, sagte Cotta.

Bob blickte ruckartig auf. „Ja!“, rief Bob außer sich. „Ich fühle mich manipuliert“, bestätigte er und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass die Gläser klirrten. Doch es war ihm egal. Endlich! Endlich war es raus. Das, was er seit diesem vermaledeiten Tag im Wald dachte. Und Cotta hatte es sofort begriffen. Warum taten das Peter und Just nicht? Offenbar lag es doch auf der Hand.

Er winkte dem Barmann zu und orderte noch ein Bier. Cotta nahm einen Schluck von seinem und sprach dann: „Du weißt also nicht, wie du das, was du fühlst von dem trennen sollst, was dein Gegenüber fühlt?“ „Richtig“, bestätigte ihm Bob.

„Gab es eine Zeit, in der du nichts von den Gefühlen des anderen wusstest?“, fragte Cotta weiter und Bob kam sich vor wie bei einem Verhör. Es amüsierte ihn kurz, dann bestätigte er: „Ja.“ „Wenn du daran zurückdenkst, hättest du damals Gefühle von dir aus entwickeln können? Gefühle, wie sie für eine Liebesbeziehung notwendig gewesen wären?“

Diese Frage hatte Bob sich nie gestellt. Stillschweigend dachte er darüber nach. Hatte er bereits angefangen Gefühle der romantischen Art für Justus und Peter zu entwickeln. Damals? Vor seinem Beinahe-Tod? Es war so schwer an jene Zeit zurückzudenken. Eine Zeit, die ihm so unbeschwert, beinahe naiv vorkam. Er hatte sie geliebt, das auf jeden Fall. Sie waren Freunde, Familie, Brüder. Aber Liebhaber?

Bob presste die Lippen aufeinander. Er hatte Justus immer für seinen Verstand bewundert. Peter hatte er für seine Herzlichkeit geliebt. Er hatte die Nähe der beiden immer gewollt und gesucht. Und sie die seine. Sie waren schon damals verbunden gewesen, wurde ihm klar. Hätte er… Bob schreckte hoch, weil der Kellner sein altes gegen ein neues Glas austauschte.

Er blickte zu Cotta. „Ich weiß es nicht genau. Möglicherweise“, gestand er. „Jetzt auf die Schnelle kann ich das nicht beantworten. Wir waren uns schon immer nahe. Ob ich ihre Gefühle…“ Er brach ab, wusste selber nicht mehr genau, was er dachte und fühlte.

„Ihre?“, fragte Cotta plötzlich. Dann schob er hinterher: „Ich nehme an, du sprichst von Peter und Justus?“ Bob sah vorsichtig auf. Ihm war nie in den Sinn gekommen, wie Cotta vielleicht auf die Offenbarung einer möglichen Menage-a-trois reagieren würde. Er nickte beklommen, beobachtete genau, wie Cotta reagierte. Doch seine Sorge war unbegründet.

„Und da Justus euch liebt, weißt du nun nicht, was du tun sollst.“ Bob sah ihn überrascht an. „Du weißt davon?“

Cotta winkte ab. „Von Wissen kann nicht die Rede sein, Justus hat nie was gesagt. Aber wir haben so viel und eng zusammen gearbeitet, dass mir einige Dinge aufgefallen sind. Er hat in seinem Portemonnaie neben den üblichen Dingen nur zwei persönliche Gegenstände: Eure alte Visitenkarte“ Wieso schmerzte es, dass Cotta von ihrer alten Visitenkarte sprach?

„…und ein Foto von euch Dreien. Es zeigt euch am Strand von Rocky Beach. Ihr steht Arm in Arm da, alle nass, Peter mit Surfbrett, aber ihr lacht als hättet ihr den schönsten Tag eures Lebens.“

Bobs Herz wurde weich bei diesen Worten. „Ich erinnere mich an diesen Tag“, sprach er leise. Sie waren nach einem abgeschlossenen Fall dort zusammen zum Feiern gewesen. Peter hatte Limo an der Strandbar besorgt. Sie waren im Wasser gewesen, hatten sich getunkt, Peter hatte versucht ihnen das Surfen beizubringen. Sie waren so oft ins Meer gefallen und doch waren sie einfach nur glücklich gewesen.

„Manchmal, wenn wir in einem Fall nicht weiterkamen“, sprach plötzlich Cotta und riss Bob aus seinen Erinnerungen. „…hat er dieses Foto gezückt und es angestarrt, manchmal stundenlang. Hin und wieder ist er sogar mit dem Foto in der Hand eingeschlafen.“ Cotta schnaufte leise. „Ich hatte immer den Eindruck, dass ihr bei ihm wart, was auch immer er getan hat. Aus euch und sei es nur die Erinnerung an euch gewesen, hat er Kraft geschöpft.“

Cotta schüttelte den Kopf, trank etwas und meinte dann: „Zudem ist er nie auf Avancen der romantischen Art eingegangen. Und es gab durchaus einige Angebote innerhalb und außerhalb des Departments.“ Bob starrte Cotta an. Das hatte er nicht gewusst.

„Er wirkte immer wie jemand, der auf etwas wartet, der nicht mal im Traum daran denkt, einer Person nahezukommen, aber nicht weil er es nicht will, sondern weil er da schon jemanden hat. Ich habe ihn nie gefragt aber nachdem, was du mir soeben erzählt hast, erscheint es mir nur zu naheliegend zu sein.“

Bob dachte darüber nach, dass er von Justus, im Gegensatz zu Peter, nur ganz selten Gefühle von Lust empfangen hatte. Sie waren stets kurz gewesen und waren schnell wieder verloschen, abgelöst durch ein Gefühl des Schmerzes.

„Er leidet an gebrochenem Herzen“, fiel es Bob wie Schuppen von den Augen. „Ja“, bestätigte Cotta seine Vermutung prompt.

Bob stützte seinen Kopf in die Hände. „Und das macht es mir noch schwerer eine Entscheidung zu treffen. Ich will ihm nicht weh tun.“

Cotta sprach: „Ich denke, du tust ihm viel mehr weh, wenn du nicht klar bist. Ein Nein wird er verkraften können. Eine ausbleibende Antwort nicht.“ Bob sagte nichts. Er wusste, dass Cotta mit Letzterem Recht hatte. Aber Ersteres war schwieriger als Cotta dachte, denn ihr Bund drängte sie in jene Richtung, die Justus ersehnte.

Bob schnaufte und rieb sich die Augen. Er war so fertig. Erst die Beerdigung, dann Justus’ Offenbarung und jetzt auch noch seine eigenen Gefühle. Es war zu viel. Er blickte auf zu Cotta. Dann nahm er seinen Mut zusammen und fragte: „Hast du eine Couch, auf der ich heute Nacht schlafen könnte?“ „Hab ich.“ Erleichterung durchströmte Bob bei der Aussicht drauf nicht direkt wieder zurück zu Justus und Peter zu müssen. „Danke.“

???

Peter war spazieren gegangen. Lange war er durch das dunkler werdende Rocky Beach gelaufen und hatte versucht zu begreifen, was Justus da gesagt hat. Es war aus ihm herausgebrochen wie aus einem Vulkan. Seine Gefühle waren an die Oberfläche mit einer Heftigkeit gebrodelt, wie Peter es nie erwartet hatte. Justus liebte sie und er wünschte sich, dass sie wieder bei ihm sein würden - als Kollegen und als - Peter stockte bei dem Gedanken. Hatte er das wirklich richtig verstanden? Hatte Justus sich gewünscht, dass sie auch Liebhaber wurden?

Er war sich nicht sicher. Nie hatte er Justus in irgendeiner Form in dieser Richtung agieren sehen. Es war verwirrend und doch lief er nun hier in seiner Heimatstadt umher und stellte sich genau diese Fragen. Er brauchte Antworten und die konnte ihm nur eine Person geben.

Die Dunkelheit war längst über sie hereingebrochen, als er wieder am Schrottplatz ankam und leise das Haus betrat. Er schlich den Flur entlang und dann die Treppe hinauf zu Justus’ Zimmer. Nach einem tiefen Atemzug klopfte er. Keine Reaktion, doch Peter wusste, dass Justus da war.

Er klopfte erneut, sprach leise, aber deutlich: „Just?“ „Was willst du, Peter?“, kam es dumpf durch die Tür. Peter nahm seinen Mut zusammen und öffnete die Tür, schlüpfte hinein und schloss sie wieder. Justus saß an seinem Schreibtisch, wo nur die kleine Lampe den Bereich direkt vor ihm erhellte. Er tüftelte an irgendwas. Doch darum ging es nicht.

Peter lehnte an der Tür, als er leise fragte: „Warum hast du nie was gesagt?“ Ein tiefer Atemzug ließ Justus’ Schultern auf- und niedergehen, dann wandte er sich ihm zu. Sein Blick war so traurig, beinahe geschlagen. Etliche Momente sagte keiner ein Wort.

Dann sprach Justus: „Ich dachte, ihr wüsstet es… würdet es spüren.“ Peters Augen weiteten sich. „Nein!“, entwich es ihm bestimmt. „Glaubst du, wir hätten dich dann trotzdem verlassen?“ Justus schnaufte. „Habt ihr“, äußerte er leise. Es war keine Anklage in seinen Worten, nur Feststellung und Resignation. Peter mochte es nicht. Und so stellte er klar: „Ich wusste es nicht.“

Justus legte leicht fragend den Kopf schief. „Konntest du es nicht spüren?“ Peter verneinte: „Nein, ich hielt es immer für das normale Justus Jonas- Gefühl.“ Er rieb sich den Nacken. Jetzt, wo er es wusste, kam er sich dämlich vor. Das strahlende Sonnengelb, das er immer von Justus empfing, war also seine Liebe zu ihnen, strahlend und wunderschön, wärmend und so anziehend.

„Du liebst uns?“, stellte er halb fragend fest. „Ja“, war Justus’ gehauchte Antwort, die Peter trotz seiner Vermutung überraschte. „Seit wann?“, wollte er wissen, immer noch erstaunt und ungläubig. Justus seufzte. „Es hat sich nach einigen Jahren so entwickelt. Ihr wart meine Familie, die Menschen, denen ich mich am meisten verbunden fühlte. Wir waren uns psychisch so nah, zumindest für mich. Auch vor diesem ganzen Ritual der Seelen.“

Peter glaubte ihm jedes Wort und doch erschien es fantastisch, dass Justus sie so lange schon so innig liebte. „Und du willst das intensivieren?“, fragte er vorsichtig. Justus zuckte mit den Schultern. „Ich bin nicht so geübt darin mit Menschen körperlich zu werden, aber es war für mich immer der nächste logische Schritt. Ich liebe euch mit meinem Geist, also würde ich es auch mit meinem Körper tun.“

Peter war vollkommen ergriffen und gebannt von diesen Worten. Und um wirklich nichts mehr zwischen ihnen stehen zu haben, fragte er offen: „Du willst uns halten?“ „Ja“, bestätigte ihm Justus. „Uns küssen?“, setzte Peter hinzu, seine Stimme nun etwas leiser, vorsichtiger. „Ja“, war auch dieses Mal Justus’, wenn auch leicht gehauchte Antwort.

Peter atmete tief durch, aber er wagte es zu fragen: „Und auch mit uns Sex haben?“ Justus’ Gesicht verzog sich als habe er Schmerzen. Und Peter spürte, dass er sie hatte. Da waren Furcht und Verzweiflung in seinem Innern. „Peter, quäl mich nicht so“, bat er. Der beschwichtigte sofort: „Ich möchte es nur verstehen und Missverständnisse ausschließen.“ Peter tat es leid, dass Justus so litt, er sah so elend aus. Geschlagen sprach er: „Ich will euch. Was gibt es da nicht zu verstehen?“

Peter presste die Lippen aufeinander. Er hatte genug erfahren. Nun war alles zwischen ihnen klar. Er atmete geräuschvoll aus. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Justus schüttelte den Kopf, sein Blick glitt ungewohnt unstet durch den Raum. „Schon gut. Ich weiß, dass meine Chancen gering bis nicht existent sind. Ich konnte nur einfach nicht mehr zurückhalten, was ich fühle. Nun steht nichts mehr zwischen uns.“ Er blickte Peter direkt an. „Ich erwarte nichts von euch. Ich möchte nur, dass ihr darüber nachdenkt, vielleicht wieder an Fällen mit mir zu arbeiten. Das ist alles.“ Justus sah so angespannt aus, fiel Peter auf.

„Ich werde darüber nachdenken“, sicherte Peter zu. Justus nickte. „Danke“, sprach er leise und Peter spürte ehrliche Erleichterung. „Ist Bob gegangen?“, fragte Justus dann. Peter seufzte, denn unter das erleichterte Hellgelb mischte sich sorgenvolles Ocker. „Ja“, bestätigte Peter. „Aber er sagte mir zu, dass er noch mal herkommen wird, bevor er wieder aufbricht.“ Justus schluckte und nickte. Dann wandte er sich wieder seiner Tüftelei auf dem Schreibtisch zu. „Gute Nacht“, sagte Peter noch und verließ das Zimmer.

???

Am nächsten Morgen kam Bob mit einem Taxi zum Schrottplatz. Er bat den Fahrer zu warten, denn das würde ihm die Möglichkeit geben, es so schnell es ging hinter sich zu bringen. Mathilda saß wie üblich im kleinen Büro seitlich des Schrottplatzes, Bob winkte kurz, dann betrat er das Wohnhaus.

Er traf seine beiden Kollegen in der Küche an. Peters Tasche stand bereits an der Seite, offenbar war auch er kurz davor zu gehen. Kaum, dass Bob da war, war die Anspannung im Raum deutlich zu spüren. „Guten Morgen“, sagte er nach einem Moment. „Guten Morgen“, sagte auch Justus gefasst, während Peter an der Küchenzeile mit einem Becher in der Hand stand und nur nickte.

Bob atmete tief durch. „Ich wollte noch was sagen.“ Das war keine eloquente oder geistreiche Eröffnung. Aber immerhin hatte er etwas von sich gegeben. „Was du gestern sagtest…“ Er atmete erneut tief ein und sah zu Justus. Oh man, er machte sich hier zum Idioten. Dann brach erst aus ihm heraus: „Ich brauche Bedenkzeit“, bat er. „Ich kann so schnell keine Entscheidung treffen. Ich brauche Zeit und Abstand dafür.“

Etliche Momente blickten sie sich nur an. „Versteht ihr das?“, fragte er dann leise.

„Natürlich“, sagte Justus prompt und es fühlte sich nicht nur für ihn wie ein Déja-vu an. So hatte sich Bob einst von ihnen verabschiedet, nachdem sie aus dem Wald zurückgekommen war. Bob schüttelte die Gedanken ab. „Macht’s gut.“ Er nickte den beiden zu und wandte sich ab.

„Bob?“ Justus’ Stimme ließ ihn sich erneut umwenden. „Ja?“ Der Erste Detektiv sah zögerlich, aber entschlossen aus. Er machte einen kleinen Schritt auf ihn zu. „Als du das letzte Mal Bedenkzeit gebraucht hast, warst du über drei Jahre weg.“ Justus atmete tief ein. „Ich weiß, dass ich kein Recht dazu habe. Ich habe nur die Bitte: Gib mir bald eine Antwort. Egal, wie sie ausfallen mag. Ich möchte wissen, woran ich bin. Damit ich… weitermachen kann.“

Bob blickte ihn an, spürte so viel Zuneigung und dennoch Traurigkeit. Nichtsdestotrotz hatte Justus eine Antwort verdient. Da hatte Cotta vollkommen recht. „Ja. Kriegst du“, sicherte er ihm zu und verließ erneut Rocky Beach und seine Freunde.

???

Fortsetzung folgt…

Chapter 9: Entscheidungen fürs Leben

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Justus hatte soeben ein großes Paket erhalten, das ihm der Postbote mitten auf dem Schrottplatz in die Hand gedrückt hatte. Ein Schreiben lag ihm bei und neugierig öffnete Justus es.

Sehr geehrter Mister Jonas,
aus dem Nachlass des Samuel Reynolds überstellen wir Ihnen das gewünschte Objekt.
Hochachtungsvoll,
Marc Weatherby
Anwaltskanzlei Ashton & Weatherby

Justus’ Kehle war mit einem Mal enger geworden. Sein Blick glitt zurück zu dem großen Paket und eine Ahnung wuchs in ihm. Zügig öffnete er es und sah dann seine Vermutung bestätigt: Es war ein Öl-Gemälde; jenes, das sie dem ehemaligen Hauptkommissar zu seiner Pensionierung geschenkt hatten.

Es zeigte ein grüngestrichenes, etwas ältere Segelboot, das schräg in der See lag und den Namen Samuel trug. Das Meer erstrahlte ebenso wie die Insel im Hintergrund in malerischer Farbenpracht, zeigte das Bild doch einen Sonnenuntergang.

Justus’ eh schon ungewöhnlich fragile Verfassung erhielt noch mal einen ordentlichen Dämpfer, denn der Verlust ihres alten Freundes wurde dadurch wieder an die Oberfläche gespült. Er betrachtete den ausdrucksvollen Sonnenuntergang, der dieses Bild beinahe kitschig farbenfroh machte und doch traten ihm bei diesem Anblick Tränen in die Augen. An manchen Tagen kam es ihm so vor als würde sein Leben aus Verlust bestehen: Er hatte Bob und Peter verloren, sein Lebenstraum von einer eigenen Detektei war in weite Ferne gerückt, Reynolds war gestorben und Onkel und Tante wurde immer gebrechlicher. Auch sie würden eines Tages… Justus atmete tief durch.

Sobald er sich wieder beruhigt hatte, würde dieses Bild einen Ehrenplatz kriegen, da war er sich sicher. Doch erst einmal musste er es wegstellen. Denn ansonsten würde dieser Anblick ihm immer wieder vor Augen führen, dass er nicht nur seinen alten Freund verloren hatte, sondern auch jene beiden Menschen, die er so sehr liebte.

???

Es war keine einfache Entscheidung. Aber das waren Lebensentscheidungen wohl nie. Peter liebte seinen Beruf. Basketball war neben Surfen die Sportart, die ihn am meisten gefiel, die ihn erfüllte. Seit nun drei Jahren lebte er diesen Traum, bereiste die ganze USA, manchmal sogar das Ausland, spielte, trainierte, spielte, trainierte. Er liebte es. Aber…

Peter seufzte, als er an diesem Abend allein in einer Bar saß und in sein Zitronenwasser schaute - Alkohol war während der heißen Phase Tabu und auch alkoholfreien Cocktails hatte Peter vor vielen Jahren Adieu gesagt, da der Zucker der Säfte und Sirups seinem Essplan deutlich im Wege stand.

Aber immerhin hatte ihm der Barkeeper ohne mit der Wimper zu zucken ein sehr schmackhaftes sprudelndes Zitronenwasser gemixt, hatte Minzblätter und Eiswürfel hineingetan, einen Strohhalm und eine halbe Zitronenscheibe an den Glasrand gesteckt. Peter kam sich beinahe so vor als trinke er einen Cocktail. Und dabei saß er hier nachdenklich und wusste nicht, was er tun sollte.

„Peter?“ Eine wohlbekannte Stimme ließ ihn den Kopf heben. Er traute seinen Augen nicht, als er der sportlichen jungen Frau entgegenblickte. „Kelly!“, entwich es ihm überrascht.

„Darf ich mich zu dir setzen?“, fragte sie mit einem Glas in der Hand. Peter machte eine einladende Geste. „Wie geht es dir?“, fragte sie und Peter nickte. „Ja, ganz gut. Und selbst?“ „Auch“, sie strahlte ihn an. Dann senkte sich Schweigen über sie, Peter trank einen Schluck um diese Stille irgendwie sinnvoll zu überdecken.

Er war kurz davor sie nach ihrem Sport zu fragen, als sie meinte: „Bedrückt dich etwas?“ Überrascht blickte er sie an. „Du wirkst nachdenklich“, schob sie an. Dann sagte sie: „Unsere Trennung war zwar nicht so schön, aber wohl unvermeidlich. Wie auch immer, was ich sagen will: Ich hege keine negativen Gefühle mehr für dich. Alles vergeben und vergessen, daher… wenn du dich aussprechen willst…“ Sie sah ihn mit ihren braungrünen Augen offen an.

Peter atmete tief durch. Dann packte er die Gelegenheit beim Schopfe. „Ich überlege aus dem Profisport auszusteigen.“ Es war gesagt. Und ihre Reaktion war überraschend unaufgeregt. Sie sah ihn einfach nur an. Es gab Peter die Möglichkeit, einfach weiter zu erzählen: „Ich habe ein Jobangebot bekommen“, er hielt inne, schüttelte den Kopf. „Ach, wem mache ich hier was vor?“, sprach er zu sich selbst. Er sah sie direkt an.

„Justus hat mich gefragt, ob wir unsere Detektei wieder aktivieren wollen. Parallel würden wir auf dem Schrottplatz arbeiten und auch zusammen wohnen, falls Mathilda und Titus uns zusammen aushalten.“ Er griff sich in den Nacken, rieb sich ein wenig verlegen darüber, da er daran dachte, dass sie vielleicht nicht nur freundschaftlich miteinander umgehen würden. Wie Justus’ Ersatzeltern wohl darauf reagieren würden?

„Und was lässt dich da so viel grübeln?“ Peters Blick schoss hoch zu ihren fragenden Augen. Lag das nicht auf der Hand? „Nun ja…“, begann er ein wenig zögerlich. „Es ist keine einfache Entscheidung. Ich liebe Basketball. Und…“ Er zögerte erneut. Sollte er Kelly einfach erzählen, dass es auch um Mehr ging? Dass er sich überlegte, ob er vielleicht sogar eine Beziehung mit Justus (und mit Bob, auch wenn das deutlich unwahrscheinlicher war) einlassen sollte?

Er presste die Lippen aufeinander. Das war zu viel. Er konnte und wollte da im Moment nicht drüber nachdenken. Eins nach dem anderen, sagte er sich, sonst würde sein Kopf platzen. Er blickte Kelly entschlossen an. „Ich weiß einfach nicht, ob ich schon bereit bin, aufzuhören.“ Er sah sie grübelnd an.

Kelly nickte nachdenklich, trank ihre Cola, sicherlich Light, dachte er mit einem kleinen Schmunzeln, denn auch sie war als Cheerleaderin inzwischen weit gekommen und achtete penibel auf ihre Ernährung. „Hast du mich geliebt?“

Peter starrte sie aufgrund dieses Themenwechsels verwirrt an. „Ähm… wieso fragst du?“ „Vertrau mir, ich würde dir gerne was verdeutlichen“, sicherte sie ihm mit neutralem Ton zu. Peter sah sie noch etwas skeptisch an, verzog kurz den Mund und beschloss dann, sich darauf einzulassen. Er räusperte sich kurz, fühlte sich schlagartig jünger und äußerte ein wenig verlegen: „Natürlich. Du warst meine Erste. Das wird dich immer zu was Besonderem machen.“ Er blickte sie an, die seinen Blick mit einem warmen Ausdruck in ihren schönen Augen erwiderte.

„Danke, Peter“, sprach sie sanft. Dann fuhr sie fort: „Aber mal ehrlich. So besonders war ich dann auch nicht für dich.“ Peter sah nun eindeutig irritiert an. Was wollte sie damit sagen?

„Seitdem ich dich kenne, schlägt dein Herz in erster Linie für eure Detektei. Du hast Justus und Bob mir immer vorgezogen-“ Sie hob die Hand, als sein Mund aufklappte. „Das ist kein Vorwurf. Früher war das vielleicht einer“, gab sie zu. Ein sehr sympathisches, leicht selbstironisches Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Aber heute nicht mehr“, fuhr sie fort.

„Es war und ist ein Fakt. Du bist zweiter Detektiv mit Leib und Seele. Das warst du immer und wirst es wohl auch immer sein. Und es ist doch super, dass du das hast. Profi-Spieler ist man nicht ewig. Mit 29 gehört man zum alten Eisen und auch wenn du mit deinen knapp 25 Jahren sicherlich noch einige Jahre vor dir hättest…“

Sie zuckte mit den Schultern. „Man soll doch aufhören, wenn es am schönsten ist. Sind es dir die zwei, drei Jahre Karriere noch wert?“, fragte sie weiter. „Würde es dir gut damit gehen, noch diese Jahre zu spielen und darauf zu warten Detektiv zu sein? Oder brennt dein detektivischer Sinn so stark, dass du es jetzt sofort willst?“ Sie blickte ihn offen an.

„Überleg dir, was dir wichtiger ist. Und dann zieh es durch.“ Entschlossen sah sie ihn an und saugte dann an ihrem Strohhalm, ganz so als habe sie diese kleine Rede durstig gemacht.

Peter lächelte sie an. „Es tut gut, dass wir uns begegnet sind.“ „Manchmal braucht es eben einen weiblichen Blinkwinkel“, sprach sie so selbstbewusst wie er sie in Erinnerung hatte. „Ihr Drei seid viel zu oft nur unter Männern.“ Sie zwinkerte. Peter ignorierte es.

„Wie geht es dir denn?“, erkundigte er sich. Kelly lachte und warf ihr langes Haar zurück. „Ich habe keine derartige Entscheidung im Moment zu treffen, wenn du das meinst. Ich studiere weiterhin Sport an der UCLA, den Rang des Teamcaptains habe ich nun das zweite Semester in Folge und wir stellen eine ganze Menge auf die Beine.“

„Wortwörtlich“, unterbrach sie Peter mit einem schiefen Grinsen. Kelly lachte. „Ich hatte vergessen, wie humorvoll du sein kannst.“ „Und ich, wie clever du bist.“ Sie lachten sich an. Beide dachten, dass es gut tat, dem anderen begegnet zu sein.

„Zudem lebe ich mit meinem Freund in einer WG.“ Nun wurde Peter hellhörig. „Wer ist er?“ Wieso sah Kelly einen Hauch verlegen aus? „Ein Mathematik-Student.“ Peters Mund klappte auf. „Wie kam das denn?“, fragte er lachend.

Sie lächelte super süß und Peter sah ihr an, dass sie heftig verliebt war. „Wir lernten uns vor zweieinhalb Jahren kennen. Ich war ganz neu an der Uni und war von Janet zu einer Party eingeladen worden. Ich verlief mich auf dem Campus und landete bei den Mathematikern.“ Sie kicherte. „Da traf ich ihn, weil ich mich heillos verlaufen hatte.“

Das glaubte Peter sofort. „Dein Orientierungssinn war schon immer eine Katastrophe“, sagte er liebevoll. Sie strahlte ihn an. „Mein Glück“, rief sie gut gelaunt. „Statt zu der Party zu gehen, liefen wir die ganze Nacht über den Campus und redeten miteinander. Es war eine unglaubliche Nacht.“ Sie klang so schwärmerisch, dass sogar Peter lächeln musste.

„Wir sahen uns im Laufe der nächsten Wochen immer wieder, ich verliebte mich heftig in ihn und war unendlich glücklich, als er mir gestand, dass es ihm ebenso geht.“ Sie lächelte versonnen. Dann sah sie Peter wieder an. Sie zuckte mit den Schultern. „Vor einem Jahr sind John und ich dann auf dem Campus in eine gemeinsame WG gezogen. Die beste Entscheidung überhaupt. Wir haben jeder noch ein Zimmer, einen Rückzugsort zum Lernen und Schlafen, aber wir sind auch immer nah beieinander, können uns jederzeit sehen.“ Sie lächelte noch breiter. „Das ist einfach schön.“

„Hast du ein Foto von deinem John?“ „Na klar!“, rief sie und zückte ihr Handy. „Das sind wir“, sagte sie und zeigte ihm mit Begeisterung ein Bild. Peter traute seinen Augen nicht. John sah unspektakulär aus, war etwa genauso groß wie sie, hatte schwarzes Haar, dunkle Augen, war etwas stämmiger und hatte ein unfassbar sympathisches Lächeln. Aus irgendeinem Grund erinnerte er ihn an Justus.

Peter sah zu Kelly, betrachtete ihr Gesicht, während ihre Augen auf John ruhten. Sie sah so entspannt und zufrieden aus. Peter schmunzelte. „Er sieht sehr nett aus“, sprach er und Kelly sah zu ihm. „Ist er auch“, sprach sie. „Intelligent, zärtlich und ein fantastischer Zuhörer.“

Peter gluckste aufgrund ihres schwärmerischen Tons. „Na dich hat es ja ganz schön erwischt. Wieviele Jahre seit ihr schon zusammen?“ „Zwei Jahre und einen Monat.“ Sie steckte ihr Handy weg und Peter trank noch einen Schluck. „Klingt nach einem tollen Fang“, meinte er.

Sie grinste ihn an. „Ist er. Nur tanzen tut er nicht gerne.“ Peters Augenbrauen hoben sich. Dann äußerte er recht spontan: „Wenn du mal Lust auf eine durchtanzte Nacht hast, sag Bescheid. Ich habe das in den letzten Jahren auch viel zu selten gemacht.“

Sie lachte. „Kein Wunder, bei unserem Trainingspensum will ich abends nur noch schlafen.“ Peter entwich ein seufzendes Nicken. „Aber danke für dein Angebot. Vielleicht komm ich mal drauf zurück.“ Sie tauschten ein Lächeln.

Kelly leerte ihre Cola. „Ich muss los. Morgen früh steht das nächste Training an.“ Peter nickte. Auch er sollte sich bald ins Bett begeben. Dann erhob sie sich. „Ich wünsche dir alles Gute, Peter.“ Sie sah ihn liebevoll an. "Ich meld mich fürs Tanzen“, setzte sie zwinkernd hinzu und klopfte vor ihm auf den Tisch.

Peter sah ihr lange hinterher. Er war froh sie getroffen zu haben, aber ebenso froh, dass sie kein Paar mehr waren. Denn jetzt… er lächelte versonnen… wollte er etwas anderes.

???

Bob wusste, dass er Justus eine Antwort schuldete, er wollte ihm auch eine geben. Aber er hatte zu tun. Eine Reportage ließ ihn nach Kuba aufbrechen, wo er für dreieinhalb Wochen unter schweren Bedingungen lebte, aber noch währenddessen wusste, dass er eine der besten Storys seines Lebens schreiben würde. Er sollte Recht behalten.

Nachdem er sich ausgeschlafen und in seiner dauerhaften Bleibe in Miami geduscht und was gegessen hatte, kamen die Gedanken. Er liebte seinen Job. Er liebte das Abenteuer, die Recherchen, die dazugehörten und die fremden Orte, die er dadurch kennenlernte.

Doch er vermisste die Sinnhaftigkeit ihrer Fälle, anderen zu helfen; die Erleichterung und den Dank zu erleben oder gar die Polizei zu unterstützten Verbrechen aufzuklären. Seine Fähigkeiten zu recherchieren, waren deutlich relevanter, machmal lebenswichtig als bei seinem jetzigen Job.

Und dann war da natürlich noch die Tatsache, dass er die meisten Zeit alleine war. Er sprach zwar für seine Reportagen mit vielen Menschen, aber das ersetzte nicht den intimen Kontakt mit Freunden. Kurzum: Bob war einsam.

Er war gerne allein, war er schon immer gewesen. Aber mit den richtigen Menschen war er eben auch gesellig. Und erst jetzt, als er so viele Monate (und ja, es waren Jahre geworden) mehr oder minder allein gelebt hatte, merkte er erst, wie sehr er ihre Freundschaft gebraucht hatte und noch immer brauchte.

Doch inzwischen ging es um mehr als nur um Freundschaft - es ging um Liebe. Um sexuelle Liebe. Wenn es nur um seinen Job gegangen wäre, dann wäre die Antwort an Justus zwar nicht einfach, aber doch bald erfolgt: Fälle zu lösen, wieder Detektiv zu sein, war etwas, das Bob wollte. Er vermisste diesen Teil seines Lebens unendlich.

Wenn der Preis dafür war, auf dem Schrottplatz zu arbeiten, war es ihm das wert. Er würde die Bücher führen können, mal ein ordentliches Inventar auf die Beine stellen können und sich vielleicht um einen passenden Webauftritt kümmern, um die Reichweite des Gebrauchtwarencenters zu erhöhen und ordentlich Werbung zu machen. Vielleicht könnte er sogar einen kleine Kolumne starten, wo er über spannende Gegenstände der Firma berichtete.

Ja, Justus’ berufliches Angebot war eines, das er annehmen wollte. Aber und nun kam das große ABER. Es ging dabei nicht nur um eine berufliche Entscheidung, es ging um eine Lebensentscheidung, denn er würde wieder ihn Rocky Beach wohnen, er würde auf dem Schrottplatz wohnen, Haus und Hof mit Peter, Justus und vorerst wohl auch mit Mathilda und Titus teilen.

Und das Bett. Darum ging es. Genau das war der Punkt. Bob war bisexuell. War er schon immer gewesen, das war kein Aufreger. Er hatte inzwischen genug Erfahrungen mit Frauen und Männern gesammelt, dass er auch dem Gedanken an eine dauerhafte, monogame Beziehung mit einem Mann durchaus was abgewinnen konnte.

Doch mit seinen beiden besten Freunden intim zu werden und eine solche Beziehung einzugehen, war eine ganz andere Hausnummer. Eine, die ihm Angst machte. Nicht, weil er es nicht wollte. Nein! Das Gegenteil war der Fall.

Er wollte es - zu sehr. Tief in seinem Innern war da dieses Verlangen, der Wunsch nach Verschmelzung von dem er nicht wusste, ob er sie vor der Berührung ihrer Seelen schon gespürt hatte. Es war der Kern des Problems.

Denn er wusste, dass wenn er sich eine echte Liebesbeziehung mit Peter und Justus zugestehen würde, würde er sich den beiden hingeben. Vollkommen, mit allem, was er hatte. Er würde sich mit beiden vereinen wollen, gleichzeitig und immer wieder. Es war ein Sehnen, das so stark war, dass es ihm Angst machte.

Würde er sich dann vollkommen verlieren? Wäre er noch er, wenn er diesem Drängen nachgab? Bob hatte Angst. Und diese Angst lähmte ihn.

Das Klingeln seines Handys riss ihn aus seinen Gedanken. Mit Erleichterung stellte er fest, dass es sein Chefredakteur war. Da musste er natürlich rangehen.

???

Fortsetzung folgt…

Notes:

Mit Spannung erwarte ich eure Gedanken zum Kapitel. Ist es möglich, dass einem Kelly mal sympathisch ist? ;)
Wir lesen uns.

Chapter 10: Durch Dick und Dünn

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

??? Drei Jahre und einen Monat nach dem Ritual ???

„Peter!“ Justus war eindeutig überrascht, als sich an einem Freitagabend das Kalte Tor öffnete und niemand anderer als sein Freund Peter vor ihm stand. „Was machst du hier?“, fragte er.

Der grinste. „Ich hab einige Tage frei“, sagte er und trat vollständig in die Zentrale ein. Sein Blick wurde weicher, milder, als er mit einem leichten Lächeln sprach: "Und da wollte ich herkommen, denn ich habe eine Antwort für dich.“

Justus’ Herz begann wie wild zu klopfen. Er musste nicht erst die sanften Gefühle und gleichzeitig Aufregung spüren, um zu wissen, auf welche Frage Peter eine Antwort für ihn hatte. Es war die Frage; jene Frage, die den weiteren Verlauf ihrer beider Leben entscheidend beeinflussen würde.

Peter holte tief Luft und verkündete: „Ich spiele noch die Saison, dann werde ich zurückkommen und mit dir diesen Schrottplatz führen.“

Justus starrte ihn an. Er war vollkommen baff, denn so sehr er auch gehofft hatte, eine solche Antwort zu erhalten, er hatte es sich doch nicht zu träumen gewagt.

„W-w-was?“, fragte er beinahe stotternd. „Aber… wieso?“ Selten hatte Peter Justus so sprachlos erlebt. Lächelnd begann er zu berichten: „So schwer war das nicht. Ich liebe Basketball, aber das mache ich jetzt auch schon seit drei Jahren. Und wie Kelly richtig sagte“

„Kelly?“, fragte Justus ungläubig dazwischen. Peter winkte ab. „Ich traf sie zufällig vor einem Monat in einer Bar. Sie hat mir geholfen, einiges klarer zu sehen.“ Er schüttelte in Erinnerungen versunken den Kopf.

„Wie auch immer, sie hatte recht mit der Aussage, dass ich den Profisport nicht ewig machen kann. Und so musste ich mich entscheiden, was mir wichtiger ist: Noch ein paar Jahre Spielen oder jetzt schon aufhören. Die Saison läuft so bombastisch, dass es im Grunde nicht mehr getoppt werden kann. Die Chancen auf den Titel sind dieses Jahr wirklich zum Greifen nah. Wann wäre also ein bessere Zeitpunkt zum Aufhören als jetzt?“ Er strahlte Justus an, der noch immer ganz gebannt lauschte.

„Zudem…“ Peter stockte kurz. „Ich vermisse es in Rocky Beach zu sein. New York ist toll, aber eben nicht mein Zuhause. Ich will wieder Surfen, ich will meine Runde am Strand laufen und wieder die kalifornische Luft schnuppern. Auch meine Eltern vermisse ich, auch wenn sie immer öfter in Houston bei meinen Großeltern sind. Dennoch…“ Er blickte Justus entschlossen an. „… ich will hier sein. Denn vor allem anderen möchte ich wieder Detektiv sein. Es war die beste Zeit meines Lebens. Ich vermisse es.“ Er zuckte mit den Schultern. „Und damit ist die Sache klar: Ich komme zurück.“

Als Justus ihn nur anstarrte, wurde Peters Lächeln noch größer, formte sich zu diesem verdammt wunderbaren Lächeln. „Und?“, fragte Peter. „Gute Neuigkeiten?“

Aus Justus’ Gesichtszügen brach das Lachen nur so heraus. „Die besten!“, rief er überschwänglich. Er wollte am liebsten aufspringen und Peter in die Arme schließen, doch er wusste nicht, ob das zu weit ging. So sprach er nur leise, aber aufrichtig: „Danke.“

Peter lächelte ihn weiterhin liebevoll an. „Du brauchst mir nicht zu danken.“ Er winkte ab. „Es mag egoistisch klingen, aber ich mache das nicht für dich. Ich mache es für mich. Ich will hier arbeiten“, stellte er klar. „Ich will hier leben“, fügte er voller Überzeugung hinzu. „Fälle mit dir lösen, wenn es sich ergibt“, sagte er sicher. Dann stockte er plötzlich, hielt inne, bevor es ihm unverhohlen zärtlich über die Lippen kam: „Ich will dich.“

Justus’ Inneres flatterte, er fühlte sich federleicht. Das war mehr als er sich zu erhoffen gewagt hatte. Dann senkte Peter plötzlich den Blick, eines seiner süßen, verlegenen Kichern entrang sich seiner Kehle. „Und was alles andere angeht…“ Er holte tief Luft, blickte ihn kurz an. „Gib mir Zeit, ja? Ich weiß einfach noch nicht, ob ich das will.“

Justus hob die Hände. „Schon gut, es muss auch nicht sein“, stellte er klar.

„Es liegt nicht an dir“, platzte Peter heraus. „Es ist nur so…“ Er rieb sich verlegen durch den Nacken. „Ich hatte noch nie was mit einem Mann. Ich habe erstmalig nach dem Tag im Wald daran gedacht, weil ich euch plötzlich so viel näher fühlte.“ Er schluckte. „Ich dachte immer, ich sei damit allein, also habe ich es verdrängt. Erst seitdem du uns gesagt hast, was du wirklich empfindest…“ Peter lächelte leicht.

„Es erscheint mir erst jetzt wieder eine Möglichkeit zu sein. Aber in den letzten Wochen war so viel los. Ich habe mich intensiv damit beschäftigt, was ich beruflich will. Ich habe meinen Vertrag beendet und mit meinem Coach und dem Team gesprochen. Es war so viel, dass“ Justus war so überfahren, dass er fassungslos fragte: „Du hast Nägel mit Köpfen gemacht?“

Peter blickte ihn verblüfft an. „Na klar“, fügte er an und zuckte mit den Schultern. „Auf jeden Fall war es so viel, dass ich mich nicht auch noch damit beschäftigen konnte.“

Justus nickte. Dann sprach er verständnisvoll: „Schon gut. Wie gesagt, es ist nichts, was sein muss. Ich bin froh, dass du hier sein willst.“ Sie lächelten sich an.

„Darf ich dich umarmen?“, fragte Peter. Justus war so froh, dass auch Peter den Wunsch verspürte, sich körperlich näher zu kommen. Sein „Na klar.“ klang deutlich lockerer als er sich fühlte.

Peter schritt auf ihn zu, immer noch mit diesem hinreißenden Lächeln und dann umfingen ihre Arme einander und alles, was Justus tun konnte, war nicht laut aufzuseufzen. Welch eine Wohltat! Das tat einfach gut. Sie hielten sich, schwelgten in dem Gefühl ihrer Nähe, bevor sich Peter mit einem Räuspern und einem kleinen verlegenen Kichern von ihm löste. „Machst du uns jetzt dein köstliches Chili?“, fragte er und sah ihn zart an.

„Hast du dich gerade zum Abendessen eingeladen?“, neckte Justus. Peter erwiderte grinsend: „Der wahre Grund, warum ich hier bin.“ Justus lachte.

Und als sie kurze Zeit später ins Wohnhaus schlenderten, dachte Justus, dass er fast nicht glücklicher sein konnte.

 

??? Drei Jahre und drei Monate n.d.R. ???

Bob fühlte sich beschissen. Das schlechte Gewissen quälte ihn enorm, denn noch immer hatte er Justus keine Antwort gegeben. Eine Antwort, die längst ausstand und zu der er sich immer noch nicht hatte durchringen können.

Inzwischen war es drei Monate her, dass er sie ihm versprochen hatte und jeden Tag, den er weiter ziehen ließ, machte es ihm umso schwerer sich aufzuraffen. Es war ihm nur noch peinlich und unangenehm. Aber er hatte keine Antwort. Noch immer wusste er nicht, ob er sich auf die beiden einlassen konnte. Oder wäre es ihm möglich, erst einmal nur als Detektiv und bester Freund zurückzukehren und allem anderen einfach eine Chance zu geben? Sich erst einmal entwickeln lassen?

Bob war unentschlossen. Er fühlte sich hin und hergerissen zwischen dem Sehnen in seinem Innern und der Zurückhaltung, die ihn zu einem langsameren Tempo ermahnte. Aber was sollte er Justus sagen? Ja, ich komme nach Haus, aber nur, wenn ihr eure Finger bei euch behaltet? Es sei denn, es überkommt mich doch? Er fühlte sich einfach beschissen.

 

??? Dreieinhalb Jahre n.d.R. ???

„Justus!“ Die Stimme seines Onkels drang an sein Ohr, als er auf der Veranda saß und gerade an einem Bericht für Cotta schrieb. Er war fast fertig. „Hilf mir mal beim Verladen.“ „Gleich“, rief er zurück und stieß parallel ein Seufzen aus. Er war gerade so schön in Fahrt. Konzentriert tippte er weiter. Seine Zähne malträtierten seine Unterlippe, er war so im Flow. Er wusste, dass er es gleich hatte.

Noch einige Minuten flogen seine Finger über die Tastatur. Dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Ja!, dachte er nur und klappte den Laptop zu. „Bin unterwegs“, rief er noch.

Der Schrei seines Onkels ließ ihn augenblicklich alles andere vergessen. „Onkel!“, rief er und sprang auf. Er hechtete über den Schrottplatz auf der Suche nach Titus. Hektisch blickten seine Augen umher. Er war nicht beim Pickup, auch nicht in der Freiluftwerkstatt, schnell sah Justus im Lager nach. Auch nicht. Dann erblickte er die geöffnet Tür des Schuppens.

Justus trat ein, suchte alles ab. Seine Augen weiteten sich, als er den Mann am Boden liegen sah, regungslos. „Onkel!“, stieß Justus alarmiert hervor. Er ließ sich neben ihm nieder, sah das zerschmetterte Geschirr und blickte ihn von oben bis unten an. Titus’ Atmung ging nur noch stockend, schmerzerfülltes Wimmern erfüllte die Luft. Titus lebte, aber er sah so blass wie noch nie aus. Seine Augen suchten unstet die Umgebung ab, er war vollkommen desorientiert. „Schon gut, Onkel. Ich rufe einen Krankenwagen.“

Justus fingerte nach seinem Handy, Schweiß rann ihm über den Körper, der trotz der Hitze kalt war. Die Tür des Schuppens öffnete sich etwas weiter. Mathilda kam hinzu. „Was ist passiert?“, fragte sie, ihre Atmung ganz schnell und heftig, sie war gerannt. Sie erblickte Titus und ihre Augen weiteten sich.

„Ich rufe den Notarzt“, informierte Justus sie, die nur noch nicken konnte und sich dann zu ihrem Mann kniete. „Titus!“ Eine Hand streichelte sanft über sein Gesicht. „Hörst du mich?“ Die Lippen seines Onkels zitterten als Antwort. „Was ist passiert? Hast du Schmerzen?“ Wieder nur ein Zittern.

Justus wurde schlecht und er wandte sie Augen ab. Am anderen Ende der Leitung ertönte eine Stimme. Und während Justus der Frau am anderen Ende der Leitung nun alles so genau schilderte wie es ihm möglich war, glitten seine Augen zu seinen Ersatz-Eltern.

Das Gefühl, das sich sein Leben von Grund auf geändert hatte, ließ ihn nicht mehr los. Er betete, dass alles gut ausgehen würde.

??? Dreieinhalb Jahre und vier Tage n.d.R. ???

Peter pfiff ein kleines Liedchen, als er an diesem Abend den Schrottplatz betrat. Er hatte all seine Sachen gepackt und in seinem MG verstaut, der nun vor dem Hoftor parkte. Es hatte länger als angenommen gedauert den Weg von New York hier her zu fahren. Er war müde. Aber er freute sich unendlich endlich zu Justus zu kommen, mit ihm zu reden und dann ihr neues gemeinsames Leben zu beginnen.

Das Licht in dem kleinen vorgelagerten Häuschen brannte noch. War Tante Mathilda noch wach oder hatte sie das Licht brennen lassen? Peter ging darauf zu, klopfte, als er auch schon ein „Ja bitte?“ hörte. Er war verblüfft, dass er Justus’ Stimme vernahm.

Neugierig schob er die Tür auf und erschrak augenblicklich. Justus war blass und sah unfassbar müde aus. Peter trat ein, sein Blick unentwegt auf seinen Freund gerichtet. „Justus“, rief er besorgt. „Was ist los?“

Dieser atmete tief durch, schien sich sammeln zu müssen, denn es bedurfte mehrere tiefer Atemzüge, bevor er leise antwortete: „Onkel Titus liegt im Krankenhaus.“ Petzers Augen weiteten sich vor Entsetzen. „Was ist passiert?“, wollte er alarmiert wissen.

Justus presste die Lippen aufeinander. Peter bemerkte, dass er vollkommen fertig aussah. Er hatte zu wenig geschlafen und wirkte blasser als sonst. „Es war meine Schuld“, sprach er leise und riss Peter aus seinen Beobachtungen. „Ich schrieb gerade einen Abschlussbericht für Cotta fertig. Er rief mich, weil er Hilfe brauchte. Es dauerte noch ein paar Minuten, bis ich soweit war. Aber es war zu spät. Er hatte ohne mich angefangen. Und als ich gerade dazu stoßen wollte, höre ich seinen Schrei.“

Justus schüttelte den Kopf. „Er stürzte, als er gerade eine Kiste mit Geschirr trug. Er fiel so unglücklich, dass er sich den linken Oberschenkel und das linke Handgelenk gebrochen hat. Die Ärzte konnten ihn operieren. Es war ein komplizierter Bruch am Handgelenk. Im Moment erholt er sich und die Prognosen sind gut, doch er wird sehr wahrscheinlich die schwere Arbeit auf dem Schrottplatz nicht mehr machen können.“

Peter sah ihn fassungslos an. Das waren heftige Nachrichten. „Wann ist das denn passiert?“, wollte er wissen. Justus zögerte einen Moment, blickte ihn kurz an, dann wieder auf die Dokumente vor ihm. "Vor vier Tagen.“

„Vor vier Tagen?“, wiederholte Peter fassungslos. „Warum hast du nichts gesagt?“ Justus blickte zu ihm auf. „Du hattest dein Finalspiel. Ich wollte, dass du dich vollkommen konzentrieren kannst.“ Er schnaufte regelrecht. „Und wenn ich mir das Ergebnis anschaue, war es die richtige Entscheidung.“

Ja, natürlich. Sie hatten die Meisterschaften gewonnen. Der glorreiche Abschluss seiner kurzen, aber überaus erfolgreichen Karriere im Profisport. Trotzdem war Peter fassungslos. „Du Narr!“, rief er aufgebracht und liebevoll zugleich.

Doch dann gewann seine Anteilnahme wieder Überhand. „Und warum bist du dann hier und nicht bei deinem Onkel?“ Er deute in dem kleinen Häuschen umher.

Justus fuhr sich durchs Gesicht, während ihm ein schwerer Seufzer entkam. „Mathilda ist bei ihm. Also kümmere ich mich um die Geschäfte und mache mich mit allem vertraut, arbeite mich ein. Auch wenn mir Buchhaltung nicht liegt…“ Er raufte sich kurz durch die Haare. Sie waren länger geworden, stellte Peter fest.

Justus’ Schultern hoben sich in einem schweren Atemzug. „Ich…“, setzte er an, seine Stimme so leise, das Peter näher kam, um ihn zu verstehen. Er stand direkt vor seinem Freund. Der sprach: "Ich hätte nie gedacht, dass es so bald geschehen würde.“ Seine Hände lagen in seinem Schoß, zuerst locker, doch dann krampften sie sich zusammen.

„Ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll. Und jetzt…“ Er stockte, seine Stimme wurde noch leiser, klang hoffnungslos und verzweifelt: „…muss ich mich allein um alles kümmern.“

Peter legte sofort eine Hand auf seine Schulter. „Nein, Justus…“, widersprach er und sein Freund blickte fragend und verzweifelt zu ihm auf. Liebevoll sprach Peter: „Nicht allein.“ Zuversichtlich schenkte er seinem verzweifelten Freund einen warmen Blick.

Noch nie war Justus vor seinen Augen in Tränen ausgebrochen. Und als er es jetzt tat, beugte Peter sich nach vorne und schloss den ausgelaugten Freund in die Arme. Sie waren nicht mehr allein.

???

Am nächsten Morgen war Peter besonders früh aufgestanden und hinunter in die Küche marschiert. Er wollte Justus ein Frühstück machen, damit dieser auf andere Gedanken kam und sich nicht mehr so allein fühlte. Es war das Wenigste, was er tun konnte.

Also holte er Eier und Speck aus dem Kühlschrank, fand Toastbrot und noch einige frische Orangen, die er entsaften wollte. Ja, das würde eine schöne Überraschung geben.

Leider war Peter in solchen Dingen denkbar unbegabt. Nach zwanzig Minuten stank es nach verbranntem Toast, die Spiegeleier waren zu Rührei geworden, der Speck sah nach Schuhsohle aus und bis auf ein bisschen Saft waren nur Schalen von den saftigen Früchten übrig.

Fluchend holte Peter die Pfanne vom Herd, in der gerade ein Stück Speck die Farbe von Holzkohle angenommen hatte. „Verdammt“, fauchte er.

„Was wird das denn?“ Justus’ Stimme ließ ihn sich umwenden. Peter sah ihn bedröppelt an. „Es sollte ein Frühstück für dich werden“, nuschelte er beschämt. Er war enttäuscht von sich selbst.

Peter hatte Schelte oder gar eine Belehrung erwartet, doch alles, was Justus tat, war ihn anzulächeln. Peters Herz machte einen Hüpfer. Dann sprach sein Freund: „Ich danke dir.“ Es klang so aufrichtig, dass sich Widerstand in Peter regte. „Aber…“, setzte er an und deutete zu dem Desaster in der Küche.

„Die Geste zählt“, sprach Justus sanft und trat dann auf ihn zu. „Und jetzt gib mal her, mal sehen, was ich davon noch retten kann.“ Er nahm Peter den Pfannenwender aus der Hand. Mit gekonnten Bewegungen fischte er alles Angebrannte heraus und begann den Inhalt von Neuem zu braten.

Einige Momente später fragte er leicht spöttelnd: „Schaffst du es einen genießbaren Kaffee zu kochen?“ „Haha!“, meinte Peter angegriffen und verzog beleidigt den Mund. Justus schmunzelte ihn an. „Dann mach uns Kaffee und ich freue mich.“ Nun strahlte Peter. „Abgemacht“, rief er voller Tatendrang und wagte sich an die Kaffeemaschine.

Zehn Minuten später saßen sie am Küchentisch und Peter staunte, dass Justus aus seinem kläglich gescheiterten Versuch tatsächlich noch eine Mahlzeit gezaubert hatte, die überaus genießbar war. Bewundernd bedachte er Justus mit einem Blick. Der schmauste gerade drauf los, dennoch sah er immer noch blasser aus als gewöhnlich.

Peter dachte an alles, was sein Freund im Moment zu verkraften hatte. Er wollte ihm so gut es ging helfen. „Lass uns einen Plan machen“, sprach Peter mit vollem Mund. Als Justus fragte aufsah, griff er zum Kaffee und spülte die Reste in seinem Mund hinunter, dann äußerte er: „Im Moment ist Titus noch im Krankenhaus. Das ist doch die beste Zeit, um zu planen, wie es weiter gehen soll. Wenn Mathilda zurück ist, können wir alles mit ihr besprechen. Und dann setzen wir das um.“

Zuversichtlich blickte er seinen Freund an. Dessen Blick wurde milde. „Es tut gut, dass du da bist.“ Justus griff nach seiner Hand. Beide spürten die Zärtlichkeit, die sie durchfloss, als sie sich berührten. Doch sagen taten sie nichts. Sie lächelten sich an und konzentrierten sich dann wieder auf ihre Mahlzeit.

Peter atmete lautlos tief durch. Hatte er gerade wirklich Herzklopfen bekommen?

???

Fortsetzung folgt…

Notes:

Geht es nur mir so oder sorgt Peter hier für einen Zuckerschock nach dem anderen? Ich liebe unseren Zweiten! <3 Ihr auch?

Chapter 11: Haus, Hof und Bett

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Es war einige Tage später am frühen Nachmittag. Titus lag noch immer im Krankenhaus und würde in etwa zwei Wochen entlassen werden. Mathilda war inzwischen wieder häufiger zuhause und sehr froh um die Unterstützung der beiden jungen Männer. Selbst Peter bemerkte, dass ihr Titus’ Unfall sehr zugesetzt hatte. Sie lachte weniger und sie schien etwas von ihrem Antrieb verloren zu haben, den sie sonst bei der Führung des Schrottplatzes an den Tag gelegt hatte.

Dennoch kümmerte sie sich weiterhin darum und war gerade im Büro, als die Haustür auf- und zugeschlagen wurde. Peter, der in der Küche am Kühlschrank stand, wandte sich um. Er spürte, dass es Justus nicht gut ging. Der kam wenig später stampfend in die Küche und sah ziemlich fertig aus.

„Was ist los?“, wollte Peter wissen, der ihm auch ohne die Gefühle seines Freundes zu spüren, ansah, dass es etwas im Argen war. „Der Fall.“ Justus schnaufte regelrecht, während er sich in der Küche auf die Eckbank plumpsen ließ.

Peter wandte sich zum Kühlschrank und holte seinem Freund und sich selbst eine Limo. „Danke“, lächelte er, als er sie entgegennahm. Aus seiner Umhängetasche holte er eine dicke Mappe. „Einbrecher“, seufzte er. „Das ist schon der fünfte Einbruch innerhalb von drei Wochen und Cotta zieht mich erst jetzt hinzu. Weil ich ja mit Onkel Titus’ Krankenaufenthalt so viel zu tun hätte.“ Er rollte mit den Augen.

„Als wüsste er nicht, dass das für mich kein Grund ist, nicht parallel auch noch in einem Fall zu ermitteln.“ Er prustete lautstark Luft aus seinem Mund und trank dann einen Schluck. „Sowas lenkt mich doch im positiven Sinne ab.“ Dann klopfte er auf die Akte. Sein Blick verfinsterte sich. „Jedesmal kommt der Kerl unbemerkt in die Geschäfte, raubt Geld, Schmuck oder andere Wertsachen, die sich leicht zu Geld machen lassen und verschwindet wieder. Beinahe wie ein Geist.“

Peter gluckste. „Du musst ja ziemlich fertig sein, wenn du schon von Geistern anfängst.“ Justus schoss ihm einen dunklen Blick zu, sagte aber nichts, sondern trank noch etwas. Dann rieb er sich über die Augen und seufzte. Peter bedachte ihn noch für einige Momente mit einem prüfenden Blick. „Geh dich ausruhen, Just. Ich kümmere mich um den Schrottplatz.“

Justus lächelte ihn so warm an, goldene Morgensonne, die über dem Horizont aufging. Dann erhob er sich mit seiner Limo und schleppte sich in sein Zimmer. Peter sah ihm mitfühlend hinterher. Sein Blick fiel auf die Fallakte, die noch auf ihrem Küchentisch lag. Ob er kurz mal…?

Zwei Stunden später

„Just!“ Energisch klopfte Peter gegen seine Tür. Dann stürmte er herein, da er es nicht mehr länger aushielt. „Just“, rief erneut.

„Was ist denn los?“, murmelte der verschlafen und drehte sich in seinem Bett Peter zu. Er blinzelte. „Schlösser. Es sind die Schlösser.“

Justus brummte nur. Dann murmelte er: „Was faselst du?“ Aufgeregt berichtete Peter: „In deinem Fall mit Cotta. Ich habe mal ein bisschen recherchiert und bin…“ Justus setzte sich so abrupt auf, dass Peter stockte. „Du hast was?“, fragte Justus gespielt entsetzt, musste dann aber schmunzeln. Er sah zu Peter auf. „Blödmann“, lachte Peter.

Dann konzentrierte er sich wieder. „Also, mir ist aufgefallen, dass die Einbrüche immer bei Türen geschahen, die vor 1991 eingebaut wurden. Also habe ich nachgeforscht und rausgekriegt, dass diese Scharnierschlösser nur mittels eines Spezialwerkzeugs geknackt werden können. Und dieses kriegt man nur in ganz wenigen Läden.“ Peters Stimme wurde immer schneller, weil er so stolz auf seine Entdeckung war.

„Das bedeutet, dass unser Einbrecher Kenntnisse von diesem Schloss haben muss und zudem ein solches Werkzeug gekauft haben muss. Und das grenzt den Kreis der Verdächtigen gewaltig ein.“ „Mensch, Peter!“ Justus schrie ihn fast an und sprang aus dem Bett.

Dann hatte er ihn bei den Schultern gepackt und zu sich gezogen. Der direkte Körperkontakt, so plötzlich initiiert, während Justus noch warm vom Schlafen war, war unglaublich. Strahlende Sommersonne ergoss sich über Peter, hüllte ihn ein und machte ihn glücklich. Justus zu umarmen, war wunderbar. Seine Arme glitten um den breiten Körper, pressten ihn an sich und das Lächeln kam ganz von alleine.

Spätestens jetzt wusste Justus wie gut sich das für Peter anfühlte, wie geborgen und glücklich er sich fühlte. Und noch immer dauerte die Umarmung an. Viel zu lange, um noch als Rechtfertigung für den spontanen Ausbruch freudiger Erregung zu gelten.

Das fiel beiden wohl gleichzeitig auf, denn sie rückten plötzlich voneinander ab. Ein wenig verlegen räusperten sie sich. „Das muss ich Cotta mitteilen“, sprach Justus, sah Peter aber nicht an, der dem Fußboden zunickte.

Sie liefen die Treppe hinunter. „Darf ich mitkommen?“, fragte Peter, als sie den Treppenabsatz erreicht hatte. Justus hielt so abrupt inne, dass Peter beinahe in ihn herein gelaufen wäre. Er wandte sich ihm zu. „Du willst…?“, begann er verblüfft, aber Peter wusste, was er sagen wollte. Er zuckte mit den Schultern. „Zweiter Detektiv“, sagte er dann nur schüchtern.

Das Lächeln explodierte förmlich auf Justus’ Gesicht. „Sehr gerne“, sprach er warm und gemeinsam liefen sie zu Peters MG. Noch während Peter aus der Einfahrt manövrierte, meinte er: „Wir brauchen einen weiteren Mitarbeiter.“ „Hm?“, fragte Justus.

Peter erklärte seine Gedanken: „Na ja, wenn Mathilda nicht da wäre, wäre niemand da, der sich um den Schrottplatz kümmern könnte. Wir suchen ja zur Zeit eine neue Wohnung für die beiden. Mathilda hat durchblicken lassen, dass sie das nutzen möchte, um in den Ruhestand zu gehen.“ Peter holte tief Luft, bevor er weiter ausführte: „Da ich gedenke, öfter bei einem Fall dabei zu sein, sollten wir uns überlegen, ob wir nicht jemanden einstellen, der im Falle unserer Abwesenheit da ist. Sonst gehen uns an manchen Tagen ziemlich viele Kunden durch die Lappen.“

„Stimmt“, meinte Justus und rieb sich übers Kinn. „Ich werde eine Annonce in der Rocky Beach Today schalten.“ Peter schnaubte ein wenig unzufrieden. „Bezüglich der Wohnungssuche für Onkel und Tante hat das aber bisher nicht so viel gebracht.“ Justus seufzte. „Kann ja keiner ahnen, dass es so schwer ist für zwei ältere Menschen was Ebenerdiges zu finden, das halbwegs bezahlbar ist.“

Wenige Minuten später erklommen sie die Treppen in den ersten Stock des Rocky Beach Police Department, um zu Cottas Büro zu gelangen. „Justus! Und Peter!“ Cotta sah sie verblüfft an, als sie auf sein „Herein“ hin eingetreten waren. „Das ist ja mal ein seltener Anblick. Zwei der drei Fragezeichen. Was gibt es denn?“

„Peter ist genial“, begann Justus und der Zweite Detektiv spürte, wie seine Wangen warm wurden. So deutliches Lob hatte er selten bekommen. Justus berichtete Cotta im ausreichenden Maße von Peters Entdeckung. Der Inspektor war so angetan wie es Justus war. „Das ist der Durchbruch!“, rief er energetisch und schlug mit der Faust in seine Handfläche. „Ich prüfe direkt, wo er sich das Werkzeug besorgt haben könnte und dann haben wir ihn.“ „Richtig“, bestätigte Justus mit Feuereifer. „Gut, dann lasst uns dem mal auf den Grund gehen.“

Zwei Stunden später hatte die Polizei das Wohnhaus umstellt, in der sich ihr Täter aufhielt. Jetzt galt es nur noch den Verdächtigen herauszulocken und am besten direkt zu überführen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Diebesgut hier versteckt war, war groß.

Cotta und Justus betraten das Gebäude und Peter verschränkte mit leicht verzogenem Mund die Arme vor der Brust. Cotta hatte ihm befohlen hier zu warten. Da er kein offizieller Berater war, hatte er nichts zu melden. Er schnaubte kurz. Er war froh, wenn sie wieder eigene Fälle hatten und vollkommen gleichberechtigt waren - Cotta hin oder her.

Peter beobachtete das Wohnhaus ganz genau. Es war ein Gebäude mit mehreren Parteien, zehn wenn Peter richtig gezählt hatte. Er lief ein wenig an der Straße auf und ab, besah sich die Umgebung und beäugte immer wieder das Haus. Er empfing von Justus eine leichte Aufregung und Freude, die nur all zu deutlich davon herrührten, dass er kurz davor war, einen Verdächtigen zu stellen.

Peter hielt inne. Eine Bewegung an einem der Fenster im zweiten Stock lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Da kletterte jemand. Peter begriff: Der Verdächtige hatte den Braten gerochen.

Sofort bewegte sich Peter so unauffällig in seine Richtung wie möglich. Wenn er zu schnell sichtbar wurde, würde er den Verdächtigen zu einer alternativen Fluchtroute zwingen. Wenn er erst eimal auf dem Boden ankam, würde Peter ihn leichter schnappen können. Und so schlich er sich an.

Der Mann landete und Peter schoss vor. Doch der sah ihn und rannte los. „Den schnapp ich mir“, keuchte Peter entschlossen und sprintete hinterher. Verbissen und wild entschlossen folgte er dem erstaunlich flinken Mann. Den würde er nicht entkommen lassen.

Nach weiteren hundert Meter war es soweit. Peter setzte zum Sprung an und riss den keuchenden Mann zu Boden, der mit einem Schmerzenslaut nieder ging. „Ich hab ihn“, schrie Peter erfreut.

Wenig später waren die Beamten, sowie Cotta und Justus da und nahmen den Mann in Gewahrsam. Peter fühlte sich reichlich stolz. So äußerte er ein wenig pathetisch: „Wenn es doch nur mit allen Dingen so einfach wäre.“

Cotta sah ihn amüsiert an. „Was ist denn schwieriger als Verbrecher zu fangen?“ Peters Mund entwich ein kleines Stöhnen. „Ach, wir suchen eine Bleibe für Onkel Titus und Tante Mathilda. Es sollte in Rocky Beach sein, ebenerdig und nicht zu groß. Und im besten Fall mit einem kleinen Schuppen. Aber was Just sich bisher angeschaut hat, war alles nicht zu gebrauchen. Entweder zu klein, zu groß oder zu teuer.“

Cotta rieb sich über das nur mäßig gut rasierte Kinn. „Hm, bei mir in der Nachbarschaft gibt es einen Bungalow, der kürzlich frei geworden ist. Ein Schuppen ist nicht dabei, aber eine große Doppelgarage.“ Peter sah begeistert von ihm zu Justus. „Das klingt doch super, oder Just?“ Der nickte. „Das klingt in der Tat vielversprechend.“ Er wandte sich an Cotta. „Könntest du uns die Adresse geben?“

„Ach was, ich stelle euch vor. Vielleicht hilft das ja bei der Entscheidung“, bot der an. Justus sah ihn mit einem sanften Blick an. „Danke dir.“

???

Der Zwerg verlässt die New York Knicks

Beinahe vier Jahre lang wurde das New Yorker Profiteam durch seinen Zwerg, Peter Shaw, maßgeblich geformt und beeinflusst. Daher kam es umso überraschender, dass uns heute das PR-Team der Mannschaft mitteilte, dass Peter Shaw seinen Vertrag bei den Knicks beendet hat und offenbar komplett aus dem Profisport ausgeschieden ist.

Anfragen nach Interviews wurden abgelehnt, offenbar hält sich der ehemalige Knicks-Profi schon nicht mehr in New York auf. Gerüchten zufolge soll er nach Rocky Beach (einem kalifornischen Küstenstädtchen unweit von Santa Monica) zurückgekehrt sein, um dort den Gebrauchtwagenhandel T. Jonas zu unterstützen.

Was ihn zu dieser Entscheidung bewogen haben mag, können wir uns wahrlich nicht erklären. Was auch immer der fünfundzwanzigjährige Shootingstar dort will, wir danken ihm von Herzen für vier tolle Jahre für den New Yorker Basketball und wünschen ihm für seine Zukunft alles Gute.

Bob las diesen Artikel. Mit jedem Wort mehr fühlte er sich noch beschissener. Und dabei hatte sein schlechtes Gewissen doch eh schon einen neuen Höchstwert erreicht. Peter hatte sich entschieden, hatte den Schritt, der sicherlich auch für ihn nicht einfach war, gewagt, und war zurückgekehrt.

Und Bob? Er wurde von seinem schlechten Gewissen zerfressen. Er hatte es versprochen. Er hatte seinem besten Freund ins Gesicht gesehen und ihm versprochen eine Antwort zu geben. Und Bob wollte es. Er wollte es wirklich. Und doch hatte er sich bisher nicht dazu aufraffen können. Warum wurde so etwas auch immer schwerer, je länger man es aufschob?

Es stand so viel auf dem Spiel. Er hatte das Gefühl, dass es kein Zurück mehr gab. Wenn er diesem Angebot zustimmte, dann war das eine Entscheidung fürs Leben. Wollte er das?

Andererseits… was hatte er, das ihn davon abhielt? Seine Freiheit. Schöne Freiheit, dachte er schnaubend. Allein in einem Kaff bei miesem Wetter zu hocken, nur für irgendeinen Artikel. Ja, die Arbeit würde ihm nicht so fehlen, wie man vielleicht annehmen konnte.

Aber da war ja immer noch die Sache mit der Beziehung. Würde er es schaffen, nur ihr Freund zu sein? Wollte er denn nur ihr Freund sein? Es lief immer wieder auf diese eine Frage hinaus. Die Antwort kannte Bob tief in seinem Herzen, aber er war noch nicht bereit auf sie zu hören.

Er war schließlich hier, um seinen Job zu machen. Und darauf sollte er sich konzentrieren.

???

Cottas Unterstützung half tatsächlich. Sie bekamen wenige Tage später die Möglichkeit den Bungalow zu besichtigen. Nach der ersten Begutachtung war Justus ganz angetan. Titus sollte in einer Woche aus dem Krankenhaus entlassen werden. Als Justus schließlich seiner Tante von seiner Idee berichtete und sie sich daraufhin den Bungalow ansah, ging alles plötzlich ganz schnell.

Kurzentschlossen entschied Mathilda den Bungalow zu kaufen und bat Justus und Peter ihr beim Umzug zu helfen. So waren die drei in der nächsten Woche ununterbrochen beschäftigt. Der Bungalow, in den Mathilda und Titus ziehen würden, war zwar mit seinen achtzig Quadratmetern nur etwa knapp halb so groß, wie das Haus, das sie bisher bewohnt hatten, und dennoch gab es unglaublich viel zu packen und auch wieder auszuräumen. Zumal sie viele ihrer Möbel mitnehmen wollten.

Aber schlussendlich war alles am Vorabend, bevor Titus aus dem Krankenhaus kommen sollte, fertig. Fertig waren auch Peter und Justus, als sie an diesem Abend nach Hause kamen, wo es nun deutlich leerer aussah. „Wir brauchen neuen Möbel“, ächzte Peter, als er sich auf die Eckbank in der Küche niederließ, die ihnen noch geblieben war.

„Immerhin haben wir noch eine Küche und unsere Betten“, scherzte Peter. Justus lief noch zum Kühlschrank und holte ihnen Wasser. Dann ließ auch er sich auf die Bank neben Peter plumpsen. Einige Momente herrschte Schweigen, während sie das kühle Nass genossen, das mehr als willkommen war nach der Schufterei der vergangenen Tage.

Peter blickte sich um. „In den nächsten Tagen können wir dieses Haus so einrichten, wie wir es brauchen“, stellte er fest. Justus schnaufte. „Das klingt lohnenswert, aber auch echt anstrengend.“ Das brachte Peter zum Lachen. Justus meinte nur: „Aber heute werde wir rein gar nichts mehr machen.“ „Der beste Vorschlag des Tages“, rief Peter. Er ließ seinen Blick müde durch die Küche gleiten, als dieser am Kühlschrank hängen blieb. „Wollen wir uns Pizza bestellen?“, fragte er, dessen Augen an den Lieferdienstzetteln hängen geblieben waren. „Das ist der beste Vorschlag des Tages“, rief Justus inbrünstig und Peter lachte.

Sie bewegten sich nur noch so viel wie es nötig war: Peter holte den Zettel und Justus fingerte sein Handy aus der Hosentasche. Nach Aufgabe ihrer Bestellung saßen sie einfach nur herum und warteten auf ihr Essen. Justus trank und dachte nach, Peter blätterte, immer wieder amüsiert grunzend, in einer von Tante Mathildas Frauenzeitschriften, die noch auf dem Esstisch gelegen hatten.

Als es klingelte, fochten sie ein kleines Blickduell aus. „Ich deck den Tisch“, bot Peter an und Justus gab sich geschlagen. Kurz darauf saßen sie am Tisch, Pizza direkt vor ihnen und hauten ordentlich rein. Eine ganze Zeit lang war nichts zu hören als ihr Schmausen und hin und wieder genussvollen Lauten wie sie nur ein leckeres Essen hervorrufen konnte.

Peter war gerade bei seinem letzten Stück angekommen, als es passierte: Oliven, Tomate und Spinat kippte ihm von der Pizza aufs weiße Shirt. „Mist“, fluchte er, sammelte den Kram ein, bevor er weiter auf seine Hose plumpsen konnte.

Kurz entschlossen zog er sich das Shirt über den Kopf. „Muss eh in die Wäsche“, murmelte er und warf es in eine Ecke. Auch wenn sein Unterhemd nicht mehr das neuste war, war es doch eines seiner liebsten. Er aß sein Stück fertig und blickte zu Justus. Mitten im Kauen hielt er inne.

Dessen Blick klebte an seinem Oberarm. Peter schaute hinunter. Hatte er da was hängen? Ne, das war nur sein Bizeps, der leicht angespannt war, weil er die Hände hochhielt. Er sah wieder hoch zu Justus, dessen Augen huschten schlagartig zu seinen, dann verlegen nach unten.

Oh!, dachte Peter nur, als ihm klar wurde, was das einsetzende Gefühl der Aufregung zu bedeuten hatte. Justus war verlegen, er hatte… ihm auf den Arm gestarrt! Er mochte es, wurde Peter schlagartig klar. Er mochte seinen Oberarm? Es war eine Tatsache mit der Peter nicht umzugehen wusste.

Plötzlich stockte ihm der Atem. Eine Hand mit vorsichtig tastenden Finger war über seinem Ellbogen. Peter schluckte den letzten Rest seiner Pizza umständlich hinunter. Justus’ Hand streichelte an seinem nackten Oberarm empor. Oh verdammt!

Wie konnte sich eine so harmlose Berührung so gut anfühlen? Justus’ Hände waren warm und so vorsichtig, dass es ihn überall kribbelte. Und dann legte sich die ganze Hand auf seinen Arm, umfasste ihn und drückte leicht.

Unwillkürlich spannte Peter den Muskel an. Es folgte ein sehr gedehnter Atemzug, der Peters Blick auf Justus’ Mund lenkte, der leicht geöffnet war. Seine Augen hingen immer noch an seinem Oberarm, setzten ihre Massage fort, die so unfassbar prickelnd und von einer unterschwelligen Erotik war, dass nun auch Peter seinen Mund leicht öffnen musste, um dem schweren Atemzug, der sich in der Lunge gesammelt hatte, entweichen zu lassen.

Seine Hände sanken hinab, legte sich auf den Tisch nieder und brachte damit seine eine Hand in die Nähe von Justus’ anderer Hand. Er griff zu, ohne jemals die Entscheidung getroffen zu haben, berührte mit sanften Fingerspitzen die andere Hand.

Ihre Blicke trafen sich, dann schauten beide wieder weg, plötzlich sehr konzentriert auf ihr jeweiliges Tun. Das Kribbeln in Peters Körper wurde immer stärker, die erotische Note wurde immer schwerer und damit auch die Leidenschaft, die in Peter wuchs. Er versuchte so ruhig es ging zu atmen, doch es war schwer, da es schien als wären all seine Nervenenden zum Zerreißen gespannt.

Wenn das noch lange andauern würde, konnte er für nichts mehr garantieren. Er musste… er brauchte einen klaren Kopf. Er war übermüdet, total erschöpft und hochgradig erregt. Er zog seine Hand zurück. „Ich muss schlafen“, presste er heraus.

Es war der Moment, als auch Justus plötzlich innehielt und dann seine Hand zurückzog. „Ich auch“, sprach er nach einem Schlucken.

Sie blickten sich nicht in die Augen, wussten beide sowieso, dass sie verlegen waren. Es war beinahe beruhigend zu wissen, dass sie damit nicht allein waren.

Peter putzte sich schnell die Zähne, wusch sich das Gesicht und versuchte sich zu beruhigen. Doch als er schließlich allein in seinem Bett lag, spielte sich die Szene immer wieder vor seinem inneren Auge ab. Wieder und wieder sah er es. Wieder und wieder spürte er es.

Und jetzt, hier, ließ er es zu. Er war so erregt. Und all das nur, weil er mit Justus gegessen hatte. Das sollte doch eigentlich ein harmloser Akt sein. Und dennoch lag er nun hier im Bett, hatte eine Latte, weil er mit Justus eine Pizza gegessen und sich bekleckert hatte. Es hatte ihn unleugbar angemacht, was da gewesen war. Er wollte diese Nähe, er wollte…

Peter raufte sich die Haare. Nun war er geil und Justus wusste es. Er spürte es und Peter… er konnte sich nicht mehr beherrschen. Er hatte sich eben beherrscht, doch damit war jetzt Schluss. Bevor er diesen Gedanken fertig gedacht hatte, war seine Hand bereits in seiner Hose.

Es war ein glorreiches Gefühl die eigene Härte zu spüren. Zügig fuhr er an ihr auf und ab, er hatte heute keine Geduld; hatte eben schon so viel Zurückhaltung beweisen müssen, dass er nun keine mehr hatte. Er wollte einfach nur diesem herrlichen Gefühl in seinem Innern nachgeben. Und das tat er, ungehemmt und lustvoll.

Es dauerte nicht lange und Bob reagierte. Das tat er immer. Es war ein Geheimnis, das keines war. Sie hatten nie darüber gesprochen. Aber Peter wusste es seit dem Tag in der Hütte, dass Bob angeturnt wurde von seinen Aktivitäten. Sie hatten es jahrelang getan, hatten es nie erwähnt, taten es weiterhin. So auch jetzt.

Die Lust, die er von seinem Freund empfing, ließ ihn atemlos werden. Bobs Erregung rauschte durch seinen Körper als wäre es seine eigene. Und dazu kam noch das Wissen, dass Justus wissen musste, warum er so erregt war und gleichzeitig Bob mit diesem Feuer in seinem Innern angesteckt hatte, war wie Öl für das Feuer seiner Leidenschaft.

Peter wollte sich nicht mehr verstecken, er wollte, dass beide wussten, wie sehr er für sie brannte. Und so ließ Peter seinen Empfindungen freien Lauf, berührte sich hemmungslos und dachte dabei an Justus und Bob.

Und als er schließlich seinen Höhepunkt erreichte, war alles, was er tun konnte, um nicht laut aufzuschreien, sein Gesicht in sein Kissen zu pressen und so seine ekstatischen Laute zu dämpfen.

???

Am nächsten Morgen wäre Peter vor Scham am liebsten im Erboden versunken. Was ihn da gestern Nacht überfallen hatte, war bei Tageslicht nicht mehr zu erklären. Er hatte Hand an sich selbst gelegt und das nur, weil der Abend mit Justus ihn auf eine Art und Weise stimuliert hatte, die nicht zu begreifen war.

Sie hatten doch nur Pizza gegessen, verdammt. Und da hatte er sich verhalten wie eine räudige Hündin verhalten. Peter raufte sich die Haare.

Er würde es so machen wie alles, was ihre besondere Verbindung in den letzten Jahren betraf: Es nicht mehr erwähnen. Diesen Entschluss gefasst traute er sich aus seinem Zimmer. Er würde jetzt einen Kaffee trinken und nicht mehr daran denken.

Justus war draußen, denn er hörte die Kreissäge. Es beruhigte ihn ein wenig, dass er einer morgendlichen Konfrontation so aus dem Weg gehen konnte. Er setzte den Kaffee auf, maß genug Pulver ab und goss Wasser in die alte Maschine, die Mathilda ihnen gelassen hatte. Röhrend kochte das Gerät den Kaffee und Peter holte zwei Becher aus dem Schrank und etwas Milch und Zucker für sich.

Während er wartete, naschte er einen Rest Kuchen aus dem Kühlschrank - es war eine Wohltat. Er hatte so lange streng auf seine Ernährung geachtet, dass es gut tat, hin und wieder mal was Verrücktes zu tun. Sobald Justus wieder im Haus war, würde er eh laufen gehen.

Der Kaffee war fertig und Peter goss eine Tasse für sich und eine für Justus ein. Dann lehnte er sich an die Küchenzeile, aß den Kuchen fertig und trank ganz in Ruhe seinen Kaffee. Doch war diese Beschaulichkeit nur von kurzer Dauer, denn wenige Minuten später wäre Peter fast der Becher aus der Hand gefallen.

Justus war reingekommen, nur mit einem schwarzen Unterhemd über der dunklen Jeans bekleidet, er schwitzte, seine Haare standen wild in alle Richtungen und Peter bekam zum ersten Mal leibhaftig zu sehen, wie trainiert Justus Jonas geworden war.

Er hatte immer noch seinen Bauch, seine Hüften und Beine waren breiter als bei anderen Männern, aber noch breiter war sein Kreuz, seine Arme waren unglaublich muskulös und Peter, der bisher nicht hätte sagen können, welcher Typ Mann ihm gefiel, wusste, dass Justus ihm definitiv gefiel.

„Morgen“, meinte Justus. „Ähm…“ Peter stotterte. Verdammt, er stotterte. „Ich habe Kaffee gemacht“, sagte er unnötiger weise. „Möchtest du?“ Peter griff nach dem Becher, brauchte noch etwas, an dem er sich festhalten konnte. Dann streckte er ihn Justus hin. „Gerne. Ich muss aber schnell unter die Dusche.“

Justus kam auf ihn zu und obwohl er ein Stückchen kleiner war als Peter, kam er sich trotzdem winzig vor, als Justus auf ihn zutrat. Er nahm ihm den zweiten Becher aus der Hand, ihre Blicke unentwegt verbunden. „Danke“, sprach er, seine Stimme leise, tiefer und Peter schluckte. „Gerne.“

Sein Blick huschte zu Justus’ Lippen, an welche der nun den Kaffeebecher führte. Dann sah er ihm wieder in die Augen. Die Spannung zwischen ihnen war kaum noch auszuhalten.

„Au“, fluchte Peter und zuckte zurück. Er hatte sich Kaffee auf den Fuß geschüttet. Schnell stellte er die Tasse hinter sich ab und hielt den Fuß ins Waschbecken. „Willst du nicht lieber unter die Dusche?“ Peter hielt mitten im Abspülen seines Fußes inne. Er hörte ein Räuspern, es klang verlegen. Offenbar hatte Justus nicht bemerkt, dass es wie ein Einladung geklungen hatte ihm unter die Dusche zu folgen. „Ich mach später Frühstück“, hörte er ihn sagen.

Als Peter sich umwandte, sah er nur noch, wie Justus aus der Küche entschwand. Tief durchatmend holte er seinen Fuß aus der Spüle, trocknete ihn ab und versuchte derweil seine Atmung unter Kontrolle zu kriegen. Oh man, die Luft war aber mal wieder stickig geworden.

???

Eine halbe Stunde später

Das Telefon klingelte. „Justus, wir müssen los“, meinte Peter. „Moment noch.“ Der Zweite Detektiv seufzte und hielt im Türrahmen inne. Er wusste ja, dass Justus selten dem Klingeln des Telefons widerstehen konnte. Es wäre ja denkbar, dass sich ein neuer Fall abzeichnet.

Justus nahm ab. Bevor er etwas sagen konnte, erkundigte sich eine junge, eindeutig aufgeregte weibliche Stimme: „Hallo, spreche ich mit Justus Jonas?“ „Ja, das tun Sie.“ „Ich rufe wegen der Anzeige für eine Servicekraft an.“ „Sie haben Interesse daran?“, schloss Justus.

„Ja. Arbeitet denn auch Peter Shaw bei Ihnen?“ „Ähm… ja.“, äußerte Justus ein wenig irritiert. „Oh wie toll! Er war mein absoluter Liebling bei den Knicks. Hoffentlich kann ich mich dann aufs Verkaufen konzentrieren. Haben Sie dessen Würfe gesehen? Und dabei diese Figur. Wissen Sie, was ich meine?“

„Ich verstehe voll und ganz“, gab Justus kurz angebunden zurück. „Leider ist die Stelle schon besetzt.“ „Oh, das ist aber schade“, tönte es aus der Leitung. „Ja, leider nicht zu ändern. Wiederhören.“ Justus legte auf, sein Blutdruck war höher als normal.

„Wer war das?“ Peters Stimme drang zu ihm und mit einem Schnauben wandte Justus sich ihm zu. „Einer deiner größten Fans. Und sie wollte hier arbeiten.“ Peter lachte. „Und die Stelle ist also schon besetzt?“ „Ich kann niemanden hier gebrauchen, der die Arbeit liegen lässt und dich stundenlang anschmachtet.“

„So wie du?“, fragte Peter keck. Justus funkelte ihn an. „Ich lasse keine Arbeit liegen“, antwortete Justus pikiert. Beiden war bewusst, dass er den zweiten Teil der Aussage nicht negierte. Energisch sprach Justus: „Lass uns losfahren. Onkel und Tante warten.“

Peter grinste die gesamte Fahrt bis zum Memorial Hospital, wo Onkel Titus heute entlassen wurde. Der Mann sah deutlich besser aus, stellte Peter fest. Aber er war noch gebrechlich und stützte sich auf einen Stock. Doch sein Lächeln sprach eine andere Sprache. Man sah ihm deutlich an, dass er sich freute, endlich das Krankenhaus zu verlassen.

Mathilda wuselte geschäftig um ihn herum und war kaum zu beruhigen, als sie nun zum alten Pickup liefen und einsteigen, um das neue Zuhause der beiden aufzusuchen. Mathilda schwatzte unentwegt und erklärte Titus bis ins kleinste Details, was ihn erwartete. Titus hingegen lächelte stumm vor sich hin, betrachtete Mathilda mit leuchtenden Augen und Peter, der immer wieder in den Rückspiegel zu den beiden schaute, wurde bewusst, dass Titus Blick der eines Verliebten war.

Der kleine Bungalow, den sie schließlich erreichten, lag in direkter Nachbarschaft zu Seven Pines, einer etwas gehobeneren Wohnsiedlung außerhalb von Rocky Beach. Sie parkten in der Einfahrt vor zwei Doppelgaragen, die Titus mit wachsamen Augen musterten.

Peter sah sich erneut um. Er hatte in den letzten Tagen, als sie hier nonstop gearbeitet hatten, keine Zeit gehabt um sich wirklich umzusehen. Jetzt stellte Peter fest, es schön hier war. Die vielen Bungalows hatten jeder ein eigenes Gelände mit Garten, die von Hecken umgeben waren. Viele Sträucher und Bäume wuchsen hier, die ausreichend Schatten auf die Flachdächer spendeten.

Zufrieden blickte Titus sich auch um. „Es ist sehr schön hier“, sprach er. „Warte bis du innen alles siehst“, rief Mathilda und führte sie hinein. Von einem Flur aus waren Küche, Wohnzimmer, Schlafzimmer und Bad gut zu erreichen. Alles war groß genug und es gab über das Wohnzimmer einen breiten Zugang auf eine tolle Veranda, die in einem herrlichen Garten lag.

Dort ließen sie sich nun auch nieder, während Mathilda Kuchen und Getränke auftischte. Titus lachte. „Aber es ist doch erst Vormittag.“ „Egal“, meinte sie. „Deine Heimkehr muss gefeiert werden.“ Gut gelaunt machten sie sich über den Kuchen her, der wie immer hervorragend war. Titus fragte an Justus gewandt: „Kommt ihr denn auf dem Schrottplatz zurecht?“

Justus nickte, während er noch ein Stück Kuchen verspeiste und dann zu einer Antwort ansetzte. „Ja. Peter und ich haben zwar alle Hände voll zu tun, aber wir suchen auch noch nach einer weiteren Kraft, die uns unterstützt.“ „Da bin ich froh“, sagte sein Onkel und sah ihn warm an.

„Ich auch“, sprach mit einem Mal Mathilda. „Ich habe mich entschlossen mit meinem Mann in den Ruhestand zu gehen. Ich kann euch gerne ab und zu aushelfen“, sagte sie. „Aber ich möchte meinen Lebensabend mit Titus genießen.“ Sie blickte ihn liebevoll an und griff nach seiner Hand.

„Wir haben genug angespart, um uns das leisten zu können. Und wenn mir die letzten Wochen eins gezeigt haben, dann dass das Leben zu kurz ist, um immer nur zu arbeiten. Wir waren seit fünf Jahren nicht mal mehr im Urlaub. Das möchte ich ändern.“ Der Blickkontakt der beiden war so intensiv wie liebevoll. Beide waren inzwischen Anfang sechzig, hatten ihr Leben lang geschuftet und Justus gönnte es ihnen von Herzen. Und Peter auch.

Nach einer weiteren halben Stunde leichter Konversation verabschiedeten sich die beiden Detektive, schließlich hatten sie noch niemanden, der in ihrer Abwesenheit auf den Schrottplatz aufpasste und so mussten sie zurück - was niemand besser verstand als Mathilda und Titus.

Justus und Peter hatten ihr Zuhause gerade betreten, als schon das Telefon klingelte. Peter ging ran, während Justus im Flur stehen blieb. „Peter Shaw vom Gebrauchtwarenhandel T. Jonas.“

„Oh mein Gott! Peter Shaw!“ Die junge, männliche Stimme brüllte so laut, dass Peter erschrocken den Hörer vom Ohr fern hielt und trotzdem alles bestens verstand. „Ich bin so ein Fan. Tim heiße ich. Ich würde so gerne mit dir arbeiten. Ich surfe gerne, mache Karate und reichlich Krafttraining. Daher habe ich entsprechend Muskeln. Die zwei Muskelmänner von Rocky Beach, was meinst du?“

Justus machte eine Kopf-ab-Geste und Peter stimmte ihm mit großen Augen zu. „Tut mir leid, Tim, wir haben schon jemanden für die Stelle.“ „Schade, aber melde dich, wenn ihr mal jemandem zum Anpacken braucht.“ „Gerne“, log der. „Hast du meine Nummer?“, wollte Tim wissen. „Na klar, ich sehe sie ja im Display.“ „Super“, rief Tim und legte auf.

Peter blickte entsetzt zu Justus. „Oh man, ich hoffe, uns erwarten nicht nur so durchgeknallte Anrufer.“ Justus seufzte. „Du hast offenbar auch an der Westküste einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht.“

Peter schnaubte. „Immerhin sind bisher keine LA Lakers Fans dabei. Die wären wahrscheinlich nicht so gut auf mich zu sprechen.“ Justus lachte. „Die Leiden des Champions“, spottete er ein wenig. Peter blickte ihn dunkel an. Erst dann bemerkten sie, dass das Licht des Anrufbeantworters blinkte. Peter drückte die Tasten. „Oh man, wir haben fünf neue Nachrichten.“ Justus’ Augenbrauen huschten hoch. Das kam selten vor.

„Hi, hier ist Susy. Sucht ihr wirklich Verstärkung für euren Schrottplatz? Ich würde gerne mitmachen; bin aber erst vierzehn. Aber ich kann hart anpacken. Meldet euch doch unter folgender Nummer.“ Es piepste und Justus rief sofort: „Auf keinen Fall Minderjährige.“ Peter nickte nur und spielte die nächste Nachricht ab.

„Die zwei Tölpel vom Dienst suchen eine Aushilfstölpel. Was ist denn mit eurem Langweiler? Ist der selbst euch zu langweilig geworden? Würde mich wundern, wenn jemand in eurem Schrottpalast anheuern würde. Wir sehen uns, Luschen.“ „Skinny“, knurrte Justus nur, dann piepste es erneut.

„Guten Tag, ich melde mich wegen der Annonce in der Rocky Beach Today. Mein Name ist Greg Lloyd“, meldete sich ein Mann schätzungsweise Anfang vierzig. Er klang recht vornehm. „Mich würde interessieren, was ihr zahlt und wie viel Urlaub mir zusteht. Ich habe einen gewissen Standard entwickelt, den ich halten möchte, wenn ihr versteht, was ich meine.“ Er lachte und nannte seine Nummer. Peter und Justus hatten gleichermaßen ihre Gesicht verzogen. Sympathisch war was anderes.

„Hi, hier ist Jimmy. Ich bin fünfundzwanzig, arbeite gelegentlich als Aushilfe im Strandcafe und würde mir gerne noch was dazu verdienen. Wäre es möglich, nur stundenweise bei euch zu arbeiten? Ich würde mich freuen, von euch zu hören.“ Jimmy klang sympathisch, aber sie suchten jemanden für eine Vollzeitbeschäftigung.

„Und ein letzter“, meinte Peter und mit einem Piepsen spielte das Gerät die letzte Nachricht ab. „Guten Tag, ich wollte mich erkundigen, ob ihr alte Reklameschilder von vor 1950 vorrätig habt. Meldet euch bitte unter folgender Nummer. Dankeschön.“ Und damit war auch diese Anrufer eine Niete - zumindest was die Suche nach Unterstützung im Verkauf auf ihrem Schrottplatz anging.

Das Licht am Anrufbeantworter blinkte nicht mehr. „Ich mach uns was zu essen“, meinte Justus nur. „Ich zieh mich kurz um. Nach der Aufregung bin ich ganz verschwitzt.“ Justus schmunzelte und lief in die Küche, während Peter hinauf in sein Zimmer ging.

Es waren zehn Minuten vergangen, Justus bereitete gerade ein Mittagessen zu, als das Telefon erneut klingelte. Er lief in den Flur, klemmte es sich ans Ohr und marschierte schnell zurück in die Küche. Das Rührei durfte auf keinen Fall anbrennen. „Justus Jonas“, meldete er sich und rührte in der Pfanne.

Die Stimme eines alten Mannes erklang. „Hier ist Ben Peck.“ „Peters Opa?“, entwich es Justus überrascht. „Kennst du noch einen?“, rief er streitlustig. „Ich melde mich wegen eurem Jo. Ihr bietet doch einen an, oder?“

Justus war so überrascht, dass ihm ein uncharakteristisches Stottern entkam. „Das ist richtig, jedoch denke nicht ich, dass…“ „Es liegt an meinem Alter, oder?“, unterbrach ihn Peters temperamentvoller Opa. „Das ist Altersdiskriminierung“, ereiferte er sich. Gib mir mal Peter“, verlangte er. „Ja, einen Moment.“

Justus wandte sich vom Hörer ab. „Peter!“, rief er. „Telefon für dich.“ Der polterte kurz darauf die Treppe herunter und kam in die Küche. „Wer ist es denn?“, fragte er neugierig und trat zu Justus an den Herd.

„Dein Opa. Schalt auf laut“, murmelte er ihm zu und Peter tat es. „Hallo Opa. Was gibt es denn?“ „Ich will den Job bei euch. Etwas Einkommen um meine Rente aufzubessern, brauche ich immer.“ Peter sah so fassungslos aus, wie Justus sich gefühlt hatte.

Dann stellte der Zweite Detektiv klar: „Opa, wir brauchen jemanden, der hier fünf bis sechsmal in der Woche arbeitet und freundlich die Kunden bedient.“

„Das ist ja richtige Arbeit“, stellte der entsetzt fest. Peter war kurz davor die Augen zu verdrehen. „Genau das steht in der Anzeige.“ „Dann sucht euch mal jemand anderen“, murrte er. „Bis bald, Enkelsohn.“ „Ja, bis bald.“ Dann hatte Ben aufgelegt.

Peter und Justus tauschten einen Blick. Gab es eigentlich noch normale Menschen in ihrem schönen Städtchen? So langsam zweifelte Justus daran.

???

Fortsetzung folgt…

Notes:

Was lernen wir daraus? Pizza essen mit Justus Jonas kann ungeahnte Gefahren mit sich bringen. xD
Ich freue mich auf eure Kommentare. :)

Chapter 12: Ein neues altes Heim

Notes:

Ich war beruflich so eingespannt, dass ich erst heute zum Durchatmen und Posten komme. Puh...
Ich wünsche euch beste Unterhaltung!

Chapter Text

In den nächsten zwei Wochen waren die beiden Detektive damit beschäftigt, das Haus nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Die Küche, das Badezimmer und die Gästetoilette wurden dabei nur oberflächlichen Änderungen unterzogen.

In den Flur jedoch hängte Justus das Ölgemälde, das sie von Samuel Reynolds geerbt hatten. Ein Ehrenplatz für einen Mann, der ihnen allen viel bedeutet hatte.

Justus’ Zimmer blieb als einziges so wie es war. Doch das Wohnzimmer, Peters Zimmer und das ehemalige Schlafzimmer im Erdgeschoss wurden deutlich verändert. Justus war gerade dabei das Wohnzimmer zu streichen, als das Telefon im Flur klingelte. „Peter! Kannst du rangehen?“, rief er. „Kundschaft“, schrie der nur zurück.

Justus seufzte und legte die Malerrolle aus der Hand. Beim vierten Klingeln war er am Apparat. „Ja, Justus Jonas vom Gebrauchtwagenhandel T. Jonas.“ „Guten Tag, hier ist Cotta. Also Caroline Cotta.“

„Miss Cotta“, rief Justus überrascht. „Was können wir für Sie tun?“ „Nun eigentlich würde ich gerne was für euch tun.“

Überrascht fragte Justus zurück: „Und das wäre?“ „Ich habe eure Annonce in der Rocky Beach Today gesehen. Ich würde mich gerne bewerben.“ „Sie möchten…“ Justus fehlten für einige Momente die Worte.

Dann besann er sich. „Kommen Sie gerne vorbei, dann können wir Einzelheiten besprechen.“ „Danke dir. Passt 15 Uhr?“ „Bestens.“ Als Justus aufgelegt hatte, konnte er es kaum glauben. Peter reagierte ebenso überrascht, als Justus ihm kurz darauf von dem Gespräch erzählte, schien aber ganz angetan von der Idee zu sein.

Als sie schließlich einige Stunden später die Schwester des Inspektors auf ihrer Veranda empfingen, waren beide neugierig und interessiert. „Hallo“, grüßte Justus die Frau Ende dreißig freundlich. „Nehmen Sie doch Platz.“ Die Frau mit den grünen Augen ließ sich nieder.

Justus nahm das Gespräch auf. „Wir waren etwas überrascht, dass Sie sich auf unsere Anzeige gemeldet haben. Was hat Sie denn dazu bewogen?“ Caroline fuhr sich durch das lange, schwarze Haar. „Ich bin ehrlich gesagt schon länger in meinem aktuellen Job unzufrieden und auf der Suche nach etwas Neuem. Ich arbeite bei Darcy’s und so gerne ich auch mit Kunden arbeite, die Arbeitszeiten da sind eine Zumutung. Ich habe meist die Schicht von 14-22 Uhr. Das ist mir einfach zu spät. Ich arbeite gerne sechs Tage die Woche, aber diese Uhrzeiten machen mir zu schaffen.“ Sie sah ein wenig bedrückt aus.

„Also habe ich mich nach einem Job umgesehen. Ich möchte gerne weiterhin im Verkauf oder im Service arbeiten. Da sah ich eure Anzeige. Das erschien mir wie ein Wink des Himmels zu sein.“

„Haben Sie denn Ahnung von Gebrauchtwaren?“, wollte Peter wissen. „Nun ja, ich bin eine Frau, die einen Haushalt schmeißt“, gab sie selbstbewusst zurück. „Daher kenne ich mich mit vielen Dingen aus. Und was ich nicht weiß, kann ich lernen. Ein Grund, warum ich diesen Job so gerne haben möchte. Es klingt nach einer spannenden Weiterentwicklungsmöglichkeit.“

„Darf ich nach Ihrem Schulabschluss fragen?“, erkundigte sich Justus. Miss Cotta nickte eifrig und erzählte freimütig: „Ich bin hier in Rocky Beach zur High School gegangen und habe meinen Abschluss gemacht.“ „Und seitdem haben Sie was gemacht?“, hakte Peter nach. „Ich habe erst bei Walmart gearbeitet und bin dann zu Darcy’s gewechselt. Das habe ich nun die letzte zehn Jahre gemacht.“

Justus nickte. „Das klingt schon mal gut. Wären Sie denn auch in der Lage spontan einzuspringen? Wir suchen vor allem jemanden, der auch in den Momenten hier ist, in denen wir wegen Fällen weg sind.“

Miss Cotta grinste schief. „Das bin ich durch meinen Bruder bestens gewohnt“, sprach sie gut gelaunt. „Das sollte sich machen lassen, da ich sonst keine Verpflichtungen habe. Solange es nicht all zu spontan oder zu häufig ist, bin ich gerne bereit dazu. Von daher-“ Ein Bimmeln unterbrach sie. Es war der Alarmton, welcher der Bewegungsmelder von sich gab, den Justus am Eingang des Schrottplatzes montiert hatte. Seit sie damit beschäftigt waren, das Haus zu renovieren, waren sie so sicher, keine Kunden zu verpassen.

„Kundschaft“, rief Peter so auch prompt und erhob sich. „Darf ich mitkommen?“, fragte Miss Cotta direkt. Verblüfft sahen sie die beiden an. „Gerne“, rief Peter dann und nahm Miss Cotta mit.

Zwanzig Minuten später hatte sie mit ihrer freundlichen, zugewandten Art dem Mann, der eigentlich nur eine Lampe haben wollte, auch noch einen Sessel und einen Teppich verkauft. Peter und Justus blickten sich an. Sie kommunizierten schweigend miteinander, dann waren sie sich einig.

„Miss Cotta“, sprach Justus feierlich. „Sie haben den Job.“ Die grünen Augen leuchteten auf. „Oh wie wunderbar. Können wir uns denn dann duzen?“, fragte sie unverblümt. „Das wäre netter.“ „Natürlich“, sprach Justus förmlich und reichte ihr die Hand. Lächelnd schüttelte sie diese, dann Peters. „Wann soll ich anfangen?“

„Welche Kündigungsfristen haben Sie?“, wollte Justus wissen. „Eine Woche.“ „Dann sehen wir uns in einer Woche“, sprach er. Caroline überlegte eifrig: „Wobei ich schneller anfangen könnte, da ich noch Urlaub habe.“

Justus winkte ab. „Gönn dir deinen wohlverdienten Urlaub. Und danach fängst du bei uns ganz entspannt an.“ „Das klingt wunderbar.“ Sie verabschiedeten sich.

Peter wandte sich an Justus. „Ich kann es nicht glauben, dass Cottas Schwester unsere Angestellte ist.“ Justus grinste spitzbübisch. „Wenigstens einen Cotta, den wir herum kommandieren dürfen.“ Lachend liefen sie zurück ins Haus.

???

Mit einem deutlich vernehmbaren Seufzen ließ Justus sich in den Sessel ihres neu eingerichteten Wohnzimmers fallen. Er sah sich um. Der Raum war wirklich nicht mehr wiederzuerkennen. Gewichen war die alte Schrankwand und die altmodische Sofgarnitur, war ersetzt worden durch eine moderne Sofalandschaft, hellen Schränken auf hellgrauem Teppich und einem riesigen Flachbildschirm, der an der Wand hing.

Justus seufzte erneut, legte die Füße auf einen Hocker. Was für eine Schufterei! Zweieinhalb Wochen hatten sie nonstop gearbeitet, um das Haus so einzurichten und umzugestalten, dass es ihren Vorstellungen und Wünschen entsprach. Und dazu hatten sie noch den Schrottplatz zumindest soweit betreut, dass die Kunden, die kamen, bediente werden konnten.

So hatten sie nun das Wohnzimmer und Peters Zimmer neugemacht. Das Gästezimmer war noch eine Baustelle, aber das eilte nicht. Aber auch abgesehen von diesen Zimmern hatten sich viele Kleinigkeiten verändert. Im Bad gab es einen neuen Duschvorhang, neue Handtuchhalter und einen Spiegel. Im Flur waren Postkarten und weitere Bilder neben das Gemälde von Reynolds, aufgehängt worden und in der Küche hatten sie die Oberflächen neu lackiert und neue Handtücher besorgt.

Für Justus, der sein Leben in diesem Haus verbracht hatte, waren die Neuerungen nur alle zu deutlich. Und auch wenn er es mochte, zeigte es ihm doch, dass eine neue Zeit angebrochen war. Justus wohnte nun ohne Onkel und Tante hier, dafür mit Peter. Er hatte nun nicht nur für das Haus, sondern auch für den Schrottplatz die Verantwortung.

Justus streckte sich. Er hörte, wie sich die Badezimmertür im ersten Stock öffnete. Peter kam vom Duschen. Das Poltern auf der Treppe, das kurz darauf ertönte, ließ ihn lächeln. Das war eindeutig Peter. Der lief am Wohnzimmer vorbei in die Küche und kam dann strahlend mit zwei eisgekühlten Eistees in den Raum. Justus sah ihn begeistert an. „Gute Idee, Zweiter“, rief er und Peter streckte ihm das zweite Glas hin.

Dann ließ er sich auf ihr großes Sofa fallen. „Hach“, rief er. „Das war ein guter Kauf“, sprach er begeistert und tappte neben sich auf das Sofa. Er rutschte noch etwas zurück, lag nun ausgestreckt, den Kopf ans Polster gelehnt und genoss sichtlich seine Position. Er trank gierig sein Getränk.

Währenddessen betrachtete Justus ihn, nahm hin und wieder eine Schluck und konnte nur feststellen, dass ihm Peters Anwesenheit gut tat. Ohne ihn hätte er das alles nie geschafft - zumindest nicht so schnell. „Danke dir“. Peter sah ihn an. „Für deine Hilfe“, setze er hinzu.

„Das ist doch selbstverständlich, Just. Wir leben doch jetzt zusammen hier. Komm! Probier mal unser neues Sofa aus.“ Er klopfte neben sich. Justus mochte den Klang von ihrem neuen Sofa.

So erhob er sich, stellte aber vorsichtshalber sein Eistee zur Seite. Peter schmunzelte und schob sein inzwischen leeres Glas auf das Tischchen vor dem Sofa. Gemeinsam streckten sie sich aus.

„Und?“, fragte Peter neugierig. „Sehr bequem.“ Justus wackelte ein bisschen, während er höchst zufrieden aussah. „Ja, daran werde ich mich gewöhnen“, setzte Justus mit einem genießerischen Laut hinzu.

„Du solltest öfter auf mich hören“, meinte Peter keck, schließlich hatte er das Sofa entdeckt und ausgesucht. Justus sah ihn leicht skeptisch an. „Wenn es mir sinnvoll erscheint“, ließ er seinen Freund abblitzen.

„Hey!“, empörte sich Peter und knuffte Justus in die Seite. Der zuckte zurück. „Ich habe öfter gute Ideen.“ „Ach echt?“, fragte Justus scheinheilig. Peter knuffte ihn wieder. „Ja!“, rief er beleidigt. „Das weißt du sehr gut.“

„Ich kann ich nicht erinnern“, spielte Justus den Unwissenden. Peter schnappte empört nach Luft. Beide Händen glitten auf Justus zu und kitzelten seinen Bauch. Der quiekte vor Überraschung auf, zuckte zurück und schlug spielerisch nach Peters Händen. „Lass das“, forderte er.

„Erst wenn du zugibst, dass ich auch oft gute Ideen habe.“ „Ich lüge nicht“, stellte Justus klar. „Das wirst du bereuten, Justus Jonas“, rief Peter, schoss hoch auf seine Knie und warf Justus mit einem kräftigen Stoß um, seine Hände sofort wieder an seinem Bauch, wo sie heftig los krabbelten.

Wieder entließ Justus diesen herrlichen Laut, der Peter in seiner Mischung aus Empörung und quietschendem Vergnügen erst recht amüsierte. „Haha!“, rief er triumphierend, während Justus sich unter ihm lachend wand. „Jetzt klingst du nicht mehr so vorlaut.“

„Abwarten“, presste Justus zwischen zwei lachenden Atemzügen hervor. Dann griff er mit beiden Händen nach Peters Schultern und schob ihn mit beachtlicher Kraft zurück. Dann war auch Justus auf seinen Knien.

Doch das wollte Peter ihm nicht durchgehen lassen, erneut schoss er seine Hände vor und kitzelte Justus’ Oberkörper. Der griff nach seinen Händen und zog sie samt seiner Arme hinter Peters Rücken. Peter keuchte, denn er spürte ohne Zweifel wie stark Justus geworden war.

Jetzt blieb ihm nur noch der Frontalangriff. Er stemmte sich mit samt der Kraft seiner Beine ab, verlagerte sein Gesicht nach vorne und das so schnell, dass es Justus umwarf. Der war so perplex, stöhnte mit einem „Uff“ auf, dass Peter seine Arme befreien konnte. Er legte sich auf Justus, kitzelte seine Flanken und wieder entkamen Justus diese herrliche quiekenden Geräusche, dass auch Peter lachen musste.

„Nicht-mit-mir“, stöhnte Justus, doch Peter lachte nur. Aber nicht mehr lange.

Justus umschloss ihn mit seinen Armen und drehte sie einfach um. Nun lag sein Freund auf ihm, von Kopf bis Fuß und auch wenn Peter muskulös war, Justus war schwerer. Heftig keuchend musste Peter feststellen, dass er verloren hatte. Justus hatte ihn festgepinnt, sein Gewicht schwer auf ihm und so blickte Peter hoch; sah in Justus’ funkelnde Augen.

Und plötzlich war da nichts mehr. Alles, was Peter wahrnahm, waren braune Augen, die ihn so erstarrt und intensiv musterten, dass es Peter überall kribbelte und gleichzeitig sein Hirn leer fegte. Da war nichts mehr, nur noch Justus, ihre Nähe, sein Atem und der Wunsch…

Justus’ Blick huschte zu seinen Lippen. Ja!, dachte Peter. Etwas in seinem Innern feuerte ihn an. Er wollte das auch. Er wollte es. Justus kam näher, Peter spürte Aufregung, Verlangen, Sehnsucht. Ja! Bitte, dachte er nur. Sie waren sich so nah, dass ihre Atmung einander berührte.

Und dann hielt Justus plötzlich inne, nur um sich dann, als wäre er plötzlich zu Verstand gekommen, wieder ein Stück nach oben zu schieben. Sofort regte sich Widerstand in Peter. Nicht mit ihm!

Er schlang seine Arme um Justus’ Nacken, zog ihn zu sich und küsste ihn. Endlich küsste er ihn.

Synchron entwich ihnen ein tiefes Seufzen und instinktiv vertieften beide den Kuss, kaum dass sie sich berührten. Ihre Zungen begegneten einander. Es war ein Gefühl, wie Peter es noch nie gehabt hatte. Das war nicht nur ein Kuss. Das war die so lang ersehnte und unbewusst schmerzlich vermisste Berührung ihrer Seelen. Als würde durch diese innige Zusammenkunft ihrer Körper auch ein Teil in ihnen selbst zum Erklingen bringen, als würde es reagieren auf das, was sie taten. Es war magisch.

Mit einem Keuchen löste sich Justus von ihm, blickte ihn an mit verlangendem, sehnsüchtigem Blick, der Peter sofort in den Körper schoss wie ein Pfeil der Lust und ihn in Brand steckte.

Justus bewegte seine Hüfte ein wenig, ihre eh schon erhitzten Körpermitten trafen aufeinander. Peter keuchte, er riss seine Augen auf, während er jene Lust, die in ihm brannte, in den brauen Augen gespiegelt sah.

Peter konnte sich nicht beherrschen. Er bewegte nun seinerseits seine Hüfte und die Tatsache, dass ein lustvoller Atemzug daraufhin durch Justus’ Mund entwich, war für Peter nicht zu begreifen. Er wollte mehr. Er wollte - Justus bewegte wieder seine Hüfte. Peter keuchte. Und bewegte die eigene nach vorne, entlockte damit Justus diesen wunderbaren sinnlichen Laut.

Erneut schoss Justus’ Hüfte vor. Wie eben beim Kitzeln schien es, als wollten sie sich messen, wer den anderen zuerst in den lustvollen Wahnsinn treiben konnte. Noch einige Male ging das hin und her, beide wollten gewinnen, doch noch mehr wollten sie einander.

Sie schossen aufeinander zu, vereinten ihre Lippen erneut, küssten sich um den Verstand, während ihre Körper in unregelmäßigen Zuckungen gegeneinander rieben. Es war ungezügelter als alles, was Peter bisher erlebt hatte und entsprechend war es auch umso geiler.

Bob kniff die Augen zusammen und stützte den Kopf in die Hände. Dieser Artikel machte ihn wahnsinnig. Da hatte er den Tag schon damit verbracht seine Aufzeichnungen erneut zu lesen in der Hoffnung endlich Inspiration für den richtigen Einstieg zu finden und nun saß er hier und die Worte wollten einfach nicht ihren Weg aufs Papier finden.

Erregung, Aufregung und Lust schossen so plötzlich in ihn, dass er den Stift fallen ließ. Peter. Peter war erregt und das in einem Ausmaß, dass es… Bobs Mund öffnete sich. Das war nicht nur Peter. Justus. Das war auch Justus.

Noch nie hatte er dessen Leidenschaft so deutlich gespürt wie in diesem Moment. Es wäre ein verdammt großer Zufall gewesen, wenn beide im gleichen Augenblick unabhängig voneinander so geil gewesen wären. Bob wusste, dass es kein Zufall war, er wusste, dass sie gerade zusammen waren und… Bilder formten sich vor seinem inneren Auge.

Er sah, wie die beiden sich küssten, wild und ungezügelt, so heftig, dass es das Ausmaß ihrer Leidenschaft erklärte. Er stellte sich vor, wie sie einander gerade in diesem Augenblick berührte, vielleicht ihre Hände an ihren Erektionen hatten, so wie er…

Bob sah entsetzt an sich hinab. Wann war seine Hand in seine Hose gelitten? Eine neue Welle der Erregung erfasste ihn. Oh mein Gott.

Egal, dachte er, seine Hand bewegte sich eh auf und ab. Er war so geil wie noch nie in seinem Leben.

Peter keuchte auf. Er löste sich mit einem schmatzenden Laut von Justus, dessen Blick sich sofort mit seinem verband. „Spürst du ihn?“, fragte er hauchend. „Ja.“ Justus’ Stimme war gekennzeichnet von Unglauben und Faszination. „Als wäre er dabei“, murmelte er erstaunt.

„Beinahe“, keuchte Peter, dann küsste er Justus wieder und voller Leidenschaft trieben sie einander weiter, rieben ihre Unterleiber aneinander in einem steten, wilden, unerbittlichen Rhythmus, der sie weiter und weiter trieb bis „Just“, wimmerte Peter gegen seine Lippen. „Ich…“ Seine Stimme war nur noch ein leises hohes Flüstern. „Ich auch…“, keuchte der und als Peter zu zucken begann, dauerte es nur wenige Sekunden, bis auch Justus folgte.

Sie klammerten sich aneinander, küssten sich, erst wild, dann immer langsamer. Es war unglaublich. Peter erlebte nicht nur den eigenen Orgasmus, sondern fühlte hautnah und direkt, wie es sich für Justus anfühlte.

Die Küsse ebbten ab, keuchend rangen sie nach Luft, während Peter unter Justus zur Ruhe kam und seinem eigenen holpernden Herzschlag lauschte. Zehn Sekunden später durchfuhr beide ein weiteres Zittern, denn sie spürten, wie auch Bob jene Satisfaktion erreichte, die sie kurz zuvor erfahren hatten. Sie hielten sich, erspürten gemeinsam wie es für Bob war, während ihre Atmung sich noch mal kurz beschleunigte. Dann wurde es stiller, auch Bobs Gefühle der Erregung ebbten ab.

Als Justus sich von Peter herunter rollte, zog Peter ihn in seine Arme. „Das war unglaublich“, murmelte er atemlos. Er spürte Justus nicken. „Das war es.“ „Ich konnte spüren, wie…“ Peter verstummte, war er doch dabei etwas über Justus’ Gefühle zu sagen. „Schon gut“, murmelte er, war offenbar in der Lage auch seine Gedanken zu lesen. Ein Kuss auf sein Haar folgte.

„Es ging mir schließlich auch so. Und ich weiß, dass dies ein Geschenk ist. Es stört mich nicht, wenn du es in diesem Kontext erwähnst.“ Peter atmete erleichtert aus, seine Finger streichelten sanft über Justus’ Bauch. Er fühlte sich so wohl, so warm und gehalten. Und alles nur, weil er mit Justus endlich-

Plötzlich kicherte Peter. „Ich bin nicht mehr in meiner Hose gekommen, seitdem ich sechzehn war“, sprach er seinen Gedanken aus. Justus stellte fest: „Ich bin nach einem einmaligen Versehen noch nie in meiner Hose gekommen.“

„Echt?“ „Ich mag das Gefühl danach nicht; ist so nass und klebrig.“ Justus’ Stimme spiegelte deutlich sein Unbehagen. „Dann danke ich dir, dass du diese Bürde auf dich genommen hast“, sprach Peter leicht neckend. „Ich würde es wieder tun“, sagte Justus aufrichtig.

Er drehte sich zu Peter, blickte ihm direkt in die Augen und sprach: „Wieder und… wieder.“ Justus’ Stimme klang so verführerisch und aufrichtig. Ihre Lippen fanden sich in einem weiteren Kuss. Und dieser unterschied sich deutlich von ihrem letzten: Er war langsam, sanft, hatte kein Ziel. Sie schwelgten in dem Moment und Peter spürte, wie gut es ihm tat, Justus so nahe zu sein. Als hätte ein Sehnen, das vor beinahe vier Jahren im Wald das erste Mal spürbar gewesen war, nun seine Erfüllung gefunden hatte.

Justus’ Lippen wichen von seinen und ein wenig empört blickte Peter ihn an. „Ich würde das gerne fortsetzen“, sprach er. Justus lächelte. „Ich auch. Aber erst will ich ins Bad. Das klebt mir doch zu sehr.“ „Romantiker“, neckte Peter und Justus gab ihm einen kurzen Kuss auf den Mund, was Peter effektiv zum Schweigen brachte. Dann sah er seinem Freund hinterher, ein leichtes Lächeln auf den Zügen. Er persönlich war viel zu müde, um sich jetzt noch zu erheben.

Als Justus wiederkam, war Peter eingeschlafen. Etliche Momente betrachtete er ihn, sah wie seine Haare sanft in sein Gesicht fielen, wie seine Wimpern auf seinen Wangen zum Liegen kamen, wie sich sein Körper unter den gleichmäßigen ruhigen Atemzügen bewegte. Er liebte ihn.

Justus nahm eine Decke vom Sofa, breitete sie über Peter aus und verließ dann mit einem warmen Gefühl in der Brust den Raum. Er musste in Ruhe über alles Nachdenken und das konnte er am besten in der Abgeschiedenheit seines Zimmers.

???

Fortsetzung folgte…

Chapter 13: Geburtstagskind

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Die Tage darauf waren geprägt von lieben Blicken, sanften Berührungen und immer wieder hingebungsvollen Küssen. Peter fand es wunderbar. Nachdem sich die erste Leidenschaft entladen hatte, wollten beide es ein wenig ruhiger angehen lassen, schließlich war das für sie beide absolutes Neuland.

Und wenn Peter ehrlich war, verwirrte ihn auch Bob. Seit Jahren teilten sie diese geheimen intimen, lustvollen Momente und doch hatte Bob, wenn sie einander sahen, nur sehr wenige Anzeichen dafür gegeben, dass er auch nur ansatzweise sexuelles Interesse an ihnen gehabt hätte. Es war verwirrend.

Daher lenkte Peter seinen Fokus auf Justus, denn auch wenn sie körperlich noch eher mit Handbremse unterwegs waren, herrschte bezüglich ihrer Gefühle Klarheit: Sie liebten sich.

Gesagt hatten sie es nicht, aber Peter spürte es. Tief in sich wusste er, dass sie einander liebten und diese Gewissheit brachte eine unerwartete Leichtigkeit mit sich.

Zudem herrschte eine Aufbruchsstimmung, die ihn beflügelte. Sie waren von morgens bis abends beschäftigt. Nachdem sie das Haus etwas passender zu ihnen eingerichtet und umgebaut hatten, konzentrierten sie sich voll und ganz auf den Schrottplatz.

Sie machten sich gemeinsam mit allem vertraut, besprachen bisherige Abläufe und optimierten gemeinsam alles, was ihnen verbesserungswürdig erschien. Es waren anstrengende, aber auch sehr befriedigende Tage. Zudem sie nun auch von Caroline unterstützt wurden.

Der erste Eindruck von ihr hatte sich bestätigt: Sie war eine aufgeweckte, engagierte Frau, die sich schnell mit allem vertraut machte und lernte. Ein Blick in den Kalender eines Morgens verriet Peter, dass bald ein wichtiges Datum anstand: Justus’ Geburtstag.

Peter schmunzelte, da er sofort eine Idee hatte. Schnell griff er zum Telefon und rief Mathilda an. Die war wie erwartet sehr begeistert von seiner Idee. Und auch Inspektor Cotta wenige Minuten später stimmte (für seine Verhältnisse euphorisch) zu.

Dann öffnete Peter den Chat mit Bob. Er wusste ja, dass dieser ungerne angerufen wurde. Als er sah, dass es über ein halbes Jahr her war, dass sie sich zuletzt geschrieben hatten, ergriff ihn ein wehmütiges Gefühl. Es hatte Zeiten gegeben, wo sie sich täglich mehrmals geschrieben hatten; wo sie aktiver Bestandteil des Lebens des anderen waren.

Doch Bob hatte sich zurückgezogen, hatte erkunden wollen, wer er war, unabhängig von ihnen. Und so sehr Peter das verstehen konnte, es schmerzte noch mehr, dass er offenbar ihre Trennung noch immer ihrer Nähe vorzog. Peter schüttelte die Gedanken ab, denn jetzt ging es um etwas anderes.

Hi Bob, ich wollte eine kleine Party für Justus schmeißen. Nichts Wildes, du kennst ihn ja. ;) Lediglich eine kleine Runde, reichlich Kuchen und schöne Gespräche. Das, was Justus eben am meisten mag. Schaffst du es kommenden Samstag um 15 Uhr hier zu sein?

Die Antwort ließ auf sich warten. Erst am Abend verkündete sein Handy: Ich muss schauen, ob ich das unterkriege.

Es war so eine schwammige Antwort, dass es Peter ärgerlich machte.
Energisch tippte er: Lass dir bloß nicht einfallen, seinen Geburtstag ausfallen zu lassen. Justus hat in den letzten Wochen genug durchgemacht. Du kommst her, Bob. Und wenn du keine Antwort hast, dann sag es ihm. Aber bleib nicht feige weg.

Er hatte nicht erwartet, eine Antwort zu kriegen. Diese kam auch nicht. Erst zwei Tage vorher, schrieb Bob: Ich werde da sein.
Peter nickte grimmig. Na immerhin.

Neben dem Führen des Schrottplatzes kümmerte sich Peter nun auch darum eine Überraschungsparty zu organisieren, von der Justus nichts mitbekommen durfte. Er war froh, ein eigenes Zimmer zu haben, wo er die gekaufte Dekoration und das Geschenk gut verstauen konnte, ohne Entdeckung befürchten zu müssen.

Justus’ Geburtstag selbst brachte einen großen Ankauf mit sich, sodass Peter sich sicher sein konnte, dass Justus bis in den Nachmittag beschäftigt war.

Jedoch stellte er sich an dem Morgen extra früh einen Wecker, setzte Kaffee auf (was ihm inzwischen gut und ohne Katastrophen gelang) und schlich dann kurz bevor Justus’ Wecker klingeln würde, hoch in sein Schlafzimmer. Er stellte den Becher auf dem Nachttisch ab und betrachtete für einen Moment die schlafende Gestalt, die in dem diffusen Licht, das durch die beinahe vollkommen geschlossenen Jalousien fiel, kaum zu sehen war.

Peter beugte sich lächelnd hinab und ließ seine Lippen über Justus’ Stirn gleiten. Ein tiefer Atemzug entkam seinem Partner, was Peter dazu veranlasste, weitere zarte Küsse auf Justus’ Gesicht zu verteilen.

Der regte sich nun und Peter spürte, wie tiefe sonnengelbe Liebe sich in ihm ergoss, weil Justus aufwachte. Fasziniert beobachtete er, wie Justus anfing zu lächeln. Dann streckte er seine Arme aus, zog Peter zu sich, der kicherte und dann an Justus’ Ohr raunte: „Happy Birthday.“

Das strahlende Sonnengelb explodierte und Peter konnte nicht anders als glücklich zu lächeln, bevor er seine Lippen mit denen von Justus vereinte. Sanft küssten sie sich, wie sie es die letzten Tage immer wieder getan hatten. Es war eine Wonne.

Peter rutschte ein Stückchen zurück. „Da steht Kaffee auf deinem Nachttisch.“ Justus entkam ein tiefes Seufzen. „Der perfekte Start in den Tag.“ „Und dabei hast du noch gar nicht ausgepackt.“ Justus schlug die Augen auf. Peter grinste und zog dann unter seinem Oberteil ein Päckchen hervor.

„Ich mach mal Licht“, kündigte er an, richtete sich auf, öffnete die Jalousien und ließ die morgendliche Sonne hinein, die sofort das Zimmer flutete.

Die Augen zusammen kneifend schob Justus sich in eine sitzende Position und griff zuerst zum Kaffee, den er mit einem wohligen Seufzen vorsichtig schlürfte.

Schmunzelnd ließ Peter sich am Bettende nieder und betrachtete seinen noch etwas verschlafenen, aber sehr zufriedenen Freund. „Nun mach schon auf“, drängte Peter, der nicht fassen konnte, dass Justus so wenig neugierig war. Justus grinste ihn über seinen Becher hinweg an. „Ungeduldig?"

„Sehr“, gestand Peter. „Ich will doch wissen, ob es dir gefällt.“ Es war überhaupt nicht einfach gewesen, ein Geschenk für Justus zu finden, nachdem sie sich beinahe vier Jahre lang nichts mehr geschenkt hatten. Das erste Geschenk als Paar. Peter atmete zittrig ein, als Justus nun seinen Kaffee beiseite stellte und zum Päckchen griff.

Als habe er alle Zeit der Welt zog er an der Schleife, drehte das Geschenk um und machte sich daran in aller Ruhe die Klebestreifen zu lösen. „Mensch, Just! Reiß es auf.“ Der sah ihn amüsiert an. „Habe ich noch nie, werde ich auch nicht.“ Dann senkte er wieder den Blick. Was Peter am meisten ärgerte war, dass er Justus’ Neugierde spürte, die aber von seiner Schadenfreude übertroffen wurde.

Dann endlich hatte er alle Klebestreifen gelöst. Peter hielt den Atem an. Nun öffnete Justus das Papier und blickte hinab auf einen geschnitzten Mynah. Peter hatte viele Tage (eher Nächte) damit verbracht, einen zweiten Mynah zu schnitzen, der so ähnlich aussah wie jener, den Justus einst in der Hütte im Wald angefertigt hatte.

Peter rieb sich verlegen den Nacken, als Justus ihn nun hoch nahm und von allen Seiten betrachtete. „Ich weiß, er ist nicht so schön wie deiner. Aber ich wollte ihn trotzdem machen. Einfach als Zeichen, dass deiner nicht mehr allein ist. Weil…“ Jetzt wo er seinen kläglichen Versuch eines Mynahs unter Justus’ prüfendem Blick so sah, war es ihm total peinlich.

„Also…“, stotterte Peter und versuchte sich irgendwie zu rechtfertigen. „Weil wir jetzt doch…also“ Oh man, Peter fühlte förmlich wie er rot wurde. „… auch nicht mehr allein sind… also… zusammen… und“ Konnte man vor Peinlichkeit sterben?

Nein, denn im nächsten Moment sah Justus ihn an und mit dem sonnenerleuchteten Erguss der Liebe, spürte Peter die aufwirbelnden Blüten einer Sonnenblume im Wind, wirbelnde Freude und starke Rührung in einer Mischung, die Peter atemlos machte.

Justus’ Hände griffen nach seinen Schultern, eine schlüpfte in seinen Nacken, zog, während die andere sich samt Arm um ihn schlang und Peter einen intensiven, kaffeegetränkten Zungenkuss voller Liebe bekam.

„Er ist perfekt“, murmelte Justus schließlich an seine Lippen, während sie sich noch mit der Stirn berührten. Peter war gerührt und sehr erleichtert. „Danke.“ Sie lösten sich ein Stück voneinander und blickten sich direkt in die Augen. Die Liebe füreinander schimmerte in jeder Sekunde sichtbar an der Oberfläche, während sie ebenso spürbar war.

„Danke“, sagte nun Justus und Peter strahlte glücklich. Noch einige Momente verharrten sie so, dann meinte Justus: „Ich muss los. Aber heute Nachmittag möchte ich mit dir noch ein bisschen feiern. Dann können wir den hier“ Er hob den Mynah. „…auch zu seinem Partner in die Zentrale bringen.“ Peters Lächeln wurde noch breiter. „Das wäre wunderbar.“ Sie gaben sich noch einen Kuss, dann machten sie sich ans Tagwerk.

Während Justus mit dem Pickup davon fuhr, dekorierte Peter die Küche und hing die großen Ballons, welche eine 25, bildeten auf.

Der Tag verging, da reichlich Kunden auf den Schrottplatz kamen. Peter war froh um die Zerstreuung, denn er war wirklich aufgeregt, sobald er an seine kleine Überraschungsparty dachte. Vor allem der Gedanke an Bob, der hier bald auftauche würde, ließ sein Herz wie wild schlagen. Richtig glauben konnte er es nicht.

Als es Nachmittag wurde, holte er Mathilda und Titus aus ihrem Bungalow ab. Mathilda hatte reichlich gebacken und so fuhr Peter nicht nur die beiden, sondern auch drei stattliche Kuchen durch die Gegend.

15 Uhr näherte sich dennoch und schließlich war es soweit. Mit klopfendem Herzen wartete er auf die Ankunft seines Partners. Der kam schließlich um 15:10 Uhr in die Küche, wo er mit einem lautstarken „Überraschung!“ begrüßt wurde.

Peter fühlte augenblicklich Justus’ Überraschung und Freude. Sein Plan war geglückt.

„Herzlichen Glückwunsch, Junge!“, rief Mathilda und umarmte ihn, dicht gefolgt von Onkel Titus. Justus erwiderte beide Umarmungen voller Zuneigung, was Peter nicht nur sah, sondern auch spürte.

„Auch von mir alles Gute“, sprach Cotta und Peter sah mit Verblüffung, dass die beiden sich umarmten. Danach wandte sich Caroline Justus zu, lachte ihn an und schüttelte ihm die Hand, als auch sie ihm gratulierte.

Im Anschluss trat Peter zu Justus, lächelte lieb und öffnete seine Arme. „Alles Liebe auch von mir“, sprach Peter sanft und schloss Justus dann in eine innige Umarmung. Sie hielten sich einige Zeit und als sie sich lösten, blickte Justus nur für den Bruchteil einer Sekunde auf seine Lippen. Peter schmunzelte, verstand und beugte sich vor. Ihre Lippen streiften sich und es hätte schöner unspektakulärer nicht sein können.

Tante Mathilda rief eifrig: „Ich habe gebacken, Junge. Kirschkuchen, Schokotorte und einen Streuselkuchen.“ Justus lächelte und sah, wie sie auf den Esstisch deutete, der mit sieben Tellern, Tassen und drei Kuchen voll war. „Danke, Tante“, sprach er, doch Peter sah, dass Justus’ Augen natürlich wahrnahmen, dass für sieben gedeckt worden war, obwohl sie nur sechs Personen waren.

Peter fühlte Justus’ Freude über diese Überraschung. Doch er spürte auch die Enttäuschung, die auch ihn selbst erfasst hatte: Bob war nicht da. Und hätte er es nicht gefühlt, hätte er Justus es nicht ansehen können. Der lächelte seinen Onkel und seine Tante ehrlich dankbar an, und das war er auch, aber es war eben nicht alles, was er fühlte.

„Und hier unser Geschenk“, ließ Titus verlauten und drückte ihm einen großen Umschlag in die Hand. Justus nahm ihn dankend entgegen, dann ließ er sich auf seinem Platz nieder. „Wer möchte Kaffee?“, fragte Peter in die Runde, was alle bejahten. Das Rascheln, als Justus den Umschlag öffnete, ertönte.

Peter, der gerade Cotta einen Kaffee reichte, zitterte mit einem Mal. Das Gefühl totaler Überwältigung und sogar Schocks erreichte ihn. Schnell wandte er sich zu Justus um, der auf seinem Stuhl saß und auf ein Dokument starrte, dass er offenbar aus dem Umschlag geholt hatte.

„Was ist los?“, wollte Peter wissen, zu neugierig, um sich zurück zu halten. Es dauerte noch einige Sekunden, dann erst hob Justus den Blick und starrte Tante und Onkel an. Die hielten sich im Arm und lächelten. „Seid ihr euch sicher?“, fragte er dann. Die beiden nickten. „Absolut“, versicherte ihm sein Onkel.

„Was denn, Just?“, fragte Peter, beinahe weinerlich. Er konnte die Spannung kaum noch aushalten. Endlich blickten ihn die sanften braunen Augen an. „Onkel und Tante haben mir Haus und Schrottplatz überschrieben. Beides gehört mir, sobald ich beim Notar meine Unterschrift hier hin setze.“ Er wackelte mit dem Blatt.

Peters Mund öffnete sich. „O wow“, entwich es ihm und hielt sich spontan an der Küchenzeile fest. Das waren ja mal Neuigkeiten.

„Da kann mein Geschenk wohl kaum mithalten“, sprach Cotta ein wenig zerknirscht und reichte Justus ein seltsam anmutendes und daher sicherlich selbst verpacktes Etwas. Justus verstaute den Brief seiner „Eltern“ sorgsam und legte ihn auf das Sideboard.

Dann nahm er das Geschenk von Cotta entgegen. Peter spürte, dass er etwas nervös war, was ihn überraschte. Dann hatte es es ausgepackt und hielt eine Kamera in der Hand. „Ich weiß ja, dass du ein Faible für alte Geräte dieser Marke hast.“ Justus sah zu ihm hoch, ein breites ehrliches Lächeln auf seinem Gesicht. „Es ist wunderbar. Danke dir“, sprach er ehrlich erfreut.

„Von mir auch eine Kleinigkeit“, meinte Caro und überreichte ihm einen kleinen Präsentkorb. „Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du regelmäßig trainierst und auf seine Ernährung achtest. Daher ein paar Dinge, die dies unterstützen.“

Justus lugte begeistert in den Korb hinein. Neben einer schönen Auswahl an naturbelassenen Nüssen und hochwertigen Ölen gab es auch eine Tafel Schokolade mit wenig Zucker und hohem Kakaogehalt und ein Müsli mit besonders hohem Fett- und Proteingehalt. Justus strahlte sie an. „Ich danke dir. Das ist genau das Richtige.“ Caro wirkte beinahe ein wenig verlegen und Justus sah sie freundlich an, bevor sein Blick voller Zuneigung für einen Moment zu Cotta huschte. Er wusste genau, welches Vögelchen da gezwitschert hatte.

Die nächsten zwei Stunden waren geprägt von Lachen, Unterhaltungen und reichlich Torte. Justus hatte mit fünf Stücken am meisten verdrückt. Peter hatte immerhin vier geschafft, was auch schon zu reichlich Kopfschütteln seitens Onkel und Tante geführt hatte.

Schließlich erhoben sich die beiden. „Es war ein sehr schönes Fest“, sprachen sie warm an Peter gewandt. Der stand ebenfalls auf, doch Cotta winkte ab. „Bleib sitzen, Peter. Die beiden wohnen ja in der Nachbarschaft. Ich nehme sie mit“, bot er an.

„Danke“, sagte Peter, während Justus sich erhob und seine Gäste zur Tür brachte; auch Caroline ließ sich von der allgemeinen Aufbruchsstimmung anstecken. „Danke für euren Besuch. Und den Kuchen. Und die Geschenke.“ Mathilda sah ihn lächelnd an. „Mach’s gut, Junge“, sprach sie und umarmte ihn innig, was auch Titus tat. Und auch Cotta schloss ihn ebenfalls zum Abschied in seine Arme. Dann machten sich die Gäste auf den Weg.

Justus stand noch einen Moment in der Tür, winkte ihnen nach, die nun vom Schrottplatz verschwanden. Peter stand schräg hinter ihm, spürte einen Anflug von Melancholie, doch überwog noch die Freude über den bisherigen Tag.

Justus wollte gerade die Türe schließen, als eine Stimme ertönte. „Just!“ Peter war so überrascht wie sein Freund, als sie nun die Tür wieder öffneten und niemand anderen als Bob Andrews erkannten, der keuchend angerannt kam.

„Es tut mir leid“, rief er, stand noch auf der Schwelle. „Ich stand im Stau. Da ist so ein blöder Lastwagen umgekippt. Es war Vollsperrung. Bin ich zu spät?“

Peter hatte die Arme verschränkt. „Falls du meinst, ob die anderen Gäste bereits weg sind, ja.“ Peter war sauer, er war richtig sauer. Justus jedoch nicht. Der lächelte. „Schon gut. Ich freue mich, dass du es geschafft hast.“ Er öffnete die Tür weiter und Bob schlüpfte hindurch. „Alles Gute“, sprach Bob mit einem Lächeln, dann umarmte er seinen Freund.

Peter musste nicht hinsehen um zu wissen, wie gut es sich anfühlte, wie sehr Justus das genoss. „Es ist auch noch Kuchen da“, meinte Peter in einem Anflug von Versöhnung und die drei Freunde gingen in die Küche.

„Das wäre tatsächlich super. Ich habe seit dem Morgen nichts mehr gegessen.“ Während Peter Bob Kirschkuchen auftat, weil er wusste, dass er den am liebsten aß, wandte Bob sich an Just. „Hier“, sprach er und reichte Justus ein kleines Päckchen.

Der ließ sich wieder auf seinem Platz nieder. Und während Bob nun dort saß, wo zuvor Cotta gesessen hatte, goss Peter ihm noch Kaffee ein. Er wusste ja, dass Bob zu jeder Tages- und Nachtzeit Kaffee trinken konnte.

Er sah, wie Justus ein Buch auspackte. Er starrte darauf, dann hob er den Blick und fragte fassungslos: „Wo hast du das her?“ Bob schmunzelte. „Ich war in Corpus Christi für eine Recherche. Da ich etwas Zeit totschlagen musste, bin ich in den kleinen Buchladen vor Ort gegangen. Als ich es entdeckte, musste ich sofort an dich denken.“ „Danke.“ Justus streichelte eindeutig ergriffen über den Einband. Peters Ärger war abgeebbt. Bob war da. Er hatte eine plausible Erklärung und Justus war so glücklich. Es beruhigte auch Peter.

Bob machte sich derweil über Kuchen und Kaffee her. Er war wirklich ausgehungert. Mit einem zufriedenen Seufzen ließ sich auch Peter nieder, saß auf dem Stuhl neben Justus und beugte sich zu ihm, lugte ihm über die Schulter. „Was willst du jetzt machen?“

Justus blickte verdattert zu ihm, was ihre Gesichter sehr nah zueinander brachte. So natürlich der Kontakt auch für Peter war, er war sich nur all zu bewusst, dass sie beobachtet wurden. So konzentrierte er sich auf Justus’ Irritation und führte aus: „Du hast Geburtstag, du darfst dir was wünschen.“

„Egal was?“, hakte Justus erstaunt nach. Peter rückte ab, grinste ihn breit an. „Natürlich! Das ist der Sinn von Geburtstag.“ Justus verzog denkend den Mund. Schließlich sagte er: „Dann will ich mit euch in die Zentrale gehen und unsere alten Fallakten durchstöbern.“

Peter und Bob war beiden die Überraschung anzusehen, dennoch stimmten sie zu. Gerade als sie sich in Bewegung setzen wollte, blieb Peter stehen, da sein Blick an etwas hängen geblieben war. „Stört es irgendwen, wenn ich die angefangene Flasche Prosecco mitnehme?“, fragte er gut gelaunt. „Mach du“, sprach Justus gönnerhaft.

Sie liefen im dunkler werdenden Abend über den Schrottplatz und betraten dann durch das Kalte Tor die Zentrale. Noch immer sah es hier so aus wie zuvor. Bob ging direkt zu seinem Aktenschrank und zog wahllos einige Akten hervor, die er auf den Tisch legte.

Mit einem Seufzen ließen sie sich nieder (Justus auf dem Sofa, Bob auf dem Schreibtischstuhl), während Peter noch alte Gläser fand, ihnen eingoss und sich dann neben Justus setzte. Justus winkte ab und so prosteten Bob und er sich zu. Einige Minuten vergingen schweigend, während nur das Geräusch von Blättern zu hören war.

Peter prustete plötzlich los. „Weißt du noch, Just? Die Geräusche in dem einen Abteil?“ Der sah ihn fragend an. „Als wir anstelle von Bobs Eltern in diesem Nobelzug gefahren sind“, leitete er ein. „Wir vermuteten eine Entführungsfall, es war aber ein Verführungsfall.“ Justus lachte laut. „Ja, ich erinnere mich.“ Grinsend senkten sie wieder die Blicke.

„O man“, rief da plötzlich Bob. „Schaut mal hier.“ Er hob die Akte hoch, in der er gerade blätterte. Ihr aller Blick fiel auf das Foto von jener Truhe, die den vermeintlich sprechende Totenkopf beinhaltet hatte. „Das ist schon etwas her“, stellte Peter lachend fest. „Als wäre es in einem anderen Leben gewesen“, meinte Bob und griff dann zu seinem Glas. Den Stich sehnsüchtiger Nostalgie verspürten sie alle gleichermaßen.

„Die verrückten Rätsel, die Cotta uns geschrieben hat“, meinte Peter und hielt eine Seite hoch. „So verrückt waren die gar nicht“, sprach Justus. Peter rollte mit den Augen. „Klar, dass dir sowas gefällt.“ Bob schmunzelte.

Aus Peters Akte segelte ein Bild heraus, es war vollkommen gelb. Er hob es mit einem warmen Gefühl auf. „Emily“, sprach er. „Wisst ihr noch? Das Mädchen mit dieser Fähigkeit andere Farben zu sehen?“ „Tetrachromatin, war sie“, lieferte Justus sofort ungefragt die Antwort. Peter besah sich das Bild. „Für mich ist es immer noch Gelb. Aber mit einer schönen Erinnerung verbunden.“ „Hm“, brummte Bob nur.

Peter sah irritiert auf. Bobs Mund war zu einer Linie zusammen gepresst. Dazu das Gefühl des Unmuts. Peter musste sich ein Grinsen verkneifen, denn er ahnte, dass es Bob bis heute störte, dass die kleine Emily sich mit ihren sechs Jahren ein wenig in Peter verguckt hatte.

„Oh man, das hatte ich ja vollkommen verdrängt“, meinte Bob plötzlich. „Zwei Worte: Allie Jamison.“ Justus entwich ein gequälter Laut. „Aber Queenie war wirklich süß“, meinte Peter nur und dachte mit Verzückung an ihren kleinen Zwergpinscher zurück, der einen Narren an Peter gefressen hatte. „Erinnere mich bloß nicht an die“, meinte Justus.

„Dann sollte ich wohl auf keinen Fall Jelena erwähnen“, neckte Bob. Justus schoss ihm einen dunklen Blick zu. „Vielen Dank, dass du es nicht tust“, murrte er ironisch. Peter grunzte. Bob sprach: „Dann erinnere ich dich wohl lieber auch nicht an Skinny.“

Synchron stöhnten Peter und Justus auf. „Erwähn den bloß nicht“, zischte Peter. „Der hat so viel Bockmist verzapft.“ Alle Anwesenden nickten. „Erinnert ihr euch noch, als er den Schrottplatz mal als Lagerort für diesen Geldkoffer benutzt hat?“, fragte da Bob.

Peter lachte. „Ich weiß noch, wie Just das Geld versteckt hielt. Das war einmalig“, rief Peter nostalgisch. „Ich gerate immer noch ins Schwärmen aufgrund deiner Genialität.“ Ohne nachzudenken beugte er sich vor und verpasste Justus einen Kuss.

Erst dann merkte er, dass sie ja gar nicht allein waren. Ein wenig erschrocken löste er sich von Justus und blickte zu Bob. Die Luft war plötzlich sehr dicht. Die blauen Augen ruhten unentwegt auf ihnen.

Bobs Mund öffnete sich leicht. „Ihr seid nun also…“ Er brauchte es nicht auszuführen, alle wussten, was er meinte. „Ja“, bestätigte Justus. Bob presste die Lippen aufeinander. Sie alle spürten seine Eifersucht. Dem wollte Peter sofort entgegen wirken. „Wir hätten dich gerne dabei.“

Er stand auf, machte einen Schritt auf Bob zu und streckte seine Hand aus, sah Bob offen an, wollte so unmissverständlich klar machen, dass sie zwar ein Paar waren, ihn aber jederzeit in dieser Verbindung, zu der Bob einfach gehörte, willkommen heißen würden.

Etliche Momente schien es als wäre die Zeit stehen geblieben: Peter und Bob blickten sich an, Justus beobachtete jede Regung und dann… Bobs eigene Hand hob sich, er streckte sie nach Peter aus, der sie nahm und Bob dann auf die Füße zog.

So standen sie einander an den Händen haltend direkt voreinander. Peter wartete nur noch einen Moment, dann zog er Bob langsam in eine Umarmung. Und dieser ließ sie zu, legte seine Arme um Peter und atmete. Atmete einfach den wunderbaren Geruch und die tiefe Zufriedenheit ein, die ihn ergriffen hatte. Peter. Sein Peter.

Die Wärme, die von seinem Körper ausging, war so wundervoll. Und dann fühlte Bob sich erschauern, denn Justus trat hinter ihn. Auch seine Arme umfingen ihn, hielten sie beide und damit kam ein tiefes, unbeschreibliches Wohlgefühl in allen Dreien auf. Es tat so gut, so unendlich gut, einander endlich wieder nahe zu sein. Diese Umarmung zu dritt war so erfüllend.

Peters Hand glitt über Bobs Rücken hinauf in sein Haar. „Wir wollen dich hier“, flüsterte Peter und streichelte ihm durchs Haar. „Bei uns“, setzte er hinzu und beugte sich dann noch ein Stück vor, setzte einen sanften Kuss auf seinen Haaransatz. Bobs Duft war unglaublich, löste eine tiefe Zärtlichkeit in Peter aus.

Schluckend sah Bob auf, blickte für einen Moment in grüne Augen, die in der nächsten Sekunde lächelnd an ihm vorbei sahen zu Justus. Der presste sich mit einem Mal noch näher an Bob und dann vergaß dieser zu atmen, denn neben seinem Gesicht küssten sich nun Peter und Justus, während sie ihn hielten wie zuvor.

Es fühlte sich an, als würde er sie ebenfalls küssen. Bob zitterte, ja er zitterte und das vor Zuneigung und sich anbahnender Erregung. Er wollte es, er wollte es so sehr… Die beiden lösten sich voneinander und Bob sah Peters glänzenden Lippen, die ihn nun lächelnd betrachteten.

Peter kam näher, natürlich, warum auch nicht? Aber in Bobs Innerem fochten Aufregung und Fassungslosigkeit einen Kampf aus. Er wollte es und doch… Er bewegte seinen Kopf minimal, doch es reichte um ihn aus der Gefahrenzone zu bringen.

Peters Lippen berührten nur noch seine Wange, hauchten ihm einen Kuss darauf. Er hatte erwartet Enttäuschung zu spüren, doch alles, was da war, war Zuneigung. „Heißt das, du bleibst?“ Justus’ Frage war nur ein Hauch an seinem Ohr. Bob drehte sich in der Umarmung, schaute zu Justus, wodurch sich Peters Arme von hinten um ihn schlossen. So schien es fast als schmiegte er sich an den Zweiten, um den Ersten anblicken zu können.

Er nahm seinen Mut zusammen und sprach: „Ich weiß, dass ich dir noch eine Antwort schuldig bin. Aber es ist schwer für mich.“ Peters Hand glitt plötzlich über seine Brust, seine Lippen waren an seiner Wange und leise fragte er: „Was ist daran schwer?“

Bob spürte seinen Atem auf seiner Haut. „Willst uns oder nicht?“ Bob keuchte. „Ich…“ Es war so schwer einen klaren Gedanken zu fassen, wenn er sich in der unmittelbaren Nähe dieser beiden befand. Er blickte direkt in Justus’ warme Augen. „Ich brauche noch Zeit.“ Justus nickte leicht, er leckte sich über die Lippen und Bob war kurz davor sich nach vorne zu beugen, um ihn endlich zu küssen.

Stattdessen löste er Peters Arme von sich, der sofort von ihm abließ. „Ich sollte gehen“, sprach er, da er für einen Moment seine Beherrschung wiedergefunden hatte. Er trat aus dem direkten Bannkreis dieser beiden heraus.

Doch eine Hand an seiner hielt ihn zurück. Er blickte hinunter und war überrascht, dass es Justus’ Hand war. „Bitte bleib.“ Er sah auf, direkt in Justus’ Augen. Er konnte die Sehnsucht nicht nur spüren, sondern auch sehen. Jene Sehnsucht, die sie alle drei empfanden. Er atmete tief durch. „In Ordnung. Aber lasst uns einfach schlafen. So wie früher.“

„Machen wir“, sicherte Justus ihm zu. Und er hielt sich daran. Als sie einige Minuten später in Justus’ Bett in der Dunkelheit lagen, unternahmen Erster und Zweiter Detektiv keine Versuche, ihrem Dritten irgendwie näher zu kommen. Stattdessen wünschten sie sich gute Nacht - und schliefen.

Als Justus sich am nächsten Morgen regte, lag nur noch Peter neben ihm. Er war froh, dass Peter da war, aber er spürte auch, dass Bob fehlte. Der hatte sich bereits auf den Weg gemacht, aber immerhin lag ein Zettel in der Küche, der verlauten ließ: Bald.

Justus war ins Büro gegangen und als Peter wenig später zu ihm kam, berichtete der Erste Detektiv fassungslos: „Er hat die Bücher gemacht.“ „Was?“, fragte Peter verwirrt und Justus erklärte mit einer Geste über den Schreibtisch: „Bob hat die Buchhaltung auf Vordermann gebracht.“

Peters Mund öffnete sich vor Erstaunen. „Dann muss er aber verdammt früh aufgestanden sein.“ Peter lächelte schief. „Unser Mann für Recherchen und Archiv eben. Wenn jemand sowas kann, dann er.“

Obwohl kein Ton seinen Lippen entwich, sah Peter doch, wie Justus’ Mund seine Worte „unser Mann“ wiederholten. Vielleicht gab es Hoffnung.

???

Fortsetzung folgt…

Notes:

Mal so am Rande: Was hat Bob für ein Durchhaltevermögen!? Wenn Peter und Justus mich gleichzeitig so zum Bleiben überreden würden… HELP! ;D

Chapter 14: (K)ein Fall für Zwei

Chapter Text

Was tat er hier? Diese Frage stellte sich Bob zum wiederholten Male. Da saß er hier allein in einem heruntergekommenen Hotel, das mehr das Wort Blechbüchse verdient hätte, verstand die Landessprache nur mäßig und versuchte zu ignorieren, dass er eigentlich wo ganz anders sein wollte.

Also, was tat er hier? Die Antwort war einfach: Sich ablenken.

Denn sobald seine Handlungen zum Erliegen kamen, er Zeit hatte (so wie jetzt) hatte er Raum für Gedanken. Und diese… Bob seufzte. Diese drifteten immer in eine bestimmte Richtung: Justus und Peter.

Die Umarmung bei Justs Geburtstag hatte alles an die Oberfläche geholt, was er in den letzten Jahren so erfolgreich verdrängt hatte, und das doch immer da gewesen war: Seine Gefühle für die beiden. Er hatte so viel Abstand wie möglich zwischen sie gebracht, hatte mit anderen Menschen geschlafen, viele Personen kennengelernt, unfassbar viele Orte gesehen und Situationen erlebt.

Und trotzdem saß er nun hier und wünschte sich einfach nur nach Rocky Beach. Das Gefühl von Heimat, von einfach sein war nirgends so wie an diesem Ort und wenn er ehrlich war, bei diesen beiden Menschen. Sie waren seine besten Freunde und… Bob seufzte stumm. Sie waren so viel mehr.

Was hinderte ihn jetzt aufzuspringen, einfach alles stehen und liegen zu lassen und das zu tun, was sein Herz ihm sagte? Bob wuschelte sich durchs Haar. Er war durchaus ein spontaner Mensch, aber so spontan war er dann auch wieder nicht.

Zumal die Schwere der letzten Jahre noch immer spürbar war. Er schloss kurz die Augen, legte seine Hand auf seinen Bauch und flüsterte: „Ich werde zu euch kommen. Bald.“

???

„Natürlich“, rief Peter triumphierend und reckte triumphierend die Faust in die Luft. „Es muss im See sein.“

Justus’ Augen glühten vor Begeisterung, wie sie es immer taten, wenn sie einem Rätsel auf der Spur waren. „Und zwar an den Koordinaten 4-3-4.“ „Ja“, rief Peter. „Dann werde ich da mal nachsehen.“ Wild entschlossen tat er genau das. Peter zog sich aus und sprang ins Wasser. Aufgeregt wartete Justus am Ufer. Sein Blick erfasste alles, was um ihn herum geschah: Er sah die ruhige Wasseroberfläche, entdeckte einige Vögel und hörte das Geräusch des entfernten Highways.

Er schaute auf seine Uhr. Zwei Minuten waren vergangen. Justus’ Herz schlug ihm bis zum Hals. Wieso dauerte das so lange? Er wusste, dass Peter ein herausragender Taucher war, aber das Diebesgut lag in höchstens drei Meter Tiefe. Allerdings war der Bereich mit hohem Schilf bewachsen, sodass Justus nicht genau einsehen konnte, was geschah.

Stiegen irgendwo Blasen auf? War Peter vielleicht mitten im Schilf wieder aufgetaucht? Oder hatte er sich in Algen verstrickt? Möglich wäre auch- Justus entwich ein gepresster Atemzug, denn mit einem Schlag verebbte das Gefühl von Peters Aufregung jäh. Justus stockte der Atem - da war nichts mehr. Peter!

Voller Verzweiflung stürzte sich Justus in den See, tauchte hinab zu der Stelle, an der Peter sein musste. Der See war klar, aber da es bereits später Nachmittag war, war die Sonne nicht mehr so hell wie er es gebraucht hätte.

Er sah sich um, versuchte etwas in der braun grünen Umgebung zu erkennen. Da! Justus sah ihn, intensivierte seine Bemühungen und schwamm zu ihm. Peter war bewusstlos. Schnell umgriff Justus seinen Körper und schwamm mit ihm nach oben.

Kraftvoll schaffte er ihn ans Ufer. Er zog ihn an Land, drehte ihn auf die Seite und prüfte seine Atmung. Nichts. „Nein“, wimmerte er. Sein Herz schlug wie verrückt. Er legte Peter auf den Rücken und begann ihn zu beatmen. Die Sekunden schienen wie eine Ewigkeit zu sein.

Doch schließlich kam die Erleichterung… Peter spuckte Wasser, schnappte nach Luft. Er atmete! Doch kaum, dass er einen halbwegs regelmäßigen Rhythmus hatte, stutzte Justus erneut. Wieso wachte er nicht auf? Wieso? Noch immer bewusstlos lag er vor ihm.

Justus prüfte seine Atmung, leise aber stetig. Er fühlte nach seinem Puls. Er war schwach. Sehr schwach. Justus’ Kehle schloss sich für einen Moment, sein Körper zitterte. Er fingerte nach seinem Handy, durchwühlte die Hosentasche. Endlich fand er es. Die Kurzwahl 1 wurde mit zitternden Fingern gedrückt und schon tutete es. „Nimm ab“, murmelte er. „Nimm ab.“ Dann - endlich.

„Cotta hier. Was gibt es?“ „Es ist Peter“, unterbrach er ihn. Justus wusste, dass er schluchzte. „Bitte komm. Wir brauchen einen Krankenwagen.“ „Sofort“, antwortete Cotta und legte auf. Seine Hand glitt zurück an Peters’ Hals, prüfte seinen Puls. Er spürte ihn nicht mehr. Nein! Nicht Peter.

Justus’ Panik wuchs ins Unermessliche. Er hatte das schon mal erlebt, hatte schon mal erleben müssen, wie einer seiner besten Freunde beinahe starb. Und nun - ein Schluchzen schnürte im die Kehle zu.

ANGST. Das Gefühl war so schlagartig da und in einer solch überwältigenden Intensität, dass Bob das Glas in seiner Hand fallen ließ. Doch er hörte nicht mal mehr, wie es zerbrach. Er rannte los. Justus.

Bob spürte Justus’ Angst in einem Ausmaß, wie er es noch nie getan hatte. Wenn Justus solche Angst hatte, dann ging es um Leben und Tod. Bob hielt nichts mehr. Noch während er zum Auto rannte, zückte er sein Handy. Er wählte Justus’ Nummer, doch zu seinem grenzenlosen Entsetzen war besetzt. Was? Mit wem sprach Justus denn? Oder hatte wer anders sein Handy?

Dann versuchte er es erneut. Es dauerte viel zu lange bis er abnahm. „Wo seid ihr?“, fragte er ohne Umschweife. Justus’ Stimme kam nur noch stockend, als würde ihm jeder Atemzug Schmerzen bereiten: „Beim Santa Ynez Lake.“ „Was ist geschehen?“, wollte Bob wissen, doch Justus entkam nur ein zusammenhangloses: „Hilfe ist unterwegs.“ „Was ist mit Peter?“, wollte Bob wissen. „Er hat keinen Puls mehr.“ Justus hatte aufgelegt und Bob bekam Schnappatmung. Oh Gott! Oh Gott! Er hatte seine Antwort. Eine Antwort, die er nicht haben wollte.

Peter. Es war Peter. Bob wurde heiß und kalt. Er wusste es ja, er spürte es, denn von Peter fühlte er… nichts. Da war nur noch eine schwache Signatur, mehr eine Erinnerung an das, was einst voller Leben gewesen war.

Er trat das Gaspedal so heftig durch, wie es ihm nur möglich war. Er musste zu ihnen, er musste zu ihnen. Es dauerte alles viel zu lange. Wieso konnte er Peter immer noch nicht spüren?

Da war nur Justus, seine Angst, die in ihm hämmerte wie sein eigener beschleunigter Herzschlag.

Endlich trudelte eine Nachricht ein.
Sind im Krankenwangen auf dem Weg zum Memorial Hospital. -Justus
Bin im Auto; sollte in zwei Stunden da sein. -Bob

Es wurden die schlimmsten zwei Stunden seines Lebens. Er fuhr wie ein Besessener und doch kriegte er nichts davon mit. Alles, was er wollte, war endlich bei Peter zu sein. Und bei Justus.

Es dauerte quälende vierzig Minuten bevor er eine neue Nachricht erhielt.
Er ist vorerst stabil, aber noch immer ohne Bewusstsein. -Justus

Es sollten gute Nachrichten sein, doch Bob war vollkommen am Boden. Er spürte nichts mehr von Peter, da war einfach nichts. Es war als wäre ein Stück aus ihm selbst heraus gebrochen. Das, was er sich so lange gewünscht hatte, war eingetreten, doch nun verabscheute er es.

Er musste wissen, er wollte wissen, wie es ihm ging. Er wollte ihn spüren. Doch da gab es nichts zu spüren. Nur dieses vermaledeite Vakuum.

Als er endlich auf dem Parkplatz des Krankenhauses ankam, fühlte er sich gleichzeitig völlig erschlagen, verschwitzt und doch nervös. Als hätte er auf nüchternen Magen zu viel Kaffee getrunken, stieg er aus dem Auto aus. Es war bereits dunkel geworden und die vielen Straßenlaternen erhellten seine Sicht.

Am Rande des Parkplatzes stand jemand. „Just!“, rief er, als er seinen Freund erblickte. Kaum, dass auch Justus sich in seine Richtung gewandt hatte, rannten sie aufeinander zu. Ihre Arme glitten umeinander und die Umarmung, die folgte, war so feste wie noch nie in seinem Leben.

„Peter.“ Justus’ Stimme war nur ein fassungsloses Flüstern, das Bob eiskalte Schauer über den Rücken jagte. Er spürte Schmerz und Verzweiflung, Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit. „Was ist geschehen?“, fragte Bob und löste sich nur ein Stück, um wenigstens in Justus Augen zu blicken. Der sah ihn an, den Tränen nahe. „Wir dürfen nicht mehr zu ihm. Die Besuchszeit ist vorbei.“

Bobs Mund klappte auf. „Das darf doch nicht wahrsein“, fluchte er. „Wie geht es ihm?“, fragte Bob dann. „Ich spüre“ Er unterbrach sich, hatten sie einander doch einst versprochen, das nicht zu erwähnen. Doch Justus bemerkte es nicht, er sprach nur leise: „Er liegt im Koma. Doch seine Werte werden immer schlechter.“

Bobs Mund öffnete sich, kein Laut entwich ihm, als ihn die ganze Härte dieser Aussage traf wie ein Schlag in die Eingeweide. „Nein“, murmelte er dann, mehr ein Wimmern als ein Wort. Es schnürte ihm die Kehle zu. „Wenn ich nur da gewesen wäre. Wenn ich…“ Er sah seinen Freund erstarrt an, der gar nichts sagte. Leid schimmerte in beiden Augen gleichermaßen. Justus’ Augen waren so voller Schmerz, dass es Bob erstarren ließ. Es zu spüren, wie Peters Signatur immer schwächer wurde, während sie hier herumstanden, zu erleben wie das Leben aus Peter entglitt und dabei Justus’ Schmerz zu sehen, der seinem eigenen dennoch nicht mal annähernd glich…

So muss es damals gewesen sein, schoss es ihm durch den Kopf. Genauso muss es sich für Peter und Just angefühlt haben, damals als er… Bob schlug sich eine Hand vor den Mund, ihm wurde schlecht. Er war dabei Peter zu verlieren, seinen Peter, den Mann, den er liebte. Ja, er liebte ihn. Und er liebte auch… er blickte zu Justus, als ihm Tränen in die Augen schossen.

Seine Hand sank hinab auf seinen Bauch, legte sich instinktiv an jene Stelle, die sie damals für immer miteinander verbunden hatte. „Wir müssen zu ihm“, beharrte Bob. „Wir sind verbunden, wir teilen uns unsere Lebensenergie. Also können wir sie auf ihn übertragen.“ Justus nickte leicht, aber noch immer sah er so verloren aus. „Aber wir kommen nicht zu ihm.“

Das konnte Bob nicht akzeptieren. „Es wäre nicht das erste Mal, das wir uns Zutritt verschaffen“, sagte er dann. Justus sah ihn schlagartig an, beinahe verblüfft und so durchdringend, dass es Bob einen Schauer über die Haut jagte.

Plötzlich spürte er neben dem Leid seines Ersten auch so etwas wie Freude, er wusste nicht genau, was es bedeutete, zumal eine Welle der Zuneigung auf ihn einprasselte. Justus schluckte. „Du hast Recht. Wir brauchen einen Plan, wie wir da hereinkommen.“ Es fühlte sich an, wie bei einem ihrer Fälle.

Justus besorgte sich einen Arztkittel und schob sich durch die Notaufnahme ins Gebäude, als gerade ein Krankenwagen einfuhr. Währenddessen war Bob ums Gebäude gelaufen und über die Feuerleiter in den ersten Stock geklettert. Dort ließ Justus ihn zehn Minuten später durch ein Fenster einsteigen.

Erleichtert lächelten sie an. Doch dann erstarb es, denn beide dachten an Peter. Justus führte sie über das Treppenhaus, das kaum genutzt wurde, in den dritten Stock zu Zimmer 312.

So lautlos wie Schatten traten sie ein. Das Erste, was Bob wahrnahm, waren die vielen Schläuche, das Piepsen von Geräten und das Summen der Maschinen. „O Gott“, murmelte er, presste eine Hand vor den Mund, als er Peter nun sah. Das war furchtbar. Er war so blass, so unendlich blass, als wäre jegliches Leben aus ihm gewichen.

Er torkelte bis zum Stuhl, der neben dem Bett stand. Nur am Rande nahm er wahr, dass Justus sich auf der anderen Bettseite niederließ. Bobs Aufmerksamkeit lag auf seinem Freund und die Tränen schossen ihm bei diesem Anblick ganz von selbst in die Augen. War es zu spät?

Bob nahm eine Bewegung wahr. Ganz langsam streckte Justus seine Hand aus, hielt sie ihm hin und griff mit der anderen nach Peters Hand. Atemlos sah Bob hin. Es dauerte einige Sekunden, bis Bob begriff: Justus wollte sie miteinander verbinden so wie damals beim Ritual, um ihre Lebensenergie zu vereinen.

Es war keine Frage, was er nun tun würde. Es war nie eine gewesen. Er griff nach Justus’ und Peters Händen. Und wenn er sterben würde bei dem Versuch, dann sei es so. Niemals würde er seine besten Freunde im Stich lassen.

Er spürte die Wärme von Justus’ Hand, die im krassen Gegensatz zur Kälte von Peters Hand stand. Was würde nun passieren? Da war so ein Kribbeln in seinem Innern. Er wollte Peter helfen, er wollte ihm unbedingt helfen. Instinktiv konzentrierte er sich auf Peter, wollte etwas von seiner Kraft an ihn abgeben.

Bob spürte plötzlich einen Ruck durch seinen Körper gehen. Etwas tief in seinem Innern flammte auf, stark und kraftvoll pulsierte es in ihm, wirbelte umher und doch floss es; floss zu Peter, dessen Hand so leblos in der seinen lag.

Es schwoll an, wurde immer lauter, waren das Stimmen? War es Musik? War es in ihm oder um ihn herum? Bob wusste es nicht. Er wusste nur, dass es wunderschön war, von einer Strahlkraft, wie er sie noch nie erlebt hatte; zumindest nie bewusst erlebt hatte.

Und dann… schlagartig war es vorbei und alles um ihn herum versank in Schwärze.

???

Als Bob zu sich kam, lag er auf einem weißen Laken. Seine Nase war in Peters Bauch getaucht. Bob blinzelte. Erstes, schwaches Tageslicht schien durch die Jalousien des Zimmers. Peter.

Bobs Blick huschte zu ihm. Er lag noch immer da, blass, so blass. Bob beugte sich über ihn, hörte seine Atmung und mit einer schnellen Bewegung prüfte er seinen Puls an seiner Halsschlagader. Deutlich, regelmäßig, fühlbar, lebendig. Seine Haut war so viel wärmer. Er lebte. Peter lebte.

Und er spürte ihn; er spürte Frieden. Sie waren immer noch verbunden. Diese Tatsache kam mit einem so großen Gefühl der Erleichterung einher, dass es ihn umriss. Die Tränen kamen von ganz alleine, während er nur denken konnte Danke, danke, danke.

Der Schock, den er noch nicht hatte verarbeiten können, schlug nun mit aller Macht zu. Der Gedanke so kurz davor gewesen zu sein, einen seiner beiden besten Freunde zu verlieren, war unerträglich. Den Schmerz, den das mit sich gebracht hatte, hätte Bob niemals in Worte fassen können. Und er wusste, dass dies nichts mit dem zu tun hatte, was vor Jahren geschehen war. Er hätte schon damals ebenso empfunden.

Seine Hände krallten sich in Peters Shirt. „Ich verstehe es“, murmelte er leise. Denn das tat er. Er verstand nun, warum Peter und Just damals im Wald so gehandelt hatten. Es hatte nie eine andere Möglichkeit gegeben. Denn ein Leben ohne einander war für keinen von ihnen denkbar. „Ich verstehe es.“

„Was verstehst du?“ Es war mehr ein Nuscheln, als ein Satz, aber es war eindeutig Peter, der ihn gesprochen hatte. Bob schnellte hoch, sah mit tränenden Augen auf den Mann unter ihm. Peters Augen öffneten sich, langsam, blinzelnd und dann blickte er endlich wieder in diese wunderschönen grünen Augen.

Es geschah aus einem Impuls heraus, ein tiefer Instinkt, der ihn sich wieder nach vorne beugen ließ und Peters Lippen mit einem Kuss verschloss. Sanft küsste er ihn, bewegte seine Lippen gegen seine, intensiv, um keinen Zweifel an seinen Gefühlen zu lassen und doch sanft genug, um Peter, der dem Tod von der Schippe gesprungen war, nicht zu überfordern.

„Bob.“ Wieder war das Wort mehr ein Nuscheln als ein wirklicher Laut. Und noch dazu klang er atemlos. Bob entzog sich dem anderen einen Stück, sah wieder in seine Augen und war einfach nur froh. Seine Hand wanderte an seine Wange. „Du lebst.“

„Ich komme mir eher vor, als würde ich träumen.“ Peter lächelte ihn sanft an und Bob kam sich wie der letzte Idiot vor. Wieso war er so lange geflohen? Alles, was er wollte, war hier.

Fast alles. Er blickte auf, sah sich um. Erst jetzt erkannte er, dass Justus ebenfalls lag, mit seinem Kopf auf der anderen Seite des Bettes nieder gesunken war. Bob fühlte sich selbst noch so schwach, dass er sich nicht traute, aufzustehen. Er streckte seine Hand nach Justus aus, dem nun auch Peter sein Gesicht zuwandte.

Bob legte eine Hand auf die von Justus, spürte so noch deutlicher seine Lebendigkeit, aber auch seine Erschöpfung. Schnell prüfte er seinen Puls, ebenfalls spürbar und ruhig.

Peter erkundigte sich zögerlich, ängstlich: „Was ist mit ihm?“ „Alles gut“, versicherte Bob ihm sofort. Dann blickte er wieder zu Justus. „Just“, sprach er leise, rüttelte sanft an seiner Hand. „Just“, sprach er ihn erneut an.

Diesem entkam ein leises Keuchen, Bob beugte sich näher zu im. „Justus.“ Seine Stimme war leise und doch begannen die Augenlider seines Freundes zu flattern. „Bob.“ Seine Stimme klang so fein, beinahe zerbrechlich und doch so erleichtert. „Geht es dir gut?“

Bob entwich ein schnaubend amüsierter Atemzug. „Du bist derjenige, der noch beinahe ohnmächtig ist.“ Ein schwaches Lächeln huschte über Justus' Züge. Dann sagte Bob: „Ja, mir geht es gut. Und Peter auch.“

„Peter!“ Justus’ Augen wurden groß, er schob sich mit einem Ruck so plötzlich nach oben vorbei, das Bob zurückwich, während Justus’ Augen unentwegt umhersahen und dann ihren Zweiten entdeckten.

Die Erleichterung in Justus’ Gesicht zu sehen, trieb Bob die Tränen in die Augen. „Peter.“ Justus schob sich an ihn ran, wortlos umgriff er seine Wangen und beugte sich hinab. Bob wollte nicht hinsehen, wollte den beiden ihren Moment lassen und doch konnte er seine Augen nicht abwenden, als Justus Peter nun küsste, eindeutig langsam und zärtlich.

„Scheint mein Glückstag zu sein“, murmelte Peter und das ansteckende, so vertraute Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Zwei Küsse in fünf Minuten.“ Justus runzelte die Stirn, schien für einen Moment verwirrt. Doch als Peters Augen kurz zu Bob huschten, wurde es auch Justus klar. Nun blickte er wieder zu Bob. „Du…?“

Wenn Justus Jonas schon nach Worten suchte, war klar, dass er emotional involviert war. Bob atmete tief ein. Er war den beiden eine Erklärung schuldig. „Ich werde euch alles erklären“, begann er. „Aber lasst uns erst aus diesem Krankenhaus raus. Ich kann es hier nicht ausstehen.“

Peter grunzte. „Ich auch nicht. Aber was ist eigentlich passiert?“ Da das Bob auch interessiert, wandte er sich an Justus.

„Woran erinnerst du dich noch?“, wollte Justus wissen. Peter verzog den Mund und legte die Stirn in Falten. Es wäre ein knuffiger Anblick gewesen, hätte der Schock nicht noch so tief gesessen.

„Wir hatten einen Fall“, murmelte Peter. „Es ging um einen Diebstahl. Wir sind dem Täter auf die Spur gekommen.“ Er zog die Augenbrauen kraus. „Aber was dann passiert ist…“ Er schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht mehr.“

Justus ergänzte: „Wir kamen darauf, dass die Beute im Santa Ynez Lake sein muss. Also bist du danach tauchen gegangen. Es lief auch alles gut bis…“ Er presste plötzlich die Lippen aufeinander.

„Offenbar war unser Verdächtiger auch unter Wasser. Wir haben ihn zuvor wegen des dichten Schilfs nicht bemerkt. Laut Aussage der Ärzte wurde dir ein heftiger Schlag auf den Schädel verpasst. Dieser führte zu einer Hirnblutung und erhöhten Schädelinnendruck, was die Bewusstlosigkeit und das Koma auslöste.“

Peter starrte ihn mit großen Augen an. „Wie kam ich aus dem Wasser?“

Justus blickte ihn leidend an. „Ich bin hinter dir her getaucht und konnte dich an Land zerren, aber…“ Er schluckte. „… du hast nicht mehr geatmet.“

Sie alle konnten spüren, wie nahe die Erinnerungen Justus gingen. Peter ergriff seine Hand und Justus sah ruckartig auf, in seinen Augen schimmerten Tränen. „Ich konnte dich beatmen“, sprach er weiter, rang ganz offensichtlich um Fassung. „Aber du kamst nicht zu Bewusstsein und dein Puls wurde schwächer. Also habe ich Cotta angerufen, der einen Krankenwagen schickte und dem Täter nachsetzte. Er hat ihn geschnappt“, informierte Justus knapp.

„Und dann?“, wollte Peter wissen. „Kamst du ins Krankenhaus.“ Peter sah sich um. „Das erklärt das geschmackvoll eingerichtete Zimmer.“ Justus verzog nur kurz den Mundwinkel zu dem Ansatz eines Schmunzelns. „Die Ärzte konnten dich soweit stabilisieren, aber du bist in ein Koma gefallen.“

Peters Augen hefteten sich auf den ersten Detektiv. „Wieso bin ich wieder bei Bewusstsein?“ Plötzlich sahen ihn braune Augen durchdringend an. „Weil Bob kam.“

Nun richteten sich auch grüne Augen auf ihn und Bob erfasste einen kleinen Schauer. Peter blickte von einem zum anderen. „Was habt ihr getan?“ Synchron blickten ihn beide an und Justus streckte eine Hand aus, strich einige der braunroten Haarsträhnen mit einer so liebevollen Bewegung auf seiner Stirn, dass es Bob zutiefst ergriff.

„Just?“, fragte Peter erneut, als dieser immer noch nichts sagte. Bob fühlte sich gewillt zu antworten: „Wir haben unsere Verbindung genutzt.“

Peter blickte ihn ruckartig an. „Ihr…“ Seine Stimme versagte ihm, als er nun fragend von einem zum anderen sah. Justus nickte und auch Bob tat es. „Natürlich“, sagte da Bob. Peters Blick durchdrang ihn förmlich. Plötzlich weiteten sich seine Augen. „Du verstehst es“, murmelte er und Bob fühlte sich ertappt. „Du verstehst es wirklich“, wiederholte er, eindeutig fassungslos.

Bob holte nur tief Luft, dann griff er nach Peters Hand auf der Bettdecke. „Ja“, sprach er ergriffen und angespannt zugleich. Peters Gesicht verwandelte sich in ein riesiges Lächeln. Justus blickte stirnrunzelnd von einem zum anderen. Ihr kranker Freund wandte sich ihm zu. „Bob wirft es uns nicht mehr vor, was wir damals am Shastina gemacht haben.“

Justus’ Augen wurden groß und er blickte von Peter zu Bob, schien den Wahrheitsgehalt dieser Aussage prüfen zu wollen. Und als nun braune Augen zu ihm blickten, war alles, was Bob tun konnte mit unerwartet viel Herzklopfen zu nicken. Es daraufhin in den geliebten braunen Augen glitzern zu sehen, war beinahe zu viel. Er senkte den Blick.

Leise sprach er: „Es zu erleben…“ Er schluckte. „Es zu sehen und zu fühlen…“ Tränen stiegen erneut in ihm auf. Tapfer schluckte er sie runter. Peters Hand an seiner drückte ihn sanft. Er nickte, verstand die Botschaft, zumal er die grenzenlose Zuneigung spürte. Dann blickte er auf. „Ich hätte damals ganz genauso gehandelt. Keine Sekunde hätte ich zugelassen, dass einer von euch“ Er brach ab, presste die Lippen aufeinander und nun streckte ihm auch Justus seine Hand hin und Bob nahm sie.

Sie nickten einander zu, ernst, ergriffen und verstanden sich ohne Worte. Schmerz und Zuneigung wirbelte gleichermaßen durch sie hindurch. Doch allen war bewusst, dass sie einander hatten. Und nie wieder verlieren würden.

Als es plötzlich klopfte, ließen sie sich los. Ein Krankenpfleger war eingetreten. „Was ist denn hier…“, begann er, unterbrach sich aber sofort. „Oh mein Gott!“, rief er. „Sie sind wach, Mister Shaw.“ Der grinste schief. „Bin ich.“ „Ich hole die Ärzte.“ „Aber mir geht es gut“, rief Peter noch, doch der Mann hatte schon kehrt gemacht.

Was folgte, war nervenaufreibend für die drei Fragezeichen, die einfach nur nach Hause wollten. Denn alles dauerte länger als ihnen lieb war. Die Ärzte sprachen von einem Wunder, machten diverse Tests und doch konnten sie nichts mehr feststellen, was einen Aufenthalt gerechtfertigt hätte.

So dauerte es sechs Stunden bis sie es Peter gestatteten nach Hause zu gehen. Bob hatte seinen Käfer vor dem Krankenhaus, sodass sie diesen nahmen, um zum Schrottplatz zu fahren. Reden taten sie nicht, doch das war Bob ganz recht, denn so konnte er seine Gedanken sortierten.

Die kürzlichen Ereignisse hatte alles verändert. Er war bereit gewesen, sich auf seine Kollegen einzulassen. Doch nun war er wild entschlossen, es zu tun. So etwas wie gestern Abend wollte er nie wieder erleben. Er wollte bei ihnen sein, mit ihnen Fällen lösen, denn dann war er dabei und konnte viel schneller eingreifen und helfen. Und auch wollte er seinen Gefühlen für die beiden endlich auf die Spur kommen.

Wenn ihm die letzten Stunden etwas gezeigt hatten, dann, dass er nicht ohne diese beiden sein wollte - und sie mehr liebte als sein eigenes Leben. Sie waren sein Leben.

Es war früher Nachmittag, als sie den Schrottplatz erreichten. Peter ließ sich mit einem Seufzen auf der Veranda nieder. Justus’ Hand legte sich auf seine Schulter. „Ich hole uns was zu trinken und einige Snacks. Dann reden wird.“ Peter sah leicht lächelnd zu ihm auf. Während Justus im Haus verschwand, blickte Bob ihn taxierend an. Peter war immer noch blass und man sah ihm die Erschöpfung deutlich an. „Kann ich dir noch was Gutes tun?“, fragte Bob leise.

Peter sah zu ihm auf. „Schieb mir gerade den Hocker da ran, dann kann ich meine Beine hochlegen.“ Sofort machte Bob sich ans Werk, dann ließ er sich auf der Bank schräg vor Peter nieder. „Bist du sehr erschöpft?“, fragte er leise. „Am Arsch trifft es eher“, antwortete Peter freimütig und auch wenn Bob bis zum heutigen Tag Kraftausdrücke nicht mochte, sah er es ihm doch nach. Wahrscheinlich war es eine akkurate Wiedergabe seines Zustand gewesen.

Justus kam und stellte einige Getränke und Gläser auf den Tisch. Peter lehnte den Kopf ans Polster hinter sich. Für einen Moment schloss er die Augen und Bob betrachtete ihn mit einem unguten Gefühl. Er sah immer noch so erschöpft aus; richtig mitgenommen. „Limo für dich?“, fragte er und Peter nickte. „Ja“, hauchte er und Bob griff zur zuckerarmen Limo und goss Peter ein. „Hier.“ Er hielt Peter das Getränk hin, der leicht die Augen öffnete und es ihm dann abnahm.

Justus kam mit einigen Schüsseln wieder, stellte frisches Obst, Gemüse und Nüsse hin.“ Peter entwich ein Seufzen. „Gesunde Ernährung in allen Ehren. Aber ich habe in den letzten Jahren so sehr darauf geachtet, dass ich nichts gegen ein paar Sünden hätte.“ Justus grinste und zog hinter seinem Rücken eine Tüte Gummibärchen und Chips hervor.

Peters Augen begannen zu strahlen. „Du bist der Beste.“ Justus zwinkerte ihm mit einem „Weiß ich doch“ zu, und legte die Sachen direkt vor Peter auf den Tisch. Während Justus nun bei Nüssen und Wasser zulangte, schließlich achtete er, seitdem er so extensiv Krafttraining machte, auch auf seine Ernährung, tat sich Peter an Chips und Limo gütlich.

Bobs Nerven flatterten viel zu sehr, um jetzt was zu essen. So beschränkte er sich darauf hin und wieder an seiner Cola (Zero, wie er amüsiert feststellte) zu nippen. Bob blickte sich ein wenig um, während die Stille anhielt, die nur von Peters und Justus’ Knabbern unterbrochen wurde.

Unzählige Male hatten sie hier schon gesessen und doch fühlte es sich an, als täten sie es zum ersten Mal. Die Ereignisse der vergangenen Stunden hatten Spuren hinterlassen. Bob holte tief Luft und beschloss, dass es an der Zeit war das lange Schweigen zu brechen.

„Was dein Jobangebot angeht“, begann Bob, der einfach irgendwo anfangen musste. Und dann würde er das zuerst sagen, was ihm am leichtesten über die Lippen ging. Seine beiden Freunde sahen ihn schlagartig an, er spürte ihre Aufregung, welche die seine gleichermaßen befeuerte und beruhigte. Er war nicht allein mit seiner Nervosität.

„Dieses möchte ich annehmen. Ich vermisse unsere Arbeit als Detektive und hier auf dem Schrottplatz kann ich mich sicherlich nützlich machen.“ Er machte eine Geste über die Veranda zum Büro hin. „Die Buchhaltung liegt mir und ich würde auch gerne ein anständiges Inventar führen.“ Er blickte zu seinen beiden Freunden. Diese saßen stumm da, abwartend und Bob konnte es ihnen nicht verdenken. Er hatte so lange geschwiegen. Doch jetzt konnte er es nicht mehr tun.

„Was dein Angebot angeht, hier zu wohnen…“ Er deutete in Richtung Haus. „Auch das kann ich mir vorstellen. Zimmer gibt es ja genug. Und das führt mich…“ Er schluckte. „Zu deinem anderen Angebot.“ Justus’ Miene zuckte kurz, doch sagen tat er nichts. Bob atmete tief durch. Dann wuschelte er sich durchs Haar.

„Es ist genau dieser Teil, der es mir so schwer gemacht hat.“ Er spürte die wachsende Enttäuschung, die Angst, die nicht seine war. „Nein, das ist es nicht“, sagte er und blickte auf. „Es war so schwer für mich zu unterscheiden, was ich schon vor dem Tag im Wald gewollt habe und was erst dadurch entstanden ist. Ihr wisst, dass ich noch nie groß über meine Gefühle gesprochen habe.“ Seine beiden Freunde nickten stumm.

„Es fällt mir schwer und auch jetzt…“ Er schnaufte. „All diese Jahre lag es nicht an meinen Gefühle für euch. Es lag an der Angst, durchschaubar für euch zu sein. Dass ich nichts mehr für mich behalten könnte. Als würde ich mich auflösen, kein Geheimnis mehr haben, nicht ich sein und selbst entscheiden, was ich teilen will und was nicht.“ Er schnaubte bitter. „Es hat bis vor wenige Tage gedauert, das muss ich zugeben, dass ich mich entscheiden konnte, was mir wichtiger ist.“

Er unterbrach sich kurz, dann sagte er auch das noch: „Ich fürchte mich immer noch, dass mir das alles zu intim, zu nah ist. Dafür habe ich keine Antwort. Aber ich weiß, dass ich nicht länger ohne euch sein will.“ Er blickte sie an, die ihn stumm und ergriffen ansahen.

Justus atmetet tief durch und sprach dann: „Wir sind alle Drei Individuen, die ein Recht auf ihre eigene Person mit allem, was das mit sich bringt, haben. Ich habe nicht vor, mich da reinzudrängen. Du bist du, Bob. Und das bleibst du auch.“

Er führte weiter aus: „Zugegeben maßen gestaltet sich das durch die Ereignisse von damals etwas anders und vielleicht auch schwieriger, aber ich habe nicht vor, unsere Verbindung in der Weise zu missbrauchen. Wir haben bisher davon Abstand gehalten, die Gefühle des anderem zu einem Gesprächsthema zu machen und ich möchte mich auch weiterhin daran halten. Wenn jemand Gefühle anspricht, dann immer nur die eigenen. Auch wenn wir wahrnehmen, wie es dem anderen geht, gibt es da doch zu viel Spielraum für Interpretationen, denn die Gründe für die Gefühle, können wir nicht wissen.“

Es war eine Beobachtung, die auch Bob getätigt hatte, aber es so logisch von Justus zu hören, tat einfach gut. Peter nickte etwas schwerfällig. „Dem schließe ich mich an.“ Er rieb sich über die Augen. „Ich bin echt müde, Leute“, meinte er. „Möchtest du ins Bett?“, fragte Justus.

„Bald“, gestand er. „Aber eine Sache würde ich gerne noch klären.“ Er sah von einem zum anderen. „Ich habe verstanden, dass wir hier wohnen und wieder ermitteln werden. Das ist alles schön und gut. Aber was ist mit uns Dreien…“ Er stockte. „… nun ja, privat?“ Keiner von ihnen brauchte vorzugeben, nicht genau zu wissen, wovon Peter sprach.

„Willst du das?“ Er blickte Bob an. „Willst du uns auf diese Art und Weise?“, konkretisierte er. Bob atmete tief durch. Dann leckte er sich über die Lippen. „Ja“, sagte er schließlich. „Jedoch…“ Er spürte die Enttäuschung. „Gebt mir Zeit. Ich werde in den kommenden Wochen alles in die Wege leiten, meinen Job an den Nagel hängen, meine kleine Bleibe in Miami aufgeben und herziehen. Und auch wenn meine Gefühle mich in eine gewisse Richtung ziehen…“ Er unterbrach sich. „Brauche ich doch Zeit, das alles zu verarbeiten, um mich darauf einlassen zu können.“ Fragend und bittend sah er auf.

„Natürlich“, antwortete Justus sofort, doch das kleine Leuchten in seinen Augen ließ Bob wissen, dass er sich freute. Peter nickte. „Geht klar.“ „Danke“, sprach Bob leise. Dann erhob er sich. „Ich werde mich auf den Weg machen.“

„Willst du wirklich heute noch fahren?“, wandte Justus zweifelnd ein. „Wir haben alle ziemlich viel hinter uns. Wenn du möchtest…“ Er stockte kurz. „Das alte Zimmer von Titus und Mathilda ist noch da. Es ist zwar noch nicht fertig renoviert, aber ein neues Bett steht schon drin.“ Bob sah von einem zum anderen, sah die sehnsüchtigen Blicke, aber spürte vor allem in sich selbst den Wunsch zu bleiben. Und bald schlafen zu gehen. „In Ordnung“, sprach er dann und ließ sich wieder nieder.

Peter atmete tief durch. Die Tatsache, dass Bob blieb, erleichterte ihn zutiefst. Er wollte das Gefühl der Gemeinschaft unbedingt aufrecht erhalten. „Erzählt mir ein paar Anekdoten aus unserer Jugend“, bat er. Bob grunzte. „So alt sind wir nun auch noch nicht.“ „Gerade fühle ich mich so.“

Eine Stunde später waren alle drei so müde, dass sie beschlossen ins Bett zu gehen, obwohl noch früher Abend war. Sie standen im Flur vor dem Gästezimmer und wandten sich einander zu. „Schlaft gut“, meinte Bob sanft, der noch irgendwas sagen wollte. „Du auch“, kam es ebenso liebevoll von Justus. „Gute Nacht“, wünschte Peter mit unverhohlener Zärtlichkeit in der Stimme.

Sie tauschten ein letzten Lächeln, ihre Hände glitten aufeinander zu und sie berührten sich, hielten sich kurz an den Händen, dann lief jeder in sein Zimmer, zufrieden, aber auch vollkommen fertig.

???

Am nächsten Morgen frühstückten sie noch zusammen. Peter fühlte sich besser, war aber immer noch etwas schlapper als sonst. Trotzdem konnten sie erneut zusammen lachen. Und dann stand ein Abschied an, den keiner der Drei haben wollte. Bob wusste nun, was er wollte. Er hatte sich entschieden.

Umso schwerer fiel es ihm. Der Gedanke nun erneut zu gehen, behagte ihm nicht. Aber er wusste, sobald er wiederkäme, würde er bleiben. Für immer. Und nun hatte er keine Angst mehr davor. Er war bereit. Und seine Freunde hatten ihm dies mit ihrer Geduld ermöglicht, ihrem unerschütterlichen Vertrauen in ihren Dritten. Dieser Gedanke schnürte ihm vor Emotionen die Kehle zu.

Und so standen sie schließlich im Flur und blickten sich an. „Danke“, sprach Bob leise, ergriffen. Justus legte den Kopf fragend leicht schief. Bob verbalisierte seine Gedanken. „Dafür, dass du all die Jahre gewartet hast. Ihr beide.“ Bob presste kurz die Lippen aufeinander. „Ihr hättet alles Recht der Welt mich zurückzuweisen.“ Er blickte Justus an, denn diese Worte waren für ihn. „Es war grausam dich so lange mit einer Antwort warten zu lassen.“

„Es war schwer“, gestand Justus. „Aber es hat sich gelohnt zu warten.“ Justus lächelte sanft und steckte Bob damit an. „Just“, sprach dieser ergriffen. Er legte eine Hand an die Wange seines Freundes, hielt unentwegt seinen Blick und beugte sich dann langsam vor. „Darf ich?“, hauchte er, kurz bevor sich ihre Lippen berührten.

Die Antwort bestand aus seiner kleinen Bewegung, die doch ausreichte, um ihre Lippen aufeinander zu pressen. Sanft küssten sie sich und Bob spürte ein tiefes Zittern in sich. Noch nie hatte er bemerkt, dass Justus’ Lippen weich und voll waren. Doch als er ihn nun küsste, wurde ihm dies mit kribbelnder Gewissheit deutlich. Freude, Zufriedenheit und Aufregung wuchsen in seinem Innern und er spürte eben jene Gefühle von Justus, aber auch von Peter. Und dass er das konnte, war okay. Es war okay.

Bob nahm mit seinen Zähnen Justus’ Unterlippe zwischen seine, dann löste er sich von ihm mit einem kleinen lustvollen Ziehen. Ein wenig atemlos blickten sie sich an, noch ergriffen von ihrem Kuss.

„Oh man, also wenn ihr das öfter macht, muss ich den Raum verlassen, denn sonst wird das nie was mit dem Verabschieden.“ Dieser Satz mit verzweifelter Inbrunst gesprochen, brachte beide zum Lachen. Sie wandten sich ihrem Zweiten zu, der zwischen ihnen hin und herblickte, dabei verloren, verzweifelt und erregt gleichermaßen aussah. Bestens amüsiert blickten sie ihn an.

„Das ist nicht zum Lachen“, stellte Peter leicht beleidigt fest, vergrößerte damit natürlich jedoch nur das Amüsement der beiden. Justus trat auf ihn zu, zog ihn bei der Hand. „Du musst ja zum Glück nicht nur zuschauen.“ Er zog ihn noch weiter zu sich und küsste dann auch ihn. Bob stand atemlos daneben. Das, was er ersehnte und fürchtete, war zum Greifen nah.

Er spürte, wie ihn dieser Anblick erregte, wie er mehr davon sehen wollte und gleichzeitig Teil davon werden wollte. Er wusste ja, dass Peter und Justus das nicht zum ersten Mal taten. Aber es nun zu sehen, direkt dabei zu sein, war etwas vollkommen anderes. Und es machte ihm auch noch mal deutlich, dass seine Angst, er könnte für die beiden durchsichtig werden, nicht so zutraf wie befürchtet.

Denn obwohl er die sich aufbauende Leidenschaft der beiden spüren konnte, war es doch etwas anderes, sie dabei zu beobachten; zu sehen wie Peters Hand sich in Justus’ Nacken schob, wie sie ihren Kuss ganz natürlich vertieften, wie Justus einen Arm um Peters Taille schlang und ihn ihn mit einem Ruck zu sich heranzog, was Peter ein kleines und eindeutig lustvolles Keuchen entrang, das wiederum Bob sich auf die Lippen beißen ließ.

Die beiden lösten sich voneinander und Peter sprach sanft zu ihm: „Sag Bescheid, wenn du Hilfe beim Umzug brauchst.“ „Mach ich“, bestätigte Bob. „Oder sonst Unterstützung. Wir helfen dir.“ „Na klar“, sicherte Bob zu.

Peter ergänzte: „Und meld dich, wenn du gut angekommen bist.“ Bob sprach neckend: „Ja, Mutter.“ Peters Blick wurde dunkel. „Das ist nicht witzig.“ „Finde ich schon. Und du auch“, widersprach ihm Bob und Peter konnte, wenn auch ein klein wenig schmollend, zugeben: „Ein kleines bisschen vielleicht.“

Und einfach weil Bob es durfte, und weil er es wollte, lehnte er sich vor und küsste Peter. Das Strahlen auf seinem Gesicht zu sehen und die unbändige Freude in seinem Innern zu spüren, waren alles, um Bob zu versichern, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

???

Fortsetzung folgt…

Chapter 15: Der Heimkehrer

Notes:

(See the end of the chapter for notes.)

Chapter Text

Bob schrieb. Täglich schrieb er in ihren Chat. Es kam ihm seltsam vor, dass er das die Jahre zuvor nicht gemacht hatte. Es gab doch so vieles in seinem Leben, das Peter und Justus interessierte.

Wie den Stand der Surf-Wellen am Strand, an dem er jeden Tag vorbeikam; das leckere Frühstück in dem kleinen, etwas versteckten Café, das er vor zwei Jahren entdeckt hatte; das mit Graffiti an eine Hauswand gesprühte Fragezeichen; die Liga-Ergebnisse der Basketballteams in Florida, bei denen einige von Peters härtesten Kontrahenten dabei waren; …

Bob konnte nicht verstehen, wie er all diese Dinge monatelang erlebt und gesehen hatte, ohne sie mit seinen besten Freunden zu teilen. Doch das holte er jetzt nach. Und an den prompten Reaktionen merkte er, dass nicht nur ihm dieser rege Austausch gefiel.

Justus schrieb einige Tage später: Sag mal, weißt du auf Anhieb, was es mit großen Kunstraub auf sich hatte? Es ging um das Stilleben Vanitas von Claesz. Es hing ursprünglich in der Den Haag, wurde aber vor drei Jahren gestohlen und gilt seitdem als verschollen.

Die Spur führte nach Kalifornien. Hältst du es für wahrscheinlich, dass es in einem Zusammenhang mit dem Diebstahl in Santa Barbara steht? Da wurde auch ein Claesz gestohlen.

Es dauerte zwanzig Minuten, dann ließ Bob verlauten: Ich habe gerade mal ein wenig recherchiert. Ausführlich schrieb er seine Erkenntnisse. Anschließend erkundigte er sich: Warum wollt ihr das wissen?
Cotta bat uns einem anonymen Tipp nachzugehen. -Justus
Ich habe euch bei einem Fall geholfen? -Bob
Ja. -Justus
Wie in alten Zeiten! <3
Bob hatte den Text mit Herz abgeschickt, bevor er darüber nachgedacht hatte. Nun saß er hier mit Herzklopfen und fragte sich, was ihn geritten hatte.

Er wusste es natürlich: Das stetig wachsende Gefühl der Verliebtheit, das er seit Tagen empfand, sobald er an die beiden dachte.

???

Es war beinahe ein wenig beschämend. Bob war vier Jahre fort gewesen und als er nun nach Hause kam, passte alles, was er brauchte in seinen alten gelben VW Käfer. Vier Umzugskartons, hauptsächlich voller Bücher, zwei Koffer mit Klamotten, seinen Laptop und einige Erinnerungsstücke waren alles, was er mitbrachte. Er hatte seine Wohnung möbliert abgegeben, hatte lediglich eine große, kuschelige Decke mitgenommen, die ihm seine Mutter einst geschenkt hatte. Er wusste ja, dass er in ein Haus kam, das voll ausgestattet war.

Bin in einer Stunde bei euch, schrieb er in ihren Chat. Die Antwort folgte prompt. Peter ließ verlauten: Bestens, dann hat Justus ja nicht umsonst den Kuchen gebacken.
Bob lachte. Den hättet ihr auch ohne mich gegessen.- Bob
Ich würde gerne widersprechen, bin aber geneigt zu zustimmen. -Justus

Bob ergriff ein sehr warmes Gefühl. Nun ja, bald bin ich da, um mich persönlich von deinen Backkünsten überzeugen zu können. -Bob

„Der Kuchen ist super“, sprach Bob schließlich ehrlich begeistert, als er am späten Nachmittag in der Küche jenes Hauses saß, das von nun an sein eigenes Zuhause sein würde. Liebevoll lächelte er Justus an, da er für diesen Gaumenschmaus verantwortlich war. Der lächelte zurück und Bob bemerkte, wie heftig sein Herz schlug. Das gab es doch nicht.

Jetzt senkte Bob tatsächlich verlegen den Blick und griff zum Kaffee, nur um sich nicht zu verraten. Nervosität war kein Gefühl, das wusste er. Aber die beiden konnten sicherlich seine Aufregung spüren; nur kannten sie den Grund nicht. Es war irgendwie erleichternd hier in ihrer direkten Nähe zu bemerken, dass er zwar durchschaubarer war als ihm das lieb war, aber er nicht so gläsern war wie er immer angenommen hatte.

Während er sich innerlich zur Ordnung rief, trank er seinen Kaffee. Das Bimmeln einer Glocke ließ Bob aufsehen. „Kundschaft“, rief Justus und Peter erhob sich geschmeidig. „Ich geh schon“, meinte ihr sportlicher Freund gut gelaunt und verließ die Küche.

„Hast du einen Bewegungsmelder irgendwo installiert?“, schloss Bob, wenn auch ein wenig ungläubig. Justus nickte. „Es war während der Renovierungsarbeiten einer meiner Einfälle, da wir so beide im Haus arbeiten konnten und dennoch keine Kundschaft durch Abwesenheit vergrault hätten.“

„Und noch immer hast du geniale Ideen“, sprach Bob warm. Ihr Blick hielt an. Da war so viel Zärtlichkeit zu sehen. Und auch etwas anderes, etwas Tieferes und Prickelnderes… Bob räusperte sich. „Es ist schön geworden“, sprach er und blickte sich um.

„Möchtest du die andere Räume sehen?“, bot Justus an. „Gerne.“ Sie erhoben sich und Bob folgte Justus auf den Flur. „Sind das Fotos von Orten, an denen wir mit unseren Fällen waren?“, meinte Bob und deute auf die vielen gerahmten Bilder. Justus nickte und sprach. „Als mir einmal die Idee kam, war ich verblüfft, wo wir schon überall gewesen sind.“

Bob schaute auf ein Bild direkt vor ihm. Er lachte. „Das Dorf der Vampire“, meinte er. „Die Aussicht auf dem Plateau war unglaublich. Ich bin froh, dass du das damals fotografiert hast.“ Er blickte kurz zu Justus. Dann sagte er in Erinnerungen versunken: „Der Wanderausflug war wirklich schön. Bis wir zu diesem unheimlichen Dorf kamen.“

„Solche eine Aussage hätte ich eher Peter zugeschrieben“, meinte Justus leicht neckend, aber gutmütig. „Du musst schon zugeben, dass es ziemlich seltsam da war.“ „Das schon“, stimmte Justus zu.

Bob lief sich neugierig umsehend den Flur entlang. Bilder von Inseln, Grotten, Höhlen, in Gärten und am Strand hingen hier. Und jedes war mit einer Erinnerung verbunden. Ein Teil seines Lebens. Es löste ein tiefes Gefühl der Ergriffenheit in Bob aus. Und dann war da noch das Ölgemälde, das sie einst Samuel Reynolds geschenkt hatten.

Bob wandte sich erstaunt an Justus. „Du hast es zurückbekommen?“ Justus nickte. „Ja. Und dieser Platz hier erschien mir geeignet zu sein, um das Andenken an ihn aufrecht zu erhalten.“ Gleichzeitig wandten sie ihre Blicke wieder dem Bild zu, betrachteten den Schriftzug an der Seite des Schiffes: Samuel. Beide dachten für einige Momente an ihren Freund zurück.

„Das Wohnzimmer sieht komplett anders aus“, meinte Justus dann plötzlich und führte Bob kurz darauf in ihr neues Wohnreich.

„Wow“, sprach Bob, während er sich umsah und die neue Möblierung in Augenschein nahm. „Das ist toll geworden.“ Er lachte, als er den großen Flachbildschirm an der Wand hängen sah. „Darüber freuen sich wohl alle in diesem Haus.“ Justus sah ihn mit funkelnden Augen an.

„Diese Sofalandschaft ist ja auch toll“, meinte Bob mit Blick auf den riesigen Bereich. „Da ist Platz genug für uns alle.“ Zu seiner Überraschung bemerkte er, dass Justus ein wenig verlegen wurde. Der sagte in dem Moment aus dem Zusammenhang gerissen: „Oben ist nur Peters Zimmer verändert worden, aber das soll er dir selbst zeigen. Ich gehe da nur mit Erlaubnis rein. Ist eine Abmachung von uns.“ „Das klingt sinnvoll“, äußerte Bob ein wenig zurückhaltend, doch Justus ging nicht darauf ein.

„Möchtest du dein Zimmer sehen?“, fragte er stattdessen und lenkte Bob damit effektiv ab. „Ihr habt mir ein Zimmer eingerichtet?“ Er war ehrlich verblüfft. „Natürlich. Du sollst ja auch dein eigenes Reich haben. Und da wir hier unten noch ein Zimmer frei hatten, dachten wir uns, das würde dir gefallen.“

Sie schritten gemeinsam zu dem Zimmer. Bob fiel sofort das rote Fragezeichen an der Tür auf. Er lächelte versonnen und berührte es mit seinen Fingern. „War das deine Idee?“, fragte er und deutete darauf. Justus wich seinem Blick aus und Bob spürte, dass ihn ebenfalls eine Aufregung ergriffen hatte, die er sich doch nicht erklären konnte. War Justus nervös?

Justus nickte und Bob lächelte. „Und wieder ein sehr guter Einfall“, sprach er warm. Die braunen Augen begegneten seinen und als sie es taten, war es, als würde für einen Moment die Zeit stehen bleiben. Zärtlichkeit flammte zwischen ihnen auf und der Wunsch, sich endlich näher zu kommen.

Bob wollte sich nicht mehr wehren, wollte nicht mehr negieren, was seit so vielen Jahren in seinem Innern brannte. Er wollte es endlich zulassen. Bob machte einen Schritt auf Justus zu, dann streckte er sich ein Stück. Es brauchte nur eine Sekunde, dann beugte sich Justus zu ihm und ihre Lippen berührten sich.

Der erste Kontakt war da und Bob schob sich an Justus, küsste ihn sofort vehement, wollte keinen Zweifel mehr an seinen Absichten lassen, wollte zulassen, dass er das hier mit ganzem Herzen wollte. Justus entkam ein kleiner überraschter Laut, als Bob so forsch handelte, doch seine Arme umschlossen den schmalen Körper und zogen ihn zu sich.

Bob fühlte sich so sicher wie noch nie in seinem Leben. Alles, was er wollte, war hier, bei ihm, in seiner Nähe. Es fehlte nur noch- die Haustür ging auf und sie wandten sich einem atemlosen Peter zu, dessen Augen groß und neugierig auf sie gerichtet waren.

„Tatsächlich“, rief er, als ob er es nicht glauben könnten. Lächelnd streckte Justus ihm eine Hand entgegen und sofort kam Peter auf sie zu, ließ sich von ihrem Ersten zu ihnen ziehen, wo beiden sofort einem Arm um Peter legten. Der grinste, doch wurde es im nächsten Moment von Justus’ Lippen verschluckt und Bob sah atemlos dabei zu, wie die beiden einen Zungenkuss austauschten.

Er wollte auch. Endlich konnte er zulassen, dass ihn dieser Anblick erregte und sehnsüchtig werden ließ. Die beiden vor ihm lösten sich voneinander und bevor Bob hätte atmen können, kam schon Peter auf ihn zu, näherte sich seinem Gesicht. Bob stürzte vor und küsste seinen Freund so verlangend wie zuvor seinen anderen Freund.

Hatte er gedacht, er brauche Zeit? Bob schüttelte innerlich den Kopf. Er hatte vier Jahre gezögert. Und nun, als er endlich wieder zuhause war, bereit für seine beiden besten Freunde, da konnte es ihm und seinem Körper nicht schnell genug gehen.

Er zog beide zu sich und dann küssten sie sich alle Drei zum ersten Mal gleichzeitig. Es war anders als ein Kuss zu zweit, aber sämtliche Gedanken wurden hinfortgeschwemmt, weil Bob nur noch fühlte. Er war den beiden Menschen, die er so liebte, endlich nahe.

Das Wohlgefühl, das ihn durchströmte, war allumfassend. Und dazu kam noch die grenzenlose Zuneigung, die von Justus und Peter ausging und ihn zutiefst erfüllte. Etwas in ihm wurde heil, vibrierte bei diesem intimen Kontakt, den er nun endlich zulassen konnte. Er war da, wo er sein wollte.

Zitternd löste er sich von ihnen, blickte sie heftig atmend an. „Wenn wir jetzt nicht aufhören“, meinte er, was Peter lächeln ließ, während Justus’ Augen lustvoll aufblitzten. Dann fragte ihr Erster vorsichtig: „Geht es dir zu schnell?“

„Ja und Nein“, erwiderte Bob, ließ ein Stück der Frustration, die er empfand, sichtbar werden. Peter lachte und Justus legte eine Hand an seine Wange. „Du bist hier und das ist alles was zählt. Für alles andere haben wir Zeit.“ Bob nickte mit einem tiefen Atemzug. „Dann möchte ich mir Zeit nehmen.“

Er wandte sich zur Tür, wo ihm das rote Fragezeichen entgegen leuchtete. „Und ich möchte mein Zimmer sehen“, sagte er mit einem Grinsen, das seine Freunde erwiderte. Die Hand auf der Türklinke betrat er zum aller ersten Mal sein neues eigenes Reich.

Und was für ein Reich es war!

Das erste, was ihm auffiel, war die Freundlichkeit und Heiligkeit, die der Raum ausstrahlte. An der Wand links stand neben einem großen Kleiderschrank ein großes Bett, das mit himmelblauer Bettwäsche bezogen war. Er schlief am liebsten in heller Bettwäsche und das wussten Peter und Justus offenbar noch.

Es folgte das Fenster, das mit seichten, lichtdurchlässigen Vorhängen behangen war und lediglich Blick auf den Bretterzaun bot, der immerhin mit maritimen Motiven bemalt war. Rechts vom Fenster stand ein Schreibtisch.

Bob trat weiter ein und wandte sich nach rechts. Erstarrt hielt er inne, erblickte das Bücherregal aus Mahagoni-Holz, das die komplette rechte Wand in Anspruch nahm, maßangefertigt worden war für genau diese Wand. Es war bestückt mit sämtlicher Ausgaben des National Geographic in denen er veröffentlicht hatte und Ausgaben seiner liebsten Bücher: Von Sachbücher über Romanen bis hin zu alten, aber für die Recherchearbeiten unschätzbaren Nachschlagewerken.

„Für mich?“, fragte er baff und wandte sich an seine Freunde. Die nickten nur. Bob Augen wurden groß. „Aber…“ Er stockte. „Das hat ein kleines Vermögen gekostet.“ Allein der Bildband zu den Gemälden der späten Romantiker kostete über 300$. Peter zuckte mit den Schultern. „Ich habe Vermögen“, stellte er sachlich klar. „Du… hast das bezahlt?“ „Na klar. Ich wollte ja, dass du dich hier wohl fühlst.“ Bobs Mund stand offen. Nicht nur die Bücher waren ein Schatz, auch das Regal war einfach wunderschön, blank poliert und edel. Er konnte den Blick kaum abwenden.

Doch als er es tat, entdeckte er noch etwas anders: Gegenüber des Fensters neben der Tür hingen an der Wand rund zehn Fotografien in schlichten, aber geschmackvollen schmalen Silberrahmen. Er erinnerte sich an jedes einzelne von ihnen, denn er hatte sie vor vielen Jahren gemacht, als er das Hobby der Fotografie für sich entdeckt hatte.

Voller Faszination und Staunen ging er darauf zu. „Meine Fotos“, murmelte er ergriffen, sah das Bild, das einen umgekippten Strandkorb am Strand von Rocky Beach zeigte auf dem eine Möwe saß und darauf kackte. Der Himmel war von grauen Wolken zerfurcht, die der Sturm an jenem Tag erbarmungslos über den Himmel peitschte. Er hatte dieses Bild immer geliebt, da es melancholisch und humorvoll zugleich war.

Justus ergriff das Wort: „Ich habe sie beim Aufräumen in der Zentrale gefunden. Sie waren künstlerisch so ansprechend und ich erinnerte mich, dass sie dir damals viel bedeutet haben, also habe ich sie entwickelt.“ „Sie sind wunderschön“, staunte Bob. Er hob den Kopf und blickte zu seinen beiden Freunden. „Danke.“ Spontan, selbst für seine Verhältnisse, zog er sie in eine Umarmung. „Das ist in der Tat ein Zuhause.“ Alle drei spürten die Rührung, die in Bob aufstieg, doch nicht nur ihm ging es so.

Um nicht gleich in Tränen auszubrechen, sprach Peter: „Dann lass uns mal alles ausladen. Dann kannst du dich einrichten.“ Diesen Vorschlag nahmen alle drei nur zu gerne an.

„Es gab mal eine Zeit, wo du dich über das viele Kistenschleppen beschwert hättest“, neckte Peter ihren Ersten, als sie kurz darauf jeder mit einer Kiste von Bobs Auto zurück in sein Zimmer liefen. Justus ließ sich nicht ärgern. „Das wäre ungünstig, da ich nun einen Schrottplatz führe und es da immer was zu schleppen gibt.“

Er atmete kurz ein, dann fragte er: „Oder beschwerst du dich darüber, dass ich dieses als zusätzliches Krafttraining nutze?“ Peters Augen funkelten, als seine Augen verlangend über Justus’ Oberkörper glitten. „Nicht im geringsten.“ „Gut, dann hör auch mich zu ärgern“, stellte Justus klar. Peter fragte ihn neckend amüsiert: „Ist das ein Befehl als mein Chef oder mein Freund?“ „Beides.“ Peter lachte und Bob spürte mit Faszination und Amüsement, dass von seinen beiden Freunden nichts als Zuneigung und Freude ausging.

Es dauerte noch einiges Hin- und Herlaufen, dann hatten sie Bob alles in sein Zimmer gebracht. Der wollte nun in Ruhe auspacken. Derweil ging Peter auf den Schrottplatz und Justus kümmerte sich um ein Abendessen.

Als sie dieses schließlich in ihrer Küche verschmaust hatten, sprach Justus mit recht feierlicher Stimme: „Es gibt was zu feiern.“ Neugierig blickten ihn seine Freunde an. „Ich war heute Vormittag beim Notar.“

Er holte ein Dokument vom Sideboard und hielt es ihnen stolz hin. „Der Schrottplatz und dieses Haus gehören nun uns.“ Peter lachte. „Du meinst, dir“, korrigierte er ihn. Justus blickte ihn schweigend an. Etliche Sekunden blickte er seinen Freund nur an, dessen Lächeln ein wenig unsicherer wurde, je länger Justus diesen unerwartet intensiven Blickkontakt aufrecht erhielt.

„Auf dem Papier, vielleicht“, sprach er dann. „Aber für mich gehört beides uns Dreien.“ Die Welle der Emotionen erfasste sie alle drei. Sie wussten in diesem Augenblick, dass das hier echt war. Der Beginn eines neuen Lebens, das sie alle wollten. Freude mischte sich mit Melancholie, Liebe mit Nostalgie und Hoffnung.

„Klingt, als sollten wir anstoßen“, brach Bob die Schwere der Situation. Peter grinste ihn an. „Für solche Fälle habe ich immer eine große Auswahl Eiscreme vorrätig.“ Bob gluckste. „Wo lagert ihr die denn?“ Justus schnaubte. „Im Waschkeller hat Peter so ein riesiges Monstrum an Eistruhe hingestellt. Damit haben wir auf jeden Fall immer genug zu essen im Haus.“

„Und offenbar Eiscreme“, warf Bob gut gelaunt ein. Kurz darauf saß jeder vor einem großen Teller mit mehreren Sorten. Justus rief, etwas Schokoladeneis auf dem Löffel: „Auf uns, Hausbesitzer und Firmeneigentümer.“ Er hielt den Löffel empor und Peter und Bob stießen mit ihren Löffeln an, als wären es Sektgläser.

Gut gelaunt machten sie sich über den Nachtisch her, doch die unterschwellig liebevolle, ergriffene Stimmung blieb bestehen.

Als alles verputzt war, sie noch einen koffeinfreien Kaffee getrunken hatten, erhob sich Bob. „Ich werde wunderbar schlafen heute Nacht.“ Er gähnte hinter vorgehaltener Hand. Dann blickte er seine beiden Freunde an, wünschte ihnen sanft: „Gute Nacht.“ Beide erwiderten ebenso. „Gute Nacht“ Der wandte sich zum Gehen.

„Bob?“ Justus’ Stimme hielt ihn zurück. „Es tut gut, dass du da bist.“ Mit einem letzten lieben geteilten Lächeln verschwand Bob aus der Küche. Peter und Justus blickten sich an, beide spürten, wie glücklich sie waren - endlich war Bob bei ihnen.

Peter beugte sich zu Justus, küsste ihn sanft, während sie enger zusammen rückten und Peters Hand über Justus’ Oberarm streichelte. „Müssen wir uns auch zurückhalten, nur weil unser Dritter noch nicht bereit ist?“, nuschelte Peter gegen Justus’ Lippen.

„Müssen wir nicht. Aber auch mir wäre jetzt eher nach schlafen.“ Peter seufzte leise. „Na gut, dann werde ich noch ein bisschen am Auto in der Einfahrt rumbasteln. Das bringt mich auf andere Gedanken.“ Justus lächelte, bevor er zärtlich sprach: „Wird es bestimmt. Gute Nacht.“ Er gab Peter noch einen Kuss, dann lief er die Treppe hinauf in sein Zimmer. Peter sah seinem Partner hinterher, lächelte, denn eine tiefe Zärtlichkeit hatte ihn ergriffen. Bob war zurückgekehrt, Justus war glücklich und er war es auch.

Zwei Stunden hatte er an dem Auto gewerkelt bis er soweit zufrieden war, dass auch er schlafen gehen konnte. Allerdings musst er erst duschen. Was hatte ihn das Arbeiten zum Schwitzen gebracht. Die Ruhe im Haus, als er die Treppe hinaufstieg, war so wohltuend wie die kühle Nachtluft.

Das angenehm kühle Wasser, das er kurz danach über seinen Körper fließen ließ, war ein wohltuender Kontrast zu seinen erhitzten Muskeln. Und während er sich gründlich einseifte, allen Schmutz und Schweiß abspülte, kamen auch jene Gefühle wieder auf, die ihn so oft unter der Dusche ereilten.

Sein Hand glitt immer wieder hinab, berührte seine eindeutig interessierte Körpermitte mit leichten, neckenden Bewegungen. Konnte er…? Bob und Justus schienen zu schlafen, zumindest empfing er keine irgendwie auffälligen Gefühle. Und da allein die Vorstellung es zu tun für eine deutlich gesteigerte Lust sorgte, wagte Peter den Sprung.

Kraftvoll umgriff er sich, brauchte nur wenige Berührungen, um richtig geil zu sein. Doch die Überlegung, dass seine Partner, Freunden und Kollegen schlafen würden, erwies sich eine Sekunde später als dramatische Fehleinschätzung!

Oh Gott! Peter warf den Kopf zurück, denn er spürte die Erregung der beiden. Und er fühlte ebenso, dass sie genau das taten, was auch er tat. Zwar waren sie räumlich getrennt, doch die Nähe, die herrschte (es waren schließlich Luftlinie nur sieben Meter zu Justus’ Bett und zwanzig Meter zu Bobs Bett) machte es dennoch so intensiv als wären sie in einem Raum.

Es war ein Umstand, der Peter dermaßen zu Kopf stieg (besser gesagt in die Lenden), dass er noch härter wurde und die Bewegung seiner Hand automatisch intensivierte. Er spürte die Auswirkungen, die seine gesteigerte Lust auf Justus und Bob hatte, wenige Sekunden später.

Und zu fühlen, wie Bobs Ekstase sich so heftig steigerte, zu erleben wie selbst Justus nichts gegen die Leidenschaft in seinem Innern tun konnte, sondern sich ihr einfach hinab, war unglaublich erregend.

„Oh Gott“, wimmerte Peter nur noch, weil er bis zum Zerreißen gespannt war. Seine Hand wurde noch schneller, er konnte dem Druck nicht mehr standhalten. Mit einem lauten Stöhnen, das immerhin vom Rauschen des Wasser gedämpft wurde, kam Peter so heftig, dass seine Knie zitterten und er sich trotz der Kälte mit dem Rücken an die Fliesen hinter sich lehnte.

Noch während er die letzten Züge seines Orgasmus erlebte, gipfelte das Gefühl erneut, weil Bob seinen Höhepunkt erreichte. Peter entkamen nur leise, wimmernde Laute, seine Knie zitterten erneut und die eigentlich verausgabte Härte in seiner Hand zuckte erneut.

Peter atmete heftig und doch war kein Ende in den Sicht, denn - er stöhnte erneut und dieses Mal sank er an den Fliesen herab, weil ihn nun seiner Beine wirklich nicht mehr trugen - Justus kam.

Keuchend und zitternd saß er am Boden der Duschtasse, während er spürte, wie sich alle Drei von den Auswirkungen dieses Erlebnisses nur langsam erholten. Peter fühlte sich vollständig erschlagen, hundemüde, aber sehr beglückt.

Er brauchte noch ein paar Minuten bis er sich in der Lage fühlte aufzustehen, das Wasser abzudrehen und sich anzuziehen. Sein letzter Gedanke, als er kurz darauf ins Bett fiel, war: Willkommen zuhause, Bob. Dann war er eingeschlafen.

???

„Ist Bob noch nicht wach?“ Peter blickte fragend zu Justus, als er gerade in die Küche kam. „Vielleicht musste er nach deiner Aktion von letzter Nacht etwas länger schlafen.“ Justus’ Blick war eine Mischung aus Tadel und Genuss.

Peter entschloss sich Letzterem zu folgen. Er schlenderte auf Justus zu, grinste breit, was diesen die Augenbrauen heben ließ. Er trat direkt vor ihn, überragte ihn nach all den Jahren immer noch um etwa zehn Zentimeter. Er schob sich an ihn heran und fragte amüsiert und einen Hauch verführerisch: „Möchtest du dich beschweren?“

Er griff an Justus vorbei nach dem Becher Kaffee, der bereits für ihn bereit stand. Er sah die Erregung in Justus’ Augen, musste sie nicht erst spüren. Bevor seinem eloquenten Freund eine passende Erwiderung einfiel, küsste er ihn.

Sanft berührten sich ihre Lippen. Peter spürte, wie Justus ein tiefes Seufzen entkam und sich eine Hand in Peters Shirt vergrub. Der lächelte in ihren Kuss und vertiefte ihn, ein erstes lustvolles Ziehen erwachte in seinem Innern. Und damit war er nicht allein. Beide lösten sich gleichzeitig voneinander, blickten sich an. „Bob ist wach“, sprach Peter das aus, was beide fühlten. Sie grinsten.

„Dann bringen wir ihm mal eine Tasse Kaffee vorbei“, erbot sich Peter. „Wie uneigennützig von dir“, spottete Justus. „Hey“, beschwerte sich Peter, zwinkerte aber, als er kurz darauf mit Bobs Tasse zu dessen Zimmer schlenderte. Er klopfte. Doch niemand öffnete.

„Bob?“, fragte er. „Bob?“ Das rief auch Justus auf den Plan. Der klopfte noch mal, dann öffnete er dir Tür. Das Zimmer war leer. Irritiert blickten sie sich an. Sie spürten doch, dass er in der Nähe war.

„Dann bleibt nur noch…“, murmelte Justus und lief zielstrebig aus dem Haus und auf das kleine Häuschen am Rande des Schrottplatzes zu: Das Büro. Er öffnete die Tür und tatsächlich… da saß Bob, Brille auf der Nase und über die Bücher gebeugt. „Guten Morgen“, sprach er und sah auf. „Ich dachte, ich mache mich mal mit der Buchhaltung vertraut.“ Peter und Justus starrten ihn an.

„Stimmt was nicht?“, wollte Bob wissen, den das Starren seiner Kollegen irritierte. Justus machte auf dem Absatz kehrt, verließ das kleine Büro und ließ zwei verwirrte Männer zurück. Sie spürten Justus’ Aufgewühltheit, aber weder Peter noch Bob verstanden den Grund. „Ich schaute nach ihm“, rief Peter doch Bob sagte: „Warte, Peter!“ Der sah ihn an. „Ich würde das gerne machen, aber Justus noch einen Moment Zeit geben.“

Peter überlegte, dann lächelte er. „Es tut gut, dass du wieder da bist. Ich hatte vergessen, wie gut uns Dreien deine Ausgeglichenheit tut.“ Bob lächelte zurück, das Kompliment war angekommen.

Dann kam Peter näher: „Und, was machen die Bücher?“, fragte er mit Blick auf die Papiere vor Bob und das geöffnete Computerprogramm. Der Blonde wandte sich um, wuschelte sich durchs Haar, während seinen Lippen ein Seufzen entkam. „Da gibt es einiges aufzuräumen und neu zu systematisieren. Aber zum Glück“ Er schob seine Brille in einer süßen Geste höher auf seine Nase. „Mach ich das gerne.“

Peter stellte ihm lächelnd den Kaffee hin. „Für mich?“, fragte Bob überrascht. „Na klar, mit reichlich Milch, aber ohne Zucker. So wie du ihn magst.“

Peter wollte sich schon wieder umwenden, als Bobs Hand plötzlich seine umfasste. Verblüfft blickte er Bob an. Der sah sanft zu ihm auf. „Danke.“ Da war so viel Zärtlichkeit in Bobs Blick. „Gerne“, lächelte Peter und folgte seinem Instinkt, beugte sich hinab und gab Bob einen kurzen, flüchtigen Kuss. Ihre Augen strahlten einander an, als ihre Lippen sich voneinander lösten. „Bis später“, sprach Peter und verließ mit einem sanften Lächeln und mit vor Freude hüpfendem Herzen das Büro.

So froh Peter war, so aufgewühlt war Justus. Bob spürte es, doch er zwang sich zur Ruhe. So trank er erst seinen Kaffee, der genau nach seinem Geschmack war, wie er mit einem Lächeln feststellte und machte bei den Büchern weiter.

Schließlich erhob er sich, streckte sich und lief hinaus auf den Schrottplatz. Das Klacken, das aus der Freiluftwerkstatt ertönte, verriet ihm deutlich, wo Justus war. Er folgte dem Geräusch und fand seinen Freund an einem alten Radio arbeiten. Er trat etwas näher, wusste dass Justus seine Anwesenheit bemerkt hatte, denn ein leichtes Unbehagen schlug ihm entgegen.

So neutral und vorsichtig wie möglich fragte Bob: „Magst du mir sagen, was los ist?“ Noch einige Zeit schraubte Justus weiter und Bob beschloss einfach zu warten. Er hatte Justus schließlich auch warten lassen.

Schließlich blickte er auf. Mit einem Seufzen legte er den Schraubendreher weg und meinte dann: „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du dich schon so frühzeitig in die Arbeit stürzen würdest.“ Es war alles, was er sagte und so erkundigte sich Bob ein wenig irritiert: „Und diese Tatsache lässt dich weglaufen?“

Justus zuckte mit den Schultern und sprach ein wenig zurückhaltend: „Offensichtlich.“ Doch Bob ließ sich nicht abschrecken. Daher fragte er: „Warum?“ Justus’ Lippen pressten sich aufeinander sein Blick huschte kurz zu seiner Arbeit, dann richtete er sich auf Bob. Leise sprach er: „Weil es bedeutet, dass du bleibst; dass du wirklich bleibst.“ Wieder war Justus verstummt und Bob sah seinen Freund lange an.

Er äußerte ein Vermutung: „Die letzten Jahre waren schmerzhaft für dich, oder?“ Das bejahte sein Freund sofort: „Ja, denn…“ Er zögerte einen Moment, dann blickte er Bob feste in die Augen: „Ich habe euch schon vor dem Ritual geliebt.“

Diese Aussage verblüffte Bob nun wirklich. Ein überraschtes „So lange schon?“ kam ihm über die Lippen. “Seit wann?“, wollte er dann wissen.

Justus zuckte mit den Schultern. „Es passierte schleichend. Bewusst wurde es mir bei als wir nach dem Fall mit den Puppen am Strand waren.“ „Ich erinnere mich“, meinte Bob. „Das war doch der Fall mit dem Drogenschmuggel.“ Justus nickte. Bobs Augen wurden groß, denn ihm wurde etwas klar: „Mein Weggang muss unvorstellbar schmerzhaft gewesen sein“, stellte Bob erschüttert fest. „Euer“, korrigierte ihn Justus und Bobs Augen wurden noch größer, sein Herz voller Mitgefühl. Er ließ sich auf einer Kiste nieder.

„Und du hast nie was gesagt wegen…“ Er stockte, denn die Antwort wurde ihm schlagartig bewusst: „… meiner Gefühle.“ Justus entließ einen gedehnten Atemzug. „Auch. Du hast dich damals verraten gefühlt, fühltest dich vollkommen durchschaubar für uns. Und ich weiß, wie emphatisch du eigentlich bist. Nun unsere Gefühle spüren zu können, hat Druck aufgebaut, hat das Gefühl nicht mehr autonom handeln und entscheiden zu können, enorm verstärkt. Wenn ich nun mitgeteilt hätte, wie traurig mich das alles macht, hättest du nie wieder frei entscheiden können.“

„Aber wieso ist mir dieses Gefühl entgangen?“ Justus atmete schwer. „Das weiß ich nicht. Vielleicht spüren wir unsere Gefühle nicht so klar, wie wir immer dachten.“ Er zuckte mit den Schultern. „Wir hatten nie die Gelegenheit es zu testen und genauer zu bestimmen.“

Bob nickte nachdenklich. „Und wie geht es dir jetzt?“ Sanfte Augen blickten in seine. „Ich bin vorsichtig optimistisch“, sprach Justus langsam, vorsichtig, zurückhaltend. Plötzlich machte es in Bob Klick. „Mich die Bücher machen zu sehen, hat diese Hoffnung befeuert.“

Justus sah ihn lange an, atmete tief durch, dann nickte er. Bobs Blick wurde noch milder. „Es tut mir leid, dass du all die Jahre gelitten hast und ich es nicht bemerkt habe.“ „Es war nicht deine Aufgabe“, stellte Justus ruhig fest.

Doch Bob widersprach: „Als dein Freund schon. Wirfst du es mir vor?“ „Nein, es sind meine Gefühle“, beteuerte Justus vollkommen akzeptierend.

„Trotzdem“, widersprach Bob. „Ich…“ Er verstummte. Ihm wurde klar, dass nicht nur er es schwer gehabt hatte. Das Ritual hatte für sie alle ihre Welt auf den Kopf gestellt. Er erkannte erst jetzt, dass er nicht der Einzige gewesen war, der Schwierigkeiten in dieser Zeit gehabt hatte.

„Hattest du Sorge, wir würden von deinen Gefühlen erfahren?“, fragte er. Justus’ Antwort war vollkommen ehrlich: „Jeden einzelnen Tag.“ Es war eine erschütternde Antwort, die Bob traf und die er doch aushalten musste. „Wieso bist du nicht verbittert?“

Justus schüttelte den Kopf. „Das liegt nicht in meiner Natur. Ich finde mich mit Tatsachen ab.“

„Ich wünschte, ich hätte das auch gekonnt. Stattdessen brauchte es erst Peters beinahe“ Er unterbrach sich. Allein der Gedanke daran, dass Peter vielleicht hätte sterben können, ließ ihn sich bodenlos fühlen.

Nun sah Bob hinab, spürte Tränen in sich aufsteigen. „Ich schäme mich so. Ich habe euch diesen Schmerz so lange zugemutet.“

„Dir auch“, gab Justus zu bedenken. „Ja.“ Er sah mit tränenden Augen auf. „Es tut mir leid.“ Doch Justus schüttelte den Kopf. „Entschuldige dich nicht für deine Gefühle. Sie hatten ihren Berechtigung.“

„Kannst du mich nicht einfach anschreien, anstatt so verständnisvoll zu sein?“, fragte Bob mit verkniffenem Lächeln. Justus sah ihn mit einem vorsichtigen Lächeln an. „Auch das liegt nicht in meiner Natur.“

„Ich liebe dich.“ Es brach aus Bob hervor wie ein Sturm. Justus starrte ihn an, seine Augen unentwegt auf Bob gerichtet, dann traten auch in seine Augen Tränen.

Bob schluckte und murmelte: „Ich würde dich jetzt gerne umarmen.“ „Ja“, war alles, was Justus zustande kriegte. Mit lächelnden Augen voller Tränen traten sie aufeinander zu und schlossen einander in die Arme.

Feste hielten sie sich, schwelgten in dem Gefühl der Liebe, die sie füreinander empfanden und dem Schmerz, der noch in ihnen brannte. Doch jetzt waren sie zusammen. Und das war alles, was für beide zählte.

???

Fortsetzung folgt…

Notes:

Ab sofort gibt es neue Kapitel immer montags und donnerstags. :)